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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.05.2006
Aktenzeichen: 1 O 11/06
Rechtsgebiete: LVwG SH, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

LVwG SH § 120 Abs. 1
VwGO § 106
VwGO § 154
VwGO § 158 Abs. 2
VwGO § 161 Abs. 2
VwGO § 162 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 2 S. 2
VwGO § 80 Abs. 5
VwVfG § 80 Abs. 1
1. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren hat das Gericht nur zu treffen, wenn und soweit es im Hauptsacheverfahren über die Kostentragungspflicht entscheidet.

2. Mit dem ein Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs abschließenden (Kosten-) Beschluss wird nur über die Kosten dieses Verfahrens entschieden. Von diesen Kosten sind die Kosten des Hauptsacheverfahrens (im vorliegenden Fall des Widerspruchsverfahrens) zu unterscheiden.

3. Im Rahmen der das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO abschließenden (Kosten-) Entscheidung ist § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Bezug auf die Kosten der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Hauptsacheverfahren (hier: Widerspruchsverfahren) nicht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ein Vergleich geschlossen worden ist, durch den das Widerspruchsverfahren materiell mit erledigt worden ist.

4. Die Antragsteller (Widerspruchsführer) sind darauf zu verweisen, bei der Widerspruchsbehörde über eine Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten im Vorverfahren auf der Grundlage des § 120 Abs. 2 LVwG nachzusuchen. Diese hat -unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die zur Beendigung des Widerspruchsverfahrens geführt haben- darüber eine Entscheidung zu treffen.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 1 O 11/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren (Nachbarwiderspruch gegen Baugenehmigung)

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 29. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 26. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, mit Beschluss vom 26.04.2006 abgelehnt, da eine solche Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht ergehen könne. Mit der Beschwerde vertreten die Antragsteller die Ansicht, die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten sei hier zu bejahen und auch festzustellen, da in dem das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO abschließenden Vergleich vom 15./16./20.03.2006 die Hauptsache mit verglichen worden sei.

II. Die Beschwerde ist zulässig. Der angefochtene Beschluss ist keine Kostenentscheidung im Sinne des § 158 Abs. 2 VwGO, sondern eine beschwerdefähige Entscheidung über den Umfang der Kostentragungspflicht nach § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die begehrte Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren zu Recht abgelehnt.

Eine Entscheidung gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist vom Gericht nur zu treffen, wenn und soweit auch über die Kostentragungspflicht im Hauptsacheverfahren entschieden wird. Das ist vorliegend nicht der Fall. Hier war ein Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines (Nachbar-)Widerspruchs gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anhängig; dieses ist durch den Vergleich vom 15./16./20. März 2006 beendet worden (§ 106 S. 2 VwGO); der (gem. Ziff. 6 des Vergleichs) entsprechend § 161 Abs. 2 VwGO ergangende Beschluss vom 03. April 2006 betrifft damit nur die Kosten des nach § 80 a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO durchgeführten Verfahrens. Von diesen Kosten sind die Kosten des Hauptsacheverfahrens - im vorliegenden Fall des Widerspruchsverfahrens (§§ 68 ff. VwGO) - zu unterscheiden. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Bezug auf die Kosten der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Hauptsacheverfahren (hier: Widerspruchsverfahren) nicht anwendbar (VG Schleswig, Beschl. v. 28.01.1980, 9 D 334/79(91), SchlHA 1982, 141; VGH Mannheim, Beschl. v. 18.08.1982, 8 S 1049/82, VBlBW 1983, 168; OVG Münster, Beschl. v. 01.08.1974, XV B 324/74, NJW 1975, 325 [zu § 123 VwGO] und Beschl. v. 15.02.1993, 4 B 1917/92, DVBl. 1993, 889; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.01.1991, Bs IV 481/90, LKV 1992, 59; VGH Kassel, Beschl. v. 27.07.1998, 4 TJ 315/98, NVwZ-RR 1999, 346; OVG Weimar, Beschl. v. 15.09.2000, 4 ZEO 167/98, NVwZ-RR 2001, 205; Busch, NJW 1974, 891 ff.).

Soweit die Antragsteller die Ansicht vertreten, vorliegend müsse § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO deshalb zur Anwendung kommen, weil das Widerspruchsverfahren durch die in Ziff.1) und 2) des Vergleichs vom 15./16./20. März 2006 getroffenen Regelungen (materiell) mit erledigt worden sei, folgt der Senat dem nicht. Es wird z. T. zwar vertreten, dass auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erfolgen müsse (Redeker/v.Oertzen, VwGO, 2004, § 162 Rn. 13), da dieses Verfahren ein "selbständiges Verfahren" darstelle (OVG Münster, Beschl. v. 18.05.1972, X B 100/72, OVGE 28, 31), in dem - ausnahmsweise - über § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO entschieden werden müsse, wenn "das Vorverfahren abgeschlossen und ein Klageverfahren nicht mehr möglich" sei (VG Köln, Beschl. v. 09.02.1973, 4 L 584/72, NJW 1973, 1015). Dem ist aber nicht zuzustimmen:

Eine Entscheidung des Gerichts nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO kann nur dann und insoweit ergehen, als das Gericht auch über die Kostentragungspflicht entscheidet (VG Greifswald, Beschl. v. 05.03.1998, 2 B 1643/96, Juris). Die vorliegend - in dem entsprechend § 161 Abs. 2 VwGO ergangenen Beschluss vom 03. April 2006 - getroffene Kostengrundentscheidung ist keine Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens, sondern allein über diejenigen des gerichtlichen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Entscheidungsmaßstab für die Kosten(grund)entscheidung im Hauptsacheverfahren ist gegenüber demjenigen im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO verschieden. Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 03. April 2006 umfasst nicht das Widerspruchsverfahren; § 162 Abs. 1 VwGO greift hier nicht. Das Widerspruchsverfahren ist kein "Vorverfahren" zum Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (zutr. OVG Weimar, a.a.O.). Allein von dem "Zufall", ob dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch eine Hauptsacheentscheidung folgt oder nicht, kann die gesetzessystematische Zuordnung der Entscheidung nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO und der danach zu treffenden Entscheidung über den Umfang der Kosten nicht abhängen (VGH Kassel, a. a. O.).

Die Antragsteller sind darauf zu verweisen, bei der Widerspruchsbehörde über eine Entscheidung zur Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten im Vorverfahren auf der Grundlage des § 120 Abs. 2 LVwG nachzusuchen (so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 06.08.1974, V B 55/73, NJW 1974, 2022, mit Anm. Busch). Diese hat - unter Berücksichtigung der vorliegenden Besonderheiten, die zur Beendigung des Widerspruchsverfahrens geführt haben - darüber eine Entscheidung zu treffen (vgl. einerseits BVerwG, Urt. v. 11.05.1981, 6 C 121.80, BVerwGE 62, 201 f.; VGH Kassel, Beschl. v. 16.03.1984, IV OE 56/82, AnwBl 1984, 559; andererseits BVerwG, Urt., v. 18.04.1996, 4 C 6.95, BVerwGE 101, 64 ff. [Ls. 2]: VGH Mannheim, Beschl. v. 15.01.1981, 5 S 1519/80, AnwBl 1981, 245; ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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