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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.03.2004
Aktenzeichen: 7 U 616/03
Rechtsgebiete: ZPO, AnfG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546
AnfG § 2
AnfG § 3
AnfG § 3 Abs. 1 n.F.
AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 2 a.F.
AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 3 a.F.
AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 4 a.F.
AnfG § 3 Abs. 2 n.F.
AnfG § 4 n.F.
AnfG § 11
AnfG § 12 a.F.
BGB § 364
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

7 U 616/03

Verkündet am 9. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 17.2.2004 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Holschuh, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Fries

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.9.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az. 1 O 113/02, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung in einen 1/2-Anteil an nachstehendem Grundstück, eingetragen im Grundbuch von A. Band 59, Blatt 1871, Flur 2, Nr., Hof- und Gebäudefläche, , groß : 2, 10 Ar, Flur 2, Nr., Hofraum, daselbst, groß: 0,37 Ar zu dulden, wegen Ansprüchen der Klägerin gegen Herrn R. M. (geb. am4.1961) auf Zahlung von 92.891,08 € (= 181.679,17 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Diskontsatz ab dem 6.5.1998, und auf Kosten im Betrag von 397,53 € (= 777,50 DM) aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Saarbrücken vom 3.9.1998, Az. 6 B 3546/ 98 sowie 41,57 € (= 81,30 DM) gemäß Vollstreckungsprotokoll vom 20.10.1998 der Gerichtsvollzieherin R. L., Az. DR II 1576/98.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 93.330,18 € festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

A.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 18.9.2003, Az. 1 O 113/02, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 96 ff d.A.) die auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den hälftigen Anteil näher bezeichneten Grundstücks wegen einer gegen den Ehemann der Beklagten bestehenden Forderung in Höhe von 92.891,08 Euro nebst Zinsen sowie Kosten in Höhe von 397,53 Euro und 41,57 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz insgesamt nicht vorlägen. Eine Anfechtung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG a.F./ § 3 Abs. 2 AnfG n.F., § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG a.F./ § 4 AnfG n.F., § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F./ § 4 AnfG n.F. komme wegen Verfristung nicht in Betracht.

