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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 2 LB 17/07
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 10
Verfügt eine Gemeinde für ihr gesamtes Gemeindegebiet über eine wirksame Anerkennung als Kurort, kann sie auch dann im gesamten Gemeindegebiet eine Kurabgabe erheben, wenn verschiedenen Ortsteile über qualitativ sehr unterschiedliche Kureinrichtungen verfügen. Einer Einteilung des Erhebungsgebiets in Kurzonen bedarf es nicht (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Das Gemeindegebiet umfasst aus historischen Gründen grundsätzlich nur Landgebiet, nicht aber das offene Meer. Küstengewässer sind deshalb grundsätzlich gemeindefrei.

Der Geltungsbereich einer gemeindlichen Satzung kann sich nur dann auf einen Seehafen erstrecken, wenn die jeweilige Wasserfläche eingemeindet ist.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 17/07

verkündet am 22.08.2007

In der Verwaltungsrechtssache

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 26. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zu einem sog. Tourismusbeitrag.

Der in ... lebende Kläger ist Bootseigner und Mieter des Dauerliegeplatzes Nr. 72 am Steg F im Yachthafen .... Der Yachthafen liegt im westlichen Stadtgebiet der Beklagten. Von der Wasserfläche des Yachthafens wurde das Flurstück 14/2 der Flur 11 mit Wirkung vom 01. Januar 1989 eingemeindet (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1989, S. 18, 19) und die Eingemeindung in den Lübecker Nachrichten vom 22. Februar 1989 bekannt gemacht. Die nördlich davon belegene Wasserfläche (Flurstück 1/15 der Flur 11) wird im Liegenschaftskataster als gemeindezugehörig ausgewiesen; Nachweise über eine Eingemeindung konnten jedoch im Verfahren nicht vorgelegt werden.

Mit Bescheid vom 15. April 2005 zog die Beklagte den Kläger zu einem von ihr so bezeichneten Tourismusbeitrag für das Jahr 2005 und die Folgejahre in Form eines pauschalierten Saisonbeitrages in Höhe von jeweils 50,40 Euro heran. Seinen dagegen rechtzeitig eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der in einem Gewerbegebiet liegende Yachthafen nicht in das Erhebungsgebiet der Tourismusabgabe einbezogen werden dürfe, zumal die Beklagte ihre Anerkennung als Seebad nur der Eingemeindung der östlich gelegenen Gemeinden ... und ... zu verdanken habe und im Übrigen als reine Fischerei- und Industriehafenstadt kaum eine Anerkennung erhalten hätte. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 19. Juli 2005 als unbegründet zurück. Die Anerkennung als Seebad erstrecke sich auf das gesamte Stadtgebiet und damit auch auf den Bereich der .... Die im Stadtgebiet vorgehaltenen Kur- und Erholungseinrichtungen seien von dort mit allgemeinen Verkehrsmitteln auch erreichbar. Auf eine tatsächliche Inanspruchnahme dieser Einrichtungen komme es nicht an.

Am 17. August 2005 hat der Kläger dagegen Klage erhoben und ergänzend geltend gemacht, dass er mit seinem Liegeplatz eine Wasserfläche gemietet habe, die ursprünglich in einer Bundeswasserstraße im Eigentum des Bundes gelegen habe und privat veräußert worden sei. Die Wasserfläche gehöre deshalb nicht zum Stadtgebiet der Beklagten. Die ... liege zudem in einem Gewerbegebiet, welches klar abgegrenzt und von den östlich gelegenen Kur- und Erholungseinrichtungen weit entfernt sei. Es sei nur über eine Hafenbrücke zu verlassen. Die Kureinrichtungen seien mit zumutbarem Aufwand nicht zu erreichen.

Der Kläger hat beantragt,

den Tourismusbeitragsbescheid vom 15. April 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie sei berechtigt, auf ihrem Stadtgebiet eine Kurabgabe zu erheben, da sich die Anerkennung als Seebad ebenfalls auf das gesamte Stadtgebiet erstrecke. Die vorhandenen Kur- und Erholungseinrichtungen seien von der ... aus in zumutbarer Weise zu erreichen. Auf etwaige Beeinträchtigungen durch die nahegelegenen Standorte der Bundespolizei komme es nicht an; von den Gewerbebetrieben gingen kaum wahrnehmbare Emissionen aus.

