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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 9 UF 124/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
BGB § 1684
FGG § 13 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 124/04

Verkündet am 12.1.2005

In der Familiensache

betreffend das Umgangsrecht mit T. H. Z., geboren am Mai 1993,

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Sandhöfer und Cronberger

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 29. Juli 2004 - 16 F 235/04 UG - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsteller hat das Recht, mit dem Kind T. H. Z., geboren am Mai 1993, wie folgt besuchsweise zusammen zu sein:

1. Beginnend mit dem 4. Februar 2005 16 Uhr in den ersten drei Monaten zweimal monatlich für jeweils zwei Stunden in der Lebensberatungsstelle des Bistums, , , in Anwesenheit eines Mitarbeiters der Beratungsstelle oder eines Vertreters des Kreisjugendamtes, welches die jeweiligen weiteren Termine festlegt.

2. Nach Ablauf von drei Monaten ab dem ersten Umgangskontakt wird der Umgang wie folgt geregelt:

a) an jedem ersten und dritten Sonntag eines jeden Monats von 14 Uhr bis 18 Uhr und

b) am zweiten Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertag jeweils von 14 Uhr bis 18 Uhr.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Gerichtskosten tragen die Kindeseltern je zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Dem Antragsteller wird mit Wirkung vom 5. Januar 2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt, bewilligt.

Gründe:

I.

Die am Mai 1991 geschlossene Ehe der Kindeseltern ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 2. Juni 1997 - 16 F 317/96 - geschieden. Die elterliche Sorge für den aus der Ehe hervorgegangenen Sohn T. H., geboren am Mai 1993, wurde anlässlich der Scheidung der Antragsgegnerin übertragen.

Nachdem der Umgang des Antragstellers mit T. H. zunächst problemlos verlaufen war, stellte er im Dezember 1998 beim Familiengericht "einen formlosen Antrag auf Überprüfung des Besuchsrechts". In diesem beim Amtsgericht - Familiengericht - in Völklingen anhängigen Verfahren - 8 F 63/99 - erklärte der Antragsteller zuletzt, dass er seinen Antrag derzeit nicht weiterverfolge, "sondern mit dem Kind T. Kontakt in anderer Weise halten wird. Er wird brieflich und auch telefonisch Kontakt mit dem Kind ausüben bis das Kind wieder bereit ist, ein persönliches Umgangsrecht mit dem Vater auszuüben". Die Antragsgegnerin erklärte, diese Kontakte zu fördern und zu unterstützen sowie auf eine Bereitschaft des Kindes zu persönlichen Kontakten mit dem Vater hinzuarbeiten. Die Beteiligten erklärten daraufhin, dass sie davon ausgehen, "dass mit vorstehendem Ergebnis das vorliegende Verfahren erledigt ist". Diese von den Kindeseltern getroffene Regelung hat in der Folgezeit - aus von ihnen unterschiedlich geschilderten Gründen - nicht funktioniert.

Im vorliegenden, im Juni 2004 eingeleiteten Verfahren hat der Antragsteller erstinstanzlich auf die nachfolgende Umgangsregelung angetragen:

"1. Alle 14 Tage am Wochenende in der Zeit von Freitag 17.00 Uhr bis einschließlich Sonntag 20.00 Uhr.

2. In den Sommerferien, Herbstferien, Weihnachtsferien und Osterferien jeweils die Hälfte der Ferien, in den Sommerferien mindestens 2 Wochen.

3. An den hohen kirchlichen Feiertagen wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten jeweils am 2. Feiertag",

zuletzt mit der Maßgabe, dass die Kontakte zunächst über einen begleiteten Umgang - wie vom verfahrensbeteiligten Kreisjugendamt angeregt - angebahnt werden.

Ferner hat er von der Antragsgegnerin Auskunft über den Werdegang des Kindes beansprucht.

Die Antragsgegnerin hat auf Zurückweisung der Anträge sowie zuletzt auch auf Aussetzung des Umgangsrechts angetragen.

