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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 1 MB 18/06
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 201
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 6
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 36 Abs. 1
BauGB § 36 Abs. 2
BImSchG § 13
BImSchG § 20
BImSchG § 4
BImSchG § 6 Abs. 1
VwGO § 149 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 5
VwGO § 80 Abs. 5
1. Hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs abgelehnt, kommt einer dagegen gerichteten Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu. Der Verwaltungsakt bleibt deshalb auch im Beschwerdeverfahren sofort vollziehbar, es sei denn, es ergeht eine anderslautende Entscheidung im Wege des § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

2. Durch § 36 Abs. 1 BauGB wird die gemeindliche Planungshoheit geschützt, nicht aber die Möglichkeit zu "stellvertretendem Nachbarschutz" eröffnet.

3. Biogasanlagen im Außenbereich sind nicht mehr - wie bis 2004 - nur als unselbständige Nebenanlagen eines landwirtschaftlichen Betriebes zulässig, sondern auch dann, wenn sie im funktionalen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb stehen und eine Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe unterstützen.

4. Ein Betrieb der Tierproduktion, der im Vollerwerb auf Dauer genügend Eigen- und Pachtflächen bewirtschaftet, ist als landwirtschaftlicher Betrieb anzuerkennen. Die Nachhaltigkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung kann insbesondere bei Nebenerwerbsbetrieben Zweifeln unterliegen, wenn sie überwiegend auf Pachtflächen erfolgt oder wenn - im Einzelfall - nur kurzzeitige oder (häufig) wechselnde Pachtungen erfolgen oder die Pachtflächen so weit vom Betrieb entfernt sind, dass eine nachhaltige Zuordnung zu der jeweiligen Betriebseinheit nicht mehr festzustellen ist.

5. Sofern die verwertete Biomasse zu einem erheblichen Teil aus den bewirtschafteten eigenen Betriebsflächen oder den Flächen von Kooperationsbetrieben stammt, wird eine Biogasanlage "im Rahmen" eines landwirtschaftlichen Betriebes genutzt.

6. Eine Biogasanlage muss im Einzelfall eine objektiv erkennbare Zuordnung zur Hofstelle des Betreibers aufweisen. Auch unter Beachtung des Gebots einer größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ist im Hinblick auf mögliche Immissionen der Biogasanlage ein größerer Abstand zur bewohnten Hofstelle sachgerecht.

7. Eine Biogasanlage ist zulässig, wenn die zu verarbeitende Biomasse überwiegend aus dem Betrieb des Vorhabenträgers bzw. aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben stammt. Je (flächen-)größer die Betriebe und je weiter sie auseinander liegen, desto größer darf - dem gesetzgeberischen Ziel einer Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe folgend - auch der im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB anzuerkennende Belieferungsradius der Biogasanlage gezogen werden.

8. Die Begrenzung der installierten elektrischen Leistung von 0,5 MW wird auch dann eingehalten, wenn neben einem (Haupt-) Generator eine weiterer Motor installiert ist, der nur bei Ausfall des Hauptmotors eingesetzt werden darf.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 1 MB 18/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Immissionsschutzrecht

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 08. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 01. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert beträgt 5000,-- EURO.

Gründe:

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs einer gem. § 4 BImSchG erteilten Genehmigung für eine Biogasanlage.

Gegen die am 26. April 2006 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Biogasanlage erhob die Antragstellerin Widerspruch. Der gegen den angeordneten Sofortvollzug der Genehmigung gerichtete Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 01. Juni 2006 - 12 B 24/06 - abgelehnt. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Die gem. § 146 VwGO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - dem vorliegenden, gegen den Sofortvollzug der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entgegengehalten werden kann, dass die Gemeinde - zuvor - einen gleichen Antrag gegen den angeordneten Sofortvollzug der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch den Landrat des Kreises ... gerichtet hatte. Der in Bezug auf díe Genehmigung vom 26. April 2006 gestellte Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO bleibt - unabhängig davon - ohne Erfolg, denn gegen den Sofortvollzug dieser Genehmigung sind keine durchgreifenden Einwände zu erheben und die materiell-rechtlichen Einwände der Antragstellerin aus §§ 4 Abs. 1 S. 1, 6 Abs. 1, 13 BImSchG i.V.m. §§ 29, 35 Abs. 1 Nr. 1, 6, Abs. 2 BauGB sind unbegründet.

1. Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO (S. 1, 13 des Bescheides vom 26. April 2006) sind mit der Beschwerde keine Einwände vorgebracht worden (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).

2. Die Vorschriften in § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB stehen der - vorliegend angegriffenen - immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. April 2006 nicht (mehr) entgegen, nachdem das Verwaltungsgericht die sofortige Vollziehbarkeit der das verweigerte Einvernehmen ersetzenden Entscheidung des Landrats des Kreises ... vom 30. März 2006 (§ 36 Abs. 2 S. 3 BauGB) bestätigt hat (Beschl. v. 25. Juli 2006, 8 B 30/06).

Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts hätte gem. § 149 Abs. 1 S. 2 VwGO nur im Falle einer einstweiligen Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses aufschiebende Wirkung; eine solche Aussetzung ist hier nicht erfolgt, so dass die Vollzugswirkungen der Ersetzungsentscheidung gem. § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB eintreten (vgl. zur Anwendbarkeit des § 149 VwGO auf Entscheidungen nach § 80 Abs. 5 VwGO: Eyermann-Happ, VwGO, Komm., 2006, § 149 Rn. 1).

3. Unabhängig davon hat die Antragstellerin das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche (vgl. VGH München, Beschl. v. 14.03.1991, 22 CS 90.3224, NVwZ-RR 1991, 523) Einvernehmen zu Unrecht versagt.

Es kann dahinstehen, ob die vorgebrachten Argumente der Antragstellerin - ausnahmslos - der Entscheidungsbefugnis der Gemeinde im Rahmen des § 36 Abs. 1 BauGB zugewiesen sind. Die Vorschrift will der Gemeinde nicht die Möglichkeit zu "stellvertretendem Nachbarschutz" eröffnen (wie es in der Erläuterung zur gemeindlichen Stellungnahme vom 19.01.2006 sowie im LN-Online-Artikel vom 20.01.2006 anklingt), sondern ausschließlich die gemeindliche Planungshoheit schützen. Die Antragstellerin darf sich dementsprechend im Rahmen des § 36 Abs. 1 BauGB allein auf planungsrechtliche Gründen beziehen; maßgeblich kommt es - nach dem Standort der Biogasanlage - auf § 35 BauGB an. Nach dieser Vorschrift war das Einvernehmen zu erteilen.

Die planungsrechtliche Zulässigkeit der Biogasanlage, deren Standort ca. 700 m nordwestlich der Hofstelle des Landwirts (hinter einem genehmigten Wall) liegt, beurteilt sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Sie ist danach zulässig, wenn die Biomasse-Nutzung "im Rahmen eines" landwirtschaftlichen Betriebes und mit diesem in einem "räumlich funktionalen Zusammenhang erfolgt, wenn - weiterhin - die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben stammt und die installierte elektrische Leistung der Anlage 0,5 MW nicht überschreitet. Biogasanlagen sind nicht mehr - wie nach dem bis 2004 geltenden Planungsrecht - nur als unselbständige Nebenanlagen eines landwirtschaftlichen Betriebes i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässig, sondern - erweitert - auch dann, wenn sie im funktionalen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb stehen oder eine Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe unterstützen.

Diese Voraussetzungen sind im Rahmen des angefochtenen Genehmigungsbescheides zu Recht bejaht worden.

a) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist unerheblich, ob die Hofstelle der Vorhabenträgers planungsrechtlich im Innenbereich liegt. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BauGB kommt es auf den Standort des "Vorhabens" - hier also der Biogasanlage - an; dieser liegt nach den vorliegenden Planunterlagen eindeutig im Außenbereich.

