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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.08.2009
Aktenzeichen: 2 LB 6/09
Rechtsgebiete: AbwAG


Vorschriften:

AbwAG § 4 Abs. 3
Auch eine im Trinkwasser noch enthaltene Vorbelastung des Entnahmegewässers kann nach § 4 Abs. 3 AbwAG bei der Berechnung von Abwasserabgaben - hier eines "Kommunalen Klärwerks" - in Abzug gebracht werden.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 6/09

verkündet am 10.08.2009

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Abwasserabgabe (Klärwerk Hetlingen) - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 05. Juni 2008 geändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, auf den Antrag des Klägers vom 07. März 2005 für die Berechnung der Abwasserabgabe für das Einleiten des vom Kläger im Klärwerk Hetlingen behandelten Abwassers im Jahr 2005 die Vorbelastung für den Parameter N ges zu schätzen und in entsprechender Höhe anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der klagende Abwasserzweckverband betreibt in der Gemeinde Hetlingen bei Wedel eine Kläranlage, die Abwasser in die Elbe einleitet. Er begehrt mit der vorliegenden Klage die Verpflichtung des beklagten Kreises, bei seiner Heranziehung zu Abwasserabgaben eine Vorbelastung des Trinkwassers mit Stickstoff im Einzugsgebiet der Kläranlage abgabemindernd anzuerkennen.

Mit Schreiben vom 7. März 2005 beantragte der Kläger bei dem damals zuständigen Staatlichen Umweltamt Itzehoe die - vorliegend nicht streitbefangene - Zulassung eines Messprogramms nach § 4 Abs. 5 AbwAG sowie die Anerkennung einer Vorbelastung aus Trinkwasser für den heraberklärten Summenparameter Stickstoff (N ges bzw. N-anorg.) in Höhe von ca. 1,1 mg/l. Dem Antrag war der Bericht einer vom Kläger beauftragten Analyse von an zwei Tagen im September 2004 an neun Pumpwerken im Einzugsbereich des Klärwerkes gezogenen Trinkwasserproben beigefügt, der für den Parameter Nitrat-Stickstoff (NO3-N) Untersuchungswerte zwischen 0,16 und 2,97 mg/l auswies. Als Mittel dieser Werte hatte der Kläger eine Trinkwasserbelastung mit Nitrat-Stickstoff von 1,14 mg/l errechnet.

Mit Schreiben vom 31. März 2005, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, teilte das Staatliche Umweltamt dem Kläger mit, dass seinem Antrag nicht entsprochen werden könne, da bei Trinkwasser eine Unmittelbarkeit der Wasserentnahme im Sinne des § 4 Abs. 3 AbwAG für die Feststellung der Vorbelastung nicht gegeben und deren Nichtanrechnung daher ausgeschlossen sei. Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch vom 25. April 2005 begründete der Kläger damit, dass der Zweckverband als Einleiter unmittelbar von der Vorbelastung des Trinkwassers mit Stickstoff betroffen sei. In Übereinstimmung mit einem Teil der Kommentarliteratur sei ein Ausschluss des über die öffentliche Trinkwasserversorgung zur Verfügung gestellten Wassers von der Möglichkeit eines Vorbelastungsabzuges als gleichheitswidrig anzusehen. Die Annahme, dass Trinkwasser eine abgaberelevante Vorbelastung nicht aufweisen könne, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die in § 4 Abs. 3 AbwAG geforderte Unmittelbarkeit der Wasserentnahme verweise nur auf die Maßgeblichkeit des Belastungszustandes im Zeitpunkt der Entnahme. Unerheblich sei dagegen, von wem das Wasser dem Einleiter danach angedient worden sei. Die vom Kläger eingereichten Untersuchungswerte seien als Grundlage einer Schätzung der Vorbelastung zu verstehen. Angesichts des abwasserabgaberechtlichen Schwellenwertes für Stickstoff von 5 mg/l befürchte er für den Fall einer weiterhin steigenden Belastung des Trinkwassers, selbst bei einer Einleitung reinen Trinkwassers abgabepflichtig zu werden. Er beantrage daher die Anerkennung der geltend gemachten Vorbelastung bei der Berechnung von Abwasserabgaben ab dem 1. April 2005.

Mit ebenfalls mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005 wies das Staatliche Umweltamt Itzehoe den Widerspruch als unbegründet zurück. Die von § 4 Abs. 3 AbwAG geforderte Unmittelbarkeit der Wasserentnahme sei bei Trinkwasser nicht gegeben, da das geförderte Grundwasser aufbereitet und den Kunden über das Trinkwassernetz zur Verfügung gestellt werde. Zwar treffe die Annahme des Gesetzgebers, dass Trinkwasser ohnehin keine abgaberelevante Schädlichkeit aufweise, nach Aufnahme von Phosphor und Stickstoff als Abgabeparameter nicht mehr zu. Dennoch verstoße der Ausschluss von Trinkwasser von der Anerkennung einer Vorbelastung nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, da der Gesetzgeber auf die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 3 AbwAG auch hätte verzichten können. Dass der Gesetzgeber die nicht voll zu übersehenden Fälle der mittelbaren Ingebrauchnahme von Wasser aus der Vorbelastungsregelung ausgegrenzt habe, sei nicht willkürlich.

Der Kläger hat am 8. Juli 2005 Verpflichtungsklage auf Anerkennung der Vorbelastung erhoben, die wie folgt begründet worden ist:

