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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 8 U 713/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GmbHG


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529
ZPO § 546
BGB § 362
GmbHG § 19 Abs. 2
GmbHG § 19 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

8 U 713/02

Verkündet am 9.10.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Batsch, den Richter am Oberlandesgericht Barth und die Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Berufung des Beklagten gegen das am 20. November 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 249/02 - wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt, mit Ausnahme der Kosten der Streithelfer zu 1) und zu 2), die diese jeweils selbst zu tragen haben.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

5.

Der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000 Euro nicht.

Gründe:

A.

Wegen des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen in Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Blatt 38-47).

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein ursprüngliches Klageabweisungsbegehren weiter, nachdem ihn der Erstrichter - entsprechend dem beschränkten Streitgegenstand der vorliegenden Teilklage - zur Zahlung des geltend gemachten Teils der gemäß Stammkapitalerhöhungsbeschluss vom 18. März 1988 von ihm zu leistenden Stammeinlage verurteilt hat. Er behauptet nach wie vor, bei seiner Zahlung vom 17. März 1988 in Höhe von 105.000 DM an die Gemeinschuldnerin habe es sich um eine Bareinzahlung - und nicht um eine verdeckte Sacheinlage - gehandelt, die zum Erlöschen der betreffenden Einlagenforderung geführt habe. Insoweit habe ein Liquiditätszufluss an die Gesellschaft tatsächlich stattgefunden, abgesehen davon, dass diese im Jahre 1987 - als damals prosperierendes und liquides Unternehmen - nicht einmal einer Liquiditätszuführung bedurft habe. Auch ein Umgehungstatbestand habe bei dieser Sachlage nicht vorgelegen, zumal der Gewinnauszahlungsanspruch des Beklagten - unstreitig - werthaltig gewesen sei. Im Übrigen hätten die strengen Kriterien der Rechtsprechung zum "Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren" den Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt gar nicht bekannt gewesen sein können, da diese aus einer späteren Zeit stamme.

Erstmals in der Berufungsinstanz behauptet der Beklagte nunmehr, hinsichtlich einer etwa doch gegebenen verdeckten Sacheinlage hätten nach den tatsächlichen Verhältnissen jedenfalls die Voraussetzungen einer Heilung durch nachträgliche Erfüllung der entsprechenden Kapitalerhöhungsvorschriften jederzeit vorgelegen.

Schließlich hat der Beklagte seinen Steuerberatern, und, in der Berufungsinstanz den Streit verkündet, welche dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten sind (vgl. Blatt 174 und Blatt 270).