b) Der (künftige) Betreiber der Biogasanlage hat einen "landwirtschaftlichen" Betrieb i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 6, § 201 BauGB. Nach der den Verwaltungsvorgängen zu entnehmenden Stellungnahme des Amtes für ländliche Räume (ALR) in ... vom 16. November 2005 umfasst der Betrieb des Vorhabenträgers eine Nutzfläche von 54 ha, wovon ca. 8 ha Eigentumsfläche sind. Auf dem Betrieb wird eine Sauenhaltung mit 150 Tieren sowie eine Schweinemast mit 500 Mastplätzen betrieben. Das ALR hat - auch im Hinblick auf die Pachtflächen - keine Zweifel an der Nachhaltigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes bzw. des Vorliegens einer Landwirtschaft (§ 201 BauGB) geäußert; solche Zweifel sind auch nicht begründet: Bei kleineren Betrieben (insbesondere an der Grenze zur Hobbytierhaltung) kann die Nachhaltigkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung Zweifeln unterliegen, wenn sie - im Nebenerwerb - überwiegend (nur) auf Pachtflächen erfolgt (vgl. Urt. d. Senats v. 28.10.1991, 1 L 69/91, RdL 1992, 176 [Pferdehaltung], v. 10.11.1992, 1 L 320/91, v. 27.04.1994, 1 L 141/02, v. 23.03.1994, 1 L 76/93, juris und v. 07.02.1995, 1 L 121/94). Gleiches gilt, wenn - im Einzelfall - nur kurzzeitige oder (häufig) wechselnde Pachtungen erfolgen oder die Pachtflächen so weit vom Betrieb entfernt sind, dass eine nachhaltige Zuordnung zu der jeweiligen Betriebseinheit nicht mehr festzustellen ist (vgl. VG Mainz, Beschl. v. 05.04.2005, 6 L 113/05, n. v.: 45 km). Dem Gesetz ist - ansonsten - keine bestimmtes Verhältnis von Eigentums- zu Pachtflächen als Voraussetzung für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes zu entnehmen. Aus diesem Verhältnis kann nur ein Indiz bei der Prüfung der Dauerhaftigkeit des Betriebes gewonnen werden (BVerwG, Beschl. V. 19.05.1995, 4 B 107.95, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 310). Solange ein Betrieb für die (vorliegend betriebene) Tierproduktion - jedenfalls - auf Dauer genügend Eigen- und Pachtflächen bewirtschaftet, kann dessen Eigenschaft als "landwirtschaftlicher" Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 BauGB nicht in Abrede gestellt werden; dies gilt auch dann, wenn - im Rahmen einer erheblichen Gesamtwirtschaftsfläche - hinsichtlich einzelner Flächen Pachtungen beendet werden oder neue hinzutreten (vgl. dazu VGH München, Beschl. vom 25.09.2005, 1 ZB 05.501, juris). Abgesehen davon gehört zur Landwirtschaft i. S. d. § 201 BauGB auch die Erzeugung von Biogas durch die Vergärung von Biomasse (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 24.10.2001, 8 A 10125/01, RdL 2003, 295).

c) Der Vorhabenträger hat belegt, dass die Biogasanlage "im Rahmen" seines landwirtschaftlichen Betriebes genutzt werden soll. Dieser Betrieb ist der Anknüpfungspunkt für die Biogasanlage (vgl. dazu Hentschke/Urbisch, AUR 2005, 41/43). Die verwertete Biomasse stammt zu einem erheblichen Teil von den ihm bewirtschafteten Betriebsflächen, zum anderen von Kooperationsbetrieben (s. dazu unten e). Abzugrenzen sind hier insbesondere sog. "Lohnunternehmen", die keine eigene Flächenbewirtschaftung betreiben, sondern nur Dienstleistungen für landwirtschaftliche Betriebe erbringen (s. dazu VG Mainz, a.a.O.).

d) Die genehmigte Anlage steht gem. § 35 Abs. 1 Nr. 6 a BauGB auch in dem erforderlichen "räumlich-funktionalen" Zusammenhang mit dem Betrieb. Das Gesetz verwendet hier den "Betrieb" als Oberbegriff für Hofstelle bzw. Standort (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 08.12.2005, 1 A 11016/05, Juris [zu Tz. 26]).

