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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 2 LA 103/05
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 27
BAföG § 28
BAföG § 29
In der Ausbildungsförderung ist der Anteil an einer Erbschaft grundsätzlich auch dann als verwertbares Vermögen anzurechnen, wenn der Nachlass durch einen Testamentsvollstrecker verwaltet wird.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 2 LA 103/05

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Ausbildungs- und Studienförderungsrecht

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 08. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 15. Kammer - vom 15. September 2005 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Wird - wie hier - die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Nach Satz 4 dieser Vorschrift sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist zweifelhaft.

Der Kläger hat zwar fristgerecht die Zulassung der Berufung beantragt, diese aber nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend begründet. Der dazu fristgerecht eingereichte Schriftsatz vom 23. November 2005 ist im Stile einer herkömmlichen Berufungsbegründung gefasst. Nach kritischer Würdigung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils führt der Kläger aus, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben könne und beantragt werden solle, die Rückforderungsbescheide ersatzlos aufzuheben. Ein Zulassungsgrund i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO wird jedoch nicht genannt. Der Kläger verkennt, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, Ausführungen im Zulassungsantrag denkbaren Zulassungsgründen zuzuordnen. Die mit der Begründung eines Rechtsmittels notwendige Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung enthält nicht bereits die Darlegung des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (Senatsbeschl. v. 14.05.1999 - 2 L 144/98 -, NordÖR 1999, 285 = NVwZ 1999, 1354 m.w.N.). Aber selbst wenn die Ausführungen des Klägers allein dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet werden könnten, käme eine Zulassung nicht in Betracht. Die dargestellten Zweifel müssen im konkreten Fall entscheidungserheblich sein. Aus ihnen muss sich die Unrichtigkeit der Entscheidung (im allein relevanten) Ergebnis ergeben; betrifft der Zweifel nur die Begründung oder nur einen von mehreren, die Entscheidung tragenden Gründen, kann eine Zulassung nicht erfolgen (Senatsbeschl., a.a.O.).

Das Verwaltungsgericht hat die Aufhebung der dem Kläger in der Zeit von Oktober 2000 bis August 2003 bewilligten Ausbildungsförderung und die Rückforderung der ausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 11.428,99 Euro für rechtmäßig erachtet und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass den Förderungsanspruch ausschließendes, vom Kläger zunächst nicht angegebenes Vermögen vorhanden gewesen sei. Der Umfang des Vermögens ergebe sich aus den Feststellungen des Beklagten. Das zum Vermögen gehörende Hausgrundstück sei als Schonvermögen gemäß § 29 Abs. 3 BAföG außer Betracht zu lassen, da es sich um ein selbst bewohntes Familieneigenheim handele und das Grundstück im Gesamteigentum gestanden habe. Die auf dem Haus lastenden Schulden könnten nicht mehr zusätzlich vom Barvermögen des Klägers in Abzug gebracht werden, weil es sonst jeder Auszubildende in der Hand habe, sich durch die Anschaffung von Wohneigentum, auf dem hohe Lasten ruhten, in den Genuss von BAföG-Leistungen versetzen zu können, obwohl erhebliche Barmittel zur Verfügung stünden. Dies sei nicht Sinn und Zweck des Ausbildungsförderungsrechtes. Im Übrigen ergebe sich auch aus den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BAföG aus Teilziffer 29.3.2, dass vorhandene Barmittel gerade nicht auf noch auf dem Grundstück ruhende Verpflichtungen angerechnet werden dürften.

Der Kläger meint, diese Betrachtungsweise sei nicht richtig, weil sich die Frage nach einer unbilligen Härte durch die Verwertung erst stelle, nachdem gemäß § 27 BAföG festgestellt worden sei, dass das unbewegliche Vermögen rechtlich verwertbar sei. Erst wenn das Vorliegen nach § 27 BAföG bejaht werden könne, stelle sich die Frage nach der Anwendbarkeit von § 29 Abs. 3 BAföG. Der Miteigentumsanteil an dem Haus sei aber kein nach § 27 BAföG zu berücksichtigendes Vermögen, weil dieser Vermögensgegenstand Teil einer Erbschaft und dafür die Testamentsvollstreckung angeordnet sei. Er, der Kläger, könne diesen Gegenstand aus rechtlichen Gründen nicht verwerten, so dass dieser gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG bei der Vermögensermittlung außen vor bleibe. Gleichwohl seien die sich aus der Hausfinanzierung ergebenden Schulden gemäß § 28 Abs. 3 BAföG von dem nach § 28 Abs. 1 und 2 BAföG ermittelten Betrag als (Gesamt-) Vermögen abzuziehen, hier also von dem zu berücksichtigenden Sparguthaben. Danach verbleibe kein anrechenbares Vermögen. Zu einer Prüfung gemäß § 29 Abs. 3 BAföG komme es bei dieser Sachlage nicht. Diese Schlussfolgerung trifft im Ergebnis nicht zu.

