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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 9 UF 5/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1579
BGB § 1579 Nr. 3
BGB § 1579 Nr. 8
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 5
BGB § 1587 b Abs. 6
BGB § 1587 c
BGB § 1587 c Abs. 1
BGB § 1587 c Nr. 1
ZPO § 516
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3 S. 2
ZPO § 629 a Abs. 2
FGG § 53 b Abs. 1
Einer Eheverfehlung - hier: strafbare Handlung gegenüber der Ehegatten - fehlt die für die Annahme einer groben Unbilligkeit des Ausgleichs erforderliche Schwere, wenn sie im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen wurde.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 5/09

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: abgetrennte Folgesache Versorgungsausgleich

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Groß und den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg

am 6. April 2009

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners, wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Lebach vom 4. Dezember 2008 - 2 F 45/08 VA - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Rentenversicherungskonto Nr. YYY der Antragstellerin bei der Deutsche Rentenversicherung Bund werden Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 38,72 EUR, bezogen auf den 31. Dezember 2007, auf das Versicherungskonto Nr. XXX des Antragsgegners bei DRV übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung.

III. Beschwerdewert: 1.000 EUR.

Gründe:

I.

Die am . Juli 1941 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der am . Juni 1939 geborene Ehemann (Antragsgegner) haben am . Februar 1960 die Ehe geschlossen, aus der vier mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen sind. Auf den dem Ehemann am 31. Januar 2008 zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau wurde - nach Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich - die Ehe durch Urteil des Amtsgerichts - Familiegericht - Lebach vom 14. Mai 2008 (rechtskräftig seit 14. Mai 2008) vorab geschieden (Bl. 34 ff d.A. 2 F 45/08 S des Amtsgerichts - Familiengericht - Lebach).

Die Antragstellerin bezieht seit dem 1. August 2006 eine Vollrente wegen Alters. Die auf die Ehezeit (1. Februar 1960 bis 31. Dezember 2007) entfallende Anwartschaft im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB (Vollrente wegen Alters) beträgt, bezogen auf das Ende der Ehezeit, 115,62 EUR (Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. Juni 2008, Bl. 16 ff d.A.).

Der Antragsgegner bezieht ebenfalls Vollrente wegen Alters, und zwar seit dem 1. Juli 2004. Die auf die Ehezeit entfallende Anwartschaft im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB beträgt, bezogen auf das Ende der Ehezeit, 38,18 EUR. Die Rentenhöhe beträgt derzeit monatlich 123,81 EUR (Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung vom 24. Juli 2008, Bl. 24 ff d.A.).

Mit am 12. Dezember 2007 beim Familiengericht eingegangenem Schriftsatz beantragte die Antragstellerin den Erlass einer Gewaltschutzanordnung und einer einstweiligen Anordnung (Verfahren 2 F 612/07 EAGS des Amtsgerichts- Familiengericht - Lebach). Am 13. Dezember 2007 erließ das Amtsgericht - Familiengericht - Lebach im Wege einer einstweiligen Anordnung die beantragte Gewaltschutzanordnung (Bl. 8 ff d.A. 2 F 612/07 EAGS).

Dem vorausgegangen waren drei in der Zeit von 2004 bis 2007 erlittene Schlaganfälle des Antragsgegners, die stationäre Krankenhausaufenthalte zur Folge hatten. Anlässlich des stationären Krankenhausaufenthaltes im Jahr 2004 wurde bei dem Antragsgegner aus neurologischer Sicht der Verdacht auf eine cerebrale Mikroangiopathie mit Insult rechts cerebral sowie auf eine Radikulopathie C6 gestellt, im cranialen Computertomogramm habe sich eine Angiosklerose gezeigt. Im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthaltes im Jahr 2006 ergab sich der dringende Verdacht auf eine KHK, zugleich wurde eine Herzinsuffizienz mit diskreter Lungenstauung diagnostiziert. Anlässlich des stationären Krankenhausaufnethaltes 2007 wurde die Diagnose einer erneuten transitorischen ischämischen Attacke im Hirnstammbereich bei anamnestisch schon transitorisch ischämischer Attacke gestellt. Darüber hinaus wurden eine coronare Herzkrankheit mit Zustand nach Myokardinfarkt in 2006 sowie im MRT- Befund des Schädels nativ einschließlich TOF- Angiografie und Diffusionsgewichtung eine mäßig ausgeprägte Mikroangiopathie und ein alter Hirnsubstanzdefekt links occipitial beschrieben (Seite 5 des Strafurteils des Landgerichts Saarbrücken vom 22. September 2008, 1 KLs 21/08, Bl. 39 ff/ 43 d.A.).

