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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.11.2002
Aktenzeichen: 14 A 250/00
Rechtsgebiete: LWG, WHG, LVwG, VwGO


Vorschriften:

LWG § 83
LWG § 85 Abs. 2
WHG § 34 Abs. 2
LVwG § 115
VwGO § 71
Kosten einer gewässerbezogenen Gefahrerforschung können auch dann dem Veranlasser auferlegt werden, wenn das ursächliche, wasserrechtswidrige Verhalten zu einem Zeitpunkt abgeschlossen war, als eine Kostentragung durch den Veranlasser noch nicht landesgesetzlich vorgesehen war.

Eine Verböserung im Widerspruchsverfahren ist zulässig, wenn auch eine gesonderte Nacherhebung von noch nicht im Ausgangsbescheid geltend gemachter Kosten zulässig wäre.

Die Behörde hat den Betroffenen vor einer Verböserung anzuhören.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 14 A 250/00

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 14. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Riehl, den Richter am Verwaltungsgericht Bleckmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Nordmann, sowie die ehrenamtlichen Richter Brackmann und Jansen für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Kosten wegen durchgeführter Maßnahmen der Gewässeraufsicht durch den Beklagten.

Im Zuge einer vom Beklagten durchgeführten Erfassung von Abfallablagerungsstellen meldete die Klägerin 1980 eine in ihrem Stadtgebiet stillgelegte Deponie in der Ratzeburger Straße ("... Moor"). Dieses Gelände stand ursprünglich im Eigentum eines Landwirts. Die Klägerin nutzte es in der Zeit von ca. 1945 bis 1967/68 auf einer Fläche von ca. einem Hektar mit einem eingangs geschätzten Volumen von 90.000 bis 100.000 m³ als Müllabladeplatz und lagerte dort nach eigenen Angaben "Bauschutt, pflanzliche Abfälle, sowie Haus- und Sperrmüll und diesen vergleichbare Betriebsabfälle". Am 13.09.1966 beantragte sie eine wasserbehördliche Erlaubnis zur Ablagerung des Mülls. Im Januar 1967 stellte die Wasserbehörde die Verunreinigung eines vom Müllplatz zum nahegelegenen Pirschbach führenden Gewässers mit Schutt und Altöl fest ("tiefschwarze Färbung, zahlreiche Ölflecken") und ordnete insoweit diverse Maßnahmen an. Zugleich kündigte sie an, im Rahmen des Erlaubnisverfahrens weitere Auflagen zu erteilen. Die Klägerin kümmerte sich darauf hin um einen anderen Standort, der zum 01.04.1968 in Betrieb genommen wurde. Auf Seiten des Beklagten wurden aufgrund dieses Sachverhaltes auch Stoffe mit besonderem Gefährdungspotential (Öl, Autos) auf der Fläche vermutet.

Eine Erfassung und Bewertung im Jahre 1985 ergab, dass das Gelände in einem Wasserschongebiet lag, dass sich der nächste Zentralbrunnen in 1.000 m, der nächste Trinkwassereinzelbrunnen in 1.500 m und das nächste Oberflächengewässer in 200 m Entfernung befand, dass die Tiefe der Grube acht Meter betrug, wobei die Ablagerungen bis ins Grundwasser reichten und dass es bereits zu Oberflächengewässer- und Grundwasserverunreinigungen gekommen war. Zu dieser Zeit stand die Fläche im Eigentum zweier in Mölln ansässiger Firmen. Auf der Fläche wurden nunmehr Gewerbebetriebe, Kfz-Hallen und Wohnhäuser errichtet. Ein Teil der Fläche ist durch Pflasterung und Asphalt abgedeckt, im Übrigen ist sie mit Büschen und Bäumen bewachsen.

Im Mai 1986 gab die Klägerin beim Chemischen Laboratorium Lübeck ein Gutachten mit Wasseranalysen an sechs Entnahmestellen in Auftrag. Tatsächlich beprobt wurden - einmalig - zwei acht Meter tief gebohrte Brunnen und ein Drainageschacht auf dem Deponiegelände, der zum Pirschbach führende Graben sowie der Pirschbach selbst ober- und unterhalb der Grabenmündung. Zur Feststellung der geologischen Voraussetzungen wurden die aus 1983 und 1986 vorhandenen Ergebnisse von Rammkernsondierungen und Bohrungen ausgewertet. Das Gutachten vom 07.01.1987 kam zu dem Ergebnis, dass in der Deponie überwiegend Hausmüll und organische Stoffe abgelagert wurden. Da der Deponiekörper in einer nach untern hin undurchlässigen Mulde liege und nur gering in den das Gebiet umgrenzenden Graben entwässere, sei eine von der Deponie ausgehende Gefahr nicht zu erwarten. Empfohlen wurde allerdings, die Deponie an Hand der zwei Beobachtungsbrunnen und des Inhalts des Drainageschachtes weiterhin zu beobachten. Darauf hin veranlasste der Beklagte im Januar 1990, im November 1991 und im November 1993 auf eigene Kosten weitere Grundwasser- und Gewässerproben, die die geltenden Richt- und Grenzwerte zum Teil deutlich überschritten. Im Mai 1995 eingeholte Zeugenaussagen bestätigten den Verdacht, dass in der Deponie ganze Autos, Motoren- und Getriebeteile, Altölkanister und sonstige Behältnisse entsorgt worden waren. Diese Zustände hätten bis Anfang der 70er Jahre vorgeherrscht. Altöl sei als Brandbeschleuniger zum Anstecken der Abfälle benutzt worden, um so das Volumen zu verkleinern.

