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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.04.2009
Aktenzeichen: 9 WF 39/09
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 48
Leistungen nach ALG II/Hartz IV stellen kein Einkommen dar und sind deshalb bei der Streitwertbemessung nach § 48 GKG nicht zu berücksichtigen.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 WF 39/09

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: Streitwertbeschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen Streitwertfestsetzung

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Groß als Einzelrichterin

am 7. April 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht- Merzig vom 23. März 2009 - 20 F 173/08 S - wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

1.

Die sofortige Beschwerde der bis zur Kündigung des Mandats tätigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist gemäß §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes, gemessen nach der Differenz der Vergütung der Verfahrensbevollmächtigten bei einem Streitwert von - wie beantragt - 7.000 EUR und einem Streitwert von -wie vom Familiengericht festgesetzt - 2.662,50 EUR, die Grenze des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Auch ist die Frist gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 GKG eingehalten.

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die vom Familiengericht vorgenommene Streitwertfestsetzung beschwert die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht zu ihrem Nachteil.

Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1GKG ist der Streitwert für die Scheidung als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach gerichtlichem Ermessen zu bestimmen. Dabei ist für die Einkommensverhältnisse gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute, wenigstens jedoch ein Betrag von 2.000 EUR anzusetzen. Maßgeblich ist nach § 40 GKG auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.

Nach diesen Maßstäben ist die Streitwertfestsetzung des Familiengerichts nicht zu beanstanden:

Zunächst hat das Familiengericht zu Recht davon abgesehen, bezüglich der Antragstellerin oder des Antragsgegners ein Nettoeinkommen zugrunde zu legen.

Ob und in welcher Höhe der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Antragstellung Einkommen bezogen hat, ist ungewiss. Die Antragstellerin hat im Schreiben vom 25. Februar unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner seit Mai 2008 keine Firma mehr betreibe. Von daher geht der Einwand der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, gemäß den zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Einkommensverhältnissen sei zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner als Selbständiger die Firma G. betrieben habe, fehl. Dazu, dass der Antragsgegner sonstiges Einkommen bezogen hat, ist nichts vorgetragen.

Die Leistungen nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III, die die Antragstellerin gemäß Bescheid vom 11. August 2008 bezieht, finden ebenfalls keine Berücksichtigung. Der Senat schließt sich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung, dass Leistungen nach ALG II /Hatz IV kein Einkommen darstellen und deshalb bei der Streitwertbemessung nach § 48 GKG keine Berücksichtigung finden, an (vgl. OLG Schleswig, 4. FamS., Beschl.v. 27. Oktober 2008, 13 WF 135/08 = OLGR 2008, 951; OLG Rostock, FamRZ 2007, 1760; OLG Oldenburg, AGS 2009, 129; OLG Dresden, FamRZ 2007, 1760; OLG Hamburg, OLGR Hamburg 2006, 269; OLG Düsseldorf, 3. FamS, FamRZ 2006, 807; OLG Celle, FamRZ 2006, 1690; OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 2003, 352; a.A. OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 453; differenzierend OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 535, wonach Sozialleistungen nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, sofern sie nicht übergegangen sind). Der Senat teilt vollumfänglich die Begründung, dass staatliche Sozialleistungen wie das ALG II - anders das ALG I als Lohnersatzleistung, die auf vorangegangener Erwerbstätigkeit und den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung beruht - Ausdruck fehlender eigener Mittel des Empfängers, die sie kompensieren sollen, sind und keine Aussage zu dessen individueller Belastbarkeit treffen können oder zu treffen bestimmt sind. Gerade für derartige Fälle ist bei Fehlen weiteren Einkommens der Mindeststreitwert geeignet und sachgerecht.

Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG ist in diesem Fall ein Mindestbetrag in Höhe von 2.000 EUR anzusetzen, sofern nicht sonstiges Vermögen vorhanden ist.