Mit Urteil vom 26. Mai 2006 hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit sie für die Folgejahre einen Tourismusbeitrag festsetzen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Festsetzung für die Folgejahre sei schon deshalb rechtswidrig, weil nach § 7 Abs. 2 der Satzung für jede Saison ein erneuter Bescheid zu erlassen sei. Hinsichtlich des Festsetzungsjahres 2005 lägen die Voraussetzungen zur Erhebung des Tourismusbeitrages allerdings vor. Die Beklagte sei aufgrund der Anerkennung als Seebad berechtigt, im gesamten Stadtgebiet eine Kurabgabe zu erheben. Auf die Einzelheiten der näheren Umgebung des ... komme es deshalb nicht an. Dem Kläger sei eine tatsächliche Inanspruchnahme der vorgehaltenen Kur- oder Erholungseinrichtungen auch möglich. Die Entfernung zur Innenstadt mit Kommunalhafen und Jungfernstieg betrage lediglich 2 - 2,5 km. Ob der Kläger die Einrichtungen tatsächlich in Anspruch nehme, sei unerheblich. Entscheidend sei nicht der Wille zur Inanspruchnahme, sondern allein die Möglichkeit. Anhaltspunkte dafür, dass der in Privateigentum stehende Yachthafen in einem gemeindefreien Gebiet liege, bestünden nicht.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 19. Februar 2007 zugelassen.

Mit seiner am 16. März 2007 eingegangenen Berufungsbegründung macht der Kläger weiter geltend, dass sich aus der vorgetragenen Eingemeindung des Küstengewässers keine Befugnis ergebe, speziell im Bereich seines Liegeplatzes an Steg F einen Tourismusbeitrag zu erheben. Das offensichtlich eingemeindete Grundstück "Gemarkung Neustadt, Flur 11, Flurstück 14" umfasse lediglich den sogenannten Osthafen mit den Stegen A - D - Gastanlieger -, während die Stege F - P baulich und optisch getrennt davon lägen. Im Übrigen sei die Eingemeindung nicht bestimmt genug und daher nicht wirksam. Wenn es im Amtsblatt heiße, dass im Zweifel der Grenzverlauf gelte, der sich aus der beigefügten kartenmäßigen Darstellung ergebe, so sei gerade aus dieser Darstellung der Grenzverlauf nicht eindeutig ersichtlich. Im Übrigen reiche es für die Erfüllung des Abgabentatbestandes nicht aus, dass sich irgendwo in der Stadt Kureinrichtungen befänden, die er nutzen könne. Dies gelte jedenfalls dann, wenn eine klare räumliche Trennung zwischen den Kureinrichtungen und dem Aufenthaltsort des Fremden bestehe und die Distanz so groß sei, dass faktisch von einer Nutzungsmöglichkeit nicht mehr die Rede sein könne. Die Entfernung des Yachthafens zur Innenstadt betrage tatsächlich 7 km. Hinzu komme, dass der einzige Weg über eine schmale Brücke führe, die regelmäßig verstopft sei. Außerdem sei es einem Liegeplatzinhaber auch nicht ohne weiteres möglich, mit einem Segelboot das gegenüber liegende Ufer zu erreichen, um die dortigen Kur- und Erholungseinrichtungen aufzusuchen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2006 zu ändern und den Tourismusbeitragsbescheid vom 15. April 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2005 insgesamt aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die angegriffene Tourismusbeitragserhebung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen VG (Gerichtsbescheid v. 09.11.1992 - 6 A 266/91 -) und OVG (Urteile vom 12.03.1992 - 2 L 200/91 - und vom 04.10.1995 - 2 L 197/94 -). Danach sei es der Beklagten sogar verwehrt, ein einheitliches Anerkennungsgebiet in Kurzonen zu unterteilen. Sofern die Lage eines Ortsteils die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kur- und Erholungseinrichtungen ernstlich beeinträchtige, müsse dem bereits im Anerkennungsverfahren Rechnung getragen werden. Die Beklagte sei allerdings insgesamt und einschließlich der Ortsteile ... und ... als Seebad anerkannt. Eine Herausnahme des Gebietes der ... oder die Festsetzung eines gesonderten Beitragssatzes komme deshalb nicht in Frage. Würde man der Argumentation des Klägers folgen, käme eine Beitragserhebung nur noch in Kernbereichen des Fremdenverkehrs in Betracht. Es sei deshalb auch unzutreffend, dass auf die Ausweisung der Marina als Kurgebiet abgestellt werde. Im Übrigen sei der Kläger ortsfremd und nutze sein im Stadtgebiet belegenes Boot zu Erholungszwecken. Er habe eine reale Möglichkeit, die Kur- und Erholungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Dies gelte selbst dann, wenn er die Gemeinde nur aufsuche, um mit seinem Boot hinaus zu fahren. Unzutreffend sei die Behauptung, dass sich Kureinrichtungen erstmals in einer Entfernung von 7,5 km befänden. Tatsächlich lägen solche Einrichtungen mit dem Badestrand und der Badeanstalt sowie dem Jungfernstieg quasi direkt gegenüber am anderen Ufer des Zulaufes zum Binnengewässer. Diese Einrichtungen seien mit allgemeinen oder mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel auch leicht erreichbar, so etwa mit Booten. Auf dem Landweg liege der Hafen an der Brücke zum Binnengewässer mit Beginn des Jungfernstieges weniger als 2 km von der Marina entfernt. Beim Jungfernstieg handele es sich um eine stark angenommene Promeniereinrichtung, die der fußläufigen Erholung diene. Auf der Hauptzufahrtsstraße zur Stadt stünden ferner öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die auf das Erhebungsjahr 2005 beschränkte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht zu ändern, da der angefochtene Bescheid vom 15. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 rechtmäßig ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist die zum 01.01.2004 in Kraft getretene Satzung der Beklagten über die Erhebung eines Tourismusbeitrages (Kurabgabe) in der Fassung des 2. Nachtrages vom 16. März 2005 (TBS) i.V.m. § 10 KAG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 2005, GVOBl. 2005, 27).