Der Beklagte beantragt (Blatt 63, 288),

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (Blatt 176, 288),

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines früheren Vorbringens. Insbesondere weist er erneut darauf hin, dass es den Beteiligten damals der Sache nach ersichtlich um die Umwandlung einer Gewinnausschüttungsforderung des Beklagten in Stammkapital gegangen sei und dies bei einer Altforderung nur in Form einer offengelegten Sacheinlage und unter Einhaltung der Kriterien einer Sacheinlage möglich sei. Eine nachträgliche Heilung komme im Insolvenzfall ebenfalls nicht mehr in Betracht.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 11. September 2003 (Blatt 288/289) Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt, ist der Senat mit dem Erstrichter der Ansicht, dass die unstreitige - aus dem Gesellschafterbeschluss vom 18. März 1988 resultierende - Einlageschuld des Beklagten in Höhe von 105.000 DM durch die Zahlung vom 17. März 1988 in entsprechender Höhe nicht wirksam gemäß § 362 BGB getilgt worden ist, so dass der Beklagte für die Zahlung dieser von ihm übernommenen Bareinlage weiterhin haftet. Unabhängig von der Frage einer Umgehung des Aufrechnungsverbotes gemäß § 19 Abs. 2, 5 GmbHG, die mithin offen bleiben kann, folgt dies hier jedenfalls daraus, dass es sich bei der in Rede stehenden Transaktion um eine unzulässige verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 5 Alt. 2 GmbHG) handelt. Insoweit wertet der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (zuletzt ZIP 2002, 2045/247; vgl. auch ZIP 1997, 1337; ZIP 1991, 511/513), welcher sich der Senat anschließt, Barkapitalerhöhungen im Rahmen des sog. "Ausschüttungs-Rückhol-Verfahrens" (vgl. hierzu im Einzelnen Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 205 f.) - außer bei (vorliegend ersichtlich nicht erfolgter) Offenlegung dieser Verfahrensweise gegenüber dem Registergericht und Einhaltung der für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln geltenden Regelungen (vgl. BGH ZIP 1997, 1337) - als verdeckte Sacheinlagen, was zur Folge hat, dass von den Gesellschaftern auf die übernommenen Einlagen geleistete Zahlungen keine Tilgungswirkung in Bezug auf die übernommenen Bareinlagepflichten entfalten. Von einer solchen Konstellation ist der Erstrichter mit Recht auch vorliegend ausgegangen. Denn unstreitig hat der Beklagte hier seinen aus dem Gewinnausschüttungsbeschluss vom 2.3.1988 resultierenden Gewinnauszahlungsanspruch gegen die Gesellschaft - offenkundig eine "Altforderung" in Bezug auf seine Einlagepflicht gemäß dem Kapitalerhöhungsbeschluss vom 18.3.1988, welche Forderung mithin unmittelbar als Einlage hätte eingebracht werden können und dann als Sacheinlage hätte eingebracht werden müssen - im Umfang von 105.000 DM kapitalisiert, d.h. sich den Gewinn auszahlen lassen, und diesen sogleich zur "Erfüllung" seiner Einlageschuld wieder an die Gesellschaft zurückgezahlt. Er wollte damit ersichtlich der Sache nach seine Altforderung auf Gewinnausschüttung in Stammkapital umwandeln, ohne die den insoweit unverzichtbaren Prüfungs- und Publizitätserfordernissen Rechnung tragenden Sacheinlagevorschriften einzuhalten. Dies genügt nach der Rechtsprechung aber zur Annahme einer unzulässigen verdeckten Sacheinlage. Denn für das Vorliegen einer in diesem Zusammenhang erforderlichen den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfassenden Abrede des Einlageschuldners mit den Mitgesellschaftern bei Kapitalerhöhung begründet der von dem Erstrichter zu Recht und mit zutreffender, hiermit in Bezug genommener Begründung bejahte enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen Leistung der Einlage und Erfüllung des zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vereinbarten Rechtsgeschäfts, d.h. die sog. "Hin- und Herzahlung", eine tatsächliche Vermutung (vgl. BGH NJW 1996, 1286/1288).

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Vermutung keinesfalls als widerlegt anzusehen. Im Gegenteil lassen die Streitverkündung und ihre Begründung sowie die Einlassung des Streithelfers zu 1) hierzu (vgl. Schriftsatz vom 22.8.2003, Blatt 286 f.) den Schluss zu, dass die hier zur Beurteilung anstehende Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung nicht auf Zufall beruhte, sondern vorher im Einzelnen abgesprochen war, und zwar zur Erzielung steuerlicher Vorteile ("Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren"). Dies hat der Beklagte letztlich sogar eingeräumt (vgl. Seite 10 Mitte der Berufungsbegründung; Blatt 84). Damit liegt die vereinbarungsgemäße Verknüpfung von Gewinnausschüttung und Kapitalerhöhung auf der Hand; zugleich stellt dieses abgestimmte Verhalten ersichtlich den gemeinsamen Versuch des Beklagten und seiner Mitgesellschafter dar, das "Sacheinlageproblem" im Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren durch "Hin- und Herzahlen" zu vermeiden. Weitergehende Anforderungen hinsichtlich der Bejahung einer verdeckten Sacheinlage und der ihr zugrunde liegenden Abrede bestehen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. Insbesondere setzt dies weder eine Umgehungsabsicht voraus (vgl. BGHZ 110, 47/64 f.; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 855/856; OLG Karlsruhe GmbHR 1992, 113/115; Priester, ZIP 1996, 1025), noch einen Täuschungswillen in Bezug auf den Geschäftsverkehr oder die Gläubiger (vgl. Sernetz ZIP 1995, 173). Im Gegenteil wurde das Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren in der Vergangenheit gerade von den Gesellschaften bester Bonität angewandt und geschah die Wahl der Barkapitalerhöhung statt der Sachkapitalerhöhung deshalb regelmäßig nicht, um den Geschäftsverkehr oder die Gläubiger zu täuschen und ihnen gegenüber die Gesellschaft reicher erscheinen zu lassen, sondern um ein als umständlich und nicht notwendig angesehenes Verfahren zu vermeiden, gegebenenfalls auch noch, um nicht alle Daten über die - besonders gute - wirtschaftliche Situation des Unternehmens offenlegen zu müssen (vgl. zum Ganzen Sernetz, a.a.O., S. 173 f.). Da der Bundesgerichtshof ungeachtet dieser Hintergründe Barkapitalerhöhungen im Rahmen des Ausschüttungs-Rückhol-Verfahrens generell als verdeckte Sacheinlagen wertet, geht auch der Hinweis des Beklagten auf die - angeblich atypische - Liquidität der Gesellschaft zum damaligen Zeitpunkt - als angebliches Indiz gegen ein Umgehungsgeschäft - fehl. Es genügt vielmehr, wenn die Sacheinlagenvorschriften, wie hier, im Rahmen eines Steuersparmodells aus Bequemlichkeitsgründen umgangen werden. Dass diese Vorschriften, wie der Beklagte wohl meint, für liquide Gesellschaften etwa ganz außer Kraft gesetzt wären, ist ohnehin nicht anzunehmen.

