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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.08.2009
Aktenzeichen: 2 LB 42/08
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 3
Bei der Bemessung der Automatensteuer nach der Bruttokasse des jeweiligen Spielgerätes ist die Saldierung mit Minuskassen anderer Geräte nicht zulässig. Dies wäre mit dem Charakter der Automatensteuer als Steuer auf den vom Spieler betriebenen Aufwand nicht vereinbar.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 42/08

verkündet am 10.08.2009

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Vergnügungssteuer

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erhebung von Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, die der Kläger im Gebiet der Beklagten aufstellt.

Die Beklagte erhebt auf der Grundlage ihrer Satzung Vergnügungssteuern und bemisst diese bei Automaten mit Gewinnmöglichkeit seit der Satzung vom 07. Juli 2007 nach der elektronisch gezählten Bruttokasse. Diese errechnet sich nach § 4 Abs. 1 a der Satzung "aus der elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme abzüglich Röhrenauffüllung, Falschgeld und Fehlgeld".

Der Kläger gab monatliche Steueranmeldungen ab und erhob jeweils Widerspruch. Für die Monate September und Oktober 2007 meldete er für einzelne Geräte Minusbeträge an und verrechnete diese mit den (positiven) Kasseninhalten der anderen Geräte.

Mit Bescheiden vom 13. November 2007 und 03. Dezember 2007 änderte die Beklagte die Anmeldungen für diese beiden Monate in der Weise, dass sie für die Geräte, für die der Kläger Minusbeträge angemeldet hatte, den Steuerbetrag mit 0,00 Euro festsetzte und für die beiden Monate insgesamt 1.241,52 Euro nachforderte. Die "Widersprüche für den Zeitraum Juni 2006 bis Oktober 2007" wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. Dezember 2007 zurück.

Der Kläger hat am 03. Januar 2008 Klage erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, die Änderungsbescheide der Beklagten seien rechtswidrig, weil die Beklagte die steuermindernde Berücksichtigung der sog. Minuskassen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit ablehne. Er zahle monatlich für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit einen auf die Kasse bezogenen prozentualen Anteil an Vergnügungssteuer, und zwar in einem Gesamtbetrag. Zu diesem Zweck rechne er sämtliche Einnahmen aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit zusammen. Aufgrund der inzwischen auf dem Markt befindlichen neuesten Gerätegeneration häuften sich sogenannte Minuskassen. Dies bedeute, dass Geräte in einem Monat deutlich mehr Auffüllungen aufwiesen, als Kasseninhalt vorhanden sei. Dies liege daran, dass das Gerät in jenem Monat bauartbedingt mehr Gewinn ausgeschüttet habe, als an Einnahmen zu verzeichnen gewesen sei. In dem Monat darauf gehe dann - um das statistische Mittel zu erhalten - die Auszahlung deutlich zurück und der Kasseninhalt steige überproportional an. Die Beklagte stehe auf dem Standpunkt, dass sie gleichwohl an dem überproportional hohen Kasseninhalt des Folgemonats partizipieren dürfe, nicht aber die Minuskassen berücksichtigen müsse. Diese setze die Beklagte mit "0" an, obwohl der Kasseninhalt negativ sei. Diese Auffassung der Beklagten führe zu einer deutlichen Vergnügungssteuererhöhung, da sie nach den Regeln der "Rosinentheorie" zwar an den geschilderten überproportional hohen Kasseninhalten partizipieren wolle, nicht aber dasjenige berücksichtigen möchte, was diese hohen Kasseninhalte hervorrufe, nämlich die Minuskassen des Vormonats. Wenn in anderem Zusammenhang auf den Einwand, dass die Kassen in manchen Monaten nicht einmal ausreichten, um die Kosten zu decken, erwidert werde, dass sich die Kassen über die Monate hinweg ausglichen, müsse dies auch hinsichtlich der Minuskassen gelten. Wäre man anderer Auffassung, sei jedenfalls in den Monaten, in denen die Geräte Minuskassen aufwiesen, eine Abwälzung der Vergnügungssteuer auf den Spielgast nicht einmal kalkulatorisch möglich. Dann sei die Satzung insgesamt rechtswidrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Änderungsbescheide vom 13. November 2007 und 03. Dezember 2007 sowie den Widerspruchsbescheid vom 03. Dezember 2007 aufzuheben, soweit die Beklagte die Berücksichtigung von Minuskassen bei Erlösen aus Geräten mit Gewinnmöglichkeit abgelehnt hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, in der Rechtsprechung sei geklärt, dass es sich bei der Vergnügungssteuer um eine auf Abwälzbarkeit angelegte indirekte Aufwandsteuer handele. Es sei nicht erforderlich, dass die Abwälzung in jedem Einzelfall gelinge. Da dem Kläger die Ausschüttungsmodalitäten der neueren Geräte bekannt seien, habe er die Möglichkeit, durch verschiedene Maßnahmen wie z.B. Preiserhöhung, Umsatzsteigerung, durch eine geeignete Standortauswahl sowie entsprechende Gestaltung und Ausstattung der Spielhalle oder Senkung der sonstigen Kosten die von ihm gezahlten Vergnügungssteuerbeträge in die Kalkulation einzusetzen.