Nach § 10 Abs. 1 KAG können Gemeinden, die als Kur- oder Erholungsort anerkannt sind, im Bereich dieser Anerkennung für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen nach Maßgabe des 10 Abs. 2 KAG eine Kurabgabe erheben. Nach § 4 GO i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 KAG wird die hierfür erforderliche Satzung durch die Gemeinde erlassen. Die Satzung der Beklagten über die Erhebung eines Tourismusbeitrages genügt den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG. Aus § 1 TBS ergibt sich mit ausreichender Bestimmtheit, dass trotz der abweichenden Bezeichnung ("Tourismusbeitrag") die Kurabgabe i.S.d. § 10 KAG Regelungsgegenstand sein soll und ist.

Die Beklagte verfügt seit 1972 über eine Anerkennung als Seebad für ihr gesamtes Stadtgebiet einschließlich der Ortsteile ... und .... "Seebad" war und ist eine Artbezeichnung für Kurort (§§ 1, 3 der Landesverordnung über die Anerkennung als Kur- oder Erholungsort - LVO - v. 21. Mai 1970, GVOBl. S. 135, heute §§ 1 Abs. 1, 3 Nr. 3 der gleichlautenden LVO v. 7. Dezember 1990, GVOBl. S. 654, zuletzt geändert durch Verordnung v. 20. September 2006, GVOBl. S. 221). Das zuständige Ministerium hat die einheitliche Anerkennung 1996 bestätigt und bislang auch nicht widerrufen, geht also davon aus, dass auch unter Einbeziehung des westlichen Stadtteils die Voraussetzungen eines Seebades insgesamt vorliegen.

Aufgrund dieser Anerkennung ist die Beklagte befugt, auch im Bereich des Yachthafens eine Kurabgabe zu erheben, da dieser Hafen einschließlich der hier relevanten Wasserfläche auch zum Stadtgebiet gehört. In räumlicher Hinsicht ist das Satzungsrecht der Beklagten gemäß §§ 1 und 2 Abs. 1 TBS i.V.m. § 10 Abs. 1 KAG auf den Bereich der Körperschaft begrenzt; der geregelte Sachverhalt muss sich innerhalb des Stadtgebietes bewegen (vgl. Schliesky, KVR SH/GO, § 4 Rdnr. 36, 64). Entsprechend kann sich auch die Anerkennung nur auf das Stadtgebiet beziehen, sei es auf das ganze oder Teile davon (vgl. § 1 Abs. 1 und 3 LVO n.F., § 1 LVO a.F.). Das Stadt- bzw. Gemeindegebiet wiederum ist grundsätzlich Landgebiet (Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 77; Gronemeyer, Die gemeindefreien Gebiete, 1971, S. 79; OVG Lüneburg, Urt. v. 19.01.1995 - 1 L 5943/92 - in NdsVBl 1995, 160 und in juris), während das offene Meer regelmäßig gemeindefrei ist, es sei denn, ein Teil des Küstengewässers ist den angrenzenden Gemeinden als Gebiet zugewiesen worden (Gönnenwein und Gronemeyer a.a.O.; Hoffmann, Das Gemeindegebiet, Die Gemeinde 1975, 33, 36; Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1. Aufl. 1989, S. 60 ff. m.w.N.).