Nach den Krankenhausaufenthalten des Antragsgegners, insbesondere in 2007, kam es zu Körperverletzungshandlungen und massiven Bedrohungen des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin (vgl. Bl. 6 ff des Strafurteils des Landgerichts Saarbrücken vom 22. September 2008, 1 KLs 21/08, Bl. 39 ff/ 44 ff d.A.).

Wegen der im Einzelnen festgestellten strafbaren Handlungen hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken durch Urteil vom 22. September 2008, 1 KLs 21/08, die Unterbringung des Antragsgegners in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Es hat festgestellt, dass auf der Grundlage des psychiatrischen Sachverständigengutachtens (vgl. Bl. 69 ff d.A.) von Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) des Antragsgegners wegen einer wahnhaft organisch bedingten Störung auf der Basis von cerebralen Durchblutungsstörungen im Sinne von Ziffer F06.2 der Klassifikation ICD-10 auszugehen sei. Das Urteil ist, nachdem der BGH die Revision des Antragsgegners mit Beschluss vom 20. Januar 2009 als unbegründet verworfen hat (Bl. 141, 144 d.A.), rechtskräftig.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Lebach vom 17.Januar 2008, erweitert durch Beschluss vom 24. April 2008 (9 XVII (P) 351/07), wurde für den Antragsgegner Betreuung angeordnet und ein Betreuer für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten und Angelegenheiten betreffend Scheidungsverfahren und Folgesachen bestimmt (Bl. 21 ff d.A. 2 F 45/08 S).

Die Antragstellerin hat unter Hinweis auf das Gewaltschutzverfahren den Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen unbilliger Härte gemäß § 1587 c BGB beantragt.

Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Dezember 2008, auf den Bezug genommen wird (Bl. 109 ff d.A.), den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Es hat die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 1 BGB für gegeben erachtet und hierzu im wesentlichen ausgeführt, dass die Anwendung der Härteklausel nicht zwingend ein schuldhaftes Verhalten voraussetze, auch wenn dies in der Literatur unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung - so die Entscheidung des BGH in NJW 1990, 2745 - vertreten werde und auch der BGH in dieser Entscheidung einen Rückgriff auf die in § 1579 BGB entwickelten Grundsätze von einem schuldhaften Verhalten abhängig mache. Es hat dies unter Hinweis auf Fundstellen (Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1579, Rz. 12; Hollinger in: jurisPK, § 1579, Rz. 159 und OLG Hamm, FamRZ 1998, 371) damit begründet, dass für den Tatbestand des § 1579 BGB anerkannt sei, dass die Folgen einer rechtwidrigen Tat jedenfalls dann (gemäß § 1579 Nr. 8 BGB) berücksichtigt werden könnten, wenn sie fortwirkten und besonders schwerwiegend seien. Dies sei mit Blick auf das Gesamtverhalten des Antragsgegners - deutliche Anzahl von Taten über einen Zeitraum von 5 Monaten gegenüber der Antragstellerin - der Fall. Bei der gegebenen Sachlage sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig.

Gegen den ihm am 18. Dezember 2008 zugestellten Beschluss des Familiengerichts hat der Antragsgegner mit am 19. Januar 2009 - Montag - eingegangenem Faxschreiben (Bl. 120 d.A.) das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt. Er verweist insbesondere darauf, zum Zeitpunkt der jeweiligen Tatbegehung schuldunfähig gewesen zu sein, so dass sich angesichts der langen Ehedauer (48 Jahre) der Ausschluss des Versorgungsausgleichs als grob unbillig darstelle.

