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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 2 LB 73/03
Rechtsgebiete: BSHG, LVwG, SGB I, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

BSHG § 107 Abs. 2
BSHG § 111 Abs. 2
LVwG SH § 106 Abs. 1
SGB I § 30 Abs. 3 S. 2
VwGO § 42 Abs. 1
VwVfG § 35 S. 1
1. Eine Gesamtabrechnung verbunden mit einer Zahlungsaufforderung ohne Rechtsbehelfsbelehrung ist kein Verwaltungsakt.

2. Bei Umzug sozialhlfebedürftiger Personen in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers hat die Herkunftsgemeinde gemäß § 27 Abs 2 S 2 FAG i.V.m. § 107 BSHG den 30 %igen Aufwandsanteil an den Sozialhilfekosten zu tragen. Entsprechendes gilt bei Umzug innerhalb des Kreisgebietes in eine andere kreisangehörige Gemeinde.

3. Die Bagatellgrenze gemäß § 111 Abs 2 BSHG findet nach § 27 Abs 2 S 2 FAG keine entsprechende Anwendung.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Az.: 2 LB 73/03

verkündet am 07.04.2004

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Finanzausgleich - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ...., den Richter am Oberverwaltungsgericht ...., den Richter am Oberverwaltungsgericht .... sowie die ehrenamtlichen Richter Frau .... und Frau ....

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 26. Juni 2003 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 505,85 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 505,85 Euro (Beklagter) bzw. in Höhe der festzusetzenden Kosten (Klägerin) abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Sozialhilfekosten.

Der Beklagte hat als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger durch Heranziehungssatzung vom 28. Dezember 1984 bzw. 14. Dezember 2001 auf der Grundlage des § 96 Abs. 1 BSHG die Städte, amtsfreien Gemeinden und Ämter des Kreises, hierzu gehört auch die Klägerin, mit der Durchführung bestimmter, dem Kreis als örtlichen Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben im Namen des Kreises beauftragt.

Unter dem 14. November 2000 teilte die Stadt ... dem Beklagten mit, dass für 4 Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt, die im Jahre 2000 aus dem Bereich der Klägerin zugezogen seien, 49.243,83 DM an Sozialhilfeaufwendungen entstanden seien und die Klägerin sich weigere, hierfür eine Kostenerstattung zu leisten. Mit einem als "Gesamtabrechnung der allgemeinen Sozialhilfe und der Krankenhilfe für das Haushaltsjahr 1999" bezeichneten Schreiben vom 29. November 2000 machte der Beklagte gegenüber der Klägerin geltend, dass diese ihm zur Erstattung von Sozialhilfe für Personen verpflichtet sei, die ihren bisherigen Wohnsitz im Bereich der Klägerin hatten, in eine andere kreisangehörige Gemeinde verzogen seien und dort Sozialhilfe erhalten hätten. Ausweislich der dieser Gesamtabrechnung beigefügten Unterlagen berechnete der Beklagte den von der Klägerin insoweit zu erstattenden Kostenbeitrag mit insgesamt 16.883,93 DM, addierte diesen Betrag zu einer unstreitigen Sozialhilfeerstattungsforderung in Höhe von 48.910,07 DM und forderte von der Klägerin insgesamt 65.749,-- DM.

Gegen diese Gesamtabrechnung legte die Klägerin am 01. März 2001 Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden wurde. Gleichwohl zahlte die Klägerin die vom Beklagten geltend gemachte Erstattungssumme, behielt sich jedoch die Rückforderung der streitgegenständlichen 16.838,93 DM vor.