Die Klage könne aber auch nicht erfolgreich auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F./ § 3 Abs. 1 AnfG n.F. auf eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligungsabsicht gestützt werden. Zwar sei ein solcher Anspruch nicht verfristet (§ 12 AnfG a.F./ § 3 Abs. 1 AnfG n.F.). In der Übertragung des dem Schuldner an dem gemeinschaftlichen Hausanwesen zustehenden hälftigen Miteigentumsanteils auf die Beklagte liege auch objektiv eine Gläubigerbenachteiligung, denn auf diese Weise sei die Möglichkeit der Klägerin, sich aus dem Vermögen des Schuldners - hier des Zeugen M., des Ehemannes der Beklagten- zu befriedigen, beeinträchtigt worden. Die Klägerin habe jedoch nicht den Nachweis geführt, dass der Schuldner insoweit mit dem Vorsatz gehandelt habe, seine Gläubiger zu benachteiligen, wobei insoweit bedingter Vorsatz ausreiche. Danach genüge es, dass der Schuldner, falls sein Handeln auf einen anderen Zweck gerichtet sei, eine Gläubigerbenachteiligung als mögliche Folge seines Vorgehens erkenne und billige. Hiervon könne indes nicht ausgegangen werden. So habe der Zeuge M. ausgesagt, durch die Übertragung des Hausanteils auf die Beklagte hätten keine Vermögensgegenstände dem Zugriff der Klägerin entzogen werden sollen; Grund für die Übertragung sei gewesen, dass der Beklagten, die das Hausanwesen wegen seiner damaligen hohen Verschuldung bereits seit geraumer Zeit allein abbezahlt habe, das Hausanwesen auch allein habe gehören sollen. Auf ein zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten des Zeugen M. könne auch nicht auf Grund sonstiger Umstände geschlossen werden. Zwar habe der Zeuge M. unstreitig seit Mai 1997 keine Rückzahlungen auf die von ihm aufgenommenen Darlehen mehr geleistet, auch handele es sich bei dem übertragenen hälftigen Miteigentumsanteil um den einzigen relevanten Vermögensgegenstand des Zeugen M.. Allerdings sei eine Kündigung der Darlehen sowie eine Titulierung der Ansprüche erst nach Abschluss der notariellen Verträge erfolgt und habe ein Zugriff der Klägerin in diesen Vermögensgegenstand in absehbarer Zeit nicht bevorgestanden, zumal der Zeuge M. unwiderlegt noch in dem fraglichen Zeitraum mit einem Sachbearbeiter der Klägerin über eine Zinslosstellung der Darlehen für drei bis vier Monate gesprochen habe. Ein entsprechender Vorsatz des Zeugen M. ergebe sich auch nicht aus dem Inhalt des notariellen Vertrages vom 8.1.1998 (Bl. 17 ff d.A.). Dabei könne dahinstehen, ob den dort ausbedungenen Auflagen Entgeltcharakter zukomme. Denn mangels anderweitiger Umstände genüge dies nicht, eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Zeugen M. anzunehmen. Auch könne im Streitfall nicht von einer sog. inkongruenten Deckung ausgegangen werden, weil die Beklagte durch die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils genau das erhalten habe, was ihr auf Grund des notariellen Vertrages zugestanden habe, insoweit entspreche das Erfüllungsgeschäft dem obligatorischen Geschäft.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass -entgegen der Auffassung des Erstgerichts- die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F./ § 3 Abs. 1 AnfG n.F. vorlägen und insbesondere eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht gegeben sei; insoweit lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass das Landgericht , das sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen habe, dessen Würdigung vollständig und rechtlich möglich sein müsse und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen dürfe, diese Vorgaben nicht beachtet habe und deshalb eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht verneint habe. Soweit das Landgericht nämlich den Schluss gezogen habe, zu dem Zeitpunkt, als der notarielle Vertrag abgeschlossen worden sei, habe der Zeuge mangels Kündigung der Darlehen bzw. Titulierung von Forderungen nicht davon ausgehen müssen, dass mit ernsten Konsequenzen der Gläubigerin zu rechnen sei, und deshalb habe der Zeuge ohne Hintergedanken in Bezug auf eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht über seinen Immobilienanteil verfügen können, widerspreche eine solche Annahme jeglichen Erfahrungen im Wirtschaftsleben. Vor entsprechenden Maßnahmen des Schuldners sei die Absicht für den Gläubiger nicht erkennbar. Fakt sei jedoch, dass der Schuldner seit Mai 1997 keine Rückzahlungen auf die Darlehen mehr erbracht habe und nach eigenem Bekunden auch keine Chance sehe, in Zukunft etwas zurückzuzahlen. Die angesprochene Stundung und Zinslosstellung der Darlehen sei mangels Erfolgsaussicht nicht erfolgt, wobei sich das entsprechende Ansinnen des Zeugen M. im Nachhinein als Täuschungsversuch zum Zwecke der Zeitgewinnung darstelle. Spätestens zu diesem Zeitpunkt und damit auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages habe der Schuldner im Hinblick auf vorgenannte Umstände mit einer Kündigung und Zwangsmaßnahmen seitens der Gläubigerin rechnen müssen. Der clevere Schuldner rette bei einer solchen Sachlage sein Vermögen vor dem Zugriff des Gläubigers, bevor der Ernstfall eintrete. Die Annahme des Gegenteils sei weltfremd und widerspreche jeder Lebenserfahrung. Auch stelle der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Insolvenz und Übertragung des Immobilienanteils ein sicheres Indiz für eine Gläubigerbenachteiligung dar.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 18.9.2003, Az. 1 O 113/02, die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in einen 1/2-Anteil an nachstehendem Grundstück, eingetragen im Grundbuch von A. Band 59, Blatt 1871, Flur 2, Nr., Hof- und Gebäudefläche, , groß : 2, 10 Ar, Flur 2, Nr., Hofraum, daselbst, groß: 0,37 Ar zu dulden, wegen Ansprüchen der Klägerin gegen Herrn R. M. (geb. am4.1961) auf Zahlung von 92.891,08 € (= 181.679,17 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Diskontsatz ab dem 6.5.1998, und auf Kosten im Betrag von 397,53 € (= 777,50 DM) aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Saarbrücken vom 3.9.1998, Az. 6 B 3546/ 98 sowie 41,57 € (= 81,30 DM) gemäß Vollstreckungsprotokoll vom 20.10.1998 der Gerichtsvollzieherin R. L., Az. DR II 1576/98.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 17.2.2004 Bezug genommen.