Am 23.06.1995 beauftragte der Beklagte das Ingenieurbüro ... mit der Erstellung einer Gefährdungsabschätzung der Altablagerung. Begründet wurde diese Entscheidung gegenüber dem Kreisausschuss damit, dass es sich bei dieser Ablagerung mit 100.000 m³ um die größte der Stadt Mölln handele. Sie sei gemäß der landesweiten Erstbewertung mit 73 Punkten in die Untersuchungspriorität I (vordringlicher Untersuchungsbedarf) eingestuft. Es sei anzunehmen, dass die Deponie das oberflächennahe Grundwasser und das unmittelbar angrenzende Oberflächengewässer beeinflusst. Die bisher durchgeführten Untersuchungen durch die Klägerin seien für eine abschließende Bewertung unzureichend.

Die umliegenden Eigentümer und die Klägerin wurden schriftlich über die bevorstehenden Untersuchungen unterrichtet. Im ersten Abschnitt der Begutachtung erfolgte eine Prüfung und Auswertung des vorhandenen Datenmaterials, die Beschaffung von weiteren Informationen und die Darstellung von Ergebnissen. Das Gutachten selbst endete mit der Empfehlung weitergehender Erkundungen vor allem zwecks Feststellung der Grundwasserfließrichtung und der Abgrenzung des Deponiekörpers in östliche Richtung. Im März 1996 gab der Beklagte bei der Firma ... weitere Deponieerkundungsbohrungen und die Errichtung von zwei weiteren Grundwassermessstellen in Auftrag. Diese Arbeiten wurden am 22.04.1996 abgeschlossen und dem Beklagten mit 23.120,75 DM in Rechnung gestellt. Das Ingenieurbüro ... wurde mit der Einmessung (Nivellierung) der vorhandenen Bohrungen und Beobachtungsbrunnen beauftragt, wofür ein Betrag von 3.220,00 DM zu entrichten war. Im zweiten und dritten Abschnitt der Begutachtung erfolgte die Erstellung eines Grundwassergleichenplans, die Bestimmung der Grundwasserfließrichtung sowie die Erfassung möglicher Transportwege der Verunreinigungen. Für diese beiden Abschnitte erhielt der Beklagte Rechnungen über 8.581,51 DM und 20.815,14 DM. Nach Durchführung des 4. und 5. Begutachtungs-abschnitts, bei dem die Grund- und/oder Oberflächenwasserbeschaffenheit überprüft und noch einmal das gesamte Datenmaterial ausgewertet wurde, lag am 30.10.1996 ein Abschlussgutachten vor, wonach zwar kein akuter Handlungsbedarf bestehe, eine abschließende Entscheidung über Sicherungsmaßnahmen aber noch nicht getroffen werde könne, weil zuvor weitere Erkundungsmaßnahmen erforderlich seien. Die darauf hin erfolgende Abschlussrechnung des Ingenieurbüros belief sich auf 13.669,62 DM. In den folgenden Jahren (1996 bis 1999) beprobte das Chemische Laboratorium Lübeck im Auftrag des Beklagten jeweils an vier Stellen das Grundwasser und einmal das Oberflächengewässer. Hierfür fielen nochmals Kosten in Höhe von insgesamt 13.189,16 DM an.

Nach Durchführung einer Anhörung nahm der Beklagte die Klägerin mit Kostenbescheid vom 22.09.1999 gemäß § 85 Abs. 2 LWG für die angefallenen Auslagen im Zusammenhang mit den Boden- und Grundwasseruntersuchungen in Höhe von 23.523,78 DM in Anspruch. Durch den Betrieb der Mülldeponie habe die Klägerin gegen die seit 1960 geltende wasserrechtliche Pflicht des § 34 Abs. 2 WHG verstoßen, wonach Stoffe nur so gelagert bzw. abgelagert werden dürfen, dass eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers nicht zu besorgen ist. Der Verdacht eines Verstoßes hiergegen sei nach Vorliegen des ersten und zweiten Zwischenberichts im Rahmen der Gefährdungsabschätzung begründbar gewesen. Es könne nachgewiesen werden, dass die abgelagerten Abfälle im Grundwasser lägen, dass eine nordwestliche Grundwasserfließrichtung bestehe, dass im Auffüllungskörper erhöhte MKW- und PRK-Konzentrationen bestünden, dass die Deponie keine Basis- und Oberflächenabdichtung besitze und dass eine Grundwasserbeeinträchtigung auch im Abstrom bestehe. Gemäß beigefügter Kostenübersicht wurden deshalb diejenigen Auslagen geltend gemacht, die ab Dezember 1996 unter den Positionen 9 bis 13 angefallen waren. Im Rahmen des Ermessens sei zu berücksichtigen, dass das hohe öffentliche Interesse und der hohe Stellenwert der Gewässer zur Erstattungspflicht desjenigen führe, der durch rechtswidriges Verhalten das behördliche Tätigwerden herbeiführe. Ein entgegenstehendes Interesse der Klägerin könne nur haushaltstechnischer Natur sein.

In ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie über die bevorstehende Gefährdungsabschätzung und die damit verbundenen Kosten nicht informiert worden sei. Nach Vorlage des Gutachtens aus dem Jahre 1987 habe sie darauf vertrauen dürfen, dass sich aus dem Betrieb der Mülldeponie für sie keine negativen Folgen mehr ergäben. Die Anwendung des § 85 Abs. 2 LWG verstoße gegen das verfassungsrechtlich begründete Rückwirkungsverbot, weil diese Vorschrift bzw. ihr Vorläufer erst im Mai 1979 in Kraft getreten, die Deponie aber schon 1968 stillgelegt worden sei. Auch liege der Tatbestand des § 85 Abs. 2 LWG nicht vor, da die Deponie nicht illegal errichtet und betrieben worden sei. Einer Genehmigung habe es nicht bedurft. § 34 Abs. 2 WHG sei seit 1960 zwar anwendbar, das Wasserhaushaltsgesetz enthalte aber weder eine Ermächtigung zur Gewässeraufsicht oder Gefahrerforschung noch für eine Geltendmachung der dabei entstehenden Kosten. Wegen der fehlenden Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 LWG müsse es bei dem allgemeinen Grundsatz bleiben, dass die Amtsermittlungskosten vollständig bei der Behörde liegen. Eine Heranziehung des Verantwortlichen zu diesen Kosten sei nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht nicht zulässig. Im Übrigen sei nicht erkennbar, um welche Art von Maßnahme es sich bei der durchgeführten Gefährdungsabschätzung handele. Betrachte man die Klägerin als Privatperson, liege eine Ersatzvornahme vor, vor deren Ergreifen dem Verantwortlichen die Gefährdungsabschätzung zunächst selbst hätte aufgegeben werden müssen. Betrachte man die Klägerin als Hoheitsträgerin, hätte ihr gegenüber nur eine Beanstandung im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht erfolgen können. Schließlich sei die Maßnahme unverhältnismäßig, nachdem schon 1987 ein Gutachten vorgelegt worden sei. Eine darüber hinausgehende Erforderlichkeit habe der Beklagte nicht schlüssig begründet.

Mit Schreiben vom 15.03.2000 (und Ab-Vermerk vom gleichen Tage) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass im Rahmen des Widerspruchsverfahrens beabsichtigt sei, weitere Kosten in Höhe von 59.092,40 DM festzusetzen, nachdem sich für den Beklagten aus einem jetzt erst bekannten gewordenen Urteil des Schleswig-Holsteinischen OVG ergebe, dass es zur Geltendmachung der Kosten nicht eines begründeten Verdachts auf Verletzung wasserrechtlicher Pflichten bedürfe, sondern bereits die Einstufung der Altlast in die Prioritätsstufe I sowie die Feststellung ausreiche, dass die abgelagerten Stoffe teilweise bzw. im Ganzen im Grundwasser lägen. Über die bereits festgesetzten Kosten hinaus sollten deshalb auch die unter den Kostenpositionen 4 bis 8 geltend gemachten Auslagen erstattet werden. Hinzu kämen die im Jahre 1999 angefallenen Überwachungskosten.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 03.08.2000 nachgefragt hatte, wann mit einer Entscheidung über den Widerpruch zu rechnen sei, wies der Beklagte den eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück und setzte die zu erstattenen Kosten mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2000 auf insgesamt 82.616,18 DM fest. Im Rahmen der Begründung wurde zunächst darauf verwiesen, dass der Beklagte in Anwendung des geltenden Wasserrechts und nicht nach Abfallrecht zuständig gewesen sei, da die entsprechenden Abfallgesetze erst seit 1972 in Kraft seien und es hier vorrangig um die Abwehr von Gefahren für das Grundwasser gehe, bei der die der Verunreinigung zu Grunde liegende Abfalleigenschaft des abgelagerten Mülls nur eine nachgeordnete Bedeutung habe. Die Anwendung des § 85 Abs. 2 LWG auf einen derartigen Sachverhalt - Schließung der Deponie vor Inkraftreten der Vorläufervorschrift § 70 LWG a. F. - sei vom Schleswig-Holsteinischen OVG bislang noch nie problematisiert worden und auch nicht zweifelhaft. Auch der Tatbestand sei gegeben. Für einen Verstoß gegen den seit 1960 geltenden § 34 Abs. 2 WHG reiche auch die entfernte Wahrscheinlichkeit der Grundwasserbeeinträchtigung, die hier schon allein aufgrund der Tatsache der Ablagerung von Müll anzunehmen gewesen sei. Erkundungsbohrungen hätten gezeigt, dass keine hydraulische Barriere zu den Grundwasser führenden Schichten bestehe und dass es zu Austragungen in das Grundwasser sowie zu schädlichen Verunreinigungen gekommen sei. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin das Tätigwerden des Beklagten im Rahmen der Gewässeraufsicht auch veranlasst habe. Die anzunehmende Verletzung wasserrechtlicher Pflichten sei für das wasserbehördliche Handeln ursächlich geworden, auch wenn diese Maßnahmen sodann am Programm der Landesregierung zur Beherrschung von Abfallaltlasten ausgerichtet gewesen seien. Schon die Einstufung in die Untersuchungspriorität I und die eingeholten Zeugenaussagen hätten ein wasserbehördliches Handeln geboten. Die Geltendmachung der im Rahmen der Gewässeraufsicht angefallenen Kosten hänge auch nicht davon ab, dass sich der Verdacht der Grundwasserverunreinigung später bestätige oder sich tatsächlich ein Sanierungsbedarf ergebe. Bei der anzustellenden Ex-ante-Betrachtung reiche es, wenn nach wasserbehördlicher Einschätzung eine auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit der Wasserbeeinträchtigung bestehe. § 85 Abs. 2 LWG stelle insofern eine Spezialnorm dar, als dass sie für die im Rahmen der Amtsermittlung anfallenden Gefahrerforschungskosten eine Übernahme durch den Veranlasser vorsehe. Dies sei vom Gesetzgeber gerade deshalb gewollt, um der Wasserbehörde die Erforschung entsprechender Sachverhalte unabhängig vom Überwachungspflichtigen und ohne Kostenrisiko zu ermöglichen. Hieraus ergebe sich zugleich, dass auch eine vorherige Aufforderung zur Selbstüberwachung nicht geboten sei, zumal diese auch nur begrenzt verwertet werden könne. Mit einer erst im Rahmen der Gefahrenabwehr in Betracht kommenden Ersatzvornahme habe dies nichts zu tun.

