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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 2 LB 23/07
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 3
Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft, denen das Eigentum an einem Grundstück nach Bruchteilen zusteht, sind nicht zweitwohnungssteuerpflichtig, wenn sie das Nutzungsrecht an den Wohnungen der fortbestehenden BGB-Gesellschaft übertragen haben.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 23/07

verkündet am 22.08.2007

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Zweitwohnungssteuer - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des SchleswigHolsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 10. August 2006 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erhebung einer Vorauszahlung auf eine Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2005.

Der Kläger ist an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ... & Partner beteiligt, sein Anteil beträgt 1/4. Weitere Gesellschafter sind Herr S. K. mit 1/4, die Eheleute R. mit 1/4 und das Ehepaar S. mit 1/4. Die Gesellschaft wurde im Jahre 2000 gegründet und errichtete als Bauherrengemeinschaft ein Gebäude mit drei Wohnungen im S.weg 15 in O.. Als Eigentümer sind die Gesellschafter im Grundbuch eingetragen. Die Wohnungen sind der fortbestehenden Gesellschaft zur Nutzung überlassen. Das Ehepaar S. hat seinen Hauptwohnsitz neben dem Wohnobjekt und kümmert sich um die Verwaltung der Wohnungen; unter anderem vermietet Herr S. die Wohnungen für die Gesellschaft an Dritte, aber auch an die Gesellschafter.

Auf Nachfrage des Beklagten erklärte Herr S. für die Gesellschaft, dass das Objekt S.weg 15 im Jahre 2005 etwa 3 bis 4 Wochen eigengenutzt werde. Daraufhin zog das beklagte Amt den Kläger mit Bescheid vom 19. Januar 2005 zu einer Vorauszahlung auf die Zweitwohnungssteuer für 2005 in Höhe von 66,80 Euro heran. Dabei ging es davon aus, dass der Kläger die Wohnung Nr. 1 mit 86 m² nutze, da es sich dabei um eine behindertengerechte Wohnung handelt.

Der Kläger legte am 11. Februar 2005 Widerspruch ein; er besitze keine Wohnung in O., sondern sei lediglich Partner der ... & Partner, wobei es sich dabei um ein Gewerbeobjekt handele. Dieser Widerspruch wurde mit Bescheid vom 21. Februar 2005 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 22. März 2005 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Er sei nicht Inhaber einer Wohnung in der Gemeinde.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 aufzuheben.

Das beklagte Amt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Einzelrichterurteil vom 10. August 2006 abgewiesen. Der Kläger sei als Mitgesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Miteigentümer der drei Wohnungen. Eine dieser drei Wohnungen habe der Kläger für seine private Nutzung vorgehalten, dies ergebe sich aus der schriftlichen Angabe des Mitgesellschafters S. vom 23. September 2004.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 26. September 2006 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 02. April 2007 entsprochen hat.

Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe bei der Bewertung des Sachverhaltes auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwar hingewiesen, daraus jedoch nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Da nicht er, sondern die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin der Wohnung sei, habe er, der Kläger, diese Wohnung nicht inne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 10. August 2006 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2005 und seinen Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 aufzuheben.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten. Sie sind daher unter Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Steuererhebung eine wirksam beschlossene Satzung zugrunde liegt. Zweifel könnten dadurch entstehen, dass in der Sitzung der Gemeindevertretung O. am 31. August 2004 ausweislich der Niederschrift hierüber nicht ausdrücklich eine Satzung beschlossen wurde. Wörtlich heißt es dort: "Nach kurzer Aussprache beschließt die Gemeindevertretung einstimmig, die Zweitwohnungssteuer (Anlage 1) in der Gemeinde O. zum 01. Januar 2005 einzuführen." Nimmt man diese Formulierungen wörtlich, so hat die Gemeindevertretung lediglich eine Art Grundsatzbeschluss gefasst, dass die Zweitwohnungssteuer eingeführt werden solle. Andererseits lässt der Klammerzusatz "Anlage 1", der auf den Satzungsentwurf Bezug nimmt, wohl doch die Annahme zu, dass die Gemeindevertretung diese Satzung beschließen wollte.

Die streitbefangenen Bescheide des Beklagten sind jedoch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger nicht steuerpflichtig im Sinne des § 3 Abs. 1 der Satzung ist. Er hat im Gemeindegebiet keine Zweitwohnung im Sinne des § 2 Abs. 2 der Satzung inne.