B.

1.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel ist fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 Abs. 2 ZPO. Die Begründung entspricht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 513, 520 Abs. 3 ZPO. Danach kann das Rechtsmittel der Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechfertigen, wobei diese Umstände in der Berufungsbegründung dargelegt werden müssen (§ 520 Abs. 3 ZPO).Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass - entgegen der Auffassung des Erstgerichts- die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F./ § 3 Abs. 1 AnfG n.F. vorlägen und insbesondere eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht gegeben sei; insoweit lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass das Landgericht, das sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen habe, dessen Würdigung vollständig und rechtlich möglich sein müsse und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen dürfe, diese Vorgaben nicht beachtet habe und deshalb eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht verneint habe. Soweit das Landgericht nämlich den Schluss gezogen habe, zu dem Zeitpunkt, als der notarielle Vertrag abgeschlossen worden sei, habe der Zeuge mangels Kündigung der Darlehen bzw. Titulierung von Forderungen nicht davon ausgehen müssen, dass mit ernsten Konsequenzen der Gläubigerin zu rechnen sei, und deshalb habe der Zeuge ohne Hintergedanken in Bezug auf eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht über seinen Immobilienanteil verfügen können, widerspreche eine solche Annahme jeglichen Erfahrungen im Wirtschaftsleben. Vor entsprechenden Maßnahmen des Schuldners sei die Absicht für den Gläubiger nicht erkennbar. Fakt sei jedoch, dass der Schuldner seit Mai 1997 keine Rückzahlungen auf die Darlehen mehr erbracht habe und nach eigenem Bekunden auch keine Chance sehe, in Zukunft etwas zurückzuzahlen. Die angesprochene Stundung und Zinslosstellung der Darlehen sei mangels Erfolgsaussicht nicht erfolgt und das entsprechende Ansinnen des Zeugen M. stelle sich im Nachhinein als Täuschungsversuch zum Zwecke der Zeitgewinnung dar. Spätestens zu diesem Zeitpunkt und damit auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages habe der Schuldner im Hinblick auf vorgenannte Umstände mit einer Kündigung und Zwangsmaßnahmen seitens der Gläubigerin rechnen müssen. Der clevere Schuldner rette bei einer solchen Sachlage sein Vermögen vor dem Zugriff des Gläubigers, bevor der Ernstfall eintrete. Die Annahme des Gegenteils sei weltfremd und widerspreche jeder Lebenserfahrung. Auch stelle der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Insolvenz und Übertragung des Immobilienanteils ein sicheres Indiz für eine Gläubigerbenachteiligung dar.

Mit diesem Vorbringen macht die Klägerin Rechtsverletzungen im Sinne von § 546 ZPO geltend (vgl. Baumbach-Lauterbach- Albers, ZPO, 60. Aufl., § 546, Rdnr. 1, 2 ff, m.w.N.).

2.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Denn die Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F./ § 3 Abs. 1 AnfG n.F. liegen vor.

a.

Rechtshandlungen eines Schuldners können außerhalb des Konkursverfahrens nach Maßgabe der Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes angefochten werden (§ 1 AnfG). Nach § 2 AnfG ist zur Anfechtung jeder Gläubiger befugt, welcher einen vollstreckbaren Titel erlangt hat, sofern die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners fruchtlos versucht worden ist oder voraussichtlich fruchtlos sein würde.