Die in Rechnung gestellten Maßnahmen seien auch erforderlich gewesen. Das Gutachten von 1987 sei in Anbetracht der an eine zuverlässige Gefährdungsabschätzung zu stellenden Anforderungen mehr als dürftig bzgl. einer möglichen Grundwassergefährdung. Es habe sich auf eine rein chemische Analyse beschränkt und sich nicht ausreichend mit den geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen befasst. Die Grundwasser-transportwege seien nicht erkundet worden.

Der Beklagte habe die Kostenforderung auch gegenüber der Klägerin durch einen Verwaltungsakt geltend machen können, weil damit kein Eingriff in ihre hoheitlichen Befugnisse bzw. Zuständigkeiten verbunden sei. Auch § 234 LVwG stehe dem nicht entgegen, da ein Kostenbescheid nach § 85 Abs. 2 LWG noch keine Vollzugsmaßnahme darstelle. Die Erhöhung der Kostenforderung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei keine unzulässige Verböserung, wenn neue rechtliche Erkenntnisse hinzukämen - wie hier aufgrund des Bekanntwerdens der OVG Entscheidung vom 26.05.1999 (Az. 2 L 231/96). Hinsichtlich des auszuübenden Ermessens sei noch darauf zu verweisen, dass die Heranziehung des Veranlassers dem Regelfall entspreche und hiervon nur bei grober Unbilligkeit abzusehen sei.

Gegen den am 18.08.2000 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 15.09.2000 Klage erhoben.

Die Klägerin behauptet, dass die im Widerspruchsverfahren vorgenommene reformatio in peius ohne vorherige Anhörung erfolgt sei. Das behördliche Schreiben vom 15.03.2000 sei im Büro des Prozessbevollmächtigten nicht angekommen. Sie gehe allerdings davon aus, dass auch bei Durchführung der Anhörung kein anderes Ergebnis zu erzielen gewesen wäre.

§ 85 Abs. 2 LWG dürfe wegen des Rückwirkungsverbots nicht angewendet werden. Die Regelung bzw. ihr Vorläufer sei erst nach Stilllegung der Deponie (1968) in Kraft getreten. Schon die Gesetzesbegründung zu § 70 LWG a.F. zeige, dass diese nach Vorstellung des Gesetzgebers und in Anerkennung des Rückwirkungsverbots nicht auf Altlasten angewendet werden sollte, sondern nur auf gegenwärtige bzw. künftige Ablagerungen. Der Betrieb der Deponie sei seit der Stilllegung ein abgewickelter Tatbestand, in den rückwirkend nicht mehr regelnd eingegriffen werden dürfe. Deshalb könnten auch das AbfG und das WHG auf stillgelegte Deponien nur angewandt werden, wenn die Stilllegung noch unter Geltung dieser Gesetze erfolgt sei. Eine Ausnahme von diesem echten Rückwirkungsverbot sei nur bei zwingenden Gründen des Gemeinwohls denkbar, die allerdings für Gesetze über Gefahrerforschungseingriffe nicht ersichtlich seien. Eine Amtsermittlung sei jedenfalls nach allgemeinem Verwaltungsrecht stets zulässig. Das danach allein anwendbare WHG enthalte keine Rechtsgrundlagen zur kostenpflichtigen Gefahrerforschung. Soweit in der Literatur und durch das Schl.-Holst. OVG - Urteile v. 19.01.93 und 26.05.99 - eine Anwendung des § 85 Abs. 2 LWG auf vor 1978 stillgelegte Deponien bejaht werde, habe man die Rückwirkungsproblematik offensichtlich übersehen. Nur vorsorglich wird darauf verwiesen, dass auch eine unechte Rückwirkung ausnahmsweise unzulässig sein könne und hier auch wäre, weil die Klägerin mit einem Eingriff aufgrund eines späteren Gesetzes nicht mehr zu rechnen brauchte und weil ihr Vertrauen darauf schützwürdiger sei als das der Allgemeinheit; Letzterer könne es egal sein, welche Stelle die Kosten der Gefahrerforschung trage, solange die Gefahren überhaupt erkannt und bekämpft würden.

Ließe man - wie der Beklagte - die Frage des Rückwirkungsverbots außer Betracht, seien für Altlasten konsequenter Weise die spezielleren Regelungen des KrW-/AbfG und v.a. das am 01.03.99 in Kraft getretene BBodSchG einschlägig. Die Anwendbarkeit des BBodSchG stehe nicht in Frage; § 3 Abs. 1 BBodSchG erwähne weder das WHG noch das Landeswasserrecht als vorrangige Normen. Ohne Beachtung des Rückwirkungsverbots wäre in Bezug auf die Gefahrerforschung dann das Kaskadenmodell des § 9 BBodSchG anwendbar, wonach hier der Beklagte selbst zur Kostentragung verpflichtet wäre.

Bei Beachtung des Rückwirkungsverbots bleibe sowohl für die Frage der Eingriffsermächtigung als auch die der Kostentragung nur ein Rückgriff auf die allgemeineren polizei- und ordnungsrechtlichen Regelungen. Die insoweit einschlägigen Vorschriften der §§ 173, 174, 218 und 219 LVwG sähen eine Kostentragung durch den Pflichtigen bei einer Gefahrerforschung nicht vor, so dass es dabei bleibe, dass die Behörde die Kosten der Amtsermittlung selbst zu tragen habe. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn sich durch die Gefahrerforschung der Verdacht bestätige. Dies sei aber hier nicht der Fall, weil nach sämtlichen Gutachten ein akuter Handlungsbedarf und eine Gefahr der menschlichen Gesundheit gerade nicht festgestellt worden sei. Als Ersatzvornahme sei die Gefährdungsabschätzung rechtswidrig, weil der Klägerin zuvor kein Grundverwaltungsakt zugegangen und sie nicht aufgefordert worden sei, die für geboten erachtete Maßnahme selbst vorzunehmen. Sie sei erstmals 1998 von der Ausführung unterrichtet worden. Bei einer Maßnahme im Wege des Sofortvollzuges sei ein vorangehender Verwaltungsakt zwar entbehrlich, hierfür habe es aber an der erforderlichen Eilbedürftigkeit gefehlt.