Das Schreiben des Staatlichen Umweltamtes vom 31. März 2005 stelle einen Verwaltungsakt dar, der das Verwaltungsverfahren bezüglich der beantragten Anerkennung einer Vorbelastung abgeschlossen und seinem objektiven Erklärungswert nach - auch aufgrund der Rechtsbehelfsbelehrung, die von einem "Bescheid" spreche - den berechtigten Eindruck einer getroffenen Regelung erweckt habe. Dieser Verwaltungsakt könne einer selbständigen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden. Er stelle keine reine Verfahrenshandlung nach § 44a VwGO dar, zumal der Zweck dieser Norm, Verzögerungen in laufenden Verwaltungsverfahren zu vermeiden, im vorliegenden Fall nicht greife.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Anerkennung der Vorbelastung gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG. Der dort angesprochene Begriff der Wasserentnahme umfasse alle Benutzungstatbestände des § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 6 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Ausreichend sei auch die Entnahme durch einen Dritten. Dieser müsse dem Einleiter das entnommene Wasser allerdings unmittelbar, nämlich unverändert und unaufbereitet, zur Verfügung stellen. Damit werde vor allem die Wasserversorgung über das öffentliche Trinkwassernetz vom Begriff der Vorbelastung ausgeschlossen. Die hierin liegende Ungleichbehandlung von Abgabepflichtigen sei nicht sachgerecht, denn die im Trinkwasser einzuhaltenden Schadstoffwerte für Phosphor, Stickstoff und Kupfer überstiegen die Schadstoffwerte für Abwasser, so dass angesichts der unter den Trinkwasserhöchstwerten liegenden abgabenrechtlichen Schwellenwerte eine Abgabenpflicht sogar bei unveränderter Einleitung von Trinkwasser entstehen könne. Die sachwidrige Ungleichbehandlung von Einleitern, die - mittelbar - Abwasser aus dem Trinkwassernetz erhielten, lasse sich verfassungsrechtlich nicht durch Hinweis auf eine Verzichtbarkeit des § 4 Abs. 3 AbwAG rechtfertigen, da jegliche gesetzliche Regelung gleichheitskonform ausgestaltet werden müsse. Zudem sei im Abwasserabgabenrecht das Verursacherprinzip von wesentlicher Bedeutung. Dieses stehe einer Abgabepflicht für eine nicht vom Einleiter verursachte Schädlichkeit des Wassers entgegen. Insofern könne die Vorbelastungsanrechnung nicht als eng auszulegende Ausnahmevorschrift angesehen werden; sie sei vielmehr zwingende Ausprägung des Verursacherprinzips und folge im Übrigen aus dem finanzverfassungsrechtlichen Gebot der Sachnähe der Abwasserabgabepflichtigen zu dem Abgabenerhebungszweck des Gewässerschutzes. Eine solche Sachnähe sei bezüglich einer Vorbelastung nicht gegeben. § 4 Abs. 3 AbwAG sei daher verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass nach dieser Vorschrift auch eine Trinkwasservorbelastung abgabemindernd zu berücksichtigen sei. Die ursprüngliche wohl gegenteilige Vorstellung des Gesetzgebers stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen, weil sie mittlerweile durch die gesetzgeberische Aufnahme von trinkwasserrelevanten Schadstoffparametern u.a. für Stickstoff tatsächlich überholt sei.

Anrechenbar sei auch eine Vorbelastung - wie vorliegend - unterhalb der Schwellenwerte des § 3 AbwAG.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, auf den Antrag des Klägers vom 7. März 2005 für die Berechnung der Abwasserabgabe für das Einleiten des vom Kläger im Klärwerk Hetlingen behandelten Abwasser gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG eine Vorbelastung in Höhe von 1,1 mg/l für den Parameter N ges anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung vom 7. März 2005.

hilfsweise,

die Vorbelastung gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG ordnungsgemäß zu schätzen und in entsprechender Höhe anzuerkennen für die Zeit nach Antragstellung vom 7. März 2005.

Der beklagte Kreis hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat mitgeteilt, zwischenzeitlich für die Festsetzung der Abwasserabgabe und für die Anerkennung einer Vorbelastung nach § 4 Abs. 3 AbwAG zuständig geworden zu sein, und sich das Vorbringen des Staatlichen Umweltamtes Itzehoe zu eigen gemacht. Dieses hat im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend geltend gemacht, die Klage sei bereits aufgrund von § 44a VwGO unzulässig, weil das ergangene Schreiben keinen Verwaltungsakt darstelle. Die Anerkennung einer Vorbelastung sei nicht selbständig anfechtbar, sondern könne als ein Schritt im Verfahren der Abgabenfestsetzung und damit als reine Verfahrenshandlung nur gleichzeitig mit der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen einen Abwasserabgabenbescheid als Sachentscheidung angegriffen werden. Daran ändere vorliegend auch die dem Schreiben des Umweltamtes beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nichts. Der Kläger habe es im Übrigen unterlassen, den zwischenzeitlich ergangenen Abgabenbescheid im Hinblick auf die Nichtanerkennung der Vorbelastung anzugreifen. In der Sache liege in dem Ausschluss des Trinkwassers vom Begriff der Vorbelastung kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zwar treffe die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, Trinkwasser weise keine abgaberelevante Belastung auf, nicht mehr zu. Allerdings werde durch die Entnahme und Aufbereitung von Grundwasser zu Trinkwasser die Konzentration abgaberelevanter Schadstoffe reduziert. Die höhere Qualität des Trinkwasser gegenüber sonstigem Wasser rechtfertige die Nichtanrechnung einer Vorbelastung. Zudem sei bei einer mittelbaren Entnahme von Wasser die Vorbelastung bekannt und die Entsorgungslast bewusst übernommen worden. Demgegenüber könne bei der unmittelbaren Wasserentnahme der Verursacher einer Vorbelastung nicht mehr ausgemacht werden; der Entnehmende habe nichts zur Verunreinigung beigetragen.