An sonstigem Vermögen hat das Familiengericht zutreffender Weise auf der Grundlage des unwidersprochenen Vorbringens der Antragstellerin im Schreiben vom 25. Februar 2009 einen Betrag in Höhe von 71.000 EUR zu Grunde gelegt. Das gemeinsame Hausanwesen der Parteien wurde, wie die Antragstellerin und deren ehemalige Verfahrensbevollmächtigte übereinstimmend vortragen (Bl. 14, 19, 20 d.A.), nach Veräußerung eines anderen Hausanwesens und Ablösung von Grundschulden 1998 zu einem Kaufpreis von (umgerechnet und gerundet) 130.000 EUR erworben, wovon ein Betrag in Höhe von 120.000 EUR fremdfinanziert werden musste; veräußert wurde das Hausanwesen im Dezember 2008 für 120.000 EUR, wovon eine restliche Grundschuld in Höhe von 49.000 EUR abzulösen war. Bei dieser Sachlage kann ein aus der Veräußerung des Hausanwesens den Betrag von 71.000 EUR übersteigendes Vermögen der Eheleute zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht angenommen werden. Dies wird von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auf einen entsprechenden Hinweis des Familiengerichts vom 12. März 2009 (Bl. 19 RS d.A.) letztlich auch nicht mehr in Frage gestellt (Schriftsatz vom 19. März 2009, Bl. 22, 23 d.A.).

Ferner führt auch die von der Antragstellerin abgeschlossene und unterhaltene Lebensversicherung nicht zu einem höheren Vermögen. Dabei ist schon, worauf das Familiengericht unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebewilligungsantrag zutreffend hingewiesen hat, unklar, in welcher Höhe und mit welchem Auszahlungsbetrag die Lebensversicherung abgeschlossen worden ist, so dass es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die zum Zwecke einer Altersvorsorge abgeschlossene Lebensversicherung im Rahmen der Streitwertfestsetzung Berücksichtigung finden kann, nicht mehr ankommt.

Dass sonstiges berücksichtigungsfähiges Vermögen der Parteien, sei es in Form von Fahrzeugen, sei es in Form von Sparguthaben, existiert, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Ungeachtet des Umstandes, dass die Verfahrensbevollmächtigte valide Wertangaben sowohl in der Beschwerdebegründung als auch in weiteren Schriftsätzen hierzu vermissen lässt, kann nach dem unwiderlegt gebliebenen Vorbringen der Antragstellerin im Schreiben vom 25. Februar 2009 jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass sonstiges Vermögen vorhanden ist.

Entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Schriftsatz vom 19. März 2009 ist ein Wert für einen durchzuführenden Versorgungsausgleich nicht anzunehmen. Einer Erhöhung des Streitwertes steht bereits entgegen, dass die Scheidungssache keine besonderen Schwierigkeiten aufwies (vgl. OLG Oldenburg, aaO). Die Tätigkeit des Gerichts beschränkte sich hier auf die Entgegennahme und Prüfung der eineinhalb Seiten umfassenden Antragsschrift der Antragstellerin, von denen lediglich weniger als eine halbe Seite auf die Begründung des Scheidungsantrags entfiel, sowie eines PKH- Antrages, der lediglich die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einer Anlage (Bescheinigung ARGE) enthielt. Zu einer Zustellung der Antragsschrift, einer Terminsbestimmung und Ladung des Antragsgegners zum Termin bzw. Einem Termin kam es bereits wegen der Kündigung des Mandats nicht mehr. Bei dieser Sachlage, die allenfalls und nicht mehr als ein Mindestmaß an gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit erforderte, kommt eine Erhöhung des Streitwertes über den Mindestwert ohnehin nicht in Betracht (OLG Oldenburg, Beschl.v. 26. Januar 2009, 14 WF 236/08, m.w.N.).

Letztlich ist zu berücksichtigen, dass es in einer Sache, in der die Parteien über kein besonderes Vermögen und nur durchschnittliche Einkommensverhältnisse verfügen, der keine besondere Bedeutung zukommt und die bei einer von jeder Störung unbeeinflussten Verfahrensdauer von weniger als 6 Monaten nicht mehr als ein Mindestmaß an gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit erfordert, billigem Ermessen entsprechen kann, den Streitwert rechnerisch mit der Hälfte des dreifachen gemeinsamen Nettoeinkommens der Parteien zu bemessen (vgl. OLG Oldenburg, aaO). Nach Maßgabe dessen beschwert die Streitwertfestsetzung unter Berücksichtigung der im Streitfall gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ebenfalls nicht.

Von daher hat die Beschwerde insgesamt keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch folgt aus §§ 33 Abs. 9 RVG, 68 Abs. 3 GKG.

Die Rechtsbeschwerde wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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