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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.08.2005
Aktenzeichen: 2 LB 13/05
Rechtsgebiete: KiTaG


Vorschriften:

KiTaG § 25 a Abs. 4 S. 1
Kostenausgleich, Kriterien der Vergleichbarkeit der Einrichtungen.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 13/05

verkündet am 17.08.2005

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Kindergarten- und Heimrecht - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 15. Kammer - vom 12. Mai 2004 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 776,36 € zu zahlen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, es sei denn, dass die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten einen gegenüber der bisher geleisteten Zahlung höheren Kostenausgleich gemäß § 25 a KiTaG.

Der am 30. August 1996 geborene ... wohnte zusammen mit seinen Eltern im Bereich der Beklagten. Seine Mutter teilte im Januar 2000 der Beklagten mit, dass sie ab August 2000 auf einen Ganztagskindergartenplatz angewiesen sei. Sie bat zugleich um Kostenübernahme für einen solchen Platz im Kindergarten ... im Bereich der Klägerin. Die Beklagte, die eine eigene Ganztagseinrichtung nicht vorhält, holte Auskünfte über die Kostensituation in vergleichbaren Einrichtungen ein. Hiernach betrug der monatlich zu leistende Kostenausgleich in ... ca. 550,-- DM und in ... ca. 450,-- DM/Monat. Die Beklagte erklärte sich daraufhin gegenüber der Mutter bereit, einen Kostenausgleich in Höhe von 500,-- DM/mtl., insgesamt also einen jährlichen Kostenausgleich in Höhe von 6.000,-- DM zu leisten.

In der Folgezeit zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Kostenausgleich in Höhe von 6.000,-- DM und lehnte den darüber hinausgehend von der Klägerin geforderten Kostenausgleich unter Hinweis auf § 25 a Abs. 4 KiTaG ab. Sie führte dazu aus, dass für einen gleichwertigen Platz an den Träger einer vergleichbaren Einrichtung in ... bzw. ... im Durchschnitt nicht mehr als 500,-- DM/mtl. aufzubringen seien.

Die Klägerin bemühte sich in der Folgezeit, den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten anerkannten Kostenausgleichsanspruch in Höhe von 6.000,-- DM jährlich und dem geforderten Ausgleich in Höhe von 7.518,37 DM, insgesamt also 1.518,37 DM, zu erhalten.

Da diese Bemühungen erfolglos blieben, hat die Klägerin am 08. März 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Sie hat ausgeführt, dass § 25 a Abs. 4 KiTaG die Wohnortgemeinde quasi vor einem "grenzenlosen" Ausgleich bewahren solle. Gewisse Kostenunterschiede bei einzelnen Kindertagesstätteneinrichtungen spielten jedoch bei der Berechnung des Kostenausgleichs keine Rolle und seien seitens der Wohnortgemeinde hinzunehmen, solange keine Kosten in unüblicher Höhe anfielen. Im Kindergarten ... sei dies nicht der Fall. Dies habe wiederum zur Folge, dass die Beklagte den Kostenausgleich in Höhe des auch von der Standortgemeinde gewährten Betriebskostenanteils leisten müsse.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 776,36 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der von ihr zu gewährende Kostenausgleich sei durch § 25 a Abs. 4 KiTaG begrenzt. Der Kostenausgleich in den benachbarten Ganztagskindergärten in ..., ... und Wedel liege im Durchschnitt bei ca. 500,-- DM/mtl. Diesen Kostenausgleich habe sie geleistet. Darüber hinausgehende Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Einzelrichterurteil vom 12. Mai 2004 abgewiesen. Die Beklagte dürfe sich zu Recht auf die in § 25 a Abs. 4 Satz 1 KiTaG enthaltene Kappungsgrenze berufen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 05. Juli 2004 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 17. Januar 2005 entsprochen hat.

Die Klägerin trägt vor, dass die Wohngemeinde gemäß § 25 a Abs. 4 KiTaG nicht zu einem "grenzenlosen" Ausgleich verpflichtet sei. Danach habe die Wohngemeinde nur in der Höhe einen Kostenausgleich zu leisten, den sie selbst für einen gleichwertigen Platz an den Träger einer vergleichbaren Einrichtung zahle oder zu zahlen hätte. Eine Zugrundelegung der in den Umlandgemeinden vorhandenen Durchschnittswerte sei im Gesetz nicht vorgesehen. Bei den von der Beklagten herangezogenen Vergleichsfällen handele es sich weder um Einrichtungen der Beklagten noch berufe sich die Beklagte auf Vereinbarungen mit anderen Gemeinden im Sinne von § 8 Abs. 2 KiTaG. Deshalb sei die Berücksichtigung von einigen in der nahen Umgebung liegenden Gemeinden, insbesondere im Hinblick auf die Nichtbeachtung der Betriebskostenanteile der Klägerin als einer der Nachbargemeinden, für die Möglichkeit der Kostenbegrenzung willkürlich und von § 25 a Abs. 4 Satz 1 KiTaG nicht gedeckt und unzulässig.

Zudem werde die Klägerin als Wohngemeinde von einem der von der Beklagten benannten Gemeinden zu einem höheren Kostenausgleichsbeitrag herangezogen.

Es lägen weder Unterlagen vor, die die Annahme bestätigen könnten, dass die Betriebskostenanteile der vom Beklagten zitierten Kindertagesstätten aus anderen Gemeinden bestätigten, noch eine Berechnung von Betriebskostenanteilen anderer Kindertagesstätten im Einzelnen. Der Träger des Kindergartens ... erhalte keine Zuschüsse von kirchlicher Seite, die Kostenlast für den Ganztagskindergartenplatz von ... sei allein von der Klägerin getragen worden. Dabei führe gerade diese unterschiedliche finanzielle Stellung der Kindertagesstätten zu einer Differenz in den zu zahlenden Betriebskosten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 776,36 Euro zu zahlen.

