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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 9 UF 28/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 629 a Abs. 2
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 28/03

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Sandhöfer und Cronberger sowie den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg

am 30. September 2003

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 16. Januar 2003 - 23 F 456/02 So - dahin abgeändert, dass die elterliche Sorge für die Kinder, geboren am 2001, und geboren am 2001, der Antragstellerin übertragen wird.

II. Die Gerichtskosten beider Rechtszüge tragen beide Parteien je zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet zwischen den Beteiligten nicht statt.

III. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung vom 9. September 2003 für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin, beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. 11. Januar 2001, hervorgegangen. Kurze Zeit nach der Geburt der gemeinsamen Kinder hat der Antragsgegner im Februar 2001 die eheliche Wohnung verlassen und die räumliche Trennung herbeigeführt. Seitdem werden die Kinder im Haushalt der Antragstellerin - zunächst im ehemals gemeinsamen Hausanwesen der Parteien, später im Hausanwesen der Eltern der Antragstellerin - versorgt und betreut.

Das Scheidungsverfahren ist beim Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis anhängig. Ein von der Antragstellerin eingeleiteter Rechtsstreit wegen Kindes- und Trennungsunterhalts ist abgeschlossen. Inzwischen korrespondieren die Parteien erneut außergerichtlich über die Höhe des vom Antragsgegner zu zahlenden Unterhalts.

Den Umgang des Antragsgegners mit den beiden Kindern hatten die Parteien nach der Trennung zunächst einvernehmlich praktiziert. Nach einem kurzen Versöhnungsversuch im Dezember 2001 fand der erste Versuch zur Aufnahme eines Umgangskontakts am 10. März 2002 statt. Bei der Übergabe der Kinder kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner sowie dessen Lebensgefährtin. Über den Hergang der Auseinandersetzung, welche jedenfalls dazu führte, dass der Umgang nicht ausgeübt wurde, besteht Streit zwischen den Parteien.

In der Folgezeit lehnte die Antragstellerin jeglichen Kontakt zum Antragsgegner ab und war - im Gegensatz zu diesem - auch nicht bereit, Beratungs-/Gesprächsangebote des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes zur Wiederherstellung der Kommunikation anzunehmen, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll des Familiengerichts vom 18. Dezember 2002 ergibt.

Nachdem die Antragstellerin durch die früheren und heutigen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners jeweils einmal zur Einräumung eines Umgangs mit den Kindern aufgefordert worden war - zuletzt mit Schreiben vom 23. August 2002 -, erklärte sie sich jeweils mit einem über die Caritas bzw. eine fachkundige Person begleiteten Umgang einverstanden. Dies hat der Antragsgegner abgelehnt und das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt um Vermittlung gebeten. Die Vermittlung führte zu drei Umgangskontakten in Anwesenheit der Antragstellerin in den Räumlichkeiten der Arbeiterwohlfahrt in Saarlouis. Der letzte Umgang fand am 17. April 2003 statt. Über den Ablauf der Termine besteht Streit zwischen den Parteien. Nach dem zweiten Termin bemängelte die Antragstellerin bei einer Mitarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt den Verlauf des Kontakts und das Verhalten des Antragsgegners, was bei dem darauf folgenden Termin thematisiert werden sollte. Zu diesem Termin ist der Antragsgegner nicht erschienen, was er mit einer dienstlichen Verhinderung entschuldigt hat. In der Folgezeit kam kein Termin mehr zustande. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Juli 2003 unterbreitete die Antragstellerin dem Antragsgegner u. a. den Vorschlag, dass zunächst sechs Umgangstermine in ihrer Gegenwart ohne die Anwesenheit weiterer Personen an einem neutralen Ort durchgeführt werden und sodann ein Umgang des Antragsgegners alleine mit den Kindern stattfindet, zunächst nachmittags, sodann auf einen ganzen Tag ausgeweitet. Dies wurde - was die ersten sechs Termine angeht - vom Antragsgegner abgelehnt, welcher die Auffassung vertrat, dass die ersten Kontakte wie die vorhergehenden in den Räumlichkeiten der Arbeiterwohlfahrt stattfinden sollten. Hiermit hat sich die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 8. August 2003 einverstanden erklärt. Zu weiteren Umgangskontakten ist es in der Folgezeit allerdings nicht gekommen.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Parteien war der Zeitpunkt der Taufe der Kinder im April 2001. Der Antragsgegner erklärte sich letztlich mit dem von der Antragstellerin angesetzten Termin einverstanden.