Die Klägerin hat am 05. Juli 2001 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Schreiben des Beklagten vom 29. November 2000 stelle einen Verwaltungsakt dar, dessen Rechtmäßigkeit zwar noch nicht in einem Vorverfahren gemäß § 68 VwGO abschließend nachgeprüft sei. Dies hindere jedoch nicht die Zulässigkeit der Klage, da die Klägerin fristgemäß Widerspruch eingelegt habe. Der Verwaltungsakt sei nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 28. Februar 2001 die Frist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO gewahrt habe. Über diesen Widerspruch habe der Beklagte bisher nicht entschieden. Da seit Einlegung des Widerspruchs mehr als 3 Monate vergangen seien, sei die Klage abweichend von § 68 VwGO i.V.m. § 75 VwGO zulässig. Gleiches gelte für den geltend gemachten Leistungsantrag.

Die Klage sei auch begründet, da der Bescheid des Beklagten vom 29. November 2000 rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze.

Dem beklagten Kreis stehe weder ein eigener Anspruch auf der Grundlage der §§ 26 und 27 FAG i.V.m. § 107 BSHG, noch ein Anspruch aus abgetretenem Recht zu. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG entstehe ein Kostenerstattungsanspruch nur und ausschließlich gegen diejenige kreisangehörige Gemeinde, in der der Aufwand entstanden sei. Etwas anderes folge auch nicht aus der in § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG angeordneten entsprechenden Anwendung des 9. Absatzes des BSHG. Die insoweit allein in Betracht kommende Vorschrift des § 107 BSHG verfolge völlig andere Zwecke als § 27 FAG. In § 107 BSHG gehe es um einen Kostenausgleich zwischen unterschiedlichen Trägern der Sozialhilfe, während § 27 FAG den Ausgleich der Sozialhilfeaufwendung im Verhältnis zwischen den örtlichen Trägern der Sozialhilfe einerseits und den kreisangehörigen Gemeinden andererseits, die nicht Sozialhilfeträger seien, betreffe. Auch ein Anspruch aus abgetretenem Recht könne nicht aus der Vorschrift des § 27 FAG hergeleitet werden, da in § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG ausschließlich die Kostenerstattungspflicht kreisangehöriger Gemeinden gegenüber dem Kreis als örtlichen Träger der Sozialhilfe geregelt werde. Der Kostenerstattungsanspruch einer kreisangehörigen Gemeinde gegen eine andere kreisangehörige Gemeinde gehöre demgegenüber nicht zum Regelungsprogramm des § 27 Abs. 2 FAG und könne auch nicht aus der Anordnung der entsprechenden Anwendung des 9. Abschnitts des BSHG hergeleitet werden. Darüber hinaus sei ein Großteil der vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung durch die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG ausgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 11. September 2002 hat die Klägerin ihre Klage erweitert und unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 29. November 2000 die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von insgesamt 15.024,36 Euro begehrt. Begründet wurde dies damit, dass der bisher mit dem Klagantrag verfolgte Zahlungsanspruch in Höhe von 16.838,93 DM (= 8.609,61 Euro) um 6.414,75 Euro zu erhöhen sei, weil der Beklagte zwischenzeitlich im Rahmen seiner Gesamtabrechnung für das Haushaltsjahr 2001 vom 11. März 2002 eine weitere Kostenerstattungsforderung der Stadt ... in Höhe von 6.414,75 Euro geltend mache und diese Forderung bereits mit seiner Abschlagszahlung für den Monat April 2002 verrechnet habe. Der vom Beklagten vorgenommene Einbehalt für das Jahr 2001 sei in gleicher Weise unzulässig wie die Zuvielforderung für das Jahr 2000. Im Übrigen lägen sämtliche Erstattungsforderungen unterhalb der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG.