Eine solche Zuweisung lässt sich nach den im Verfahren gewonnenen Erkenntnissen jedenfalls für das Flurstück 14/2 der Flur 11 belegen (Gebietsänderung vom 12.01.1989, Amtsblatt 1989, 18). Dieses Flurstück erfasst nach dem vorliegenden Kartenmaterial und der übersandten Liegenschaftskarte den Osthafen der ... zunächst mit den Stegen A - D und den Gastlieger-Steg E. Die nördliche Grenze des Flurstücks verläuft von der Spitze der östlichen Hafeneinfassung auf die gegenüberliegende Landzunge zu, und zwar auf Höhe des dort befindlichen Sanitärgebäudes. Danach liegt auch der hier interessierende Steg F jedenfalls mit dem Liegeplatz Nr. 72 noch innerhalb dieses Flurstücks und damit seit 1989 im Gemeindegebiet. Eine Unwirksamkeit der vom Innenminister verfügten Gebietsänderung wegen Unbestimmtheit des Grenzverlaufs ist nach Beiziehung des Katastermaterials und der darin enthaltenen Grundstücksangaben zu Größe, Lage und Koordinaten nebst Liegenschaftskarte nicht anzunehmen. Auf eine Geltung des Grenzverlaufs nach der kartenmäßigen Darstellung im Amtsblatt soll es nur "im Zweifel" ankommen; solche Zweifel bestehen nicht.

Es ist weiterhin nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das gesamte anerkannte Stadtgebiet hinsichtlich des Tourismusbeitrages (Kurabgabe) zu einem einheitlichen Erhebungsgebiet zusammengefasst hat, auch wenn die verschiedenen Ortsteile über qualitativ sehr unterschiedliche Kureinrichtungen verfügen. § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG enthält insoweit kein weiteres Differenzierungsgebot. Auch der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verbietet es nicht allgemein, für die Kurabgabe Ortsteile mit qualitativ unterschiedlichen Angeboten an Kureinrichtungen zusammenzufassen. Dem Satzungsgeber steht gerade im Abgabenrecht eine sehr weite Gestaltungsfreiheit zu. Eine von ihm getroffene Regelung ist nicht zu beanstanden, solange sich dafür ein sachlich einleuchtender Grund finden lässt und nicht willkürlich erscheint (BVerwG, Urt. v. 27.09.2000 - 11 CN 1/00 - m.w.N. in NordÖR 2001, 216). Von einer willkürlichen oder beliebigen Zusammenfassung verschiedener Ortsteile kann hier schon wegen der einheitlichen Anerkennung des Stadtgebietes als Seebad nicht ausgegangen werden. Die Anerkennung datiert von 1972 und zeugt davon, dass die touristisch attraktiveren Ortsteile ... und ... seit mindestens 35 Jahren eingemeindet sind - ... laut Beklagtenvortrag im erstinstanzlichen Verfahren seit 1928 und damit seit 79 Jahren - und seitdem zur Beklagten gehören. Sollte die Lage eines Ortsteils die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kur- und Erholungseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen, wäre es Sache des zuständigen Ministeriums, im Rahmen des Anerkennungsverfahrens oder auch später zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Anerkennung einschließlich dieses Ortsteils (noch) vorliegen. Nach § 1 LVO a.F. / § 1 Abs. 3 LVO n.F. kann die Anerkennung auf einen oder mehrere Teile des Gemeindegebiets beschränkt werden. Eine solche Beschränkung müsste wohl auch erfolgen, wenn eine weiträumige Gemeinde in verschiedenen Teilen ihres Gebietes unterschiedlich strukturiert ist und nur einzelne Ortsteile die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllen, nicht dagegen andere Teile, die etwa als Industriegebiete ausgewiesen sind (Thiem/Böttcher, Kommunalabgabengesetz Schl.-Holst., Bd. 2, § 10 Rdnr. 13 m.w.N.). Sofern und solange die Anerkennung für das gesamte Stadtgebiet wirksam ist, hat die Erhebung einer Kurabgabe gemäß § 10 Abs. 1 KAG daran allerdings anzuknüpfen.

Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die ... aufgrund ihrer Lage so abgeschottet ist, dass sie ausschließlich von Bootsbesitzern und Wassersporttreibenden besucht wird, für die zudem eine Inanspruchnahme der sich sonst bietenden Möglichkeiten im Stadtgebiet von vornherein nicht in Betracht kommt. Immerhin wirbt der Betreiber der ... auch im Buchungskatalog der Beklagten für seine Ferienappartements "am schönsten Teil der Ostsee" mit einem "herrlichen Blick auf die Ostsee und den Hafen". Eine insoweit nur unzureichende Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ändert im Übrigen an den grundsätzlich bestehenden Nutzungsmöglichkeiten der Kur- und Erholungseinrichtungen in anderen Stadtteilen nichts, solange alternativ die Nutzung privater Kraftfahrzeuge oder Fahrräder möglich ist. Die bloße Entfernung oder temporäre Verkehrsengpässe lassen diese Möglichkeit jedenfalls noch nicht entfallen. Besteht danach eine zumutbare Erreichbarkeit, verbleibt kein Grund, warum die in der Marina unterkommenden Gäste nicht auch die in den Stadtteilen ... und ... vorhandenen Kureinrichtungen mit finanzieren sollten (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.09.2000 a.a.O.).

Hiervon ausgehend ist auch eine Einteilung des Anerkennungsgebietes in verschiedene Kurzonen nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht zulässig. Hierzu wurde im Urteil vom 12.03.1992 (- 2 L 200/91 - in: Die Gemeinde 1992, 255 = SchlHA 1993, 98) ausgeführt:

Eine "Differenzierung der Abgabesätze ist jedenfalls dann mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und auch mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz unvereinbar, wenn sie ... allein daran anknüpft, in welchem Teil des Anerkennungsbereiches sich das Quartier oder die Wohngelegenheit eines Kurgastes befindet. Denn nach § 10 Abs. 2 S. 1 KAG setzt die Kurabgabepflicht den Aufenthalt einer Person im Erhebungsgebiet und die sich daraus ergebende Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen oder zur Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen voraus. Personen, die sich ohne örtliche Beschränkung im Erhebungsgebiet (Bereich der Anerkennung) aufhalten, sind grundsätzlich zur Entrichtung von Kurabgaben in gleicher Höhe verpflichtet, weil ihnen grundsätzlich in gleicher Weise die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen und zur Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen geboten wird. Unter Berücksichtigung des somit maßgeblichen gesetzlichen Tatbestandsmerkmals "Aufenthalt im Erhebungsgebiet" läßt sich weder aus § 10 Abs. 2 S. 1 KAG noch aus dem Grundsatz der Abgabengleichheit irgendeine Rechtfertigung dafür herleiten, die sich z.B. in Zone 1 des Anerkennungsgebietes der Bekl. aufhaltenden Personen lediglich im Hinblick auf die unterschiedliche örtliche Lage ihres Quartiers oder ihrer Wohngelegenheit im Anerkennungsgebiet zu Kurabgabesätzen in unterschiedlicher Höhe heranzuziehen. Die Belegenheit der Wohnung der Kurgäste stellt insoweit kein taugliches und gesetzlich nicht vorgesehenes Differenzierungskriterium dar. Auch wenn die größere Entfernung einzelner Quartiere vom Kur- und Erholungszentrum für die betroffenen Kurgäste die Unannehmlichkeit größerer Anmarsch- oder Anfahrtswege zur Folge haben mag - dem steht jedoch häufig ein niedrigerer Übernachtungspreis gegenüber -, ist dies kein Umstand, der mit der durch die Kurabgabe zu entgeltenden Leistung der Gemeinde, nämlich der Bereitstellung der Kur- und Erholungseinrichtungen, im Zusammenhang steht. Sofern die Lage eines Ortsteils die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Kur- und Erholungseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen sollte, müßte dem bereits bei der Anerkennung als Kur- oder Erholungsort Rechnung getragen werden."

