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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.08.2004
Aktenzeichen: 9 UF 84/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1686
BGB § 1696 Abs. 1
FGG § 36
FGG § 36 Abs. 1
FGG § 43 Abs. 1
FGG § 64 Abs. 3 Satz 1
FGG § 64 Abs. 3 Satz 2
Das mit einem Sorgerechtsverfahren befasste Gericht hat die für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse -hier Wohnsitz des sorgeberechtigten Elternteils und des Kindes- von Amts wegen aufzuklären.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 84/04

In der Familiensache

betreffend die Auskunft über die persönlichen Verhältnisse von sowie die elterliche Sorge für M. M., geboren am November 1990, derzeit unbekannten Aufenthaltes und J. M., geboren am Januar 1994, derzeit unbekannten Aufenthaltes,

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Sandhöfer und Cronberger

am 18. August 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Auf den als Beschwerde behandelten Widerspruch des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Ottweiler vom 29. April 2004 - 12 F 856/03 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - in Ottweiler zurückverwiesen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

III. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

Gründe:

I.

Aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der Parteien sind die beiden Söhne M., geboren am November 1990, und J., geboren am Januar 1994, hervorgegangen, die im Haushalt der Antragsgegnerin leben, welcher die alleinige elterliche Sorge übertragen ist.

Die Antragsgegnerin ist polizeilich unter der Anschrift in gemeldet.

Der Antragsgegner, dessen Umgangsrecht mit den beiden Söhnen durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken vom 21. Dezember 2001 - 41 F 490/99 UG - ausgesetzt ist, hat im vorliegenden Verfahren auf regelmäßige Informationen über die Entwicklung der beiden Kinder sowie auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge angetragen.

Nachdem das Verfahren vom Familiengericht in Saarbrücken an das Familiengericht in Ottweiler abgegeben worden war, hat die Antragsgegnerin die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts in Ottweiler gerügt und hierzu vorgetragen, sie sei nicht im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts wohnhaft; unter der Meldeadresse in sei sie lediglich postalisch zu erreichen. Sie sei nicht bereit, ihren aktuellen Aufenthaltsort preiszugeben. Sie habe ihren Wohnort nämlich bereits unter dem Schutz des Landeskriminalamtes gewechselt, um die Kinder vor dem Antragsgegner zu schützen.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Anträge des Antragstellers mit der Begründung als unzulässig "zurückgewiesen", dass die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts in Ottweiler nicht gegeben sei, weil die Antragsgegnerin versichert habe, dass sie und die beiden Söhne ihren Wohnsitz nicht im Bezirk des Amtsgerichts in Ottweiler hätten und weitere amtswegige Ermittlungen nicht veranlasst und möglich seien, da gemäß der vom Familiengericht in Saarbrücken eingeholten Auskunft aus dem Melderegister Auskunfts- und Übermittlungssperren wegen Gefahr für Leib und Leben bestehen. Die Antragsgegnerin selbst könne unter diesen Umständen nicht verpflichtet werden, den Aufenthalt der Kinder bekanntzugeben.

Hiergegen richtet sich der als Beschwerde behandelte "Widerspruch" des Antragstellers, mit welchem er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und "um die Klärung der Umstände des Beschlusses vom 21.12.2001 - 41 F 49/99 - erweitert".

Die Antragsgegnerin trägt auf Zurückweisung der Beschwerde an.

II.

Soweit der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt, ist die Beschwerde gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässig und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung, weil das Verfahren vor dem Familiengericht an einem erheblichen Mangel leidet.

Das Familiengericht hat nämlich die für seine - von ihm verneinte - örtliche Zuständigkeit erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht bzw. unzureichend getroffen und so gegen die ihm obliegende Verpflichtung der Amtsermittlung (§ 12 FGG) verstoßen.

Die örtliche Zuständigkeit für das hier in Rede stehende Auskunfts- und Sorgerechtsabänderungsverfahren gemäß §§ 1686, 1696 Abs. 1 BGB richtet sich nach den §§ 43 Abs. 1, 36 FGG i. V. m. § 64 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGG.

Das Amtsgericht Ottweiler ist nach § 36 Abs. 1 FGG örtlich zuständig, wenn in seinem Bezirk zu dem Zeitpunkt, in dem es mit den Anträgen des Antragstellers befasst wurde, die beiden Kinder der Parteien ihren Wohnsitz hatten. Die Kinder teilen vorliegend gemäß § 11 Satz 1 BGB den Wohnsitz der allein sorgeberechtigten Antragsgegnerin.

Zwar hat diese vorgetragen, ihren Wohnsitz nicht (mehr) im Bezirk des Amtsgerichts Ottweiler zu haben, obwohl sie dort polizeilich gemeldet ist. Das mit der Sache befasste Gericht hat jedoch die für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse von Amts wegen aufzuklären (vgl. BGH, FamRZ 1993, 307, m. w. N.). Danach sind entgegen der Auffassung des Familiengerichts amtswegige Ermittlungen hinsichtlich des Wohnsitzes der Antragsgegnerin und der Kinder veranlasst und auch unter Berücksichtigung der hier gegebenen Umstände möglich.

So besteht beispielsweise die Möglichkeit, durch die örtliche Polizei überprüfen zu lassen, ob die Antragsgegnerin ihren Wohnsitz tatsächlich nicht an ihrer Meldeadresse hat. Ferner besteht die Möglichkeit einer erneuten Einwohnermeldeamtsanfrage, nachdem die Auskunfts- und Übermittlungssperren aus berechtigtem Interesse nach der vom Familiengericht in Saarbrücken eingeholten Auskunft bis zum 31. Dezember 2003 befristet war. Auch könnte das Landeskriminalamt, unter dessen Schutz die Antragsgegnerin nach ihrem Vorbringen den Wohnort gewechselt hat, um Mitteilung des Aufenthaltsortes gebeten werden. Schließlich könnten beim Antragsteller die Art der beruflichen Tätigkeit der Antragsgegnerin, ihren eventuellen Arbeitgeber und dessen Anschrift, bestehende Versicherungsverhältnisse oder sonstige Anhaltspunkte zu erfragen sein, aus denen auf den Aufenthalt der Antragsgegnerin und damit der Kinder Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH, a. a. O.).

Zur Nachholung der danach erforderlichen Ermittlungen ist die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Für die gebotene Neubefassung der Sache weist der Senat darauf hin, dass hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr für Leib und Leben der Antragsgegnerin und der Kinder im Falle einer Preisgabe ihres Wohnortes an den Antragsteller, jedenfalls was den Amtsgerichtsbezirk angeht, nicht ersichtlich und auch nicht hinreichend konkret dargetan sein dürften. Auch könnte einem unter Umständen gebotenen Schutz der Antragsgegnerin und der Kinder dadurch Rechnung getragen werden, dass der Wohnort dem Familiengericht bekannt gegeben wird, dieses die Anschrift der Antragsgegnerin aber nicht an den Antragsteller weiterleitet.

Soweit der Antragsteller mit seinem "Widerspruch um die Klärung der Umstände des Beschlusses vom 21.12.2001 - 41 F 49/99 -" nachsucht, hat das Familiengericht hierüber noch nicht entschieden, weshalb die Sache dem Senat insoweit nicht angefallen ist.

Der die Gerichtskoten betreffende Kostenausspruch beruht auf § 16 KostO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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