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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 9 WF 61/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1565 Abs. 2
ZPO § 252
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 614 Abs. 2
ZPO § 614 Abs. 3
Für die Aussetzung des Scheidungsverfahrens genügt, dass ein Ehegatte die persönlichen Beziehungen nicht als derart zerstört angesehen hat, dass für ihn die Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr in Betracht gekommen wäre.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 WF 61/09

In der Familiensache

wegen Scheidung

hier: sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Groß als Einzelrichterin

am 25. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lebach vom 28. April 2009 - 2 F 96/09 S - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien, die am . Mai 1997 die Ehe geschlossen haben, leben jedenfalls seit Anfang des Jahres 2009 getrennt. Mit am 27. Februar 2009 eingegangenem und dem Antragsgegner am 7. März 2009 zugestelltem Schriftsatz beantragte die Antragstellerin, gestützt auf § 1565 Abs. 2 BGB wegen gewalttätiger Übergriffe seitens des Antragsgegners, die Scheidung (Bl. 1 ff d.A.). Der Antragsgegner ist dem mit dem Ziel einer Abweisung des Scheidungsantrages entgegengetreten (Bl. 11 ff d.A.).

Nach Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2009 (Bl. 18 ff d.A.), in der der Antragsgegner auf die Frage des Gerichts, ob er eine Möglichkeit sehe, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen, erklärt hat, jeder Mensch habe eine zweite Chance, die würde er auch seiner Frau gewähren (Bl. 21 d.A.), hat das Familiengericht mit Beschluss vom 28. April 2009 das Scheidungsverfahren gemäß § 614 Abs. 2 ZPO für die Dauer von sechs Monaten bis zum 28. Oktober 2009 ausgesetzt und den Parteien nahe gelegt, eine Eheberatungsstelle aufzusuchen (Bl. 30 d.A.).

Gegen den ihm am 8. Mai 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit am 12. Mai 2009 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat darauf verwiesen, dass bei der gegebenen Sachlage die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Scheidungsverfahrens gemäß § 614 Abs. 2 ZPO nicht gegeben seien, weil keine begründete Aussicht auf Fortsetzung der Ehe bestehe, zumal die Antragstellerin bei ihrer Anhörung ausdrücklich bekundet habe, keine Möglichkeit zu sehen, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzuführen, diese also eine Fortsetzung der Ehe ausdrücklich ablehne (Bl. 34 ff d.A.).

Mit am 20. Mai 2009 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin das Ruhen des Verfahrens für die Dauer von sechs Monaten und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt (Bl. 37 d.A.).

Gemäß Beschluss vom 28. Mai 2009, auf den Bezug genommen wird (Bl. 38 ff d.A.), hat das Familiengericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass eine Aussetzung gemäß § 614 Abs. 2 ZPO möglich sei, wenn nach freier Überzeugung des Gerichts Aussicht auf Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehe. Es genügten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich mindestens ein Ehegatte an die Ehe gebunden fühle und die persönlichen Beziehungen noch nicht derart zerstört seien, dass von vorneherein eine Versöhnung ausscheide. Da der Antragsgegner im Rahmen seiner Anhörung auch nach Konfrontation mit den von den Antragstellerin erhobenen Vorwürfen erklärt habe, jeder Mensch habe eine zweite Chance, die er auch seiner Frau gewähren würde, sei das Gericht überzeugt, dass der Antragsgegner unabhängig von Trennungsgrund und Zeitpunkt die Ehe der Beteiligten noch nicht als endgültig gescheitert ansehe. Im Übrigen sei auf den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung des Verfahrens, als welcher der Antrag auf Ruhen des Verfahrens auszulegen sei, das Verfahren gemäß § 614 Abs. 3 ZPO auszusetzen. Die Aussetzung gemäß § 614 Abs. 3 ZPO sei unabhängig davon, ob Aussicht auf Fortsetzung der Ehe bestehe. Er sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da es an der erforderlichen Abweisungsreife des Scheidungsantrages fehle.

II.

Das gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO zulässige Rechtsmittel des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.

