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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.11.2007
Aktenzeichen: 2 LB 31/07
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 2 Abs. 1
KAG SH § 10
Beruht die Kalkulation einer kommunalen Abgabe nicht auf sachgerechten Annahmen, ist der durch Satzung bestimmte Abgabesatz (hier Kurabgabe) auch dann unwirksam, wenn sich das Ergebnis der Kalkulation durch nachfolgende Prüfung bestätigen lässt (Fortführung der Rechtsprechung des Senats aus 2 L 26/98 und 2 LB 148/02 entgegen 2 L 197/94).
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 31/07

verkündet am 21.11.2007

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Kurabgabe 2002

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 20. Dezember 2006 geändert.

Der Bescheid des beklagten Amtes vom 01. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. April 2002 wird aufgehoben.

Das beklagte Amt trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Amt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Erben des im Jahre 2004 verstorbenen Herrn .... Sie wenden sich gegen die Heranziehung zur Jahreskurabgabe 2002 durch das beklagte Amt.

Der Rechtsvorgänger der Kläger war Inhaber eines Nießbrauchsrechts an dem Ferienhaus ... 4 in der amtsangehörigen Gemeinde .... Er wurde mit Bescheiden vom 25. März 1999, 05. April 2000 und 30. März 2001 vom beklagten Amt jeweils zu einer Jahreskurabgabe für 1999, 2000 und 2001 herangezogen. Seine dagegen erhobenen Widersprüche wurden durch Widerspruchsbescheid vom 02. April 2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit weiterem Bescheid vom 01. März 2002 wurde der Rechtsvorgänger der Kläger für 2002 zu einer Jahreskurabgabe in Höhe von 60,-- Euro herangezogen. Der dagegen am 05. März 2002 erhobene Widerspruch wurde ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 02. April 2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Rechtsvorgänger der Kläger hat am 08. Mai 2002 Klage gegen die genannten Bescheide erhoben. Mit Bescheid vom 01. November 2002 hat das beklagte Amt die Bescheide für die Jahre 1998 bis 2001 "ersatzlos aufgehoben". Im Hinblick auf die Erhebung einer Jahreskurabgabe für die Jahre 1999 bis 2001 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt; die Jahreskurabgabe 1998 war nicht Verfahrensgegenstand.

Die Kläger haben gemäß Schriftsatz vom 06. Juli 2004 als Rechtsnachfolger das Verfahren fortgeführt und beantragt,

die Bescheide vom 01. März 2002 und 02. April 2002 aufzuheben.

Das beklagte Amt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils eingestellt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen den Inhalt eines Urteils vom 19. November 2001 zum Verfahren 6 A 151/98 wiedergegeben und ergänzend ausgeführt, das Gericht habe in einem Eilverfahren nochmals hervorgehoben, dass die Gemeinde ... berechtigt sei, eine Kurabgabe zu erheben. Da auch die Höhe der Kurabgabe vorliegend zutreffend und nach Maßgabe der einschlägigen Satzungsbestimmungen festgelegt worden sei, sei die Klage insoweit abzuweisen gewesen.

Auf Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 08. Mai 2007 zugelassen.

Zur Begründung tragen die Kläger unter Nennung von Einzelheiten zum einen vor, dass die amtsangehörige Gemeinde schon dem Grunde nach nicht zur Erhebung einer Kurabgabe berechtigt sei. Es fehle seit Jahren an jeglichen Kureinrichtungen, die die Anerkennung als "Seeheilbad" begründen könnten. Zum anderen meinen die Kläger, dass die Kurabgabe auf keiner ordnungsgemäßen Kalkulation beruhe.

In Ermangelung echter und tatsächlicher Kureinrichtungen habe die Gemeinde sich mit dem Trick beholfen, die gesamte Gemeinde praktisch als einzige Kureinrichtung zu benennen und die Haushalte der Gemeinde, der Kurbetriebs GmbH und der ... Bucht Touristik GmbH miteinander zu vermengen. Dadurch werde die Kalkulation der Kurabgabe völlig verfälscht.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Kurabgabebescheid vom 01. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. April 2002 aufzuheben.

Das beklagte Amt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Amt trägt vor, dass die Voraussetzungen für die Erhebung der Kurabgabe durch die Gemeinde ... nach wie vor gegeben seien. Das zuständige Ministerium habe letztmalig mit Verfügung vom 11. Juli 2002 bestätigt, dass die Anerkennung der Gemeinde ... als Seeheilbad weiterhin gelte.