Beide Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin verfügt über einen Vollstreckungstitel (Vollstreckungsbescheid des Amtgerichts Saarbrücken vom 3.9.1998, Az. 6 B 3546/98, Bl. 6 d.A.). Ein Zwangsvollstreckungsversuch verlief erfolglos (Vollstreckungsprotokoll der GV L. vom 20.10.1998, Bl. 24 d.A.). Unstreitig ist der Schuldner vermögenslos.

b.

Die Anfechtung ist im Berufungsrechtszug auf den Anfechtungsgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG gestützt.

aa.

Die 10-Jahresfrist für die Anfechtung ist gewahrt, § 3 Abs. 1 Nr. 1, 12 AnfG a.F., § 3 Abs. 1 AnfG n.F. Der notarielle Übertragungsvertrag wurde am 8.1.1998 abgeschlossen (Bl. 17 ff d.A.) und die Eintragung ins Grundbuch erfolgte am 7.12.1998 (Bl. 33 d.A.), die Anfechtung wurde von der Klägerin mit vorprozessualem Schreiben vom 28.2.2002 erklärt und Klage am 19.4.2002 zugestellt (Bl. 43 d.A.).

bb.

Das Geschäft ist nach § 3 Abs. 1 AnfG - Absichtsanfechtung - anfechtbar, wenn die nachfolgend genannten und von der Klägerin darzulegenden bzw. nachzuweisenden (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 9.Aufl.,§ 3, Rdnr. 30; OLG Koblenz, OLGReport Koblenz 1998, 170; OLG Köln, OLGR Köln 2000, S. 286 ) Voraussetzungen vorliegen:

- eine Rechtshandlung des Schuldners, die zu einer

- mindestens mittelbaren Gläubigerbenachteiligung führt und

- in Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen sein muss,

- sowie die Kenntnis des anderen Teils (der Beklagten) hiervon.

Es liegt ein notarieller Übertragungsvertrag vor, der durch den Eigentumsübergang auch vollzogen wurde, also ein Rechtsgeschäft.

Dadurch wurde vom Grundsatz her die Zugriffsmöglichkeit der Klägerin auf das Vermögen des Schuldners (Zeugen M.) eingeschränkt, sie wurde also benachteiligt. Dass eine Zwangsvollstreckung in das fragliche Grundstück ohnehin erfolglos geblieben wäre, kann nicht festgestellt werden, hierfür liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor (vgl. BGH NJW 1984, 1968, 1988, 3265). Zwar fehlt es anerkanntermaßen an der erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung immer dann, wenn etwa der Schuldner eine schon vorher wertausschöpfend dinglich belastete Sache veräußert hat, wobei es in diesem Zusammenhang nicht auf den Nominalwert der Belastungen, sondern darauf ankommt, in welcher Höhe sie noch Forderungen sichern (Huber, aaO, § 1, Rdnr. 39, m.w.N.; BGH, ZIP 1999, S. 196 ff; OLG Köln, OLGR Köln 2000, S. 286).Dafür, dass in diesem Sinne eine wertausschöpfende Belastung vorgelegen hat, ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. Bl. 81 d.A. ).

Darüber hinaus reicht auch eine nur mittelbare Benachteiligung aus. Das heißt, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Anfechtungsprozesses muss sich das Geschäft als für den Gläubiger nachteilig darstellen, wenn dies nur ursächlich auf die anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners zurückzuführen ist (vgl. Huber, a.a.O., § 3, Rdnr. 20; BGH NJW-RR 1988, 827). Unter Berücksichtigung dessen liegt insgesamt eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor.