Das Familiengericht hat das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt sowie die Parteien und das Kind persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die schriftliche Stellungnahme des Kreisjugendamtes, das Sitzungsprotokoll des Familiengerichts vom 28. Juli 2004 sowie den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht das Recht des Umgangs des Antragstellers mit T. H. für die Dauer von drei Jahren ausgeschlossen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter, hinsichtlich der Anbahnung über begleitete Umgangskontakte "für die Dauer von vier aufeinanderfolgenden Terminen".

Der Senat hat die Kindeseltern, T. H. und das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der persönlichen Anhörungen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 5. Januar 2005, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Akten des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel - 16 F 317/96 - und - 16 F 75/04 UK - sowie des Amtsgerichts - Familiengericht - in Völklingen - 8 F 63/99 - waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Familiengerichts, dass unter den hier gegebenen Umständen derzeit die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Umgangsrechts des Antragstellers mit dem Sohn T. H. vorliegen.

Seit der am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreform ist das Umgangsrecht nicht mehr als Elternrecht, sondern als Recht des Kindes konzipiert, andererseits ergibt sich aus § 1684 BGB, dass die Eltern nicht nur ein Recht, sondern auch die Pflicht zum Umgang mit dem Kind haben. Die Gerichte haben im Rahmen der Amtsermittlung eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen daher versuchen, die Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen. Maßstab und Richtschnur jeder einzelnen Entscheidung ist das Wohl des Kindes (vgl. BVerfG, FamRZ 1999,1417, 1418, FamRZ 1999, 85, 86). Der Elternteil, bei welchem das Kind lebt, hat die Pflicht, aktiv auf die Ausübung der Umgangskontakte des Kindes mit dem anderen Elternteil hinzuwirken. Er muss dem Umgang nicht nur positiv gegenüber stehen, sondern ihn auch fördern. Auf das Interesse eines Elternteils oder den Willen des Kindes kann hierbei nicht allein abgestellt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 4. September 2000 - 9 UF 88/00 -, FamRZ 2001, 369).

Dieser Grundsatz erfährt eine Einschränkung zwar dann, wenn durch die Besuchskontakte das Kindeswohl beeinträchtigt wird. Insoweit bedarf es aber einer konkreten, in der Gegenwart bestehenden Gefährdung des Kindeswohls, um das Umgangsrecht auszuschließen. Ein Ausschluss ist nur gerechtfertigt, wenn der konkreten Gefährdung des Kindes nicht durch eine bloße Einschränkung des Umgangs oder dessen sachgerechte Ausgestaltung begegnet werden kann (vgl. BGH, FamRZ 1994, 158; OLG Hamm, FamRZ 1997, 307, 308; OLG Hamburg, FamRZ 1996, 422, 423; OLG Celle, FamRZ 1990, 1026, 1027; zur verfassungsrechtlichen Voraussetzung für Eingriffe in das Elternrecht vgl. auch BVerfG, FamRZ 2002, 1021).

Eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls durch Besuchskontakte mit dem Antragsteller ist vorliegend jedenfalls derzeit lediglich insoweit ersichtlich, als T. H. seit 1999, also über einen langen Zeitraum hinweg keinen Kontakt mehr zum Kindesvater hatte. Dieser Gefährdung kann aber hinreichend durch die Anordnung von notwendigen, aber auch ausreichenden zunächst begleiteten sechs Umgangskontakten begegnet werden.

Durch diese begleiteten Kontakte wird nämlich die Möglichkeit geschaffen, die unter den gegebenen Umständen erforderliche Anbahnung von persönlichen Beziehungen zwischen Kindesvater und Sohn sowie den Aufbau einer Bindung mit fachlicher Hilfe zu unterstützen, sodass nicht befürchtet werden muss, dass T. H. durch die Aufnahme von Umgangskontakten nach einem derart langen Zeitraum psychisch gefährdet wird. Ferner geht der Senat davon aus, dass durch die Anordnung von zunächst begleiteten Umgangskontakten eine fachliche Unterstützung auch für den Fall gewährleistet ist, dass der Übergang zu den bzw. die sich anschließenden unbegleiteten Umgangskontakte als solche nicht problemlos verlaufen sollte/n. Das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt sowie die Lebensberatungsstelle des Bistums haben sich insoweit zur Mitwirkung bereit erklärt.