Nach Klageerhebung hat das Staatliche Umweltamt Itzehoe am 19. Juni 2006, am 25. April 2007 und am 3. Dezember 2007 Abwasserabgabenbescheide für die Jahre 2005, 2006 und 2007 erlassen, die mangels Einlegung von Rechtsbehelfen Bestandskraft erlangt haben. In diesen Bescheiden wird die Frage der Berücksichtigung einer Vorbelastung des Trinkwassers nicht erneut behandelt. Für den Veranlagungszeitraum 2005 ist die Abwasserabgabe auf insgesamt 998.125,57 € festgesetzt worden; eine Verrechnung mit Investitionen hat nicht stattgefunden. Auf den Schadstoffparameter N ges entfällt ein Anteil von 133.381,98 €. Die in den Bescheiden für die Jahre 2006 und 2007 festgesetzte Abgabe, welche einen Anteil für den Parameter Stickstoff in etwas geringerer Höhe enthält, ist hingegen vollständig mit Aufwendungen für die Errichtung bzw. Erweiterung der Abwasseranlage verrechnet worden; insoweit stehen beide Bescheide unter dem Vorbehalt einer endgültigen Festsetzung.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 5. Juni 2008 - dem Kläger zugestellt am 17. Juni 2008 - abgewiesen. Die Versagung der vom Kläger begehrten Anerkennung einer Vorbelastung sei nicht selbständig, sondern nur zusammen mit einem Abgabenbescheid anfechtbar. Sie sei nur einer von vielen Beiträgen zur Ermittlung der Schadstofffracht, die bei der Berechnung und Festsetzung einer Abwasserabgabe zugrunde zu legen sei. Dem Kläger sei es zuzumuten, gegen einen künftig ergehenden Abgabenbescheid vorzugehen, um inzident die Frage der Anerkennung einer Vorbelastung überprüfen zu lassen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers vom 16. Juli 2008 die Berufung mit Beschluss vom 2. Februar 2009 zugelassen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger in Ergänzung seines bisherigen Klagevorbringens vor, der Feststellung und Anerkennung einer Gewässervorbelastung komme eine selbständige und über die Festsetzung einer Abwasserabgabe im jeweiligen Veranlagungszeitraum hinausgehende Bedeutung zu. Hieraus ergebe sich ein eigenständiger Regelungsgehalt des ergangenen Bescheides. Die gesonderte gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 3 AbwAG lege ein gesondertes Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Vorbelastung nahe. Es könne nicht dem Sinn des Abwasserabgabengesetzes entsprechen, wenn in jedem Veranlagungsjahr erneut über deren Anerkennung gestritten werden müsse. Vielmehr entfalte die Entscheidung über die Vorbelastung Bindungswirkung über das jeweilige Veranlagungsjahr hinaus. Dies zeige auch das gesetzlich angelegte Verfahren der Schätzung, welches die Schadstoffkonzentration im Mittel mehrerer Jahre berücksichtige. Die Anerkennung einer Vorbelastung solle eine Abzugsmöglichkeit ab dem Tage der Antragstellung und unabhängig von gesonderten Möglichkeiten der Verrechnung von Investitionen Planungssicherheit für die Kosten des Anlagebetriebes vermitteln. Mit der in den zuletzt ergangenen Bescheiden vorgenommenen Verrechnung der Abgabe mit Investitionsaufwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 4 AbwAG entfalle auch nicht das Interesse des Klägers an einer Anerkennung von Vorbelastungen, da insoweit gemäß § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 4 AbwAG bei einer - für den Kläger aktuell im Raum stehenden - Überschreitung der Dreijahresfrist für die Inbetriebnahme von Abwasserbehandlungsanlagen, für die Aufwendungen verrechnet worden seien, eine Nacherhebung von Abgaben erfolge. Im Übrigen sei die Anerkennung einer Vorbelastung selbständig und vorrangig gegenüber der Verrechnung von Investitionsaufwendungen, weil sie die Höhe der entstehenden Abgabe beeinflusse und nicht - wie im Falle der Verrechnung - lediglich deren Tilgung zur Folge habe. Der Bescheid des Staatlichen Umweltamtes vom 31. März 2005 weise alle Merkmale eines materiellen Verwaltungsaktes im Sinne des § 106 Abs. 1 LVwG auf. Die Regelungswirkung einer Entscheidung über die Vorbelastung sei in der Kommentarliteratur anerkannt. Das Verwaltungsgericht hätte aber auch auf Grundlage seiner Auffassung, dass es sich nicht um einen Verwaltungsakt handele, die ergangenen Bescheide wegen eines insoweit vom Staatlichen Umweltamt rechtsfehlerhaft gesetzten Rechtsscheins aufheben und eine entsprechende Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten treffen müssen.

Hinsichtlich des Anspruches des Klägers auf Anerkennung einer Vorbelastung wiederholt dieser im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, auf den Antrag des Klägers vom 7. März 2005 für die Berechnung der Abwasserabgabe für das Einleiten des vom Kläger im Klärwerk Hetlingen behandelten Abwassers gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG eine Vorbelastung in Höhe von 1,1 mg/l für den Parameter N ges anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung vom 7. März 2005,

hilfsweise,

die Vorbelastung gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG ordnungsgemäß zu schätzen und in entsprechender Höhe anzuerkennen für die Zeit nach der Antragstellung vom 7. März 2005.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und verweist zur Begründung auf seine Argumente im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die zuletzt ergangenen Abwasserabgabenbescheide an den Kläger, in denen die Abgabe wegen der genutzten Verrechnungsmöglichkeiten auf Null festgesetzt worden sei. Für eine Entscheidung über das Begehren des Klägers bestehe daher keine Veranlassung; vielmehr erscheine es zwingend, über die Anerkennung einer Vorbelastung zeitlich zusammen mit der Festsetzung der Abwasserabgabe für jedes Veranlagungsjahr zu entscheiden. In der Sache komme die Anrechnung einer Vorbelastung vorliegend nicht in Betracht, weil die Wasserentnahme aus dem öffentlichen Wasserversorgungsnetz keine Entnahme von Wasser im Sinne des § 4 Abs. 3 AbwAG sei. Einer verfassungskonformen Auslegung, wie sie der Kläger vertrete, stehe die Grenze des eindeutigen Wortlauts der Norm entgegen. Im Übrigen sei das Abwasserabgabengesetz seit der Aufnahme der Schadstoffparameter Stickstoff und Phosphor in die Bewertung der Schädlichkeit im Jahre 1991 mehrfach geändert worden, ohne dass der Gesetzgeber sich zu einer Änderung des § 4 Abs. 3 AbwAG entschlossen habe. Rechtsanwender hätten sich daher an den insoweit maßgeblichen Gesetzeswortlaut zu halten. Allenfalls sei eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG denkbar. Im Übrigen sei die Nichtanrechnung einer Vorbelastung des Trinkwassers nicht willkürlich. Sie stelle vielmehr eine sachlich gerechtfertigte Ausnahme vom Verursacherprinzip dar, da eine Schätzung der Vorbelastung bei der Entgegennahme von Trinkwasser durch den Kläger nahezu unmöglich sei. Die Jahresschmutzwassermenge aus dem Klärwerk sei bislang nicht nach Wassermengen unterschiedlicher Herkunft aufgeschlüsselt. Die vom Kläger vorgenommene einfache Bildung eines arithmetischen Mittels aus Messergebnissen an neun Trinkwasserpumpwerken sei zudem als Schätzung im Sinne von § 4 Abs. 3 AbwAG methodisch ungeeignet. Die Anzahl der Probenahmestellen sei zu gering; ferner seien weder die unterschiedlichen Mengendurchsätze an den untersuchten Messstellen noch nicht unerhebliche Mengen von Niederschlagswasser berücksichtigt worden, welche ebenfalls zu einer jahres- und tageszeitlichen sowie witterungsabhängigen Schwankung der Stickstoffbelastung des abgeleiteten Abwassers beitrügen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt und die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgang des Staatlichen Umweltamtes Itzehoe verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und im Umfang des Hilfsantrages begründet. Die Bescheide des Staatlichen Umweltamtes Itzehoe sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit abzuändern.