Der Antragsgegner beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Lebach vom 4. Dezember 2008 - 2 F 45/08 - den Versorgungsausgleich durchzuführen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss des Familiengerichts und verweist unter anderem darauf, dass der- während des Erwerbslebens selbständige - Antragsgegner es unterlassen habe, für das Alter Vorsorge zu treffen. Ihre Anwartschaften rührten im Wesentlichen aus den Kindererziehungszeiten her, zudem habe sie während ihrer selbständigen Tätigkeit freiwillige Beitragszeiten erfüllt.

Die weiteren Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1 i.V.m. 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Fristen der §§ 621 e Abs. 3 S. 2 i.V.m. 516, 519 Abs. 2 ZPO eingelegt und begründet worden.

Der Senat sieht von der gemäß § 53 b Abs. 1 FGG grundsätzlich freigestellten mündlichen Verhandlung ab, da der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist, beiden Parteien hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden ist und von einer persönlichen Anhörung der Parteien keine neuen oder weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind.

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Es führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass der Versorgungsausgleich zu Gunsten des Antragsgegners durchzuführen ist.

1.

Die Durchführung widerspricht, entgegen der Auffassung des Familiengerichts, nicht der Billigkeit. Die Anwendung der Härteklausel des § 1587 c BGB ist nicht gerechtfertigt.

Nach dieser Bestimmung findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten, insbesondere unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit kann, auch wenn ein eheliches Fehlverhalten ohne wirtschaftliche Relevanz geblieben ist, dann gegeben sein, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den ausgleichspflichtigen Ehegatten ganz besonders ins Gewicht fällt. Dies ist anerkanntermaßen dann der Fall, wenn sich der Ausgleichsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Ausgleichspflichtigen oder einen nahen Angehörigen schuldig gemacht hat (vgl. statt aller: Palandt/ Brudermüller, BGB, 68. Aufl., § 1587 c, Rz. 26, m.w.N.; BGH, Beschl.v. 9.Mai 1990, XII ZB 76/98, NJW 1990, 2745).

a.

Dass der Antragsgegner, wie vom dem Landgericht in dem Strafurteil vom 22. September 2008 festgestellt, strafbare Handlungen (Körperverletzungen, Bedrohungen) gegenüber der Antragstellerin begangen hat, führt, entgegen der Auffassung des Familiengerichts, nicht zur Anwendung der Härteklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB. Der Antragsgegner hat ausweislich der von dem Landgericht getroffenen Feststellungen im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) gehandelt. Einer Eheverfehlung fehlt indes die für die Annahme einer groben Unbilligkeit des Ausgleichs erforderliche Schwere, wenn sie nicht schuldhaft begangen wurde (BGH, aaO sowie FamRZ 1990, 985; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 373 für den Fall der Schuldunfähigkeit; Palandt/ Brudermüller, aaO; Rahm/Klattenhoff, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, V, Rz. 526.14; Münchener-Kommentar/ Dörr, BGB, 4. Aufl., § 1587 c, Rz. 36, m.w.N.; Hahne in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., § 1587 c, Rz. 29; Bergmann in: Beck Online- Kommentar, § 1587 c, Rz. 25).

Hierbei kommt, es, entgegen der Auffassung des Familiengerichts, nicht darauf an, ob es sich bei der Eheverfehlung in Form einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Handlung nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat oder ob mehrere Tatbestände, gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum, verwirklicht worden sind. Entscheidend für die Qualifizierung der Schwere der Eheverfehlung ist nicht die Quantität, sondern der Unrechtsgehalt der Eheverfehlung. Ist ein Fehlverhalten wegen erwiesener oder nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit jedoch nicht vorwerfbar, fehlt es an dem die Schwere der Eheverfehlung implizierenden Unrechtsgehalt der Tat. In einem solchen Fall ist es nicht gerechtfertigt, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit auszuschließen.

