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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 6 WF 51/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 323
ZPO § 572 Abs. 3
BGB § 1570
BGB § 1578 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

6 WF 51/08

In der Familiensache

wegen Abänderungsklage

hier: Beschwerde gegen die Verweigerung von Prozesskostenhilfe

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Sittenauer als Einzelrichter

am 2. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 8. Mai 2008 - 13 F 25/08 UE - aufgehoben, soweit dem Antragsteller die für die beabsichtigte Klage nachgesuchte Prozesskostenhilfe insofern verweigert worden ist, als er eine Abänderung des vor dem Amtsgericht - Familiengericht - in Homburg am 18. Juli 2007 abgeschlossenen Vergleichs - 9 F 66/06 UEUK - dahingehend erstrebt, dass er ab Rechtshängigkeit an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von nicht mehr als monatlich 501 EUR zu zahlen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - in Homburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Die Gebühr gemäß Nr. 1811 KV (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1) sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist der . Februar 1998 geborene Antragsgegner zu 2) hervorgegangen. Er lebt bei der Antragsgegnerin zu 1) und wird von dieser betreut. Am 18. Juli 2007 schlossen die Parteien vor dem Amtsgericht - Familiengericht - in Homburg einen Vergleich - 9 F 66/06 UEUK -, worin sich der Antragsteller verpflichtet hat, 877 EUR für den Unterhaltszeitraum bis Juli 2007 sowie ab August 2007 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 254 EUR und nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 623 EUR zu zahlen.

Der Antragsteller erstrebt die Abänderung des Vergleichs dahingehend, dass er nicht verpflichtet ist, den Unterhaltsrückstand in Höhe von 877 EUR sowie - ab Rechtshängigkeit - nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Er hat im Januar 2008 einen diesbezüglichen Klageentwurf eingereicht und bittet um Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage. Er hat vorgetragen, dass hinsichtlich der Unterhaltsrückstände die Aktivlegitimation fehle, weil der Anspruch auf die ARGE des <Ort> übergegangen sei. Nachehelicher Unterhalt sei nicht mehr geschuldet, da die Antragsgegnerin zu 1) vollschichtig erwerbstätig sein müsse, nachdem der Antragsgegner zu 2) 10 Jahre alt geworden sei, und daher ihren Lebensbedarf selbst erwirtschaften könne. Der Antragsgegnerin zu 1) stehe ein Unterhaltsanspruch in Höhe von maximal 222 EUR monatlich zu, welcher der Höhe nach und zeitlich zu begrenzen sei.

Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten. In dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er seinen Prozesskostenhilfeantrag weiter verfolgt. Er trägt vor, dass der Antragsgegnerin zu 1) ein fiktives Einkommen von monatlich mindestens 1.200 EUR zuzurechnen sei. Die Antragsgegner verteidigen den angefochtenen Beschluss. Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat insofern einen vorläufigen Erfolg, als der angefochtene Beschluss teilweise aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen ist.

Dem Antragsteller kann mit der Begründung des Familiengerichts die für die beabsichtigte Klage nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht vollständig mangels Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) verweigert werden.

Gerichtliche Vergleiche können nach § 323 ZPO abgeändert werden, wenn eine wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eingetreten ist, die die Vergleichsgrundlage gebildet haben und deshalb die Parteien unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nach Treu und Glauben nicht mehr wie bisher an dem Vergleich festgehalten werden dürfen (vgl. BGH, FamRZ 2001,1687; FamRZ 1995, 665; Senatsurteil vom 24. Juni 2004 - 6 UF 77/03; Senatsbeschluss vom 4. August 2004 - 6 WF 45/04; Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 8, Rz. 169 ff, m. w. N.).

Danach hat die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg, soweit sich der Antragsteller gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhaltsrückständen in Höhe von 877 EUR (Ziffer 1 des Vergleichs) wendet. Insofern hat das Familiengericht zu Recht darauf abgestellt, dass hier eine Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten sei, da der Anspruchsübergang bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs vorgelegen habe. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde auch nicht.

Soweit die beabsichtigte Klage darauf gerichtet ist, den titulierten nachehelichen Unterhalt herabzusetzen, hat sie teilweise Aussicht auf Erfolg.

Die grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers beruht auf § 1570 BGB, weil davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin zu 1) durch die Kinderbetreuung daran gehindert ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann von der Antragsgegnerin zu 1) unter Berücksichtigung des Alters des Antragsgegners zu 2) eine Vollzeittätigkeit nicht erwartet werden. Hieran hat sich auch durch die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform nichts geändert. Zwar wird der Antragsgegner zu 2) unstreitig tagsüber in der Grundschule Bexbach betreut, so dass der Antragsgegnerin zu 1) hinreichend Zeit verbleibt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass ein zehnjähriges, die Grundschule besuchendes Kind in erheblichem Maß der Förderung und Hilfe bei Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten bedarf, weil es noch nicht die nötige Reife besitzt, um diese Angelegenheiten weitgehend unabhängig von der Unterstützung der Eltern selbstständig zu regeln (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Mai 2008 - II-2 WF 62/08). Umstände, die vorliegend eine hiervon abweichende Beurteilung erfordern könnten, sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Daraus ergibt sich, dass die Antragsgegnerin zu 1) neben der Führung des Haushalts und ihrer Erwerbstätigkeit auch noch die Betreuung des Antragsgegners zu 2) gewährleisten muss, was für sie nach wie vor einen erheblichen zusätzlichen Aufwand bedeutet. Unter diesen Umständen begegnet es keinen Bedenken, wenn das Familiengericht für die Antragsgegnerin zu 1) lediglich eine Erwerbstätigkeit im Umfang von fünf Stunden pro Arbeitstag für zumutbar hält.