Diese Auffassung hat der Senat in seinem Urteil vom 04.10.1995 (- 2 L 197/94 - in: SchlHA 1996, 50 = Die Gemeinde 1996, 80 = KStZ 1996, 215) noch einmal bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen: die Entfernung der Unterkunft zu den Kureinrichtungen stelle auch wegen des allgemein verbreiteten privaten Verkehrs kein geeignetes Differenzierungskriterium dar, solange sich die Einrichtung in dem als Kurort anerkannten Gebiet befinde. Allerdings könne die Einteilung in Zonen und die Erhebung teilweise ermäßigter Kurabgaben in seltenen Ausnahmefällen zulässig sein, um dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit weiter Rechnung zu tragen. Dies gelte etwa dann, wenn nach den örtlichen Gegebenheiten zu erwarten sei, "dass bestimmte Gäste, obwohl sie im Erhebungsgebiet Unterkunft nehmen, die dortigen Kureinrichtungen insgesamt merklich weniger frequentieren" und dies dazu führt, dass der mit der Abgabe abzugeltende Vorteil abnimmt (BVerwG, Urt. v. 27.09.2000 a.a.O.).

Im genannten Fall des Bundesverwaltungsgerichts ging es um zwei Ortsteile eines Erhebungsgebiets, die über unterschiedliche Anerkennungen verfügten (Nordseebad / Erholungsort) und insofern schon unterschiedlich klassifiziert waren (zustimmend für diesen Fall: Thiem/Böttcher, a.a.O., § 10 Rdnr. 14). Ob diese Ausnahmemöglichkeit - in Abweichung von der bisherigen Senatsrechtsprechung - auch dann gelten kann, wenn eine einheitliche Anerkennung vorliegt, muss hier nicht abschließend entschieden werden. Selbst wenn man von der bislang vom Senat angenommenen Verpflichtung zur Erhebung einer einheitlichen Kurabgabe abrücken wollte, läge eine einheitliche Kurabgabenerhebung in einem einheitlich anerkannten Gemeindegebiet auf jeden Fall im Rahmen des weiten satzungsgeberischen Ermessens. Im Übrigen bliebe es der gemeindlichen Prüfung überlassen, ob nach Maßgabe des Bundesverwaltungsgerichts eine ausnahmsweise Bildung von Kurzonen in Betracht kommen kann und soll, weil die Gäste eines Stadtteils die Kureinrichtungen anderer Stadtteile "insgesamt merklich weniger frequentieren", Auf jeden Fall dürfte eine Staffelung nach Zonen nicht als Instrument der Wirtschaftslenkung eingesetzt werden, um etwa Standortnachteile einzelner Beherbergungsbetriebe auszugleichen (vgl. Senatsurt. v. 12.03.1992 - a.a.O.; Thiem/Böttcher, a.a.O., § 10 Rdnr. 89 m.w.N.).

Dessen ungeachtet ist der Kläger nach Maßgabe der für das Erhebungsjahr 2005 geltenden Satzung der Beklagten über die Erhebung eines Tourismusbeitrages jedenfalls abgabepflichtig. Der Tourismusbeitragspflicht unterliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 TBS diejenigen natürlichen Personen, die sich in der Zeit vom 15. Mai bis 15. September (Saison) im Stadtgebiet aufhalten, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben (ortsfremd) und denen dadurch die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der gemeindlichen Leistungen i.S.d. § 1 Satz 1 geboten wird. Der Kurabgabentatbestand entspricht den gesetzlichen Vorgaben des § 10 Abs. 2 KAG und kann - wie hier geschehen - auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt werden (Thiem/Böttcher, a.a.O., § 10 Rdnr. 29). Tourismusbeitragspflichtige Personen, die sich in der Saison in eigenen Wohngelegenheiten wie z.B. einem Boot mit Dauerliegeplatz aufhalten, müssen nach § 4 Abs. 2 TBS unabhängig von der tatsächlichen Aufenthaltsdauer eine pauschale Abgabe in Höhe von 50,40 Euro entrichten.

Der Kläger ist ortsfremd; er unterhält seine Hauptwohnung in ... und hat dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Unstreitig hat er sich während der Saison des Erhebungsjahres 2005 auf seinem Boot aufgehalten, welches in der ... einen Dauerliegeplatz hat.

