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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 6 UF 87/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1579 Nr. 7
ZPO § 323 Abs. 2
ZPO § 323 Abs. 4
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

6 UF 87/01 (PKH)

In der Familiensache

wegen Unterhaltsabänderung

hier: Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts

am 14. November 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Beklagten wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 13. Juni 2001 - 22 F 218/01 - verweigert.

Gründe:

I.

Die am 17. Mai 1985 geschlossene Ehe der Parteien ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 14. März 1997 - 10 F 133/96 - geschieden worden. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, der Sohn geboren am 29. Januar 1987, sowie die Töchter geboren am 5. Juli 1989, und geboren am 13. Juni 1993. Die Kinder leben im Haushalt der Beklagten, der anlässlich der Scheidung die elterliche Sorge übertragen worden war.

Durch Prozessvergleich vor dem Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis vom 14. März 1997 - 10 F 133/96 - hat sich der Kläger verpflichtet, an die Beklagte monatlichen Nachehelichen- und Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen: 750 DM für die Beklagte, 360 DM für, 360 DM für und 280 DM für. Nach Ziffer 2 des Prozessvergleichs sind die Parteien hierbei von nachfolgenden Voraussetzungen ausgegangen: bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers: 3.160 DM - Fahrtkosten: 110 DM - Gewerkschaftsbeitrag: 39 DM + Realsplittingvorteil: 270 DM - Selbstbehalt: 1.500 DM = Verteilungsmasse: 1.750 DM. Die Parteien waren sich weiter einig, dass der Prozessvergleich für die Dauer von zwei Jahren nicht abänderbar sein sollte.

Der Kläger hatte den genannten Prozessvergleich mit Eingang im April 1997 hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts angefochten und beim Familiengericht auf Feststellung angetragen, dass der Prozessvergleich insoweit nichtig ist. Hilfsweise hatte er Abänderung des Prozessvergleichs dahin erstrebt, dass er lediglich noch Kindesunterhalt schulde.

Das Familiengericht hat durch Urteil vom 25. Juli 1997 unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich vom 14. März 1997 beendet ist. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Saarländische Oberlandesgericht durch Urteil vom 22. Juli 1998 - 9 UF 130/97 - zurückgewiesen.

Der am 24. Juni 1962 geborene, heute also 39 Jahre alte Kläger war von Dezember 1988 bis zum 30. Juni 2001 bei der Firma Homburg, beschäftigt. Im Zeitraum vom 1. August 2000 bis 30. April 2001 hat er lediglich Krankengeld von monatlich 2.322,52 DM bezogen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma ist zum 30. Juni 2001 einvernehmlich beendet worden. Seit 1. Juli 2001 ist der Kläger arbeitslos und erhält Arbeitslosenhilfe.

Die am 30. Juni 1966 geborene, heute also 35 Jahre alte Beklagte bezieht Unterhaltsgeld von monatlich 906,85 DM. Zum 1. Juli 1999 hat sie eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Lebensgefährten, Herrn bezogen, den sie spätestens Anfang 1997 kennengelernt hatte. Herr hat im April 1997 an der Kommunionfeier der Kinder und teilgenommen. Im Jahr 1998 hat er einen gemeinsamen Urlaub mit der Beklagten verbracht.

Durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den genannten Prozessvergleich vom 14. März 1997 entsprechend dem Klagebegehren dahin abgeändert, dass der Kläger der Beklagten ab 1. August 2000 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.

Die Beklagte bittet um Prozesskostenhilfe für ihre hiergegen gerichtete Berufung, mit der sie - wie bereits erstinstanzlich - völlige Klageabweisung erstrebt.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.

II.

Der Beklagten ist die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für ihre Berufung zu verweigern, weil ihr Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 114 ZPO).

Das angefochtene Urteil hält im Ergebnis den Berufungsangriffen stand.

Im Zeitraum vom 1. August 2000 bis 30. April 2001 war der Kläger zur Zahlung des titulierten nachehelichen Unterhalts schon nicht leistungsfähig. Jedenfalls für den Zeitraum ab 1. Mai 2001 teilt der Senat die Auffassung des Familiengerichts, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB gegeben sind, die vorliegend zu einer vollständigen Versagung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten führen.

Handelt es sich bei dem abzuändernden Titel - wie hier - um einen Prozessvergleich, erfolgt die in §§ 323 Abs. 4, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehene Anpassung mangels besonderer Vereinbarungen über die Abänderbarkeit nach den aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätzen über den Fortfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, FamRZ 1995, 187), wovon das Familiengericht zutreffend ausgegangen ist. Ob eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist, bestimmt sich nach dem der Einigung zugrunde gelegten Parteiwillen, der im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Auslegung kann dann beurteilt werden, welche Auswirkungen sich aus Umständen ergeben, die sich anders als erwartet entwickelt haben (vgl. BGH, a.a.O.).