Die Erhebung der Kurabgabe beruhe auf der Satzung der Gemeinde vom 26. Februar 1998 in Gestalt der Änderungssatzung vom 09. Juli 2001. Der Bemessung der Kurabgabe für die Jahre 2002 und 2003 liege eine Kalkulation aus dem Jahre 1998 zugrunde. Der seinerzeit ermittelte Abgabensatz gelte auch für die Folgejahre. Der Kurbetrieb der Gemeinde habe in der Zeit von 1998 bis 2003 jeweils Verluste in beträchtlicher Höhe erlitten.

Darauf habe die angefochtene Entscheidung zutreffend abgestellt. Das habe zur Folge, dass selbst dann, wenn einzelne der Kalkulation zugrunde liegende Positionen auf der Ausgabenseite, wie sie die Kläger rügten, zu hoch oder fehlerhaft angesetzt sein sollten, die Klage keinen Erfolg haben könne. Bei dem beträchtlichen Eigenanteil der Gemeinde an den Kosten des Kurbetriebes könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Abgabesatz für die Kurabgabe geringer ausgefallen wäre, als in der Satzung festgesetzt.

Soweit die Kläger die "Vermischung" dreier untereinander "verwobener" Haushalte rügten, sei dies unverständlich und aus der Luft gegriffen. Offenbar sei das Gemeindehaushaltsrecht den Klägern völlig fremd. Es liege fern, das Aufkommen aus Gewerbesteuer und Zweitwohnungssteuer als Ertrag im Kurbetrieb zu vereinnahmen. Nur infolge dieser Betrachtungsweise gelangten die Kläger zu den von ihnen dargestellten Zahlen. Auf Grund dieses grundsätzlichen Missverständnisses erübrige sich eine Auseinandersetzung mit dem Vortrag im Einzelnen.

Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der zugrunde liegenden Satzung durch die Kurabgabe die Aufwendungen für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken im Erhebungsgebiet bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen gedeckt werden sollten. Die Gemeinde habe den Deckungsgrad mit 83 v. H. festgelegt. Ein verbleibender Gemeindeanteil werde aus den Steuermitteln finanziert, von denen die Kläger meinten, sie seien vollständig als Einnahmen des Kurbetriebes zu behandeln. Nicht zutreffend sei die Annahme, dass Verluste der mit der Durchführung von Aufgaben des Kurbetriebs beauftragten ... Bucht Touristik GmbH als Aufwendungen in die der Satzung zugrunde liegende Kalkulation bzw. in die nachfolgenden Betriebsabrechnungen eingestellt worden seien. Die Kalkulation enthalte keine Daten dieser Art und in dem Veranlagungsjahr habe die GmbH für ihre Leistungen ein vertraglich vereinbartes Entgelt bezogen.

Nach dem schleswig-holsteinischen Landesrecht nehme allein der Abgabensatz als Kalkulationsergebnis am Regelungsgegenstand einer Abgabesatzung teil. Kalkulationsmängel, die im Ergebnis nicht zum Nachteil der Abgabenpflichtigen durchschlügen, führten somit nicht zur Rechtswidrigkeit der Satzung. Motive beim Abstimmungsverhalten, Fehlvorstellungen oder sogar das völlige Fehlen einer Vorstellung von den Folgen des Beschlusses bei dem einzelnen oder bei mehreren Gemeindevertretern hätten auf die Rechtmäßigkeit des Abstimmungsergebnisses grundsätzlich keinen Einfluss. Danach könne die Berufung bereits im Hinblick auf die dargestellten Defizite des Kurbetriebes keinen Erfolg haben.

Die Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes haben vorgelegen; auf sie und die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid vom 01. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. April 2002 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten. Der Bescheid ist deshalb unter Änderung des angefochtenen Urteils aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Rechtsvorgängers der Kläger zu einer Jahreskurabgabe für das Jahr 2002 kommt die Satzung über die Erhebung einer Kurabgabe in der Gemeinde ... vom 02. März 1998 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 17. Juli 2001 i.V.m. § 10 KAG in Betracht.

Nach § 10 Abs. 1 KAG in der hier noch anzuwendenden Fassung können Gemeinden, die als Kur- oder Erholungsort anerkannt sind, im Bereich dieser Anerkennung für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 KAG eine Kurabgabe erheben. Nach § 4 GO i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 KAG wird die hierfür erforderliche Satzung durch die Gemeinde erlassen. Das ist hier geschehen.