Der räumliche Zusammenhang erfordert eine objektiv erkennbare Zuordnung der Biogasanlage zur Hofstelle (Hentschke/Urbisch, a.a.O.); dieser Zusammenhang muss nicht "äußerlich" sichtbar sein. Er kann sich - wie vorliegend - auch aus der Lage der Biogasanlage auf den Betriebsflächen des Vorhabenträgers ergeben. Der räumliche Zusammenhang ist auch im Hinblick auf die Entfernung zwischen der Anlage und der Hofstelle des Vorhabenträgers von ca. 700 m gewahrt. Auch unter Beachtung des Gebots einer größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ist ein größerer Abstand zur bewohnten Hofstelle im Hinblick auf mögliche Immissionen der Biogasanlage sachgerecht (vgl. Lampe, NuR 2006, 152/154).

Auch ein funktioneller Zusammenhang zwischen der Biogasanlage und dem landwirtschaftlichen Betrieb ist gegeben. Dieser ergibt sich bereits daraus, dass die Biogasanlage Biomasse (auch) aus dem Betrieb des Vorhabenträgers verarbeitet (vgl. Schreiben des Landesamts für Natur und Umwelt v. 15.09.2005, Bl. 29 der Beiakte A; vgl. dazu näher unten zu e). Weiter werden die Gärreste (Kompost aus dem Fermenter; ca. 7.600 t/a) auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen des Vorhabenträgers bzw. der kooperierenden Zulieferbetriebe ausgebracht (s. Schreiben des ALR vom 16.11.2005, S. 2 und vom 08.02.2006 / Anlage: S.I.G.-Stellungnahme, zu 4.). Für den funktionellen Zusammenhang genügt es, wenn die Biogasanlage für den landwirtschaftlichen Betrieb des Vorhabenträgers von Nutzen ist, sie muss ihm nicht - im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB - "dienen" (Lampe, a.a.O.).

e) Die zu verarbeitende Biomasse stammt nach den Genehmigungsunterlagen überwiegend aus dem Betrieb des Vorhabenträgers bzw. aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 b BauGB).

Die Einbeziehung von Biomasse aus nahe gelegenen Betrieben dient dem - vom Gesetzgeber ausdrücklich unterstützten - Ziel einer Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe. Die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 b BauGB ist nur dann nicht erfüllt, wenn die Biomasse überwiegend weder aus dem Betrieb des Vorhabenträgers noch aus nahe gelegenen Betrieben stammt. Ergibt - m. a. W. - die Summe der "eigenen" Biomasse plus der aus nahe liegenden Betrieben verwerteten Biomasse mehr als 51 %, ist die Anlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 b BauGB privilegiert.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt: Dem Antragsgegner sind - auf entsprechende Frage - dazu Zahlen und Kooperationsvereinbarungen vorgelegt worden, aus denen sich ergibt, dass (weit) mehr als 50 v.H. der Biomasse ("Substrat") aus Betriebsflächen stammt, die überwiegend bis zu 5 Kilometern, in Einzelfällen bis zu 10 Kilometern von der Anlage entfernt liegen (Bl. 178 der Beiakte A). Bei diesen Entfernungen kann noch von "nahe gelegenen" Betrieben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 6 b BauGB ausgegangen werden. Dabei ist - zum einen - das gesetzgeberische Ziel zu berücksichtigen, überregionale Transporte von Biomasse zu verhindern (Lampe, a.a.O., m.w.N. bei Fn. 12). Andererseits schließt die vom Gesetzgeber unterstützte betriebliche Kooperation notwendig ein, dass bei der "Nähe" der Betriebe i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB die im jeweiligen Umfeld tatsächlich vorhandene Standortdichte landwirtschaftlicher Betriebe zu berücksichtigen ist. Je (flächen-)größer die Betriebe und je weiter sie auseinander liegen, desto größer darf - dem gesetzgeberischen Ziel folgend - auch der im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB anzuerkennende Belieferungsradius gezogen werden (Hentschke/Urbisch, a.a.O., S. 44).

f) Die Biogasanlage erfüllt - schließlich - auch die Voraussetzung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 d BauGB. Die installierte elektrische Leistung überschreitet 0,5 MW nicht.

Es trifft - zwar - zu, dass in der Anlage zwei zur Stromerzeugung eingesetzte Motoren vorgesehen sind, wobei ein Motor eine elektrische Gesamtleistung von 500 kW und ein zweiter von 345 kW erbringt; daraus ergäbe sich eine Überschreitung der in § 35 Abs. 1 Nr. 6 d bestimmten Privilegierungsgrenze. Diese ließe sich nicht durch einen Rückgriff auf § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 BauGB überwinden da § 35 Abs. 1 Nr. 6 d BauGB eine abschließende Spezialvorschrift enthält (Lampe, a.a.O., S. 155; z. T. a. A. Hentschke/Orbisch, a.a.O., S. 45).