Nach diesen Maßgaben ist für den Zeitraum vom 1. August 2001 bis 30. April 2001 zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht mehr das gemäß Ziffer 2 des Prozessvergleichs der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegte monatliche Nettoeinkommen von 3.430 DM hatte, sondern lediglich noch ein monatliches Krankengeld von (netto) 2.322,52 DM bezog. Unter Berücksichtigung des Gewerkschaftsbeitrags von 39 DM und des titulierten - nach dem Prozessvergleich für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts vorweg in Abzug zu bringenden Kindesunterhalts von (360 DM + 360 DM + 280 DM =) insgesamt 1.000 DM verbleibt ein Einkommen von 1.283,52 DM, das unter dem Selbstbehalt des Klägers liegt. Danach verschuldet der Kläger der Beklagten im Zeitraum vom August 2000 bis April 2001 bereits wegen Leistungsunfähigkeit keinen nachehelichen Unterhalt.

Jedenfalls für den sich anschließenden Zeitraum ab 1. Mai 2001 liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB vor.

Nach den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof für einen Ausschluss, eine Herabsetzung oder eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB aufgestellt hat (vgl. BGH, FamRZ 1995, 540 ff; FamRZ 1989, 487 f, jeweils m.w.N.), können dessen Voraussetzungen auch erfüllt sein, wenn das von dem Unterhaltsberechtigten zu einem neuen Partner auf Dauer angelegte Verhältnis zu einem solchen Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit führt, dass die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und des damit verbundenen Eingriffs in seine Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltsverpflichteten unzumutbar wird (vgl. BGH, FamRZ 1995, 540, 543; FamRZ 1989, 487, 490). Ein gemeinsamer Haushalt ist hierfür keine notwendige Voraussetzung (vgl. BGH, FamRZ 1984, 986, 987; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 1474).

Dem sich hierauf berufenden Kläger ist auch unter den von der Beklagten vorgetragenen Umständen jedenfalls im Zeitraum ab 1. Mai 2001 nicht zuzumuten, weiterhin nachehelichen Unterhalt zu zahlen:

Die Beziehung der Beklagten zu Herrn hat sich mittlerweile derart verfestigt, dass von einer festen sozialen Verbindung auszugehen ist (vgl. BGH, FamRZ 1997, 671, 672). Die Beklagte pflegt bereits seit über vier Jahren (vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 1121, m.w.N.) eine enge menschliche Beziehung zu Herrn (gemeinsamen Teilnahme an der Kommunionfeier im April 1997, gemeinsamer Urlaub im Jahr 1998, gemeinsames Verbringen der Wochenenden), mit dem sie seit Juli 1999 - am 1. Mai 2001 somit nahezu zwei Jahre - in einer gemeinsamen Wohnung lebt. Aus der Sicht der Öffentlichkeit erweckt das geschilderte Erscheinungsbild den Eindruck, dass die Beklagte mit Herrn auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft lebt und die beiden diese Lebensform bewusst auch für ihre weitere Zukunft gewählt haben.

Das Bestehen der verfestigten sozialen Verbindung führt vorliegend zu einer vollständigen Versagung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten. Zwar ist auf Seiten der Beklagten die Dauer der Ehe mit dem Kläger und die Erziehung der drei gemeinsamen Kinder zu berücksichtigen; jedoch stehen Kindesbelange vorliegend nicht entgegen, da die Beklagte inzwischen über eigene (ihren eheangemessenen Bedarf übersteigende) monatliche Einkünfte verfügt und unter weiterer Berücksichtigung ihrer Haushaltsgemeinschaft mit ihrem Lebensgefährten nicht in finanzielle Not geraten wird. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, ob ihre Einkünfte aus überobligationsmäßiger Tätigkeit stammen (vgl. Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rz. 1576, m.w.N.). Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1993, 1450) hat auch nicht dargetan, dass ihr Lebensgefährte nicht über ausreichende Einkünfte verfügt, um eine gegebenenfalls bestehende Bedarfslücke zu decken.

Soweit die Beklagte vorbringt, sie sei an multipler Sklerose erkrankt, weshalb ihr Unterhalt nicht nachhaltig gesichert sei, so kommt ein Wiederaufleben ihres Unterhaltsanspruchs in. Betracht, den sie - wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen (vgl. hierzu: Eschenbruch, a.a.O., Rz. 1579 ff, m.w.N.) - im Wege einer neuen Klage geltend machen kann (vgl. Eschenbruch, a.a.O., Rz. 1581, m.w.N.).

Schließlich steht vorliegend die Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO schon deshalb der Zulässigkeit der Geltendmachung des Tatbestandes der Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 7 BGB nicht entgegen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess (vgl. Eschenbrach/Klinkhammer, a.a.O., Rz. 4365) - hier: am 1. Juli 1998 vor dem Saarländischen Oberlandesgericht - die Beziehung zwischen der Beklagten und ihrem Lebensgefährten allenfalls rund 1 1/2 Jahre bestand, sodass das für die Annahme einer festen sozialen Verbindung notwendige Zeitmoment von mindestens zwei bis drei Jahren (vgl. hierzu: Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 1121; Eschenbruch, a.a.O., Rz. 1641, jeweils m.w.N.) noch nicht erfüllt war.

Nach alldem hat das Familiengericht den Prozessvergleich vom 14. März 1997 im Ergebnis zutreffend dahin abgeändert, dass der Kläger der Beklagten ab 1. August 2000 keinen nachehelichen Unterhalt verschuldet.

Da das Rechtsmittel der Beklagten danach keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, war ihr die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu verweigern (§ 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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