1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO zulässig. Bei dem angefochtenen Bescheid des Staatlichen Umweltamtes vom 31. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2005 handelt es sich nicht lediglich um eine vorbereitende Handlung innerhalb eines Verwaltungsverfahrens, die gemäß § 44a VwGO nur zusammen mit dem Rechtsbehelf gegen eine anderweitige Sachentscheidung angegriffen werden kann. Vielmehr stellt der Bescheid einen Verwaltungsakt dar, dessen selbständige gerichtliche Überprüfung der Kläger auch unabhängig von einem zu ergehenden oder ergangenen Abwasserabgabenbescheid veranlassen kann. Der Bescheid weist einen der konkreten Abgabenfestsetzung für das Veranlagungsjahr 2005 vorgelagerten eigenständigen Regelungsgehalt hinsichtlich der Frage auf, ob eine Vorbelastung aus Trinkwasser anerkannt wird.

Das Staatliche Umweltamt hat von seinem Ermessen aus § 75 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) Gebrauch gemacht und zu einem der beiden Abgabenberechnungsparameter, die Gegenstand des Antrages des Klägers vom 7. März 2005 waren, in zulässiger Weise vorab eine Teilregelung im Zusammenhang mit der Festsetzung einer Abwasserabgabe erlassen. Das Abwasserabgabenrecht enthält keine besondere rechtliche Grundlage für einen derartigen Teilverwaltungsakt; diese ist aber - zumal es sich bei der vom Kläger beantragten Vorbelastungsanerkennung um eine Begünstigung handelt - auch nicht erforderlich. Vielmehr steht der Erlass von Teilentscheidungen über einen aus fachrechtlicher Sicht abteilbaren Regelungskomplex im pflichtgemäßen Verfahrensermessen der Behörde (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008, § 9 Rn. 16; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 240 ff., 242, 251 f.). Entsprechend hat auch der Kläger einen Anspruch darauf, dass der Beklagte im Rahmen des ausgeübten Verfahrensermessens einen materiell rechtmäßigen Bescheid hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Vorbelastung von Trinkwasser erlässt.

Die vom Beklagten getroffene Teilregelung stellt einen Verwaltungsakt nach § 106 Abs. 1 LVwG dar. Insbesondere hat das Staatliche Umweltamt seinem Bescheid vom 31. März 2005 bewusst die Qualität einer nach außen wirkenden Regelung verliehen. Es entschied sich, wie aus Vermerken im Verwaltungsvorgang hervorgeht, nach interner Abstimmung bewusst zur Hinzufügung einer Rechtsbehelfsbelehrung, nachdem es in Rücksprache mit dem zuständigen damaligen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft zu der Einschätzung gelangt war, die entscheidende Rechtsfrage der Vorbelastungsanerkennung bei Trinkwasser werde in der Kommentarliteratur unterschiedlich gesehen und bedürfe gegebenenfalls einer Klärung in einem Rechtsstreit. Entsprechend wurden auch die vom Kläger erhobenen Einwände durch einen Widerspruchsbescheid beschieden, der mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war. Die ergangenen Bescheide können nach Inhalt und Form aus Sicht eines Bescheidempfängers als verbindliche, der Bestandskraft fähige Regelung verstanden werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 16, 17) und sind vom Kläger auch entsprechend verstanden worden. Dem insoweit maßgeblichen objektiven Erklärungswert (ebd., Rn. 17) steht auch nicht entgegen, dass sich die Anerkennung einer Vorbelastung gem. § 4 Abs. 3 und 1 AbwAG rechnerisch erst bei der nachfolgenden Ermittlung und Festsetzung einer Abwasserabgabe für den Veranlagungszeitraum 2005 auswirken konnte. Der Kläger musste - gerade auch wegen der hinzugefügten Rechtsbehelfsbelehrung - davon ausgehen, dass die Ablehnung der Anerkennung Verbindlichkeit für den nachfolgenden Abwasserabgabenbescheid erlangen sollte und ihm bei dessen Anfechtung die Bestandskraft des Teilbescheides entgegengehalten werden konnte. Einen Beleg dafür, dass die untere Wasserbehörde die Regelung der materiellrechtlichen Frage einer Vorbelastungsanerkennung verbindlich abschichten wollte, liefern die nachfolgenden Abgabenbescheide insoweit, als sie eine Vorbelastung zwar rechnerisch nicht berücksichtigen, in ihrem Textteil aber auf die vom Kläger beantragte Anerkennung in keiner Form mehr eingehen.

Dem Bescheid vom 31. März 2005 kann auch ein gemäß § 108 Abs. 1 LVwG hinreichend bestimmter, auf den Einzelfall des Klägers bezogener Regelungsgehalt entnommen werden, wenn man ihn als verbindliche Regelung für den Veranlagungszeitraum 2005 ansieht, in dem der Antrag des Klägers auf Zulassung eines Messprogramms und Anerkennung der Vorbelastung gestellt worden war. Eine Einzelfallregelung setzt voraus, dass in ihr Rechte und Pflichten für den Betroffenen unmittelbar verbindlich festgelegt werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 47). Die reine Kundgabe einer Rechtsauffassung der Wasserbehörde zur Frage einer Anerkennungsfähigkeit von Trinkwasserbelastungen bei der Heranziehung zur Abwasserabgabe würde dieser Voraussetzung nicht gerecht, weil unklar bliebe, zwischen welchen Beteiligten und für welchen Zeitraum der Abgabenerhebung sie Verbindlichkeit erlangen sollte. Auch wenn der Antrag des Klägers vom 7. März 2005, wie dieser in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2009 bekundet hat, auf die Klärung der Vorbelastungsanerkennung für einen größeren Zeitraum als das Veranlagungsjahr 2005 gerichtet gewesen sein mag, beschränkt sich der einzelfallbezogene Regelungsgehalt des daraufhin ergangenen Bescheides vom 31. März 2005 notwendigerweise auf den damals laufenden kalenderjährlichen (vgl. § 11 Abs. 1 AbwAG) Veranlagungszeitraum. Eine anderweitige zeitliche Eingrenzung der getroffenen Teilregelung, wie sie der Senat für unabdingbar hält, ist nicht in Sicht. Im Übrigen ist eine Vorbelastung zwar gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 AbwAG im Mittel mehrerer Jahre zu schätzen; dieser Mittelwert ist aber in hinreichenden zeitlichen Abständen festzustellen (vgl. auch den Gesetzentwurf, BT-Dr. 10/5533, S. 12) und bezieht sich in seiner Annäherung an den tatsächlichen Belastungszustand des betreffenden Entnahmegewässers letztlich auf das jeweilige Veranlagungsjahr (vgl. auch Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, AbwAG, Stand Juli 2007, § 4 Rn. 29).