Einig sind sich die Parteien darüber, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt bei der Antragstellerin haben.

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin im Verbund zur Ehesache mit Eingang im August 2002 die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die beiden Kinder erstrebt. Der Antragsgegner hat auf Zurückweisung des Antrags angetragen. Durch Beschluss vom 31. Oktober 2002 hat das Familiengericht die Folgesache elterliche Sorge abgetrennt. Nach Anhörung der Parteien und des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes - von der Anhörung der Kinder hat es im Hinblick auf deren Alter (2 Jahre) abgesehen - hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge zurückgewiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Antragstellerin - wie bereits erstinstanzlich - die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Der Antragsgegner trägt auf Zurückweisung der Beschwerde an.

Der Senat hat die Parteien im Termin vom 10. September 2003 persönlich angehört.

Das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt hat unter dem 7. April und 4. Juni 2003 schriftliche Stellungnahmen abgegeben. Der Vertreter des Kreisjugendamtes wurde in dem bereits genannten mündlichen Termin vor dem Senat angehört und hat zuletzt die Auffassung vertreten, dass aus seiner Sicht in Frage gestellt werde, ob eine Kooperationsbereitschaft bei den Kindeseltern gegeben ist.

Wegen der Anhörung der Parteien und des Vertreters des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10. September 2003 Bezug genommen.

Von der Anhörung der beiden Kinder wurde im Hinblick auf deren Alter von derzeit zwei Jahren abgesehen.

II.

Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde (vgl. Senatsbeschluss vom 10. September 2003 - 9 UF 28/03 -) gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass die alleinige elterliche Sorge für die beiden Kinder und der Antragstellerin übertragen wird.

Dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge ist zu entsprechen, wenn entweder - was hier ersichtlich nicht der Fall ist - der andere Teil zustimmt und das mindestens 14 Jahre alte Kind nicht widerspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder, wenn zu erwarten ist, dass die beantragte Regelung dem Wohl des Kindes am Besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Aufgrund des Ergebnisses der Anhörung der Parteien und des Vertreters des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes sowie des beiderseitigen Vorbringens der Parteien ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Aufhebung der gemeinsamen und die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die beiden Kinder auf die Antragstellerin unter den hier gegebenen Umständen dem Wohl des Kindes am Besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB):

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts sind die Voraussetzungen für eine weitere Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Kindeseltern mangels der hierfür notwendigen objektiven und subjektiven Kooperationsbereitschaft jedenfalls derzeit zu verneinen.

Nach dem Vorbringen beider Parteien hatten sie nach dem im Dezember 2001 gescheiterten Versöhnungsversuch, also inzwischen seit rund einem 1 3/4 Jahr, lediglich noch viermal persönlichen Kontakt miteinander, die letzten drei Male - auf Vermittlung des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes - in den Räumen der Arbeiterwohlfahrt in Saarlouis. Der erste Kontakt endete in einer heftigen, vor den Kindern ausgetragenen verbalen Auseinandersetzung. Die drei Kontakte in den Räumen der Arbeiterwohlfahrt in Saarlouis endeten damit, dass sich die Antragstellerin gemäß der schriftlichen Stellungnahme des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes vom 4. Juli 2003 "über den Verlauf des Kontaktes und das Verhalten des Herrn beschwert habe." Im Übrigen gab es nach dem Vorbringen des Antragsgegners lediglich noch einen telefonischen Kontakt zwischen den Parteien.

Was den Umgang des Antragsgegners mit den Kindern angeht, so kam es auch nach dem Vorbringen des Antragsgegners bisher erst durch die Vermittlung des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes zu den genannten drei Umgangskontakten in den Räumlichkeiten der Arbeiterwohlfahrt in Saarlouis. Bei der Festlegung weiterer Umgangskontakte traten erneut Schwierigkeiten auf. Zu einer abschließenden Einigung über das Umgangsrecht sind die Parteien trotz der ihnen angebotenen Hilfen durch das verfahrensbeteiligte Kreisjugendamt bisher nicht gelangt.