Weiterhin muss die Rechtshandlung in Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen worden sein und die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt haben. Dafür, ob auf Seiten des Ehemannes der Beklagten eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorlag und ob dies der Beklagten bekannt war, ist ebenfalls in vollem Umfang die Klägerin beweispflichtig (Huber, a.a.O. Rdnr. 30, 21 ff, m.w.N.; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 170; OLG Köln, aaO). Benachteiligungsabsicht ist dabei nicht als Absicht im strafrechtlichen Sinne zu verstehen. Es genügt bedingter Vorsatz, also das Bewusstsein des Schuldners, seine Handlungsweise könne sich zum Nachteil aller oder eines Gläubigers auswirken, wenn er diese Folge in Kauf nimmt. Ist jedoch das angefochtene Geschäft ein sogenanntes inkongruentes Deckungsgeschäft, so liegt darin in aller Regel ein erhebliches Beweisanzeichen für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners und die Kenntnis des anderen Teils davon, wenn dieser weiß - was freilich im allgemeinen nicht zweifelhaft sein wird - dass er eine inkongruente Deckung erhält (Huber, a.a.O. Rdnr. 12, 29, 33/ 34 ff m.w.N.; BGH NJW 1993, 1796; BGH, NJW 1999, S. 1395 = ZIP 1999, S. 196 ff; BGH, ZIP 2002, S. 85 ff, m.w.N.; OLG Bremen, Urteil vom 26.6.2000, Az. 5 U 89/99, m.w.N.; OLG Düsseldorf, WM 1993, S. 122 ff).Von inkongruenter Deckung spricht man, wenn der Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung erhält, die er nach dem ursprünglichen Schuldverhältnis nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (vgl. § 30 Nr. 2 KO a.F.).

Auf der Grundlage des sich im Berufungsrechtszug darstellenden Sach- und Streitstandes ist davon auszugehen, dass der Schuldner bei der Vornahme des streitgegenständlichen Geschäftes in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat und die Beklagte hiervon Kenntnis hatte.

Soweit Landgericht auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme sowie Würdigung der tatsächlichen Umstände zu dem Ergebnis gelangt ist, dass nicht nachgewiesen sei bzw. keine hinreichenden Indizien dafür vorlägen, dass der Zeuge M. in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat, ist der Senat an diese Feststellungen nicht gebunden; gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht eine Bindungswirkung an die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nämlich nur, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte, die der Berufungsführer in der Berufungsbegründungsschrift aufzeigen muss (§§ 513, 520 Abs. 3, S. 2, Ziffer 3 ZPO), Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Anhaltspunkte liegen zum Beispiel vor bei Übergehen eines Beweisantrages, Verkennen der Beweislast, unauflösbaren Widersprüchen zwischen dem Protokoll der Vernehmung und den daraus gezogenen Schlüssen sowie Verstößen der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, aaO, § 529, Rdnr. 3).

Derartige Anhaltspunkte hat die Klägerin hinreichend dargetan. Die Klägerin stützt sich darauf, dass das Landgericht bei der Würdigung der Umstände, die für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht sprechen, gegen allgemeine Erfahrungssätze bzw. die Lebenserfahrung verstoßen habe; Fakt sei nämlich dass der Schuldner seit Mai 1997 keine Rückzahlungen auf die Darlehen mehr erbracht habe und nach eigenem Bekunden auch keine Chance sehe, in Zukunft etwas zurückzuzahlen. Die angesprochene Stundung und Zinslosstellung der Darlehen sei mangels Erfolgsaussicht nicht erfolgt, wobei sich das entsprechende Ansinnen des Zeugen M. im Nachhinein als Täuschungsversuch zum Zwecke der Zeitgewinnung darstelle. Spätestens zu diesem Zeitpunkt und damit auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages habe der Schuldner im Hinblick auf vorgenannte Umstände mit einer Kündigung und Zwangsmaßnahmen seitens der Gläubigerin rechnen müssen. Der clevere Schuldner rette bei einer solchen Sachlage sein Vermögen vor dem Zugriff des Gläubigers, bevor der Ernstfall eintrete. Die Annahme des Gegenteils sei weltfremd und widerspreche jeder Lebenserfahrung. Auch stelle der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Insolvenz und Übertragung des Immobilienanteils ein sicheres Indiz für eine Gläubigerbenachteiligung dar.

Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen, die vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Die Anwendung allgemeiner Erfahrungssätze bzw. eine Abweichung hiervon sind nachprüfbar (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, aaO, § 546, Rdnr. 8, m.w.N.); die Nachprüfung führt im Streitfall zu einer abweichenden Beurteilung. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts sprechen hinreichende Indizien und damit ein allgemeiner Erfahrungssatz für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners -des Zeugen M.- und eine Kenntnis des anderen Teils - der Beklagten- hiervon. Ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und eine Kenntnis des anderen Teils hiervon liegt nämlich immer dann vor, wenn es sich um ein inkongruentes Deckungsgeschäft handelt (s.o.).Um ein inkongruentes Deckungsgeschäft handelt es sich immer dann, wenn der Gläubiger durch das anfechtbare Rechtsgeschäft eine Sicherung oder Befriedigung erhält, die er nach dem ursprünglichen Schuldverhältnis nicht oder nicht in der Art oder zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Insbesondere nicht in der Art zu beanspruchen hat der Gläubiger eine Befriedigung bei Hingabe an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber (§ 364 BGB), also Lieferung von Waren oder Hergabe von Kundenwechseln oder Forderungsabtretung statt der vereinbarten Barzahlung (vgl. Huber, aaO, Rdnr. 10; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, S. 170 ff; vgl. auch Baur/Stürner, Insolvenzrecht, 3.Aufl. § 19 III 2.b).

Auch im Streitfall liegt in dem notariellen Übertragungsvertrag vom 8.1.1998 ein inkongruentes Deckungsgeschäft. Wie die Beklagte selbst vorträgt, bestanden in dem streitentscheidenden Zeitraum erhebliche Unterhaltsverbindlichkeiten des Zeugen M. gegenüber der Beklagten und den beiden gemeinsamen Kindern mit der Folge "erheblicher Zahlungsforderungen" der Beklagten gegenüber dem Zeugen M. (Bl. 52 d.A.); des weiteren bestanden Ausgleichsansprüche der Beklagten wegen der alleinigen Bedienung der gemeinschaftlichen - nicht streitgegenständlichen- Darlehen (sog. Hauskredite, Bl. 52 d.A.). Ein Anspruch auf Befriedigung dieser unter Umständen bestehenden Zahlungsansprüche durch Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem gemeinschaftlichen Hausanwesen stand bzw. steht der Beklagten jedoch nicht zu. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ehemann der Beklagten, der Zeuge M., auf der Grundlage der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen - und ohne den Abschluss des angefochtenen Übertragungsvertrages- berechtigt sein sollte, die der Beklagten zustehenden Zahlungsansprüche auf andere Weise als durch Zahlung zu befriedigen; insoweit liegen insbesondere auch keine Umstände vor, die den Schluss zuließen, dass diese Beteiligten eine entsprechende Vereinbarung zu einem Zeitpunkt getroffen haben, als der Schuldner -der Zeuge M.- noch zahlungsfähig war. Anerkanntermaßen kann zwar die bezeichnete Indizwirkung einer inkongruenten Deckung entfallen, wenn sie bereits zu einer Zeit vereinbart wird, in welcher der Schuldner zweifelsfrei liquide ist oder - aus Sicht des Gläubigers - zu sein scheint. Darauf, ob gegen den Schuldner bereits ein Titel vorhanden ist bzw. gerichtliche Maßnahmen, Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstige Beitreibungsmaßnahmen eingeleitet worden sind, kommt es, entgegen der Auffassung des Erstgerichts, nicht entscheidend an. Praktisch kann das bedeutsam werden, wenn zwischen dem Beginn der angefochtenen Rechtshandlung und ihrer endgültigen Vornahme ein längerer Zeitraum liegt. Verdächtig wird die Inkongruenz aber schon, sobald erste, ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auftreten (BGH, Urt. v. 21.01.1999 - IX ZR 329/97; BGH, ZIP 1999, S. 406; Huber, aaO, Rdnr. 34, m.w.N.). Da der streitgegenständliche notarielle Übertragungsvertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu der der Schuldner -Zeuge M.- unbestrittenermaßen und wie von dem Zeugen M. im Rahmen seiner erstinstanzlichen Vernehmung bestätigt (Bl. 90 d.A.) bereits zahlungsunfähig war (s.o.), ohne dass dieser selbst davon ausging bzw. davon ausgehen durfte, dass sich die finanziellen Verhältnisse auf absehbare Zeit verbessern würden -weshalb sich die Klägerin auch nicht auf eine Stundung und Zinslosstellung der Darlehen, wie von dem Zeugen M. vorgeschlagen, einließ-, ist die Indizwirkung nicht entkräftet oder auch nur erschüttert.