Es kann dahinstehen, ob bei Anwendung des § 29 Abs. 3 BAföG die mit dem anrechnungsfrei gestellten Vermögensgegenstand verbundenen Schulden und Lasten gesondert zu behandeln und allein diesem Vermögensgegenstand zuzuordnen sind oder nicht vielmehr - wie der Kläger meint - zunächst das gesamte Vermögen nach § 28 BAföG zu ermitteln und erst dann - bei Überschreibung der Freibeträge des § 29 Abs. 1 BAföG - zu entscheiden ist, ob nach § 29 Abs. 3 BAföG bestimmte Vermögensgegenstände anrechnungsfrei bleiben. Auch wenn dieser Auffassung zu folgen wäre, hätte das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

Den Ausführungen des Klägers ist insoweit zuzustimmen, dass er über seinen Miteigentumsanteil an dem geerbten Hausgrundstück gemäß § 2011 BGB nicht verfügen kann, weil die Erbschaft der Testamentsvollstreckung unterliegt. Der Kläger kann daher den Anteil am Hausgrundstück - wie in § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG vorgesehen - aus rechtlichen Gründen nicht verwerten. Der Kläger kann jedoch als Miterbe über seinen Anteil am Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB), z.B. ihn verpfänden, ohne dass dadurch die ausschließliche Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände berührt wird (vgl. Zimmermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 2211 Rdnr. 6, § 2205 Rdnr. 63; Haegele/Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 15. Aufl., Rdnr. 233 jeweils m.w.N.). Daher ist im Hinblick auf den Anteil des Klägers am Nachlass die Testamentsvollstreckung kein rechtliches Verwertungshindernis i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.10.1984 - 5 C 44.81 -, DÖV 1985, 280 = FamRZ 1985, 541 = NvwZ 1985, 585) und der zum Nachlass gehörende Anteil am Hausgrundstück in die Wertbestimmung des Vermögens gemäß § 28 BAföG einzustellen. Dem vom Kläger angegebenen Sparguthaben ist daher der Wert des Anteiles am Nachlass insgesamt hinzuzurechnen. Von diesem nach § 28 Abs. 1 und 2 BAföG ermittelten (Gesamt-) Betrag sind - wie der Kläger geltend macht - die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Den Darlegungen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass danach im maßgeblichen Zeitraum kein den Anspruch auf Ausbildungsförderung ausschließendes Vermögen vorhanden war. Dass die angefochtenen Bescheide aus sonstigen Gründen rechtswidrig - und damit auch die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft - sein sollte, wird vom Kläger nicht geltend gemacht.

Diesem Ergebnis steht die vom Kläger in erster Instanz zitierte Rechtsprechung zur Bedeutung der Testamentsvollstreckung im Sozialhilferecht nicht entgegen. Wenn auch die pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen in erster Instanz für die Begründung eines Zulassungsantrages nicht genügt, sei zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass die angeführten Entscheidungen auf die hier zu beurteilende Sach- und Rechtslage nicht zu übertragen sind. Wie ausgeführt hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1984 zutreffend erkannt, dass für die Frage der Verwertungsbefugnis zwischen dem Anteil am Nachlass insgesamt und einzelnen Vermögensgegenständen zu unterscheiden ist. Das ist in späteren Entscheidungen bekräftigt worden. Im Hinblick auf die Frage, ob und in welchem Umfang Sparvermögen eines Mündels bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung auf den Bedarf anzurechnen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach darauf verwiesen, dass im Rahmen des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG entscheidend nur sein könne, ob und inwieweit bestimmtes Vermögen überhaupt dem ausbildungsbedingten Verwertungszugriff des Auszubildenden oder der zu seiner Vertretung berechtigten Person offen liege, und dass es nur, soweit ein solcher Zugriff aus rechtlichen Gründen ganz oder teilweise ausscheide, gerechtfertigt sei, die betreffenden Gegenstände aus dem anzurechnenden Vermögen auszuklammern (BVerwG, Urt. v. 17.01.1991 - 5 C 71.86 -, E 87, 284, 288; Beschl. v. 16.02.2000 - 5 B 182.99 -, JURIS). In einer weiteren Entscheidung wird darauf verwiesen, der Umstand, dass ein Hausgrundstück gemeinschaftliches Vermögen einer ungeteilten Erbengemeinschaft und mit einem lebenslangen Wohnungsrecht zu Gunsten eines Dritten belastet sei, begründe kein rechtliches Verwertungshindernis i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG, denn der Miterbe könne grundsätzlich jederzeit die Auseinandersetzung verlangen oder über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, in Sonderheit ihn als Sicherheit im Rahmen eines Darlehensvertrages verpfänden (BVerwG, Urt. v. 13.06.1991 - 5 C 33.87 -, E 88, 303 = NJW 1991, 3047). In dieser Entscheidung wird auch auf das Verhältnis der Bestimmung des § 27 Abs. 1 Satz 2 zu § 29 Abs. 3 BAföG eingegangen und erneut auf das bereits zitierte Urteil vom 11. Oktober 1984 hingewiesen. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist auch im Falle des Klägers darauf zu verweisen, dass es sich bei einem Anteil an der Erbschaft um anzurechnendes Vermögen i.S.d. §§ 27, 28 BAföG handelt. Bei Einbeziehung dieses Anteils in die Wertbestimmung gemäß § 28 Abs. 1 bis Abs. 3 BAföG stellt sich die Frage der Freistellung gemäß § 29 Abs. 2 BAföG nicht, weil das übrige Vermögen ausreicht, den Bedarf gemäß § 11 Abs. 2 BAföG zu decken.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird mit der Ablehnung des Zulassungsantrages rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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