Der Hinweis auf die Vorschrift des § 1579 BGB führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Wie der BGH in der Entscheidung vom 9. Mai 1990 ausdrücklich klargestellt hat, stellen krankheitsbedingte Verhaltensweisen keine Verfehlungen im Sinne der Härteregelung des § 1579 BGB dar, da auch diese ein schuldhaftes Verhalten voraussetzen, für § 1587 c Nr. 1 BGB gelte nichts anderes (BGH, aaO). Zwar wird die Auffassung vertreten, dass in den Fällen, in denen der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 3 BGB (Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsverpflichteten) wegen fehlenden Verschuldens nicht greift, die Folgen der Tat über § 1579 Nr. 8 BGB berücksichtigt werden können, wenn diese fortwirken und besonders schwer wiegen (Palandt/ Brudermüller, aaO, § 1579, Rz. 16, unter Hinweis auf OLG Schleswig, FamRZ 2000, 1375: versuchtes Tötungsdelikt; Hollinger in: jurisPK, 4. Aufl., § 1579, Rz. 159 unter Hinweis auf Hamm, FamRZ 1998, 371: Unzumutbarkeit aus objektiven Umständen, weil im Zustand der Schuldunfähigkeit mehrere Verwirkungstatbestände des § 1579 BGB über einen längeren Zeitraum und in besonders massiver Weise verwirklicht wurden). Der Senat sieht auch mit Blick auf diese Literaturmeinung und die dort zitierten Entscheidungen keine Veranlassung zu einer anderen rechtlichen Würdigung. Der vom BGH entschiedene Sachverhalt ist, da es sich um ein versuchtes Tötungsdelikt gegenüber dem gemeinschaftlichen Kind gehandelt hat, vergleichbar mit dem der Entscheidung des OLG Schleswig zu Grunde liegenden Sachverhalt (versuchtes Tötungsdelikt gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten). Die Aussage des BGH ist insoweit eindeutig: An der Schwere der Eheverfehlung, die den Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit rechtfertigt, fehlt es, wenn die Handlung nicht schuldhaft begangen wurde. Dass die Eheverfehlungen - wie in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall - über einen längeren Zeitraum und in besonders massiver Weise verwirklicht worden sind, rechtfertigt die Anwendung der Härteklausel ebenfalls nicht. Auch wenn der Entscheidung des BGH vom 9. Mai 1990 keine Fallkonstellation zu Grunde liegt, in der im Zustand der Schuldunfähigkeit mehrere Verwirkungstatbestände des § 1579 BGB über einen längeren Zeitraum und in besonders massiver Weise begangen worden sind, sondern in der es sich um eine in einer einzigen Handlung begangene Eheverfehlung gehandelt hat, ist der Begründung der Entscheidung sowie den in Bezug genommene früheren Senatsentscheidungen des BGH zu entnehmen, dass der BGH krankheitsbedingte Verhaltensweisen insgesamt nicht als Verfehlungen im Sinne der Härteregelung des § 1579 BGB ansieht, vielmehr auch hier der Ausschlusstatbestand des § 1579 Nr. 8 BGB (§ 1579 Nr. 7 BGB a.F.) ein schuldhaftes Verhalten erfordert (BGH, NJW 1982, 100 zum Auffangtatbestand des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB i.d.F. vom 14. Juni 1976, unter Hinweis auf BVerfG, Urt.v. 14. Juli 1981, 1 BvL 28/77, 1 BvL 48/79, 1 BvR 154/79, 1 BvR 170/80, NJW 1981, 1771[juris Rz. 67] ).

Ob in besonders gelagerten Ausnahmefällen (so wird vom OLG Schleswig das Beispiel herangezogen, dass der Unterhaltsverpflichtete durch die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene Tat des Unterhaltsberechtigten irreversibel von Kopf bis Fuß gelähmt ist oder in dauerhaftes Siechtum verfällt) unter Umständen eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein kann, kann offen bleiben. Jedenfalls sind die von dem Antragsgegner im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Eheverfehlungen nicht von einer solchen Qualität, dass sie ausnahmsweise die Annahme einer groben Unbilligkeit und damit den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu rechtfertigen geeignet sind.