Nach Auffassung des Senats ist darüber hinaus auch der weitere Einwand des Beklagten, eine Heilung des Vorgangs durch Nachholung der Sacheinlagenerfordernisse sei jederzeit möglich gewesen, im Ergebnis nicht weiterführend. Denn eine solche Heilung durch Nachholung ist unstreitig bislang nicht erfolgt, ist im Insolvenzverfahren nicht mehr möglich (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., Rn. 51 zu § 5; Krieger, ZGR 96, 685) und ist auch als rein hypothetische Möglichkeit in diesem Zusammenhang ohne Belang, da sie nichts an der Verwirklichung des objektiven Umgehungstatbestandes ändert.

Zu einer abweichenden Beurteilung führt schließlich auch nicht der seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Hinweis, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum "Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren" aus der Zeit nach der fraglichen Kapitalerhöhung datiert. Insoweit wird eine unterschiedliche Behandlung früherer Kapitalerhöhungen vor 1991 einerseits und späterer Kapitalerhöhungen andererseits weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur (vgl. hierzu Sernetz, Die Folgen der neueren Zivilrechtsprechung zum "Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren" für frühere Kapitalerhöhungen bei der GmbH, ZIP 1995, 173 ff., m.w.N.) diskutiert. So geht Sernetz a.a.O. etwa davon aus, dass die hier in Rede stehende Haftung des Gesellschafters für alle "Ausschüttungs-Rückhol-Vorgänge" der Vergangenheit, bei denen von einer Barkapitalerhöhung Gebrauch gemacht wurde, unverjährt bestehen geblieben ist und deshalb heute noch jederzeit akut werden kann, so dass jeder Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter künftig gehalten ist, in jedem Konkurs einer GmbH deren Geschichte Jahrzehnte zurück daraufhin zu erforschen, ob es jemals zu Barkapitalerhöhungen im "Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren" gekommen ist. Insbesondere hat auch der Bundesgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung in ZIP 1991, 511, welche ebenfalls eine Kapitalerhöhung aus den "achtziger Jahren" betraf, keinen Anlass gesehen, diese Frage zu problematisieren, ebenso wenig in späteren Entscheidungen zu vergleichbar frühen Kapitalerhöhungen (vgl. etwa BGH NJW 1997, 2516). Dies erklärt sich schon daraus, dass damit nicht die Aufgabe einer abweichenden früheren Rechtsprechung einhergegangen ist, welche etwa einen entsprechenden Vertrauenstatbestand hätte begründen können. Im Übrigen hat die Rechtsprechung den Interessen der Gesellschafter in der Folge durch die Zulassung einer Heilungsmöglichkeit hinreichend Rechnung getragen. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten ist nach allem nicht erkennbar.

Die Berufung des Beklagten war hiernach mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt, die Sache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Abs. 2, Satz 1 ZPO).

Der Wert der Beschwer des Beklagten war im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EinfGZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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