Demgegenüber ist - aber - in der angefochtenen Genehmigung hinreichend und verlässlich sichergestellt worden, dass die installierte elektrische Leistung der Anlage den Grenzwert von 0,5 MW einhält. Dies ergibt sich bereits aus dem ersten Satz der Genehmigungsurkunde vom 26. April 2006, der die Genehmigung ausdrücklich auf eine Anlage "mit einer elektrischen Leistung, die 0,5 MW nicht überschreitet" beschränkt. Die darin liegende - klare - Regelung wird in den "Nebenbestimmungen" (Abschnitt III, Bereich Immissionsschutz, Ziff. 10 des Genehmigungsbescheides) gestützt, wo es heißt:

"Die installierte elektrische Leistung der Anlage darf 0,5 MW nicht überschreiten. Die Möglichkeit, 0,5 MW zu überschreiten, ist technisch zu verhindern. Es ist eine Bescheinigung der installierenden Firma vorzulegen, dass 0,5 MW nicht überschritten werden."

Die Begründung dafür, dass (gleichwohl) zwei Motoren mit einer die Grenze von 0,5 MW überschreitenden "Leistungssumme" vorgesehen sind, ist den Genehmigungsunterlagen klar zu entnehmen. Danach soll der zweite (kleinere) Motor für den "Notbetrieb" eingesetzt werden, und zwar für den Fall, dass der (größere) Hauptmotor ausfällt. Als "Notbetrieb" wird der Fall erfasst, dass bei plötzlichem Ausfall des Hauptmotors das anfallende Biogas schadlos beseitigt werden muss. Dies würde ansonsten über eine Notfackel erfolgen. Die Lösung durch einen zweiten Motor ist demgegenüber als besser beurteilt worden (Schreiben der Antragsgegnerin an den Kreis vom 25.01.2006, Bl. 147 der Beiakte A). Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken.

Der Annahme der Antragstellerin, als "installierte" Leistung der Anlage sei die Summe der Leistungen der beiden Motoren anzusehen, kann nicht zugestimmt werden. Nach dem Genehmigungsinhalt sind die Motoren technisch so zu installieren, dass entweder nur der eine oder nur der andere Motor läuft, so dass auf diese Weise sichergestellt ist, dass die im Genehmigungsbescheid - eindeutig - vorgegebene Leistungsgrenze nicht überschritten werden kann. Damit wird klar geregelt, dass nicht mehr als 500 MW elektrischer Leistung installiert sind. Der Überprüfung im vorliegenden Fall kann - demgegenüber - nicht die Annahme zugrunde gelegt werden, dass diese Regelung - die (allein) hier zu beurteilender Inhalt des angefochtenen Genehmigungsbescheides ist, missachtet werden wird. Die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der erteilten Genehmigung obliegt dem Antragsgegner ohnehin; diese Aufgabe hat mit dem vorliegenden Streit nichts zu tun. Sollte es (technisch) zutreffen, dass aufgrund der mit dem Stromnetzbetreiber abgeschlossenen Vereinbarungen eine Stromeinspeisung von mehr als 500 kW aus "netztechnischen Gründen" ausgeschlossen ist (s. S.I.G.-Stellungnahme vom 09.02.2006, zu 3.), wäre damit für den Anlagenbetrieb die Einhaltung der in der angefochtenen Genehmigung vom 26. April 2006 und in Abschnitt III.10 der Nebenbestimmungen (s. o.) bestimmten Vorgabe hinreichend sicher gestellt. Dies ist im Rahmen der Anlagenüberwachung (§ 20 BImSchG) jederzeit nachprüfbar.

g) Die übrigen planungsrechtlichen Voraussetzungen sind, wie der Landrat des Kreises ... in seinem - den Beteiligten bekannten - Schreiben vom 30. März 2006 zutreffend ausgeführt hat, gegeben.

3. Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Ziff. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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