Inhaber einer Wohnung ist, wer über die Wohnung verfügen kann, insbesondere wer in rechtmäßiger Weise tatsächlich (frei) bestimmen kann, wer in welchen Zeiten die Wohnung nutzen darf (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.03.2002 - 2 M 22/02 -). Dieses Recht steht in aller Regel dem Eigentümer oder dem Mieter einer Wohnung zu (Senatsurt. v. 24.04.2002 - 2 L 101/01). Der Kläger ist zwar Miteigentümer eines Grundstücks und der darauf in einem Gebäude vorhandenen drei Wohnungen, doch ist er nicht Besitzer einer Wohnung im Gemeindegebiet, die er für seinen persönlichen Lebensbedarf vorhalten könnte.

Es ist nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen, dass die Mitglieder der Bauherrengemeinschaft aufgrund ihrer Beteiligung an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Miteigentümer der drei im Gebäude S.weg 15 befindlichen Wohnungen und als solche über diese verfügungsberechtigt seien. Dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn die Gesellschaft - wie nach dem Vortrag des Klägers zunächst zu vermuten war - Eigentümerin der Wohnungen wäre. Zwar ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine juristische Person, doch besitzt sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 29.01.2001, - II ZR 331/00 -, BGHZ 146, 341 [344 f] = NJW 2001, 1056 ff, bestätigt d. Beschl. v. 18.02.2002 - II ZR 331/00 -, NJW 2002, 1207), die die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Ergebnis stark der OHG annähert, Rechtsfähigkeit, soweit sie als (Außen-)Gesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. In diesem Rahmen ist sie nach h. M. Trägerin des Gesellschaftsvermögens (Ulmer in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Auflage 2004, § 705, Rdnr. 310; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002, § 59 IV 1; Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage 2006, § 705 Rdnr. 24 und § 718 Rdnr. 1). Damit kann die Gesellschaft als solche Eigentümerin und Besitzerin des Gesellschaftsvermögens sein und zwar auch in Form des Alleineigentums bzw. Alleinbesitzes. Sind im Grundbuch die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zusatz "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" als Eigentümer eingetragen, so ist die Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks. Auf die Frage, ob die Gesellschaft auch selbst in das Grundbuch eingetragen werden könnte, kommt es dabei nicht an (BGH, Urt. v. 25.09.2006 - II ZR 218/05 -, NJW 2006, 3716).

Wie jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt wurde, sind im Grundbuch die Gesellschafter als Eigentümer ohne den Zusatz "GbR" eingetragen; die Wohnungen sind der fortbestehenden und nach außen wirkenden Gesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen. Zwar ist danach das Eigentum am bebauten Grundstück kein Gesellschaftsvermögen iSv § 718 BGB, wohl aber das Besitz- und Nutzungsrecht. Auch dadurch ist die Gesellschaft Inhaberin der Wohnungen, nur sie kann bestimmen, wer die Wohnungen zu welchen Zeiten nutzen darf.

Dies schließt ein gleichzeitiges Innehaben der Wohnungen durch die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft aus. Sofern die Gesellschafter - hier offenbar Herr S. - in Wahrnehmung ihrer Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§§ 709 ff. sowie § 714 BGB) über die Wohnungen verfügen, geschieht dies für die Gesellschaft als allein Nutzungsberechtigte und nicht für die einzelnen Gesellschafter. Die Gesellschafter sind wegen der so geschaffenen Rechtsbeziehungen weder als Miteigentümer des bebauten Grundstücks noch aus ihrer Gesellschafterstellung heraus zweitwohnungssteuerpflichtig.

Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO). Ein Missbrauch liegt nur dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt worden ist, die gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftlich oder sonst beachtliche nicht steuerrechtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Senatsurt. v. 30.11.2005 - 2 LB 81/04 -, Senatsbeschl. v. 05.09.2006 - 2 LA 124/05 -). Die ... & Partner ist die unter Zweckänderung fortgeführte Bauherrengemeinschaft und verfolgt nunmehr die Vermietung der Wohnungen an Feriengäste. Darin ist eine wirtschaftlich sinnvolle Vertragsgestaltung zu sehen, da die Vermietung und Verwaltung der Wohnungen in einer Hand verbleibt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 05.09.2006 - 2 LA 124/05 -). Es kommt hinzu, dass sowohl Gründung als auch Zweckänderung der Gesellschaft mehrere Jahre vor Einführung der Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde vorgenommen wurden, so dass keinerlei Zusammenhang mit einem Bestreben nach Steuerminderung erkennbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 66,80 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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