Diese Auslegung des Bescheides des Staatlichen Umweltamtes vom 31. März 2005 wird dadurch gestützt, dass bereits der Antrag des Klägers vom 7. März 2005 auf Zulassung eines Messprogramms und Anerkennung einer Vorbelastung für den von ihm heruntererklärten Parameter N ges vor dem Hintergrund der kalenderjährlichen Abwasserabgabenfestsetzung (§ 11 Abs. 1 AbwAG) formal sogar einen primären Bezug zu der zu erwartenden Veranlagung für das laufende Kalenderjahr 2005 hatte, denn die Heruntererklärung eines Parameters gegenüber dem im Abwassereinleitungsbescheid festgelegten Wert bezieht sich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 AbwAG auf einen bestimmten Zeitraum innerhalb des jährlichen Veranlagungszeitraumes.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich gleichzeitig, dass der Bescheid vom 31. März 2005 als eigenständige verfahrensabschließende Sachentscheidung und nicht lediglich als vorbereitende Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO zu sehen ist. Unter den Begriff der Verfahrenshandlung im Sinne von § 44a VwGO fallen behördliche Handlungen, die in Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2004 - 6 B 30/04 - Juris). Mit dem Erlass eines Teilbescheides war gerade die Abschichtung eines Teils des Regelungskomplexes im Sinne einer teilweisen endgültigen Sachentscheidung beabsichtigt, damit diese ggf. einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden oder aber Bestandskraft und Verbindlichkeit für die nachfolgende Entscheidung - den Abgabenbescheid für das laufende Kalenderjahr - erlangen konnte. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des § 44a VwGO, Verzögerungen in laufenden Verwaltungsverfahren durch Rechtsbehelfe gegen verfahrensbezogene Zwischenentscheidungen zu vermeiden und den Rechtsschutz auf die verfahrensabschließende Sachentscheidung zu konzentrieren (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 44a Rn. 4; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007 Rn. 1; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Oktober 2008, § 44a Rn. 4), erfordert es hier nicht, den Kläger auf Rechtsschutz gegen den Abgabenbescheid für das Jahr 2005 zu verweisen, denn die Frage der Abzugsfähigkeit der Trinkwasservorbelastung müsste in einem diesbezüglichen Gerichtsverfahren ebenso geprüft werden wie die zusätzliche Frage, ob der Bescheid des Staatlichen Umweltamtes vom 31. März 2005 mit Wirkung für den Abgabenbescheid bestandskräftig geworden ist. Die selbständige Überprüfung des Teilbescheides führt also zu einer Vorverlagerung von Rechtsschutz, nicht jedoch zu einer Verzögerung eines laufenden Verwaltungsverfahrens, zumal Änderungen des Teilbescheides im Wege der Änderung des ergangenen Abgabenbescheides gemäß § 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes Schleswig-Holstein i.d.F. v. 13. November 1990 - AGAbwAG (GVOBl. 1990, S. 545) i.V.m. §§ 116 f. LVwG berücksichtigt werden können.

Der Kläger hat auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheides, da der Abgabenbescheid vom 19. Juni 2006 für den Veranlagungszeitraum 2005 eine Abwasserabgabe - auch im Hinblick auf den Schadstoffparameter N ges - festgesetzt hat und mangels Verrechnung mit Investitionsaufwendungen des Klägers auch ein entsprechendes Leistungsgebot enthält.

Das Berufungsgericht hat ungeachtet des Nichtergehens einer erstinstanzlichen Sachentscheidung gemäß § 130 VwGO in der Sache selbst zu entscheiden, zumal keiner der Beteiligten die Zurückverweisung beantragt hat (§ 130 Abs. 2 VwGO).

Richtiger Beklagter ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Kreis als Körperschaft, dessen Organ den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen hat. Die Durchführung des Abwasserabgabengesetzes ist nach § 13 Abs. 1 AbwAG Aufgabe der für die Überwachung der Einleitung zuständigen Wasserbehörde. Dies ist nach §§ 105 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 107 Abs. 1 Nr. 1 Landeswassergesetz i.d.F. v. 12. Dezember 2008 (GVOBl. 2008, S. 791) der Landrat als untere Wasserbehörde. Er nimmt die ihm übertragenen Aufgaben als Organ des Kreises zur Erfüllung nach Weisung wahr (vgl. Kollmann, Landeswassergesetz, Stand: September 2006, § 105 Anm. 2). § 105 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LWG enthält keine Zuweisung dieser Aufgabe nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung allgemeiner unterer Landesbehörden in Schleswig-Holstein - GuLB - (i.d.F. v. 03.04.1996, GVOBl. 1996, S. 406) an den Landrat als untere Landesbehörde (mit der Folge, dass die Klage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 6 S. 2 AGVwGO gegen den Landrat zu richten wäre) dar. Für eine solche Zuweisung bedürfte es eindeutiger Anhaltspunkte, bei deren Nichtvorliegen davon auszugehen ist, dass der Landrat dort gemäß §§ 3 Abs. 1, 51 Abs. 1 Kreisordnung als kommunale Behörde für die gesetzlich an den Kreis zur Erfüllung nach Weisung übertragenen Aufgabe der unteren Wasserbehörde genannt ist. Dies entspricht auch den Zielen des Gesetzgebers, der die Kreise im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts vom 22. Dezember 1995 (GVOBl. 1996, S. 33) in Fortführung der Funktionalreform stärken wollte und die Vorschrift des § 3 GuLB deshalb dahingehend umgestaltet hat, dass Einzelfallentscheidungen gegenüber Bürgern grundsätzlich vom Landrat als kommunaler Behörde durchgeführt werden (vgl. LT-Dr. 13/2806, S. 141; s. auch OLG Schleswig, Urt. v. 29.06.2000 - 11 U 1377/98 -, Nor-dÖR 2000, 411 f.).

2. Der Kläger hat einen Anspruch gemäß § 4 Abs. 3 AbwAG auf Schätzung und Berücksichtigung der Stickstoffvorbelastung des Trinkwassers, welches in das zum Klärwerk Hetlingen hinführende System von Abwasserleitungen gelangt. Diese Vorbelastung stammt notwendigerweise aus dem Gewässer, aus dem das Trinkwasser gewonnen wird, und wird durch Maßnahmen der Trinkwasseraufbereitung wie eine Denitrifikation allenfalls reduziert, so dass sich die letztlich im Trinkwasser verbleibende Belastung bis in das vom Kläger eingeleitete Abwasser fortsetzt und auf den Antrag des Klägers hin Grundlage einer Anrechnung nach § 4 Abs. 3 AbwAG sein muss. Sie ist weder vom Kläger noch von einem Nutzer, für dessen nachteilige Wasserveränderung er die Entsorgungsverantwortung übernommen hat, verursacht worden. Wortlaut, Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3 AbwAG sprechen für eine abgabemindernde Berücksichtigung dieser Trinkwasservorbelastung, auch wenn das Trinkwasser den entsorgungspflichtigen Zweckverband nach seinem Gebrauch lediglich vermittelt über die Leitungsnetze der öffentlichen Wasserver- und entsorgung erreicht.