Die Gemeinde ... erfüllte im Veranlagungszeitraum grundsätzlich die Voraussetzungen für die Erhebung einer Kurabgabe, denn sie war und ist als Seeheilbad anerkannt. "Seeheilbad" war und ist eine Artbezeichnung für Kurort (§§ 1, 3 der Landesverordnung über die Anerkennung als Kur- oder Erholungsort - LVO - v. 21. Mai 1970, GVOBl. S. 135, heute §§ 1 Abs. 1, 3 Nr. 2 der gleichlautenden LVO v. 7. Dezember 1990, GVOBl. S. 654, zuletzt geändert durch Verordnung v. 20. September 2006, GVOBl. S. 221). Das zuständige Ministerium hat die Anerkennung 1995 bestätigt und im Jahre 2002 nach erneuter Überprüfung der Voraussetzungen Einwendungen eines Dritten dagegen zurückgewiesen. Das diesbezügliche Vorbringen der Kläger ist daher nicht entscheidungserheblich.

Die Berufung der Kläger ist jedoch begründet, weil der in § 5 Abs. 2 der Kurabgabesatzung festgelegte Abgabesatz auf einer fehlerhaften Kalkulation beruht, deshalb unwirksam ist und für die Heranziehung des Rechtsvorgängers der Kläger somit keine wirksame satzungsmäßige Ermächtigungsgrundlage besteht.

Die Kurabgabe dient neben der Fremdenverkehrsabgabe der Finanzierung der Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung von Kureinrichtungen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KAG). Weiterhin sind für die Benutzung der Kureinrichtungen und damit für ihre Verwaltung und Unterhaltung Gebühren gemäß § 6 Abs. 1 KAG bzw. privatrechtliche Nutzungsentgelte zu erheben. Dies ist gemäß § 1 Abs. 3 der Kurabgabesatzung auch vorgesehen. Können dieselben Aufwendungen über unterschiedliche Abgaben (Entgelte) finanziert werden, hat die Gemeinde durch Satzungsregelung in der Kurabgabesatzung festzulegen, in welchem Umfang die Kurabgabe zur Deckung der Aufwendungen zu dienen bestimmt ist. Das Erfordernis der Angabe des Deckungsgrades folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG, wonach u.a. die Satzung den Gegenstand der Abgabe angeben muss. Dazu gehört die Angabe der Maßnahmen (Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung) und die der Einrichtungen (Kureinrichtungen). Dies ist in § 1 Abs. 2 der Satzung geschehen. Können Aufwendungen für dieselben Maßnahmen an den genannten Einrichtungen über verschiedene Abgaben finanziert werden, gehört zu der Angabe des Gegenstandes der Abgabe auch, in welchem Umfang Aufwendungen durch Kurabgaben mitfinanziert werden sollen (Senatsurt. v. 25.08.1999 - 2 L 233/96 -, Die Gemeinde 2000, 51 = KStZ 2000, 55 = SchlHA 1999, 315). Diesem Erfordernis wird durch § 1 Abs. 2 Satz 3 der Satzung Rechnung getragen, wonach durch die Kurabgabe die Aufwendungen nach Satz 1 dieser Bestimmung zu 83 v. H. gedeckt werden sollen. Analog dazu ist in der Fremdenverkehrsabgabesatzung ein Deckungsgrad von 10 v. H. vorgesehen. Dies ergibt sich jedenfalls aus der vorgelegten Kalkulation der Kurabgabe. Der verbleibende Rest von 7 v. H. der maßgeblichen Aufwendungen soll durch Strandbenutzungsgebühren gedeckt werden.

Gegen diese durch Leitentscheidungen der Gemeindevertretung vorgegebenen Finanzierungsregelungen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Die Gemeinde hat sich darüber auch nicht etwa hinweggesetzt, indem sie bei der im Februar 1998 vorgenommenen Kalkulation der Kurabgabe nur die Hälfte der auf Grund des Vorjahresergebnisses zu erwartenden Einnahmen aus der Fremdenverkehrsabgabe von den durch die Kurabgabe zu deckenden Aufwendungen abgezogen hat. Da die Fremdenverkehrsabgabe - anders als die Kurabgabe - auch der Deckung eines durch Satzung festgelegten Anteiles des gemeindlichen Aufwandes für die Fremdenverkehrswerbung dient, steht sie nur teilweise zur Finanzierung der in § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KAG a. F. bezeichneten Aufgaben zur Verfügung.