Nach der Satzung entstehe die Steuer für jedes einzelne Gerät separat und nicht für die Gesamtheit der in einer Spielhalle aufgestellten Geräte. Daher sei eine Verrechnung nach der Satzung ausgeschlossen.

Eine Verrechnungsmöglichkeit der Minuskasse - wie der Kläger sie geltend mache - widerspräche auch dem Wesen der Spielgerätesteuer als Aufwandsteuer. Besteuert werde nämlich der Aufwand des Spielers und nicht der Ertrag des Spielgerätehalters. Auf Letzteres liefe es jedoch hinaus, wenn die Verrechnungsmöglichkeit von Negativ- mit Positivkassen, sei es für verschiedene oder dieselben Geräte, über einen längeren Zeitraum hinweg zugelassen würde. Der finanzielle Aufwand eines Spielers könne nicht im geringsten Fall "Null" betragen, wenn er genauso viel gewinne, wie er eingesetzt habe. Sein Gewinn sei kein "Minusaufwand", der steuerlich berücksichtigt werden müsste. Eine solche Berücksichtigung liefe dem mit der Steuer verfolgten Lenkungszweck zuwider.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2008 abgewiesen. § 4 Abs. 1 a der Satzung der Beklagten meine mit Spielgerät das einzelne Gerät; die Steuer sei pro Apparat und Monat anzumelden. Die Regelungen bezögen sich jeweils auf die einzelnen Geräte und sähen eine Verrechnung innerhalb des Abrechnungszeitraums nicht vor. Auch eine Verrechnung mit Werten der nachfolgenden Abrechnung sei nicht vorgesehen. Dies verstoße nicht gegen abgabenrechtliche Grundsätze.

Gegen dieses ihr am 18. Juli 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. August 2008 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Lege man die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, so ergebe sich eine deutliche Anhebung der Vergnügungssteuer. Dies beruhe darauf, dass die Minuskasse in einem Monat zwangsläufig zu einer überproportional hohen Kasse im Folgemonat oder den Folgemonaten führe. Ursache hierfür sei die von der Spielverordnung vorgeschriebene und in der Software der jeweiligen Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit festgeschriebene Gewinnquote, die im Durchschnitt erreicht werden müsse. Es komme dabei zu Auszahlungsschwankungen, die teilweise Minuskassen von deutlich mehr als 1.000,-- Euro hervorriefen. Diese Minuskasse korrespondiere dann mit einer im Folgemonat auftretenden überproportional hohen Kasse, auf die dann 12 % Steuern entrichtet werden müsse. Im Mittel beider Monate, bezogen auf den durchschnittlichen Kasseninhalt, liege die dann zu leistende prozentuale Vergnügungssteuer deutlich über 12 %.

Dies führe dann dazu, dass die Frage einer erdrosselnden Wirkung Monat für Monat neu zu entscheiden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 11. Juni 2008 zu ändern und die Änderungsbescheide vom 13. November 2007 und vom 03. Dezember 2007 sowie insoweit den Widerspruchsbescheid vom 03. Dezember 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Änderungsbescheide der Beklagten vom 13. November 2007 und vom 03. Dezember 2007 sowie der Widerspruchsbescheid vom 03. Dezember 2007 sind rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kasseninhalte der verschiedenen Spielautomaten zu saldieren.