Im Übrigen kommunizierten und kommunizieren die Parteien - aktenersichtlich - hinsichtlich sämtlicher anstehender Probleme (Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt, Kinderausweise, Umgangsrecht, Steuererklärung, Steuererstattung) stets ausschließlich über ihre jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten, teils unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe.

Der bei der Bundeswehr derzeit in stationierte Antragsgegner ist, wie er anlässlich seiner Anhörung beim Senat bekundete, für die Antragstellerin nur über seinen Arbeitgeber während seiner Dienstzeiten telefonisch erreichbar, da er über kein Handy oder privaten Telefonanschluss verfügt und die Handynummer seiner Lebensgefährtin nicht mitteilen möchte.

Der Antragsgegner selbst hat anlässlich seiner Anhörung beim Senat eine persönliche Kontaktaufnahme zur Antragstellerin "für wenig erfolgversprechend gehalten."

Unter diesen Umständen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass insbesondere im Hinblick auf die bis in die jüngste Vergangenheit andauernden aufgezeigten tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten der Parteien jedenfalls derzeit zwischen ihnen keine - auch von Seiten des verfahrensbeteiligten Kreisjugendamtes zuletzt jedenfalls in Frage gestellte - Konsens- und Kommunikationsfähigkeit existiert, die eine Grundlage für den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge bilden könnte.

Die Auffassung des Antragsgegners, das Verhältnis zwischen ihm und der Antragstellerin (sowie den Kindern) sei stets gut gewesen und sei heute noch gut, findet - wie dargestellt - keine Grundlage im Tatsächlichen, zumal der Antragsgegner die bestehende Kommunikations- und Kooperationsunfähigkeit an sich letztlich nicht bestreitet, sondern lediglich die Verantwortlichkeit hierfür der Antragstellerin zuweist, indem er "eine persönliche Kontaktaufnahme im Hinblick auf Äußerungen meiner Frau in der Vergangenheit für wenig erfolgversprechend" hält.

Gelingt es - wie hier - den Eltern nicht, zu Einvernehmen im Interesse der Kinder zu gelangen, weil ihnen die notwendige Konsens- und Kommunikationsfähigkeit fehlt, so ist der Alleinsorge der Vorzug zu geben. Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge durch das Recht zur Reform des Kindschaftsrechts enthält nämlich kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass ein Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge nur in Ausnahmefällen als ultimafatio in Betracht kommt. Demgemäß besteht auch keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für die Kinder beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (BGH, FamRZ 1999, 1646; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 - 9 UF 149/02 -; MDR 2003, 996; 6. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 16. April 2003 - 6 UF 8/03 -).

Danach ist im Streitfall gemäß § 1671 Abs. 2 Nr 2 BGB diejenige Sorgerechtsregelung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. Dabei sind neben den Bindungen des Kindes an seine Eltern die Prinzipien der Förderung, der Kontinuität und die Beachtung des Kindeswillens als gewichtige Gesichtspunkte für die zu treffende Regelung zu berücksichtigen (vgl. BGH, FamRZ 1990, 392, 393).

Unter den gegebenen Umständen entspricht die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Antragstellerin dem Wohl der Kinder zur Überzeugung des Senats am Besten. Nachdem die beiden Kinder seit ihrer Geburt im Haushalt der Antragstellerin betreut werden, spricht für diese Sorgerechtsregelung vor allem der Gesichtspunkt der Kontinuität, weil durch die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Antragstellerin die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse (vgl. hierzu: BGH, FamRZ 1985, 169; OLG Celle, FamRZ 1992, 465) gewahrt wird. Dass die Antragstellerin über die notwendige Förderungs- und Erziehungsfähigkeit verfügt, hat auch der Antragsgegner nicht in Frage gestellt.

Nach alldem war die alleinige elterliche Sorge in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Antragstellerin zu übertragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, die Wertfestsetzung auf § 30 Abs. 2 KostO.

Dem Antragsgegner war Prozesskostenhilfe gemäß §§ 14 FGG, 119 ZPO zu bewilligen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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