Die im Februar 1998 erstellte Kalkulation bietet aber keine geeignete Grundlage für den im Veranlagungsjahr unverändert geltenden Abgabesatz, weil sie auf ungeeigneten Annahmen beruht. Sie schreibt die Zahlen der Vorjahresergebnisse des Kurbetriebes der Gemeinde fort, obwohl bereits die ... Bucht Touristik GmbH gegründet und - unter teilweiser Gestellung des Personals der Gemeinde - mit Aufgaben des Kurbetriebs beauftragt worden war. So heißt es auch in den Erläuterungen zum Prüfbericht der Gewinn- und Verlustrechnung des Eigenbetriebes Kurbetrieb für das Jahr 1998: "Aufgrund der Übertragung wesentlicher betrieblicher Tätigkeiten an die '...er Bucht Touristik GmbH' fallen Erträge und Kosten deutlich geringer aus. Ein Vorjahresvergleich ist deshalb nur bedingt aussagekräftig." Die Umsatzerlöse fielen im Bereich Allgemeiner Kurbetrieb von 1997 zu 1998 um ca. 20 v.H. Die sonstigen betrieblichen Erträge fielen um 75 v.H. Nach dem Prüfbericht war dies ebenfalls zu einem Teil auf die erfolgte Aufgabenübertragung zurückzuführen. Deutliche Verschiebungen gab es ebenfalls bei den Aufwendungen. Ein Großteil der variablen Kosten wurde zunächst von der ...er Bucht Touristik GmbH getragen und über eine Gesamtabrechnung als Fremdleistung auf den Eigenbetrieb umgelegt. Darin waren lt. Prüfbericht auch erhebliche Personalkosten enthalten. Zum einen erhielt die GmbH (erstmals) im Jahre 1998 vertraglich vereinbarte Vergütungen in Höhe von ca. 792 TDM, zum anderen übernahm der Kurbetrieb gemäß Gesellschaftsvertrag ca. 306 TDM Verluste der GmbH und stellte diese als Aufwendungen in die Gewinn- und Verlustrechnung ein. In gleicher Weise wurde in den Jahren 1999 und 2000 verfahren. Ab 2001 wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kurbetrieb der Gemeinde und der GmbH neu gestaltet, so dass sich erneut erhebliche Verschiebungen von Erträgen und Aufwendungen des Kurbetriebs ergaben. Dies galt auch noch im Veranlagungsjahr. Unter diesen Umständen fehlt es an einer rechtmäßigen Kalkulation des in der Satzung bestimmten, dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Abgabesatzes.

An der in der Entscheidung vom 04. Oktober 1995 (2 L 197/94, Die Gemeinde 1996, 80) zur Kurabgabe vertretenen Auffassung, dass Kalkulationsmängel, die nicht zum Nachteile der Abgabenpflichtigen durchschlagen, nicht zur Rechtswidrigkeit einer Satzung führten, weil der Kalkulations(rechen)weg nicht Satzungsgegenstand, sondern lediglich Motiv des Ortsgesetzgebers bei der Festlegung des Regelungsgegenstandes "Abgabensatz" sei, hat der Senat im Hinblick auf die ebenfalls in § 10 KAG geregelte Fremdenverkehrsabgabe bereits im Urteil vom 23. August 2000 (2 L 226/98, NordÖR 2001, 221) nicht mehr festgehalten. Die Abgabepflichtigen seien im Rahmen der §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 2 KAG nicht allein vor einer den beitragsfähigen Aufwand übersteigenden Abgabenerhebung geschützt, sondern auch davor, dass die auf sie - jeweils im Einzelfall entfallende - Beitragslast in einer rechtswidrigen Weise ermittelt (kalkuliert) worden sei. Werde ein Abgabensatz ohne Berücksichtigung der zu stellenden Anforderungen bestimmt, sei er ungültig unabhängig davon, ob sich durch eine später erstellte Berechnung nachweisen lasse, dass die in der Satzung bestimmten Abgabensätze - gleichsam zufällig - nicht aufwandsüberschreitend seien.