Die von dem Familiengericht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung und persönlichen Anhörung der Parteien angeordnete Aussetzung des Scheidungsverfahrens ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zwar ist dem Antragsgegner zuzugestehen, dass zweifelhaft erscheint, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 614 Abs. 3 ZPO, auf die das Familiengericht die Aussetzung des Scheidungsverfahrens im Nichtabhilfebeschluss vom 28. Mai 2009 auch gestützt hat, vorliegen. Anerkanntermaßen kommt eine Aussetzung gemäß § 614 Abs. 3 ZPO dann nicht in Betracht, wenn der Aussetzungsantrag rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn dem Antragsteller der Nachweis misslingt, dass die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte für ihn bedeutet und das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist, der Scheidungsantrag also abweisungsreif ist (vgl. Zöller- Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 614, Rz. 4, m.w.N.; Baumbach- Lauterbach- Albers - Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 614, Rz. 3, m.w.N.; Musielak- Borth, ZPO, 6. Aufl.; § 614, Rz. 8, m.w.N.; OLG Bamberg, FamRZ 1984, 897; OLG Schleswig, SchlHA 1991, 81; siehe auch OLG Hamm, DRsp IV (418) 159). Dass die Fortsetzung der Ehe jedenfalls bis zum Ablauf des Trennungsjahres für die Antragstellerin eine unzumutbare Härte bedeuten würde, ist in Anbetracht der vorliegenden Gegebenheiten nicht erkennbar und vom Familiengericht auch nicht begründet.

Indes ist bei der gegebenen Sachlage die Ermessensentscheidung des Familiengerichts, das Verfahren gemäß § 614 Abs. 2 ZPO auszusetzen, frei von Rechtsfehlern.

§ 614 Abs. 2 ZPO ermöglicht dem Gericht die Aussetzung des Verfahrens, wenn nach seiner freien Überzeugung Aussicht auf Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mindestens ein Ehegatte sich an die Ehe gebunden fühlt und die persönlichen Beziehungen noch nicht so zerstört sind, dass von vorneherein eine Versöhnung ausscheidet. Hält das Gericht nach freier Überzeugung die Voraussetzungen für gegeben, muss es das Verfahren aussetzen (Baumbach- Lauterbach- Albers- Hartmann, aaO, Rz. 2, m.w.N.; Musielak- Borth, aaO, Rz. 6, m.w.N.).

Die auf der Grundlage der persönlichen Anhörung der Parteien vom Familiengericht getroffene Feststellung, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass jedenfalls der Antragsgegner die Ehe der Parteien noch nicht als endgültig gescheitert ansieht und von daher Aussicht auf Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft besteht, unterliegt keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat sich, was von ihm nicht, auch nicht mit der sofortigen Beschwerde, in Abrede gestellt wird, im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 26. März 2009 auf die Frage des Gerichts, ob er noch die Möglichkeit sehe, die eheliche Gemeinschaft fortzuführen, dahingehend eingelassen, dass er seiner Frau eine zweite Chance gewähren würde. Wenn das Gericht mit Blick auf diese Einlassung und Würdigung des Ergebnisses der Anhörung im Übrigen nach seiner freien Überzeugung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht, lässt dies Rechtsfehler nicht erkennen. Zu keiner anderen Beurteilung führt in diesem Zusammenhang der Hinweis des Antragsgegners, die Antragstellerin habe ausweislich ihrer Einlassung im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung (Bl. 19 d.A.) für sich keine Möglichkeit zur Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft gesehen. Für die Aussetzung genügt, dass ein Ehegatte - hier der Antragsgegner - die persönlichen Beziehungen nicht als derart zerstört angesehen hat, dass für ihn die Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Hiervon war bzw. ist auf der Grundlage der Einlassung des Antragsgegners, seiner Frau eine zweite Chance geben zu wollen, auszugehen, zumal der Antragsgegner auch im Beschwerderechtszug nicht zu erkennen gegeben hat, an dieser Absicht nicht mehr festhalten zu wollen.

Dass der Antragsgegner, wie er im Beschwerderechtszug vorträgt, den Vorschlag des Gerichts, das Verfahren zum Ruhen zu bringen, abgelehnt hat, rechtfertigt letztlich ebenfalls keine andere Beurteilung. Zwar kommt eine Aussetzung - auch bei kürzerer Trennungszeit als einem Jahr - unter Umständen dann nicht in Betracht, wenn beide Ehegatten einer Aussetzung widersprechen, weil in der Regel keine Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht, wenn beide Ehegatten sich nicht versöhnen wollen (vgl. Zöller- Philippi, aaO, Rz. 6). Ob bei der gegebenen Sachlage eine Auslegung des Widerspruchs des Antragsgegners gegen die Anordnung eines Ruhens des Verfahrens als Widerspruch gegen die Anordnung der Aussetzung des Verfahrens geboten ist, kann dahinstehen. Die von dem Gericht nach Anhörung der Parteien insbesondere mit Blick auf die Einlassung des Antragsgegners gewonnene Überzeugung, dass Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht, wird hierdurch nicht in entscheidungserheblicher Weise in Frage gestellt.

Von daher hat das Rechtsmittel keinen Erfolg und ist dieses zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BGH, FamRZ 2006, 1268; BGH, MDR 2006, 704; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 252, Rz. 7; Zöller- Greger, aaO, § 252, Rz. 3, j.m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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