Sofern der Beklagte die Klägerin als störenden Hoheitsträger gesehen haben sollte, wäre sie im Rahmen einer eigenen ordnungsrechtlichen Annexzuständigkeit - die auch fachfremdes Ordnungsrecht umfasse - berufen gewesen, die Untersuchung zu veranlassen, weil eine Hoheitsverwaltung nicht mit Anordnungen oder gar Zwang einer anderen Hoheitsverwaltung überzogen werden dürfe. Dieser Grundsatz finde seinen Niederschlag in § 234 LVwG. Komme der störende Hoheitsträger der Gefahrenabwehrpflicht nicht nach, habe die Rechts- und Fachaufsichtsbehörde mit den vorgesehenen kommunalrechtlichen Instrumenten zu reagieren.

Die der Kostenforderung zu Grunde liegende Gefahrerforschungsmaßnahme sei wegen der fehlenden Anhörung der Klägerin rechtswidrig. Das Anhörungsgebot sei kommunalverfassungsrechtlich verankert, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 46 LV SH. Im Übrigen sei die Maßnahme auch unverhältnismäßig, weil von der Deponie nach dem Gutachten von 1987 ausdrücklich keine Gefährdung ausging und es deshalb ausgereicht hätte, die Deponie wie empfohlen anhand zweier bestehender Beobachtungsbrunnen und des Drainageschachts weiter zu beobachten, zumal sich zu keinem Zeitpunkt neue Ergebnisse aus den Wasseruntersuchungen ergeben hätten. Weitergehende Erforschungsmaßnahmen seien daher nicht erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Kostenbescheid vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und meint, dass es auf die Frage der Rückwirkung nicht ankomme. Eine ordnungsrechtliche Primärpflicht zum Schutz von Oberflächengewässern und des Grundwassers habe sogar schon vor Inkrafttreten des WHG und des LWG aufgrund des PrWG bestanden. Diese Pflicht werde von § 85 LWG auf der Sekundärebene nur präzisiert, weil er lediglich die Kostentragung regele. Im Übrigen könne bei § 85 Abs. 2 LWG allenfalls eine verfassungsrechtlich zulässige, unechte Rückwirkung vorliegen, da die Folgen eines bestimmten, wasserrechtswidrigen Verhaltens bis in die Gegenwart hineinreichten und aktuelle Gefahren auslösen könnten. Dies wiederum führe in der Gegenwart zu Aufklärungsbedarf und Gefahrerforschungsmaßnahmen. Wegen der durchgehend bestehenden wasserrechtlichen Primärpflichten könne die Klägerin für sich auch keinen besonderen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, dessentwegen die unechte Rückwirkung ausnahmsweise unzulässig sein sollte.

Die Anwendung des § 85 Abs. 2 LWG werde auch durch das BBodSchG nicht berührt. Dessen räumlicher Anwendungsbereich klammere die Oberflächengewässer und das Grundwasser von vorne herein aus. Gehe ein Gewässerschaden auf eine Bodenveränderung zurück, müsse der nach Bodenrecht Sanierungspflichtige nach Maßgabe des Wasserrechts auch den Gewässerschaden sanieren. Im Zeitpunkt der Auftragsvergabe habe der Beklagte ausschließlich nach Wasserrecht gehandelt, dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Kosten der Gewässeraufsicht später nach § 85 Abs. 2 LWG geltend gemacht würden. Im Übrigen sei es treuwidrig, sich jetzt auf den Vorrang des BBodSchG zu berufen, da der Beklagte auf Bitte der Klägerin mit dem Erlass des Kostenbescheides noch gewartet habe. Bei Anwendung des BBodSchG ergäbe sich die Kostentragungspflicht der Klägerin aus § 9 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG. Ob sich der Verdacht durch die Untersuchungen bestätigt habe, sei letztlich unerheblich, da die Klägerin den Verdacht jedenfalls zu vertreten gehabt hätte (§ 24 Abs. 1 S. 2 BBodSchG). Schließlich habe es sich entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Gefährdungsabschätzung nicht um eine Ersatzvornahme gehandelt, sondern um eine spezialgesetzlich geregelte Maßnahme der Gewässeraufsicht, für die § 85 Abs. 2 LWG die Kostentragungspflicht regele.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der darin enthaltenen Gutachten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Kostenbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Rechtsgrundlage ist § 85 Abs. 2 LWG. Danach können Kosten, die in Wahrnehmung von Aufgaben der Gewässeraufsicht entstanden sind, denjenigen auferlegt werden, die das Tätigwerden der Wasserbehörde durch unbefugte Benutzung oder durch eine Verletzung von Pflichten nach dem WHG, dem LWG oder einer darauf beruhenden Verordnung veranlasst haben.