Zu Recht rügt der Antragsteller allerdings, dass das Familiengericht nur in Betracht zieht, dass der Antragsgegnerin zu 1) ein fiktives Einkommen in Höhe von monatlich maximal 500 EUR zuzurechnen sei. Denn bei einer Teilzeitbeschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von fünf Stunden pro Tag ist - jedenfalls im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage - von einem erzielbaren Einkommen der Antragsgegnerin zu 1) in Höhe von monatlich 750 EUR netto auszugehen, wobei sich dieser Betrag daran orientiert, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Antragstellers die Antragsgegnerin zu 1) bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Rechtsanwaltsgehilfin monatlich 1.200 EUR netto verdienen könnte.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1) kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihrer Erwerbsobliegenheit durch ausreichende, wenngleich erfolglose Bewerbungen nachgekommen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Anzahl der vorgelegten Bewerbungen den Anforderungen gerecht wird, denn jedenfalls fehlt ein hinreichendes Bemühen um eine Arbeitsstelle schon deshalb, weil die Antragsgegnerin zu 1) sich offensichtlich nicht um eine Stelle als Rechtsanwaltsgehilfin beworben hat, obwohl sie über eine diesbezügliche Ausbildung verfügt. Es kann daher unter den gegebenen Umständen nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin zu 1) trotz zumutbarer Anstrengungen noch keine Anstellung gefunden hat. Dies rechtfertigt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens.

Bei der Unterhaltsberechnung ist zu berücksichtigen, dass eine Abänderung des Vergleichs nur unter der Wahrung der Vergleichsgrundlage möglich ist. Diese ergibt sich aus dem Hinweisbeschluss des Familiengerichts vom 6. Juni 2007 - 9 F 66/06 UEUK -, auf den im Vergleich ausdrücklich Bezug genommen wird. Danach bleiben auf seiten des Antragstellers die nunmehr von ihm in Ansatz gebrachten Beiträge zu den Rentenversicherungen bei der XXX Versicherung in Höhe von insgesamt 133 EUR monatlich außer Betracht, weil diese Belastungen im Vergleich nicht berücksichtigt worden sind, obwohl sie damals bereits bestanden haben, wie sich aus den hierzu vorgelegten Versicherungsscheinen vom 10. Januar 2007 (Bl. 29 ff d.A.) ergibt.

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt errechnet sich daher wie folgt, wobei der Kindesunterhalt nach den hier zu Grunde zu legenden Einkommensverhältnissen des Antragstellers, wie sie sich aus der Lohnsteuerbescheinigung für 2007 (Bl. 33 d.A.) ergeben, in die Berechnung eingestellt wird:

 Jahresbrutto 49.829,55 EUR
./. Lohnsteuer - 11.485,00 EUR
./. Solidaritätszuschlag - 570,18 EUR
./. Kirchensteuer - 829,36 EUR
./. AN-Anteil GRV - 4.949,45 EUR
./. AN-Anteil übrige Sozialversicherung - 4.419,49 EUR
./. Arbeitskammerbeitrag - 64,06 EUR
Jahresnetto 27.512,01 EUR
Monatsnetto 2.292,67 EUR
./. IG.Metall - 32,00 EUR
./. Fahrtkosten - 48,00 EUR
bereinigtes Nettoeinkommen 2.212,67 EUR
./. Kindesunterhalt (DT 2008, II, 3+1) - 371,00 EUR
1/2 Kindergeld 77,00 EUR
maßgebliches Nettoeinkommen 1.918,67 EUR
./. Fiktives Einkommen der Antragsgegnerin - 750,00 EUR
Differenz 1.168,67 EUR
Bedarf (3/7) 500,86 EUR

Daraus ergibt sich ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich rund 501 EUR. Da in dem abzuändernden Vergleich insoweit monatlich 623 EUR tituliert sind, kann der beabsichtigten Abänderungsklage die Erfolgsaussicht nicht gänzlich abgesprochen werden. In diesem Umfang kommt daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Betracht, so dass der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben ist.

Wegen des weitergehenden Antrags der beabsichtigten Klage hat die Verweigerung der Prozesskostenhilfe indes bestand. Insbesondere kommt unter den gegebenen Umständen auch eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs wegen Unbilligkeit nach § 1578 b BGB nicht in Betracht. Dies folgt vorliegend schon daraus, dass die eingeschränkte Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin zu 1) auch weiterhin darauf beruht, dass sie ein gemeinsames Kindes betreut und zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann, wann und in welchem Umfang eine Ausweitung der Berufstätigkeit möglich sein wird, da dies von der weiteren Entwicklung abhängt, deren Verlauf jedoch ungewiss ist.

Der Senat hält eine eigene Entscheidung nicht für sachdienlich und verweist die Sache gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurück, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind, nachdem das Familiengericht - aus seiner Sicht konsequent - die Kostenarmut des Antragstellers nicht geprüft hat.

Der Kostenausspruch beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO sowie Nr. 1811 KV (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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