Stellt sich mithin der Ausgleich dieser der Beklagten möglicher Weise zustehenden Zahlungsansprüche durch Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils als eine Leistung an Erfüllungs Statt i. S. v. § 364 BGB dar, liegt ein inkongruentes Deckungsgeschäft vor. Damit liegt ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und eine Kenntnis des anderen Teils hiervon vor (s.o.).

Die für die Benachteiligungsabsicht und die Kenntnis hiervon sprechenden Beweisanzeichen hat die Beklagte nicht entkräftet. Dass sie über die wirtschaftlichen bzw. finanziellen Angelegenheiten des Zeugen M. in dem streitentscheidenden Zeitraum informiert war, stellt sie nicht in Abrede; im Gegenteil räumt sie ein, dass der Zeuge M. zahlungsunfähig war, weil dieser weder den laufenden Unterhaltsverpflichtungen noch den Darlehensrückzahlungsverpflichtungen in Bezug auf die ausgereichten Hauskredite nachgekommen sei (Bl. 51 ff, Bl. 133 ff d.A.). Der Umstand, dass ein inkongruentes Deckungsgeschäft vorliegt, ist jedoch zugleich ein erhebliches Beweisanzeichen dafür, dass der andere Teil von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht weiß (s.o.). Folglich ist auch davon auszugehen, dass die Beklagte wegen der generellen Zahlungsunfähigkeit des Zeugen M. von der -unstreitigen- Zahlungseinstellung des Zeugen M. in Bezug auf die streitgegenständlichen Darlehen in dem streitentscheidenden Zeitraum (ab Mai 1997) wusste ( vgl. BGH, ZIP 1999, S. 196 ff). Dass die Beklagte hiervon Kenntnis hatte, hat im Übrigen der Zeuge M. ausweislich seiner protokollierter Zeugenaussage bestätigt, indem er bekundet hat, dass die Beklagte und er wegen seiner hohen Verschuldung, seiner Zahlungsunfähigkeit sowie der alleinigen Bedienung der Hauskredite durch die Beklagte vereinbart hätten, dass ihr das Haus allein gehören und sie dieses allein weiter abbezahlen solle (Bl. 90 d.A.). Umstände, die diese Beweisanzeichen zu entkräften geeignet sind ,sind insgesamt nicht ersichtlich.

Liegen damit bereits die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Grundstücksübertragung auch unentgeltlich (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.) war (vgl. OLG Celle, OLGR Celle 1999, S. 166 ff; OLG Bremen, aaO).

Die Beklagte ist demnach, da die Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß §§ 3, 11 AnfG vorliegen und die Anfechtung wirksam ist, verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in den aufgrund des Vertrages vom 8.1.1998 erworbenen Hälfteanteil des Grundstücks zu dulden, und zwar wegen der titulierten Forderung in Höhe von 92.891,08 Euro nebst Zinsen sowie Kosten in Höhe von 397,53 Euro und 41,57 Euro (Bl. 4 d.A.); denn nach § 11 AnfG a.F. besteht die Verpflichtung, dem Gläubiger das, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist, zur Verfügung zu stellen, soweit es zur Befriedigung des Gläubigers erforderlich ist, also die Zugriffslage wiederherzustellen, die ohne die Vornahme der jetzt angefochtenen Rechtshandlung des Schuldners bestehen würde. Dann aber hätte der Gläubiger auf den weggegebenen Gegenstand im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen können, weshalb nunmehr der Anfechtungsgegner die Zwangsvollstreckung -hier in den Miteigentumsanteil des Schuldners- zu dulden hat (vgl. Huber, aaO, § 11, Rdnr. 17, 19, m.w.N.). Das Bestehen dieser Forderungen ist im Übrigen unstreitig.

Liegen demzufolge die Voraussetzungen der §§ 3, 11 AnfG vor, ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3, Rdnr. 16 "Anfechtungsklage", "Duldung" m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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