Die Kommentarliteratur geht zwar im Ausgangspunkt nahezu einhellig davon aus, dass mit dem Erfordernis der Unmittelbarkeit der Entnahme vorbelasteten Wassers in § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG im Wesentlichen die Wasserentnahme aus einer öffentlichen Wasserversorgung habe ausgeschlossen werden sollen, da man davon ausgegangen sei, dass sie keine bedeutsamen Belastungen aufweise; dieser Gedanke habe jedoch nach Aufnahme von Parametern für die auch im Trinkwasser aufzufindenden Schadstoffe Stickstoff und Phosphor in § 3 Abs. 1 AbwAG zum 1. Januar 1991 (durch das Dritte Änderungsgesetz zum AbwAG vom 2. November 1990, BGBl. I 2425) seine Berechtigung verloren. Eine Ausnahme des aus der öffentlichen Wasserversorgung stammenden Wassers von der Nichtanrechnung der Vorbelastung werfe allerdings im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Probleme auf (vgl. Köhler/Meyer, Abwasserabgabengesetz, 2. Aufl. 2006, § 4 Rn. 126, 136; Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, Loseblatt Stand 01.08.2008, § 4 Rn. 23; Kotulla, Abwasserabgabengesetz, 2005, § 4 Rn. 23; a.A. noch Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Aufl. 1995, S. 85).

Die hierbei in der Literatur angenommene Einschränkung des Anwendungsbereiches des Vorbelastungsabzuges für Wasser aus der öffentlichen Trinkwasserversorgung erweist sich bei näherer Betrachtung als unzutreffend. Auch Trinkwasser wird einem Gewässer i.S.v. § 4 Abs. 3 AbwAG - meist dem Grundwasser - entnommen. Den Gesetzesmaterialien zu § 4 Abs. 3 AbwAG sind keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Erfordernisses der unmittelbaren Wasserentnahme eine Anrechnung von Vorbelastungen zugunsten von Einleitern, die das von ihnen gebrauchte bzw. behandelte Wasser über die öffentliche Wasserversorgungsanlage beziehen, generell ausschließen wollte.

Für die in den Kommentierungen unterstellte gesetzgeberische Annahme fehlt jeglicher Beleg. Vielmehr sprechen die Erwägungen, die in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der ursprünglichen, am 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Fassung des Abwasserabgabengesetzes niedergelegt sind, dafür, die Nichtzurechnung einer Vorbelastung auf all diejenigen Belastungen zu erstrecken, die bei der unmittelbaren Entnahme von Wasser aus einem Gewässer (Oberflächenwasser oder Grundwasser) entweder durch den Einleiter selbst oder durch einen Dritten bereits vorhanden waren und auch im eingeleiteten Abwasser noch vorhanden sind. Eine Freistellung von der Abgabe wegen einer Vorbelastung sollte nach der Begründung zu § 6 des Regierungsentwurfs (BT-Dr. 7/2272, S. 8, 31; entsprach dann § 4 Abs. 3 des vom Innenausschuss des Bundestages erarbeiteten Entwurfs, vgl. BT-Dr. 7/5183, S. 1, 6) erfolgen, weil der Einleiter die bei Entnahme vorhandene Verschmutzung nicht verursacht habe. Es komme nicht darauf an, ob das Wasser von den Einleitern selbst oder von Dritten entnommen und den Einleitern zur Verfügung gestellt worden sei. Auch in den Materialien zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes vom 19.12.1986 (BGBl. I S. 2619), welches durch Einfügung des Satzes 2 sowie Ergänzung der Sätze 1 und 3 die heute geltende Fassung des § 4 Abs. 3 AbwAG hergestellt hat, findet sich kein Anhaltspunkt für einen gesetzgeberischen Willen, Einleitungen bei Zwischenschaltung der öffentlichen Wasserversorgung zwischen der Entnahme aus dem Gewässer und der Einleitung in ein Gewässer von der Vorbelastungsregelung ausnehmen zu wollen. Der Gesetzgeber hat auch hier - im Zusammenhang mit der Frage, ob bereits die für die Abgabe zu berücksichtigende Vorbelastung den jeweiligen Schwellenwert überschreiten müsse, s. dazu unten - , ersichtlich das Ziel verfolgt, Gewässervorbelastungen umfassend von der Abgabepflicht auszunehmen, weil sie vom Einleiter nicht verursacht worden seien (vgl. BT-Dr. 10/5533, S. 18, 22); gleichzeitig hat bereits der erste Entwurf des Abwasserabgabengesetzes die Nichtanrechnung einer Vorbelastung auch dann für zulässig angesehen, wenn das Wasser nicht durch den Einleitenden selbst entnommen worden ist (BT-Dr. 7/2272, S. 31). Bereits hierdurch wird deutlich, dass das Kriterium der Unmittelbarkeit der Wasserentnahme Bedeutung nur für die Feststellung der zu berücksichtigenden Vorbelastung im Rahmen des ursprünglichen Gewässerzustandes erlangt.

Dass eine Identität von Entnehmendem und Einleitendem (die bei einer Vermittlung über die öffentliche Wasserversorgung nicht gegeben wäre) von § 4 Abs. 3 AbwAG nicht gefordert wird, entspricht der einhelligen Meinung in der Kommentarliteratur (vgl. Berendes, a.a.O., S. 85; Köhler/Meyer, a.a.O., Rn. 135; Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, a.a.O., Rn. 23; Kotulla, a.a.O., Rn. 23). Diesem auf dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien überzeugenden und auch durch den Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG, der die Person des Entnehmenden nicht anspricht, gedeckten Normverständnis ist zu folgen. Ebenso wenig setzt § 4 Abs. 3 AbwAG voraus, dass das Abwasser, für das die Abgabe berechnet wird, wieder in dasselbe Gewässer oder ein Gewässer derselben Art eingeleitet wird, aus dem das vorbelastete Wasser entnommen wurde (vgl. Berendes, ebd.; Zöllner, a.a.O; Köhler/Meyer, a.a.O., Rn. 124). Auch hieran scheitert also die Anerkennung einer Vorbelastung des - nach Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2009 dem Grundwasser entnommenen - Trinkwassers zugunsten des Klägers, der sein Abwasser in die Elbe einleitet, nicht.