Zum Gebührenrecht hat der Senat im Urteil vom 22. Oktober 2003 (2 LB 148/02, Die Gemeinde 2004, 123) folgendes ausgeführt:

Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein durch Satzung festgelegter Gebührensatz unterliege als Akt der Rechtsetzung nur hinsichtlich des Ergebnisses, nicht aber hinsichtlich seines Zustandekommens der gerichtlichen Prüfung, weil für Satzungen nichts anderes gelte als für Gesetze, deren Geltung auch nicht damit in Zweifel gezogen werden könne, der Gesetzgeber habe auf Grund unzureichender oder falscher Tatsachen entschieden oder habe sich Erkenntnisquellen nicht ausreichend zu eigen gemacht. Die Kalkulation sei lediglich unbeachtliches Motiv (Entsprechendes gilt dann auch für die so genannten Kalkulationsleitentscheidungen) für die Gebührenregelung (so mit unterschiedlicher Begründung die so genannte Ergebnisrechtsprechung, vgl. Schulte/Wiesemann in Driehaus, KAG, § 6 Rdnr. 119 ff. m.z.w.N. und wohl auch BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - 9 CN 1/01 -, NVwZ 2002, 1123). Bei dieser Argumentation wird bereits vom Ansatz her verkannt, dass der Erlass einer Satzung nicht der Legislative, sondern der Exekutive zuzuordnen ist. Der die Gebührensatzung beschließende Kreistag ist kein Parlament, auch wenn er normative Regelungen trifft, sondern (kollegiales Verwaltungs-)Organ der Selbstverwaltungskörperschaft (BVerfG, Beschl. v. 21.06.1988 - 2 BvR 975/83 -, BVerfGE 78, 344, 348). Auch die (dem Verwaltungsorgan derart zugewiesene) Rechtssetzungstätigkeit ist im System der staatlichen Gewaltenteilung dem Bereich der Verwaltung und nicht dem Gesetzgeber zuzuordnen (BVerfG, Beschl. v. 20.11.1983 - 2 BvL 25/81 -, BVerfGE 65, 283, 289). Damit ist dem Vergleich Satzungsgeber/Bundes- oder Landesgesetzgeber bereits die Grundlage entzogen. Der Satzungsgeber ist an die einfach gesetzlichen Vorgaben gebunden. Ermächtigt das Gesetz zur Erhebung kostendeckender Gebühren, hat der Satzungsgeber durch Satzung die Bemessungsgrundlagen, insbesondere den Gebührensatz festzulegen (§ 2 Abs. 2 KAG). Der Gebührensatz ist das Ergebnis der Division veranschlagter Kosten durch die Zahl der Gebühreneinheiten, die ebenfalls zu schätzen sind. Insoweit ist dem Satzungsgeber ein Einschätzungsermessen (Prognosespielraum) eingeräumt, das gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann, nämlich nur im Hinblick darauf, ob die vorgegebenen Grenzen überschritten sind. Da es auch allein der Entscheidung des Satzungsgebers obliegt, in welchem Umfang und welche Kosten durch Gebühren zu decken sind, sofern wie hier sondergesetzlich nichts anderes bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, a.a.O.), hat das Gericht auch diese Entscheidung zu respektieren und darf einzelne Kostenpositionen der Kalkulation nicht ohne oder gar gegen den Willen des Satzungsgebers verändern. Es würde Verwaltungstätigkeit ausüben und in das Ermessen des Satzungsgebers eingreifen. Richtig ist zwar, dass Normsetzungsermessen von der Ermessensausübung bei Erlass von Verwaltungsakten zu unterscheiden ist (siehe hierzu BVerwG, Urt. v. 17.04.2002, a.a.O.), daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass das Gericht berechtigt ist, in Ermessens- und Prognoseentscheidungen des Satzungsgebers verändernd einzugreifen (OVG S., Urt. v. 03.12.1998 - 2 L 70/96 -, NordÖR 1999, 321; VGH Mannheim, Urt. v. 27.02.1996 - 2 S 1407/94 -, NVwZ-RR 1996, 593) und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip zu verstoßen.

Diese Erwägungen sind auf die Kurabgabe zu übertragen. Auch hier setzt die Kalkulation vielfach Schätzungen, Prognosen und Wertungen voraus, die für die Höhe der durch die Abgabe zu deckenden Aufwendungen maßgeblich sind und daher allein der Gemeindevertretung überlassen bleiben müssen. Eine reine Ergebniskontrolle des Abgabesatzes durch das Gericht ist damit ausgeschlossen. Schon die Ermittlung der Gesamtkosten der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde ist von Ermessensentscheidungen, die der Bestimmung des Abgabesatzes in der Satzung vorausgehen müssen, abhängig. Denn neben den so genannten aufwandsgleichen Kosten sind auch kalkulatorische Kosten wie Abschreibung und Verzinsung abgabefähig. Die Kalkulation der Kurabgabe ähnelt daher einer Gebührenkalkulation (so zur Fremdenverkehrsabgabe OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, NVwZ 1992, 40).