Bereits aus diesem Grund findet die Härteklausel des § 1587 c Abs. 1 BGB keine Anwendung.

b.

Die Anwendung der Härteklausel ist auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt.

Ohne Erfolg verweist die Antragstellerin darauf, dass der- während des Erwerbslebens selbständige - Antragsgegner es unterlassen habe, für das Alter Vorsorge zu treffen. Zwar kann ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs gerechtfertigt sein, wenn ein Selbständiger es unterlässt, Altersvorsorge zu betreiben, und dies als illoyal und grob leichtfertig zu bewerten ist (vgl. Palandt/ Brudermüller, aaO, Rz. 23, m.w.N.; Bregger in: jurisPK, aaO, § 1587 c, Rz. 39). Hiervon kann indes nicht ausgegangen werden. Der Antragsgegner und die Antragstellerin verdienten seit 1961 bis in die Gegenwart hinein ihren Lebensunterhalt damit, auf den Markt zu fahren und dort Waren zu verkaufen. Dass die Eheleute hierbei Vermögen erwirtschaftet hätten, das es ihnen erlaubt hätte, für das Alter Vorsorge zu treffen und Rücklagen zu bilden, kann nicht festgestellt werden. Hierfür liegen weder Anhaltspunkte vor, noch hat die Antragstellerin Entsprechendes behauptet. Dessen ungeachtet ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse mitzuverantworten hat und an der Erhöhung des Lebensstandards auf Grund nicht für die Altersvorsorge gebundener Mittel partizipiert hat (vgl. Palandt/ Brudermüller, aaO; Senat, Beschl.v. 23. April 2008, 9 UF 25/08, m.w.N.). Von daher ist der Vorwurf eines illoylen oder grob leichtfertigen Verhaltens, das die Anwendung der Härteklausel rechtfertigen könnte, nicht begründet. Aus dem selben Grund vermag der Einwand der Antragstellerin, ihre Anwartschaften rührten im Wesentlichen aus den Kindererziehungszeiten her, zudem habe sie während ihrer selbständigen Tätigkeit freiwillige Beitragszeiten erfüllt, nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen (siehe hierzu auch Bregger, aaO, Rz. 34, m.w.N.).

Auch bei Abwägung der wirtschaftlichen Lage der Parteien im Übrigen ist nicht festzustellen, dass die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs die Inanspruchnahme der Antragstellerin als grob unbillig erscheinen lässt. Die Antragstellerin dürfte - ebenso wie der Antragsgegner - mit Blick auf ihre Rentenbezüge wohl auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sein. Dass der Verpflichtete infolge des Ausgleichs nunmehr der Sozialhilfe verstärkt bedarf, macht den Versorgungsausgleich jedoch nicht grob unbillig (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 426, m.w.N.; Palandt/ Brudermüller, aaO).

2.

Von daher ist der Versorgungsausgleich unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung wie folgt vorzunehmen:

In der maßgeblichen Ehezeit haben die Parteien nach erteilten, korrigierten Auskünften der DRV vom 24. Juli 2008 und der DRV Bund vom 3. Juni 2008, die keinen Anlass zu Bedenken bieten, Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung wie folgt erworben: die Antragstellerin von monatlich 115,62 EUR und der Antragsgegner solche von monatlich 38,18 EUR.

Als Inhaber der werthöheren Anwartschaften ist die Antragstellerin ausgleichspflichtig (§ 1587 a Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Differenz der beiderseits erlangten Anrechte beträgt (115,62 EUR - 38,18 EUR =) 77,44 EUR. Hiervon ist nach § 1587 b Abs. 1 BGB die Hälfte, also ein Betrag von 38,72 EUR durch Rentensplitting zu Gunsten des Antragsgegners im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichen.

Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 2.479,36 EUR ist nicht überschritten.

Die Anordnung der Umrechnung der zu übertragenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte folgt aus § 1587 b Abs. 6 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93a Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf (§§ 47, 49 Nr. 1 GKG).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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