Die Beklagte stellt keinen eigenen Sachantrag.

Die Beklagte führt aus, dass die Kindeseltern sich von vornherein auf den Besuch des Kindergartens ... festgelegt hätten und dabei billigend in Kauf genommen hätten, dass dieser Kindergarten mit Blick auf den von der Wohnsitzgemeinde zu zahlenden Kostenausgleich teurer sei als andere Kindergärten. Darum seien die Eltern auch bereit gewesen, einen Teil des von der Klägerin geforderten Kostenausgleichs aus eigenen Mitteln zu übernehmen. Diese Bereitschaft habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen. Die Beklagte widerspreche der Auffassung der Klägerin, die Heranziehung von Durchschnittswerten von Einrichtungen in "Umlandgemeinden" sei im Kindertagesstättengesetz nicht vorgesehen.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin einen Kostenausgleich nach § 25a KiTaG in Höhe des geltend gemachten Gesamtbetrages zu leisten. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts führt im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 25a Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz KiTaG nicht dazu, dass der Anspruch der Klägerin auf Kostenausgleich auf das von der Beklagten Anerkannte begrenzt ist.

Besucht ein Kind - wie hier - eine Kindertagesstätte außerhalb seiner Wohngemeinde, hat die Standortgemeinde gegen die Wohngemeinde dann einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn in der Wohngemeinde ein bedarfsgerechter Platz nicht zur Verfügung stand (§ 25a Abs. 1 Satz 1 KiTaG). Diese Voraussetzungen liegen vor, da in der Wohngemeinde des ..., der Beklagten, ein Kindergartenplatz mit Ganztagsbetreuung im maßgeblichen Zeitraum nicht vorhanden war.

Zweck des Kostenausgleiches ist es, dass die Standortgemeinde einer Kindertagesstätte nicht Kosten für Kinder übernehmen muss, die dort nicht ihren Wohnsitz haben. Von daher tritt die Wohngemeinde vom Grundsatz her in die Finanzierung der Kindertagesstätte anteilig für das aufgenommene Kind wie die Standortgemeinde ein (LT-Drucks. 14/2093, S. 22). Die Höhe des Kostenausgleichsbetrages entspricht der Höhe des Betriebskostenanteils, den die Standortgemeinde für einen gleichwertigen Platz an den Träger dieser Einrichtung zahlt, jedoch höchstens in der Höhe, den die Wohngemeinde für einen gleichwertigen Platz an den Träger einer vergleichbaren Einrichtung zahlt oder zu zahlen hätte (§ 25a Abs. 4 Satz 1 KiTaG). Diese Begrenzung "der Höhe nach" ("gleichwertiger Platz" und "vergleichbare Einrichtung") soll nach der Begründung des Regierungsentwurfes (LT-Drucks. 14/2093, S. 22) finanzschwache Gemeinden davor schützen, dass eventuell finanzstarke Standortgemeinden ihre hohen Standards für den Kostenausgleich zugrunde legen.

Die Beklagte kann sich auf die "Kappungsgrenze" des § 25a Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz KiTaG nicht berufen. Sie hat nicht dargelegt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen. Es ist weder ermittelt worden, ob die zum Vergleich herangezogenen Einrichtungen "vergleichbare Einrichtungen" noch ob der von ... in Anspruch genommene Platz mit den dort vorhandenen ein "gleichwertiger Platz" im Sinne der Kostenausgleichsregelungen sind. Bei der Ermittlung des von der Beklagten akzeptierten Ausgleichsbetrages von 500,-- DM monatlich hat sie lediglich zwei der im räumlichen Nahbereich vorhandenen Kindergärten mit Ganztagsbetreuung um Auskunft gebeten (... und ...), zwischen diesen Einrichtungen eine Schwankungsbreite von 450,-- bis 550,-- DM monatlich ermittelt und hieraus ein Mittel von 500,-- DM errechnet.

Sinn und Zweck des § 25a Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz KiTaG stützen ebenfalls die von der Klägerin vertretene Auffassung. Die vom Gesetz verwandten Bestimmungskriterien ("gleichwertiger Platz", "vergleichbare Einrichtung") fordern, dass zunächst der beanspruchte und die alternativen Kindergartenplätze zu vergleichen sind. Erst wenn die so geforderte Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit festgestellt ist, können die jeweiligen Ausgleichsbeträge zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei drängt es sich nach Auffassung des Senats auf, dass in dieser Gesamtschau auch die Ausstattung der jeweiligen Kindertagesstätte und vor allem ihre Trägerschaft zu berücksichtigen sind.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Trägermodelle und die daraus folgenden unterschiedlichen Kostenstrukturen können die unterschiedlichen Betriebskostenanteile der Standortgemeinden deshalb nicht centgenau gegenübergestellt werden. Die in § 25a Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz KiTaG vorgesehene Kappung greift vielmehr erst dann, wenn eine zu akzeptierende Preisspanne überschritten wird. Die Kappungsgrenze soll vor unangemessen hohen Kostenausgleichsforderungen schützen (so Helmer Otto, Erl. 16 zu § 25a KiTaG). Ein angemessener Kostenausgleichsbetrag, der sich bei geordneter Wirtschaftsführung und einer geordneten Kalkulation des Elternbeitrages ergibt, ist indes zu zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür gem. § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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