Mit weiterem Schriftsatz vom 14. Februar 2003 hat die Klägerin die Klage erneut erweitert und nunmehr unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 29. November 2002 die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von insgesamt 21.035,19 Euro an die Klägerin begehrt. Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, dass der Beklagte zwischenzeitlich mit Schreiben vom 14. Januar 2003 mitgeteilt habe, dass gegen die Klägerin erneut eine Kostenerstattungsforderung nach § 107 BSHG von Seiten der Stadt ... in Höhe von 6.010,83 Euro bestehe und diese Forderung mit der Abschlagszahlung für Februar 2002 verrechnet werde. Aus den genannten Gründen bestehe auch insoweit kein Kostenerstattungsanspruch.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 29. November 2000 insoweit aufzuheben, als ein über 48.910,07 DM hinausgehender Betrag gefordert wird, den Bescheid vom 11. März 2003 insoweit aufzuheben, als eine Kostenerstattung in Höhe von 6.414,75 Euro festgesetzt wird,

den Bescheid vom 14. Januar 2003 insoweit aufzuheben, als darin eine Kostenerstattungsforderung in Höhe von 6.10,83 Euro festgesetzt wird,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 21.035,19 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zur Begründung ausgeführt: Der Anspruch auf Kostenerstattung beruhe auf § 27 FAG. Der Verweis auf Abschnitt 9 des BSHG könne nur im Kontext der Regelung des § 27 FAG gesehen werden und beziehe sich deshalb allein auf die Bestimmung der kostenerstattungspflichtigen Gemeinde, nicht jedoch auf den Umfang der Kostenerstattung nach § 111 BSHG. Im Hinblick auf die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen in den letzten Jahrzehnten spreche gegen diese Auslegung allein schon die Höhe der Bagatellgrenze von 5.000,-- DM. Dass zwischen den beteiligten kreisangehörigen Gemeinden kein Kostenerstattungsanspruch bestehe, sei unstreitig. Das im Kreis praktizierte Verfahren, dass der Ausgleich zwischen den Gemeinden direkt vorgenommen werde, diene lediglich der Verwaltungserleichterung bei der Sozialhilfeabrechnung nach § 27 FAG. Zur Höhe des Anspruchs sei auszuführen, unterstellt der Gesetzgeber habe mit dem Verweis auf Abschnitt 9 des BSHG auch eine Anwendung der Bagatellgrenze vorsehen wollen, könne sich diese nur auf den in § 27 Abs. 1 FAG konkret bezeichneten Umfang des Erstattungsanspruchs (also 30 % der Aufwendungen) beziehen. Von einer Erstattung der Aufwendungen in jedem Einzelfall sei an keiner Stelle im FAG die Rede. Wenn dies so wäre, müsste die Klägerin nicht nur die Aufwendungen die nach Abschnitt 9 BSHG der Klägerin zugeordneten Fällen, sondern auch die Aufwendungen in allen anderen Fällen, in denen von dort Sozialhilfe gezahlt worden sei, in jedem Einzelfall nachweisen. Ein solches Erstattungsverfahren wäre schon deshalb abwegig, weil es in der Praxis wegen des erforderlichen Abrechnungsaufwandes nicht durchgeführt werden könnte und die Aufwendungen für die Umsetzung des Finanzausgleiches nicht mehr in einem akzeptablen Verhältnis zu den tatsächlichen Erstattungen stehen würden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat sich der Beklagte mit den Klageerweiterungen einverstanden erklärt.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. Juni 2003 stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Die Gesamtabrechnungen des Beklagten vom 29. November 2000, vom 11. März 2002 und vom 14. Januar 2003, mit denen für die Haushaltsjahre 2000 bis 2002 jeweils eine Kostenerstattungsforderung nach § 107 BSHG i.V.m. § 27 FAG festgesetzt worden sei, seien Verwaltungsakte i.S.d. § 106 Abs. 1 LVwG bzw. § 35 Satz 1 VwVfG. Gegen den ohne eine Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 29. November 2000 habe die Klägerin binnen der Frist des § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch eingelegt, über den der Beklagte ohne einen zureichenden Grund i.S.v. § 75 VwGO bisher nicht entschieden habe. Die Klage sei auch zulässig, soweit sie sich gegen die Bescheide vom 11. März 2002 und 14. Januar 2003 richte. Mit Schriftsätzen vom 11. September 2002 und 14. Februar 2003 habe die Klägerin klageerweiternd ihre Klage auch gegen diese Bescheide gerichtet und die Verurteilung des Beklagten zu einer entsprechend höheren Summe begehrt. Diese Erweiterungen des ursprünglichen Klagantrages stellten zulässige Klageänderungen i.S.v. § 91 Abs. 1 VwGO dar. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2003 ausdrücklich seine Einwilligung hierzu erklärt.