Formell betrachtet war der Beklagte befugt, seine Forderung gemäß den im Widerspruchsbescheid aufgeführten Gründen zu erhöhen. Zuständigkeitsprobleme ergeben sich insoweit nicht, da der Beklagte zugleich Ausgangs- und Widerspruchsbehörde ist (§ 119 Abs. 1 LVwG verweist auf die VwGO und damit auf § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO, wonach die Ausgangsbehörde auch den Widerspruchsbescheid erlässt, wenn die nächsthöhere Behörde - wie hier - eine oberste Landesbehörde <Ministerium> ist; eine Ausnahme hiervon ist gem. § 119 Abs. 2 LVwG i.V.m. der ZVOWiBe nicht vorgesehen). Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach festgestellt, dass sich die Zulässigkeit der reformatio in peius im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht nach der bundesrechtlichen VwGO, sondern nach dem jeweiligen materiellen oder formellen Bundes- oder Landesrecht richtet. Erst wenn solche Regelungen fehlen, ist nach den Grundsätzen über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten zu entscheiden (BVerwG v. 17.06.1996, - 1 B 100/96 -, NVwZ-RR 1997, 26 = DVBl 1996, 1318; BVerwG v. 05.03.1997 - 8 B 37/97- , Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 86; BVerwG v. 28.11.2001 - 8 C 14/01 -, m.w.N. - zitiert nach juris). Dabei tritt das Problem der reformatio in peius nur dann auf, wenn eine im belastenden Ausgangsbescheid zugleich enthaltene - begünstigende - Aussage aufgehoben wird, die dahin geht, dass keine noch belastendere Regelung ergehen werde (Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 68 Rd. 10c). Eine solche Aussage kann allerdings generell bei der Geltendmachung von behördlichen Auslagen kaum angenommen werden und ist auch im vorliegenden Ausgangsbescheid nicht enthalten. Darüber hinaus existiert insoweit keine landesrechtliche Regelung, die eine Nacherhebung noch nicht verjährter oder auch neu hinzugekommener Auslagen im Rahmen der Gewässeraufsicht verbietet (vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG v. 05.03.1997 a.a.O.). Ist aber eine Nacherhebung zulässig, besteht kein Anlass für die Annahme eines dahingehenden Vertrauensschutzes, dass eine solche Korrektur nicht auch schon im Vorverfahren vorgenommen wird. Schließlich muss derjenige, der einen ihn belastenden Verwaltungsakt anficht, grundsätzlich auch mit der Verschlechterung seiner Position rechnen, weil der Verwaltungsakt mit der Anfechtung nicht mehr Grundlage eines Vertrauensschutzes sein kann. Dies gilt jedenfalls, solange die "Verböserung" nicht zu untragbaren Zuständen führen würde (vgl. BVerwG v. 17.06.1996 a.a.O).

Allerdings ist die Widerspruchsbehörde verpflichtet, den Betroffenen vor Erlass des Widerspruchsbescheides zu der beabsichtigten Verböserung anzuhören. Dies gilt nach der Neufassung des § 71 VwGO nicht nur für den Fall der Heranziehung neuer Tatsachen, sondern auch für die aufgrund bekannter Tatsachen erfolgende rechtliche Neubewertung (BVerwG v. 19.05.1999 - 8 B 61/99 -, NVwZ 1999, 1218-1220; Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 71 Rn. 5, 8). Eine solche Anhörung hat ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs mit Schreiben vom 15.03.2000 stattgefunden. Das Schreiben ist mit einem undatierten Ab-Vermerk versehen, der nach den Ausführungen des im Termin anwesenden Sachbearbeiters des Beklagten so zu verstehen ist, dass das Schreiben am selben Tag auf den Weg zur Post gegeben wurde. Insofern spricht erst einmal die Vermutung dafür, dass das Schreiben in der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten auch angekommen ist (vgl. für Verwaltungsakte § 110 Abs. 2 LVwG). Inwieweit hieran Zweifel bestehen sollten, hat die Klägerin auch im Termin nicht substantiiert dargelegt.

Die Kammer kann allerdings offen lassen, ob es unter den gegeben Umständen ausreicht, den Zugang einfach zu bestreiten oder ob ein abweichender Geschehensablauf schlüssig und substantiiert dargelegt werden müsste (so VGH Mannheim, NJW 1986, 210; VG Bremen, NVwZ 1994, 1236 u. NVwZ-RR 1996, 550; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 41 Rd. 25, 54; Engelhardt / App VwZG, § 4 Rd. 6 - einfaches Bestreiten reicht allenfalls dann, wenn die Behörde den Abgang überhaupt nicht darlegen kann, VGH Mannheim, VBlBW 1991, 471). Denn auch wenn man unterstellt, dass das Anhörungsschreiben tatsächlich nicht zugegangen sein sollte, kann der Anhörungsmangel allein nach § 115 LVwG (n.F.) nicht zur Aufhebung des Widerspruchsbescheides führen, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Mit dieser (seit dem 29.06.2001 geltenden) Formulierung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Vorschrift nicht nur bei gebundenen Entscheidungen, sondern auch bei Ermessensentscheidungen Anwendung finden kann, in denen bei Vermeidung des Verfahrens- oder Formfehlers dieselbe - materiell rechtmäßige - Entscheidung getroffen worden wäre. Es wird deshalb nicht mehr nur auf die Alternativlosigkeit des Entscheidungsinhalts, sondern auch auf die Kausalität des Verfahrens- oder Formfehlers für die Entscheidung abgestellt (vgl. LT-Drs. 15/83, Begr. S. 7). Hieraus folgt, dass die Klägerin zusätzlich darlegen müsste, was sie bei einer rechtzeitigen Anhörung geltend gemacht hätte und inwiefern dies die Entscheidung in der Sache hätte beeinflussen können. Hierzu war sie nicht in der Lage; sie geht vielmehr selbst davon aus, dass eine formgerechte Anhörung in der Sache offensichtlich nichts geändert hätte.