Hält sich ein Ortsfremder zu Erholungszwecken in einem Kurort auf, ohne dazu beruflich oder aus anderen Gründen gezwungen zu sein, wird unterstellt, dass er davon jenen Vorteil hat, der es rechtfertigt, ihn zur Kurabgabe heranzuziehen. Während der Senat insoweit bislang von einer widerleglichen Vermutung der Nutzungsmöglichkeit ausgegangen ist (vgl. Urt. v. 04.10.1995 a.a.O.; Thiem/Böttcher a.a.O., § 10 Rdnr. 46), spricht das Bundesverwaltungsgericht hier sogar von einer unwiderleglichen Vermutung (Urt. v. 27.09.2000 a.a.O.). Die Kurabgabe wird jedenfalls regelmäßig von allen Feriengästen im Geltungsbereich der Kurabgabesatzung zu erheben sein. Dies gilt wiederum unabhängig von der Entfernung ihrer Quartiere zu den Kur- und Erholungseinrichtungen und selbst dann, wenn die Aufenthaltsnahme in einem Ortsteil geschieht, in dem sich unmittelbar keine für Erholungszwecke geschaffenen Einrichtungen befinden, solange sich die Anerkennung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG auch auf diesen Teil des Gemeindegebietes erstreckt. Die Gelegenheit zur Inanspruchnahme solcher Einrichtungen haben grundsätzlich auch solche Gäste, deren Herberge einige Kilometer von den Kur- und Erholungseinrichtungen entfernt liegt, sofern diese mit allgemeinen oder mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel leicht erreichbar sind (Senatsurt. v. 04.10.1995 aaO). Dabei kann, wie bereits ausgeführt, eine nur unzureichende Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln unberücksichtigt bleiben, solange alternativ jedenfalls die Nutzung privater Kraftfahrzeuge oder Fahrräder möglich ist.

Die damit anzunehmende reale Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kur- und Erholungseinrichtungen im Stadt- und Erhebungsgebiet der Beklagten entfiele auch für den Kläger selbst dann nicht, wenn er als Besitzer eines Sportbootes die Gemeinde nur aufsuchte, um von dort aus auf die Ostsee hinauszufahren. Ob er von dieser Möglichkeit im einzelnen Gebrauch macht bzw. überhaupt Gebrauch machen will, ist unerheblich (Senatsurt. v. 04.10.1995 a.a.O.; Thiem/Böttcher a.a.O., § 10 Rdnr. 44, 45).

Sofern man die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Einzelfall für widerleglich hält, kommt eine Widerlegung allerdings nur aus Gründen in Betracht, die in der Person oder in den Verhältnissen des jeweiligen Gastes liegen. Verneint wird die Möglichkeit bei Personen, die sich im Rahmen einer militärischen Ausbildung oder als Insasse einer geschlossenen Anstalt im Kurort aufhalten oder bei Gästen, die sich aus gesundheitlichen Gründen in stationäre Behandlung begeben und die Klinik nicht - auch nicht zu bestimmten Tageszeiten - verlassen können (Urt. d. Senats v. 04.10.1995 a.a.O.; Thiem/Böttcher a.a.O., § 10 Rdnr. 47). Gründe, die dem nahe kommen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Der angefochtene Bescheid ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. § 4 Abs. 2 TBS fingiert insoweit unwiderleglich die Dauer eines (unwiderlegt) vermuteten oder positiv festgestellten - hier jedenfalls nicht bestrittenen - Aufenthaltes im Erhebungsgebiet. Die Heranziehung der Inhaber von Wohngelegenheiten zu dieser pauschalen Jahreskurabgabe hält sich im Rahmen des durch § 10 Abs. 1 KAG eröffneten Rechtssetzungsermessens. Derartige Typisierungen sind aus Gründen der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung zulässig, da die Feststellung, an wieviel Tagen sich der Inhaber einer Wohngelegenheit tatsächlich im Kurgebiet aufhält, mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden und kaum nachweisbar wäre, da dieser anders als andere Kurgäste keinen weiteren Meldepflichten unterliegt. Bei der Heranziehung zur Jahreskurabgabe wäre es ihm deshalb grundsätzlich verwehrt, im Einzelfall den Nachweis zu führen, er habe sich nur für einen kürzeren Zeitraum im Stadtgebiet aufgehalten (Senatsurt. v. 04.10.1995 a.a.O., m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht ersichtlich sind.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 50,40 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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