Soweit in der Literatur aber als Voraussetzung der Nichtanrechnung einer Vorbelastung eine unmittelbare Weitergabe des entnommenen Wassers vom Entnehmenden an den Einleiter in dem Sinne gefordert wird, dass das Wasser vollständig unbehandelt bzw. unaufbereitet sein müsse (vgl. Kotulla, Rn. 23; Köhler/Meyer, Rn. 135), kann es nur darauf ankommen, dass die bei der Entnahme vorhandene Vorbelastung bei der Zuleitung des Wassers an den Einleiter noch vorhanden sein muss (in diesem Sinne wohl auch Zöllner, a.a.O; Köhler/Meyer, a.a.O., Rn. 135), denn für eine Nichtanrechnung bestünde sonst kein Anlass. Diese Voraussetzung wäre dann nicht oder nur eingeschränkt erfüllt, wenn der Entnehmende die Schadstofffracht des Wassers durch Behandlung bzw. Aufbereitung verringert und somit in verbessertem Zustand weitergeleitet hätte. Dem gesetzgeberischen Zweck des § 4 Abs. 3 AbwAG entsprechend, eine Abgabenpflicht für nicht verursachte Verschmutzungen auszuschließen, käme dann lediglich eine Nichtanrechnung der nach der Aufbereitung noch verbleibenden Vorbelastung in Betracht. Inwieweit das für die Trinkwasserversorgung im Einzugsgebiet des Klägers gewonnene Wasser aufbereitet wird, geht aus dem Vortrag der Beteiligten nicht hervor. Der Kläger begehrt aber auch lediglich eine Nichtanrechnung der Stickstoffvorbelastung, die im Rahmen der Beprobung und Untersuchung des bereits aufbereiteten Trinkwassers vor der Einspeisung in das öffentliche Leitungsnetz noch festzustellen ist. Diese Belastung kann - unabhängig davon, in welcher Höhe sie anzuerkennen sein wird - entsprechend dem Unmittelbarkeitserfordernis des § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG auf den Zustand des Gewässers bei seiner Entnahme zum Zwecke der Trinkwassergewinnung zurückgeführt werden. In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG kennzeichnet sie das dem Gewässer entnommene Trinkwasser auch "vor seinem Gebrauch", d.h. vor einer nach Durchleitung durch das Trinkwassernetz hinzukommenden Belastung, für welche die Entsorgungsverantwortung den Kläger träfe.

Dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 AbwAG sind weder weitere Anforderungen an die Nähe des Abgabenpflichtigen zum Sachverhalt der Vorbelastung noch Einschränkungen speziell für über das öffentliche Leitungsnetz bezogenes Wasser zu entnehmen. Einer verfassungskonformen Auslegung dieser Norm bedarf es daher aus Sicht des Senats nicht, denn sie erfasst die streitgegenständliche Vorbelastung unmittelbar. Wenn es vor dem Hintergrund der insoweit eindeutigen Gesetzesmaterialien nach einhelliger und überzeugender Auffassung nicht erforderlich ist, dass die unmittelbare Wasserentnahme durch den späteren Abwassereinleiter erfolgt, und darüber hinaus keinerlei Gewässeridentität zu bestehen braucht, ergibt sich ein sehr weiter Anwendungsbereich der Vorbelastungsregelung (vgl. auch Zöllner, a.a.O., Rn. 23). Dieser entspricht auch der Funktion der Abwasserabgabe als Umweltabgabe mit einer Anreiz- und Ausgleichsfunktion, die die Abwasserproduzenten mit ökonomischen Mitteln entsprechend dem Verursacherprinzip zur Vermeidung oder Verminderung ihrer Schadstoffeinleitungen anhalten soll (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 16.08.1999 - 2 M 24/99 - und vom 01.09.2004 - 2 O 102/04 -). Das Verursacherprinzip nimmt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung als regelungsbestimmender Grundsatz eine zentrale Bedeutung für die Anwendung des Abwasserabgabengesetzes ein. Grundsätzlich soll die Abwasserabgabepflicht auf den Verursacher der Verschmutzung beschränkt werden; dieser soll nur nach Maßgabe der eigenen Verursachung abgabenpflichtig sein (grundlegend hierzu vgl. BVerwG, Urt. v. 12.02.1988 - 4 C 24/85 -, BVerwGE 79, 54 ff.; ihm folgend BayVGH, Urt. v. 30.04.1998 - 22 B 94.1921 -, NVwZ-RR 1999, 530 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.03.2005 - 2 S 1457/04 -, Juris). Eine Abgabenpflicht für eine schon bei unmittelbarer Wasserentnahme durch einen Dritten bestehende Vorbelastung stünde in Widerspruch zum Verursacherprinzip und könnte keine verhaltenslenkende Funktion, derartige Verschmutzungen zu vermeiden, entfalten; sie könnte auch nicht - wie bei der Abgabenpflicht des Direkteinleiters für fremdverursachte Verschmutzungen gem. §§ 9 Abs. 1, 2 Abs. 1 AbwAG - im Wege des Schadensersatzes an den Verursacher - den Indirekteinleiter - weitergeben werden (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 24.09.2008 - 7 B 39/08 -).

Im Übrigen ließe sich eine generelle Ausnahme von Wasser, welches den Nutzern über die öffentliche Wasserversorgung zur Verfügung gestellt wurde und nach Gebrauch als Abwasser anfällt, von der Vorbelastungsregelung des § 4 Abs. 3 AbwAG auch deshalb nicht mit den Vorstellungen des Gesetzgebers in Einklang bringen, weil der Bundestag bei der Erarbeitung des Abwasserabgabengesetzes davon ausging, dass das Abgabeaufkommen etwa zur Hälfte von den Gemeinden als Betreiber der öffentlichen Kanalisation und zur Hälfte von anderen, insbesondere industriellen Direkteinleitern, aufzubringen sein werde (vgl. BT-Dr. 7/5183, S. 5). Da ein erheblicher Teil der von den Gemeinden entsorgten Abwässer mittelbar aus der öffentlichen Wasserversorgung stammt, hätte sich eine diesbezüglich intendierte Einschränkung der Regelung über die Nichtanrechnung der Vorbelastung in der Entwurfsbegründung niederschlagen, vor allem aber einen eindeutigen Rückhalt im Gesetzeswortlaut finden müssen.

Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit der Wasserentnahme in § 4 Abs. 3 Satz 1 AbwAG hat nach alledem lediglich zu gewährleisten, dass die vom Einleiter geltend gemachte, bei der Einleitung noch vorhandene Vorbelastung bereits im Zustand der Gewässerentnahme bestand. Unerheblich ist dabei, ob diese Vorbelastung selbst schon die Schwellenwerte des § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. der Anlage zu § 3 AbwAG - für Stickstoff 5 Milligramm je Liter - überschritten hat. Der Senat folgt insoweit der überzeugenden Argumentation anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.04.1998, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.03.2005, a.a.O.; noch offengelassen im Beschluss des Senats v. 21.12.2005 - 2 LA 41/05 -; vgl. dazu auch Ganske, NVwZ 2008, S. 1091 ff.), wonach die umfassende Verweisung des § 4 Abs.3 Satz 1 auf § 3 Abs. 1 AbwAG einer abgabemindernden Berücksichtigung von Vorbelastungen unterhalb der Schwellenwerte nicht entgegensteht, weil zwischen der "Schädlichkeit" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 und der "Bewertung der Schädlichkeit" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG zu differenzieren ist und im Übrigen auch die lediglich auf den Regelungsgehalt des § 3 Abs. 1 Satz 1 zielende Verweisung des § 4 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz AbwAG dem Wortlaut nach auf den gesamten Absatz 1 des § 3 gerichtet ist. Der Gesetzgeber hat sich im Übrigen, der Gegenäußerung der Bundesregierung zu einem entsprechenden Bundesratsvorschlag im Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes folgend, bewusst dagegen entschieden, die Anrechnung der Vorbelastung von der Überschreitung der Schwellenwerte abhängig zu machen, weil dies zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung eines Einleiters führen würde, der aus einem nur gering belasteten Vorfluter Wasser entnehme, und damit der Abgabengerechtigkeit widerspräche (vgl. BT-Dr. 10/5533, S. 18, 22, sowie BR-Drs. 112/1/86, S. 7; BR-Drs. 112/86 (Beschluss), S. 5). Allein dies verbietet es, die nicht Gesetz gewordene Einschränkung aus der undifferenzierten Verweisungstechnik des § 4 Abs. 3 AbwAG auf § 3 Abs. 1 AbwAG abzuleiten.

Auch wenn dem Kläger danach die Stickstoffvorbelastung des Trinkwassers nicht zuzurechnen ist, hat er mit seinem Hauptantrag auf Verpflichtung des Beklagten auf Anerkennung einer Vorbelastung in Höhe von 1,1 mg/l für den Parameter N ges keinen Erfolg. Die Untersuchung von Trinkwasserproben an neun Trinkwasserpumpwerken und an lediglich zwei Tagen genügt nicht den Anforderungen, die § 4 Abs. 3 Satz 2 AbwAG insoweit an eine Schätzung der Schadstoffkonzentration stellt; der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren jedoch deutlich gemacht, dass er die von ihm eingereichten Untersuchungsergebnisse, aus denen er ein arithmetisches Mittel gebildet hat, als Grundlage der erforderlichen Ermittlungen des Beklagten zur Schätzung der Vorbelastung verstanden wissen wollte. Die Einzelheiten der Vorgehensweise bei einer Schätzung der Vorbelastung sind gesetzlich nicht geregelt; der Gesetzgeber hat den Begriff der Schätzung, der im Abwasserabgabengesetz mehrfach erwähnt ist, vielmehr in seinen Grundzügen als bekannt vorausgesetzt (vgl. Köhler/Meyer, a.a.O.,, § 6 Rn. 56; Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, a.a.O., § 6 Rn. 20). Der Beklagte hat hinsichtlich des Weges der Schätzung und des Schätzungsergebnisses einen gewissen Beurteilungsspielraum, den er dem Zweck des § 4 Abs. 3 AbwAG entsprechend mit dem Ziel einer größtmöglichen Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit unter Berücksichtigung eines angemessenen Verwaltungsaufwandes auszufüllen hat (vgl. ebd.).

Auch angesichts der Größe des Einzugsgebietes des Klägers und der Vielzahl in eine Schätzung einzubeziehender Trinkwasserentnahmestellen stehen die vom Beklagten geltend gemachten Praktikabilitätserwägungen einer Schätzung der Trinkwasservorbelastung aus dem Entnahmegewässer nicht entgegen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 Satz 3 AbwAG und § 7 Abs. 1 AGAbwAG die Möglichkeit geschaffen, zur Vereinfachung des Abzuges einer Vorbelastung die einheitliche mittlere Konzentration von Schadstoffen oder Schadstoffgruppen für Gewässer oder Teile von Gewässern (also etwa Gebiete des Grundwasservorkommens) durch Verordnung für einen mehrjährigen Zeitraum von bis zu 5 Jahren festzulegen. Von dieser Verordnungsermächtigung hat das zuständige Ministerium in Schleswig-Holstein bislang allerdings keinen Gebrauch gemacht.

Der Einwand des Beklagten, dass auch mögliche Stickstoffeinträge über Niederschlagswasser einer Anerkennung der Trinkwasservorbelastung entgegenstünden, verfängt nicht, da die hier vorzunehmende Schätzung sich - wie die vom Kläger vorgelegten Probeuntersuchungen - auf den Zustand des Trinkwassers vor Einspeisung in das öffentliche Leitungsnetz beziehen muss. Eine Einflussmöglichkeit durch Niederschlagswasser, welches ebenfalls über das Abwasser in die Kläranlage des Klägers gelangt, besteht in diesem Stadium noch nicht. Dass sich die Vorbelastung des Trinkwassers lediglich auf einen Teil der Jahresschmutzwassermenge bezieht, die vom Kläger zu entsorgen ist, wird bei der Berechnung des Vorbelastungsabzuges nach § 4 Abs. 3 AbwAG durch Ansatz der zutreffenden Wassermengen zu berücksichtigen sein (vgl. dazu VG Aachen, Urt. v. 26.04.2002 - 7 K 3918/97, Juris). Die für die Berechnung des Vorbelastungsabzuges maßgeblichen Grundsätze hat der Senat bereits in dem Beschluss vom 21. Dezember 2005 - 2 LA 41/05 - ausgeführt.

Der Anspruch auf Anerkennung einer durch Schätzung festgestellten Vorbelastung besteht entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers in Überereinstimmung mit § 7 Abs. 2 AGAbwAG ab dem Tag der Antragstellung, mithin dem 7. März 2005. Der Verpflichtungsausspruch ist auf den Veranlagungszeitraum 2005 zu begrenzen, da sich das vom Beklagten ausgeübte Verfahrensermessen zum Erlass eines Teilbescheides auf die Veranlagung für diesen Zeitraum beschränkte (s.o.) und deshalb auch nur insoweit ein Anspruch des Klägers auf Erlass eines mit materiellem Recht übereinstimmendem Verwaltungsaktes festgestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage des Vorbelastungsabzuges bei Trinkwasser gemäß § 132 Abs. 2 S. 1 VwGO zuzulassen, weil die Frage erhebliche Bedeutung für eine Vielzahl von Abgabenpflichtigen hat und in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nicht behandelt worden ist.

Ende der Entscheidung

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