Wie der Beklagte zutreffend ausführt, können Kosten der Gewässeraufsicht i.S.d. §§ 83, 85 Abs. 2 LWG auch gegenüber einem Hoheitsträger durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden, solange dadurch nicht in dessen hoheitliche Kompetenzen eingegriffen wird (Schl.-Holst. OVG a.a.O., BVerwG v. 25.07.2002 - 7 C 24.01). Ein solcher Eingriff ist von der Klägerin nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Der Kostenbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das echte oder unechte Rückwirkungsverbot liegt in der Anwendung des § 85 Abs. 2 LWG nicht. Die Kammer schließt sich vielmehr der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend zitierten Rechtsprechung des Schl.-Holst. OVG an und sieht keinen Anlass, hiervon abzugehen. Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung müssen die Regelungen des § 83 Abs. 1 und des § 110 LWG sein. Danach sind die Wasserbehörden u.a. verpflichtet, den Zustand der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Gewässer zu überwachen und bei Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für eines dieser Gewässer die zur Abwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben kann nicht davon abhängen, zu welchem Zeitpunkt die Ursachen für die in der Gegenwart vermutete oder auch bereits festgestellte Gewässergefahr gesetzt worden sind. Der bis 1967/68 andauernde Betrieb der Mülldeponie an sich bleibt unberührt. § 83 LWG und ihm folgend § 85 Abs. 2 LWG maßen sich insoweit weder an, rückwirkend in diesen abgewickelten Tatbestand einzugreifen noch einen in der Gegenwart noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt bzw. bestehende Rechtsbeziehungen neu zu regeln; ganz im Gegenteil entsteht durch die hier in Rede stehende Kostenregelung eine neue, erstmalige Rechtsbeziehung zwischen Wasserbehörde und Klägerin, für deren Bestehen es nicht darauf ankommt, ob das wasserrechtswidrige Verhalten, an das dabei angeknüpft wird, abgeschlossen ist oder noch andauert. Es geht nicht mehr um den Betrieb der Deponie, sondern um die dadurch möglicherweise ausgelösten und erst langfristig festgestellten oder feststellbaren Gefahren für Gewässer und deren Bekämpfung. Einen Vertrauensgrundsatz dahingehend, dass der Veranlasser bzw. ordnungsrechtlich Verantwortliche mit den in die Gegenwart hineinreichenden Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens nicht konfrontiert werden dürfte, gibt es nicht.

Ein Vorrang der Maßnahmen- und Kostenordnung des BBodSchG kommt vorliegend schon deshalb nicht in Frage, weil dieses Gesetz erst 1999 in Kraft trat und deshalb zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Maßnahmen im Rahmen der Gewässerüberwachung - ab 1995 - noch gar nicht galt. Es kann demzufolge auch nicht rückwirkend Rechtsgrundlage für diese Maßnahmen oder für eine an die Gewässeraufsicht anknüpfende Kostenregelung sein. Wie die Klägerin insoweit zutreffend ausführt, würde dies eine rückwirkende Anwendung voraussetzen, die aber weder von dem Beklagten gewollt noch zur Kostenbegründung erforderlich ist.

Ein Vorrang des Abfallrechts gegenüber den danach anwendbaren §§ 83, 85 Abs. 2 LWG bestünde - unabhängig von seinem Inkrafttreten - nach der Rspr. des Schl.-Holst. OVG nur, wenn die behördlichen Maßnahmen aus Gründen gerade der ordnungsgemäßen Abfallentsorgung ergriffen werden und nicht nur zufällig darauf beruhen, dass es sich um Abfälle handelt, von denen die festzustellende oder zu bekämpfende Gefahr ausgeht (Urteil v. 26.05.1999 - 2 L 231/96 - , NordÖR 1999, 452 = NVwZ 2000, 1196).

Die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 LWG liegen vor. Während § 85 Abs. 1 LWG die allgemeine Überwachung im Sinne einer regelmäßigen Kontrolle auf Einhaltung von Auflagen o.Ä. gegenüber Gewässerbenutzern oder Anlagenbetreibern betrifft, umfasst Abs. 2 Kosten von behördlichen Überwachungsmaßnahmen, die aufgrund eines wasserrechtswidrigen Verhaltens im Rahmen der Gewässeraufsicht verursacht werden. Die Vorschrift gilt als spezialgesetzliche Regelung, die auch auf sog. Gefahrerforschungseingriffe anwendbar ist (Kollmann: Praxis der Kommunalverwaltung, LWG, § 85 Anm. 2, 3 m.w.N.). Insofern verdrängt sie einerseits die Auferlegung von Gefahrerforschungsmaßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen gem. § 110 LWG (Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 21.09.1993 - 4 M 76/93 -), greift aber dann nicht ein, wenn die Kostenverteilung in öffentlich-rechtlichen Vorschriften anderweit geregelt ist, also z.B. wenn es sich um eine Ersatzvornahme handelt, deren Kosten nach § 249 LVwG i.V.m. der VVKO abgerechnet werden (Kollmann a.a.O. Anm. 4).

Nach der Rechtsprechung des Schl.-Holst. OVG liegt eine Gefahrerforschung vor, wenn es um die Feststellung des Ausmaßes einer Störung bzw. eines Bedarfs für etwaige Störungsbeseitigungsmaßnahmen sowie ggf. auch der Feststellung des oder der verantwortlichen Störer geht (4. Senat, Beschl. v. 21.09.1993 a.a.O.). Entsprechend hat es sodann der 2. Senat formuliert: Maßnahmen der Gefahrerforschung kommen in Betracht, wenn ein durch Tatsachen erweckter und erhärteter Gefahrenverdacht besteht. Dies gilt etwa dann, wenn jemand durch sein Verhalten Tatsachen schafft, die bei der Wasserbehörde die berechtigte Einschätzung entstehen lassen, dass eine Schädigung wasserrechtlicher Schutzgüter mit hinreichender Sicherheit zu besorgen ist (Urteil v. 30.01.1995 - 2 L 48/91 -, NVwZ-RR 1995, 567 = ZfW 1995, 181 = NuR 1995, 424; Urteil v. 19.01.1993 - 2 L 78/92 -, NVwZ - RR 1994, 75 = ZfW 1993, 232). Gefahrerforschung liegt vor, solange lediglich ein Gefahrenverdacht besteht und deshalb im maßgeblichen Zeitpunkt eine unklare Sachlage besteht, die ebenso gut gefährlich wie ungefährlich sein kann und bei der geklärt werden muss, ob ein Schaden vorliegt und in welchem Umfang (Urteil v. 17.11.1994 - 2 L 116/94 - und v. 30.01.1995 a.a.O.).