Anhaltspunkte im Tatsächlichen, die eine weitere Einschränkung des Umgangsrechts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Zwar lehnt T. H. jeglichen Kontakt zu seinem Vater ab. Jedoch kann der so geäußerte Willen des Kindes unter den hier gegebenen Umständen jedenfalls derzeit nicht zu einem völligen Ausschluss des Umgangsrechts führen.

Bedeutsam für einen Ausschluss des Umgangsrechts eines Elternteils ist stets, ob die Einstellung des Kindes auf subjektiv beachtlichen oder verständlichen Beweggründen beruht. Soll ein der Ausübung des Umgangsrechts entgegenstehender Kindeswille Beachtung finden, muss daher in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Entwicklung seiner Persönlichkeit so weit fortgeschritten ist, dass eine dem Willen des Kindes zuwiderlaufende Ausübung des Umgangsrechts eine - konkrete oder gegenwärtige - Gefährdung seiner Entwicklung bedeuten könnte. Danach sind die Gründe zu prüfen, die das Kind zu seiner Haltung veranlassen. Diese Gründe müssen aus Sicht des Kindes berechtigt sein (vgl. OLG Köln, FF 2004, 297, 299, m. w. N.).

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Weigerungshaltung des heute 11 Jahre alten T. H. auf einer bewussten Selbstentscheidung beruht. So hat er weder gegenüber dem verfahrensbeteiligten Kreisjugendamt noch bei seinen Anhörungen vor dem Familiengericht und dem Senat konkrete Umstände für die Ablehnung des Umgangs anzugeben vermocht. Auch hat er die früher stattgefundenen Besuchskontakte gegenüber dem Kreisjugendamt nicht als negativ, sondern mit "ok, aber langweilig" bewertet. Mit Ausnahme des inzwischen Jahre zurückliegenden Abschneidens des Haarzopfes des Kindes durch den Antragsteller hat auch die Antragsgegnerin keine konkreten Vorfälle aufgezeigt, welche gegen - zunächst begleitete, später unbegleitete - Umgangskontakte sprechen könnten. Aufgrund des vom Senat gewonnenen persönlichen Eindrucks der Kindeseltern und ihres Sohnes ist vielmehr mit dem verfahrensbeteiligten Kreisjugendamt davon auszugehen, dass T. H. Kontakte zu seinem Vater ablehnt, um sich loyal gegenüber seiner Mutter zu verhalten, welche die Vater-Sohn-Beziehung nicht ernsthaft fördert und hierzu auch eigentlich keine Notwendigkeit sieht, weil T. H. - bei ihr, ihrem Ehemann und dem jüngeren Halbbruder - aus ihrer Sicht in einer intakten Familie lebt und dem Kind diese Einstellung - ob bewusst oder unbewusst - auch vermittelt. Hierfür spricht insbesondere auch, dass T. H. - wie seine Anhörung vor dem Senat ergeben hat - nicht nur Kontakte zu seinem Vater, sondern auch zu dessen Herkunftsfamilie ablehnt, ohne hierfür konkrete Gründe nennen zu können.

Im Übrigen geht der Senat aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks davon aus, dass der Antragsteller es zukünftig unterlässt, die Frisur des Kindes gegen dessen Willen zu ändern und in der Lage ist, die Anbahnungsphase der Umgangskontakte behutsam zu gestalten - insbesondere das Kind nicht zu bedrängen - und gegebenenfalls fachlichen Rat anzunehmen.

Eine vom Antragsteller erstrebte weitergehende Umgangsregelung kommt jedenfalls derzeit noch nicht in Betracht.

Insoweit bleibt der Verlauf der begleiteten und der sich anschließenden unbegleiteten Umgangskontakte sowie die Entwicklung der erst wieder anzubahnenden Vater-Sohn-Beziehung abzuwarten, damit beurteilt werden kann, ob auch Übernachtungen und Ferienaufenthalte im Haushalt des Kindesvaters dem Wohl des Kindes dienen.

Nach alldem war die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts entsprechend der aus der Beschlussformel ersichtlichen Regelung abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§§ 621 e Abs. 2 Satz 1, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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