Hier hat die Gemeindevertretung zwar Leitentscheidungen nicht nur zu den Finanzierungsanteilen von Kurabgabe und Fremdenverkehrsabgabe getroffen, sondern sich mit der im Februar 1998 erstellten Kalkulation auch die darin enthaltenen Einschätzungen, Wertungen und Prognosen zu eigen gemacht, doch beruhten diese - wie ausgeführt - auf einer ungeeigneten Grundlage. So wie bei rückwirkender Inkraftsetzung einer Abgabensatzung eine für abgelaufene Zeiträume zu erstellende Kalkulation auf die schon bekannten Daten zu stützen ist (vgl. Senatsurt. v. 23.08.2000, a.a.O.; v. 09.10.2002 - 2 L 111/00 -, Die Gemeinde 2005, 44 = NordÖR 2002, 519 m.w.N.), muss auch eine Voraus-Kalkulation auf möglichst wirklichkeitsnahen Annahmen beruhen. Daher hätte bei der Kalkulation der Kurabgabe und Beschlussfassung über die Satzung vom 02. März 1998 nicht außer Acht gelassen werden dürfen, dass der Kurbetrieb tief greifend verändert worden war bzw. werden sollte, so dass - wie es im Prüfbericht heißt - ein Vorjahresvergleich (mit 1997) nur bedingt aussagefähig war. Die Gemeinde hätte daher prognostizieren müssen, ob und ggf. welche Veränderungen sich für die zu deckenden Aufwendungen aus der neuen Organisation des Kurbetriebes ergeben würden. Dabei hätte einerseits das damit u. a. angestrebte Ziel der Kostensenkung berücksichtigt, andererseits aber auch auf zu erwartende Anlaufschwierigkeiten abgestellt werden können. Diese Überlegungen sind gänzlich unterblieben, jedenfalls aber im Verfahren der Satzungsgebung nicht festgehalten worden.

Dieser Kalkulationsmangel ist nicht etwa deswegen unerheblich, weil die Gemeinde wie schon in der Vergangenheit auch von 1998 bis zum Jahre 2003 erhebliche Defizite des Kurbetriebs auszugleichen hatte, die Abgabepflichtigen mithin bei realistischer Betrachtung - wie das beklagte Amt geltend macht - vor einer überhöhten Kurabgabe geschützt gewesen seien. Darauf kann schon deswegen nicht abgestellt werden, weil diese Defizite - anders als bei Benutzungsgebühren - nicht eine nicht beabsichtigte Unterdeckung erkennen lassen, sondern jedenfalls zum Teil der Abdeckung des von der Gemeinde zu tragenden Anteils an den Aufwendungen dienen.

Bei den Einrichtungen und Veranstaltungen, die nicht nur von Kur- und Feriengästen, sondern auch von den Einwohnern der Gemeinde in Anspruch genommen oder besucht werden, dürfen die dadurch entstehenden Kosten nicht allein dem Kurabgabenhaushalt angelastet werden. In diesen Fällen fordern der Entgeltcharakter der Kurabgaben und das Äquivalenzprinzip, dass die nach Abzug etwaiger Einnahmen aus Gebühren und Eintrittsgeldern verbleibenden Restkosten in einen dem Kreis der Kur- und Feriengäste und einen den Einwohnern zuzurechnenden Anteil aufgeteilt werden. Nur der den Kur- und Feriengästen zuzurechnende Kostenanteil kann dann in den kurabgabenfähigen Aufwand einbezogen werden; der den Einwohnern zuzurechnende Anteil muss aus allgemeinen Deckungsmitteln bestritten werden, soweit er nicht durch spezielle Entgeltabgaben der Einwohner zu decken ist. Die Festlegung der Höhe dieses Eigenanteils liegt im weiten Ermessen des Ortsgesetzgebers und hat sich an den jeweiligen örtlichen Verhältnissen - insbesondere an dem Umfang des Kurgästeanteils und an der Art der einzelnen Kureinrichtungen in der erhebungsberechtigten Gemeinde - zu orientieren (Senatsurt. v. 04.10.1995, a.a.O.). Dass dahingehende Überlegungen angestellt wurden, ist den vom beklagten Amt vorgelegten Unterlagen (ebenfalls) nicht zu entnehmen, letztlich aber nicht mehr entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 60,-- Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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