Danach ist auch die Beauftragung eines Ingenieur-Büros mit der Erstellung eines gefährdungsabschätzenden Gutachtens offenkundig nicht als Ersatzvornahme nach §§ 110 LWG, 238 LVwG, sondern als eine der Gefahrenabwehr vorgelagerte Maßnahme der Gewässeraufsicht i.S.d. § 83 Abs. 1 LWG (Überwachung des Zustands von Gewässern) einzuordnen. Das Gutachten diente der Erkundung drohender Gefahren für Oberflächengewässer und das Grundwasser und damit der Klärung, ob gefahrenabwehrende Maßnahmen, wie z.B. eine Sanierung, überhaupt erforderlich sind. Daraus ergibt sich zugleich, dass eine schon zur Gefahrenabwehr zählende Ersatzvornahme nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht nicht in Frage kommt.

Das Tätigwerden des Beklagten war durch ein klägerisches Verhalten veranlasst. Anknüpfungspunkt ist ein Lebenssachverhalt, der für die Wasserbehörde Anlass bietet, Überwachungsmaßnahmen zu treffen, wobei unerheblich ist, durch wen oder auf welche Weise die Wasserbehörde davon Kenntnis erlangt und wann die Wasserrechtswidrigkeit des Verhaltens festgestellt wird, d.h. ob der Behörde zum Zeitpunkt ihres Tätigwerdens bewusst war, dass ein Verhalten eine Verletzung wasserrechtlicher Pflichten darstellt (Schl.-Holst. OVG, Urteil v. 23.08.2000 - 2 L 29/99 -, DVBl 2001, 287; Urteil v. 26.05.1999 a.a.O.). Anzuknüpfen ist vorliegend an den Betrieb der Mülldeponie bis 1967/68, der unter Verstoß gegen § 34 Abs. 2 WHG stattfand. Schon die Art und Weise der Müllablagerung lässt - jedenfalls aus heutiger Sicht - eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers besorgen. "Zu besorgen" ist eine Verunreinigung schon dann, wenn eine Beeinträchtigung nach menschlicher Erfahrung nicht auszuschließen ist. Insoweit wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid unter Bezugnahme auf das mehrfach zitierte Urteil des Schl.-Holst. OVG (v. 26.05.1999 a.a.O.) verwiesen. Unerheblich ist dabei auch, dass das behördliche Handeln durch einen Bericht der Landesregierung über Abfall-Altlasten ausgelöst wurde und sodann nach den Vorgaben eines Landesprogramms durchgeführt wurde (Schl.-Holst. OVG a.a.O.).

Die Klägerin kann sich auch nicht - quasi legalisierend - darauf berufen, dass die Deponie bei ihrer Errichtung keinem Erlaubnisvorbehalt unterlag. Selbst wenn das WHG zum damaligen Zeitpunkt noch nicht galt und noch niemand wissen konnte, dass die von der Klägerin praktizierten Ablagerungen zu Grundwassergefährdungen führten, heißt dies nicht, dass die Ablagerungen erlaubt sein sollten (Schl.-Holst. OVG a.a.O.). Im Übrigen weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass § 34 Abs. 2 WHG unabhängig vom Bestehen einer Erlaubnis jedenfalls ab Inkrafttreten des WHG im Jahre 1960 galt.

Die getroffenen und hier geltend gemachten Maßnahmen (Kostenpositionen 4 - 13 in der Anlage zum Bescheid) waren auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die angenommene Gefahr bzw. den bestehenden Verdacht zu verifizieren. Eine vorangehende Aufforderung der Klägerin zur Selbstüberwachung war nicht geboten. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides verwiesen (vgl. wiederum Schl.-Holst. OVG a.a.O.). Dass der Beklagte dabei auf Grund der Ergebnisse der durchgeführten Gefährdungsabschätzung zu dem Ergebnis kam, dass - vorerst - kein akuter Handlungsbedarf besteht und es keiner Sanierung bedarf, hat auf die Rechtmäßigkeit der Kostenanforderung auf Grund der gebotenen Ex-ante-Betrachtung keinen Einfluss (Schl.-Holst. OVG, Urteil v. 19.01.1993 a.a.O.).

Der Behörde ist bei der Entscheidung über die Heranziehung zu den Kosten nach § 85 Abs. 2 LWG Ermessen eingeräumt. Ein vollständiges Absehen von einer Heranziehung des Veranlassers käme nach Sinn und Zweck der Regelung nur aus Gründen grober Unbilligkeit in Betracht (Schl.-Holst. OVG, Urteil v. 26.05.1999 a.a.O.). Eine solche ist hier nicht erkennbar. Im Übrigen kommt es auf das Vorliegen und den Umfang einer etwaigen Störerhaftung nach allgemeinem Ordnungsrecht und namentlich auf den Begriff der Verursachung i.S.d. Handlungsstörerhaftung nach der Rspr. des Schl.-Holst. OVG nicht an. Anknüpfungspunkt ist lediglich ein bestimmtes Verhalten, das einen Bedarf an Aufklärung durch behördliche Ermittlungstätigkeit auslöst. Deshalb kommt auch die Heranziehung eines Grundstückseigentümers als Zustandsstörer nicht in Betracht (Urteil v. 26.05.1999 a.a.O.).

Schließlich ist der angefochtene Bescheid auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Etwaige Berechnungsfehler sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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