Die Spielgerätesteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer. Sie belastet als solche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners, die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Sie soll die Leistungsfähigkeit des Spielers erfassen, der sich an dem Spielgerät vergnügt (so BVerfG, Beschl. v. 04.02.2009 - 1 BvL 8/95 -, DVBl 2009, 777 = GewArch 2009, 301). Die Leistungsfähigkeit der Spieler spiegelt sich in dem Betrag wider, den sie in das Gerät einwerfen. Diese Beträge der einzelnen Spieler summieren sich in dem um Röhrennachfüllungen und Geldentnahmen bereinigten Kasseninhalt.

Der so beschriebene Charakter der Spielgerätesteuer lässt die Berücksichtigung von "Minuskassen" nicht zu (so bereits Senatsbeschluss vom 04.05.2009 - 2 LA 13/09 -). Der Umfang der von den jeweiligen Spielern an einem einzelnen Spielgerät jeweils getätigten Einsätze wird nicht davon beeinflusst, ob der Automatenaufsteller darüber hinaus auch andere Spielgeräte anbietet und ob diese anderen Spielgeräte weniger attraktiv sind oder aber Gewinne auswerfen, die den Einwurfsgesamtbetrag übersteigen.

Hieraus folgt: Bemessungsgrundlage der Spielgerätesteuer ist die jeweilige (Netto-)Kasse des jeweiligen Einzelgeräts. Ist diese positiv, so ist der Betrag zu versteuern. Ist kein positiver Betrag gegeben, so ist für eine Besteuerung kein Raum. Da die Bemessungsgrundlage die (Netto-)Kasse des jeweiligen Gerätes ist, besteht für einen "Verlustausgleich" kein Anlass.

Ein solcher Ausgleich kann auch nicht gefordert werden, wenn mit ihm darauf abgestellt werden soll, dass den eventuellen Schwankungen entsprochen werden soll, die sich im Einwurfsbetrag im Verlauf eines Jahres ergeben. Dass in den verschiedenen Monaten eines Jahres eventuell unterschiedliche Einwurfssummen zu verzeichnen sind, führt nicht dazu, dass zwischen den einzelnen Monaten ein solcher "Ausgleich" herbeizuführen ist.

Dies könnte lediglich dann gefordert werden, wenn die Spielgerätesteuer eine Jahressteuer wäre, so dass es für die Bemessung der Steuer letztlich auf den Jahresbetrag des Einwurfs in das Gerät ankäme. Dem ist indes nicht so. Der Steuertatbestand wird i.S.d. § 38 AO nicht erst mit Ablauf des Steuerjahres verwirklicht, sondern mit dem Geschehen der "Veranstaltung", mit der sich die Leistungsfähigkeit des Spielers verwirklicht. Dies ist der Einwurf des Spieleinsatzes. Auch aus diesem Gesichtspunkt lässt sich somit kein Anhalt dafür herleiten, die Einspielergebnisse verschiedener Erhebungszeiträume zu saldieren.

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass die Heranziehungspraxis auf eine monatliche Abrechnung und Veranlagung des Automatenaufstellers hinausläuft, verkennt er, dass dies lediglich die technische, Abwicklung der Steuererhebung anspricht, Fragen zum Wesen der Steuer und zur Verwirklichung des Steuertatbestandes jedoch nicht berührt. Der Steuertatbestand wird bereits mit dem jeweiligen Münzeinwurf durch den Spieler verwirklicht, die monatsweise Abrechnung folgt allein den Zwängen der Praktikabilität (vgl. BFH, Beschl. v. 01.02.2007 - II B 51/06 - juris, Rn. 29). Auch die Verwirklichung eines Umsatzsteuertatbestandes tritt mit dem jeweiligen wirtschaftlichen Vorgang ein; gleichwohl ist die Umsatzsteuervoranmeldung erst nach Monatsablauf abzugeben und die Vorauszahlung zu leisten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO

Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.241,52 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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