Die Klage sei auch begründet. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege ein Anwendungsfall des § 107 BSHG auch dann vor, wenn die Kostenerstattung von Sozialhilfeaufwendungen zwischen kreisangehörigen Gemeinden im Gebiet des Beklagten streitig sei. Dies ergebe sich daraus, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum auch eine entsprechende Heranziehungssatzung in zulässiger Weise gemäß § 96 BSHG unter anderem kreisangehörige Gemeinden mit der Wahrnehmung eines Teils seiner Aufgaben als öffentlicher Träger der Sozialhilfe beauftragt habe und daher die Verpflichtung zur Kostenerstattung i.S.d. § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG i.V.m. § 107 BSHG auch dann vorliegen könne, wenn - wie hier - Sozialhilfeaufwendungen zwischen kreisangehörigen Gemeinden im Streite stünden.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 107 Abs. 1 BSHG lägen im Hinblick auf die vom Beklagten mit Bescheid vom 27. November 2000 festgesetzte Erstattungsforderung jedoch nicht vor. Die Festsetzung der Summe von 9.510,77 DM für Leistungen an den Hilfeempfänger ... sei nicht gerechtfertigt gewesen. Im Hinblick auf Leistungen an diese Person sei eine Kostenerstattungspflicht der Klägerin auf der Grundlage des § 107 Abs. 1 BSHG bereits durch § 107 Abs. 2 BSHG ausgeschlossen. Nach den vom Beklagten dem Gericht übermittelten Unterlagen der Meldebehörde sei der Hilfeempfänger nur in der Zeit vom 21. November 1999 bis 20. Dezember 1999 für den Bereich der Klägerin gemeldet gewesen und habe dort, wenn überhaupt, nur für einen Zeitraum von weniger als 2 Monate Hilfe erhalten. Dementsprechend sei die mit der Gesamtabrechnung 2000 vorgenommene, auf den Hilfeempfänger bezogene Festsetzung der Kostenerstattung in Höhe von 9.510,77 DM bereits rechtswidrig gewesen. Im Übrigen lägen zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 107 Abs. 1 BSHG vor. Einer Kostenerstattungspflicht der Klägerin stehe indessen die Regelung des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG entgegen. Auch diese Vorschrift sei auf Grund der in § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG ohne erkennbare Einschränkungen angeordneten Rechtsgrundverweisung auf den Abschnitt 9 des BSHG entsprechend anwendbar. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die "Bagatellgrenze" i.S.v. § 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG nicht auf die insgesamt festgesetzte Kostenerstattungsforderung anzuwenden, sondern auf denjenigen Kostenbeitrag, der nach Maßgabe der 30 %-Regelung des § 27 Abs. 1 FAG im jeweils gemäß § 107 Abs. 1 BSHG erstattungspflichtigen Einzelfall ermittelt und festgesetzt worden sei. Die Einzelsummen überstiegen - mit Ausnahme der bereits nach § 107 Abs. 2 BSHG nicht kostenerstattungspflichtigen Erstattungssumme für den Hilfeempfänger ... - in keinem Fall die im Jahre 1999 bzw. 2000 gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG in den Jahren 1999 bzw. 2000 geltende Bagatellgrenze von 5.000,-- DM. Der "gesamtabrechnende" Bescheid vom 29. November 2000 erweise sich daher, soweit der Beklagte eine über den Betrag von 48.910,07 DM hinausgehende Kostenerstattungspflicht der Klägerin von weiteren 16.838,93 DM (= 8.609,61 Euro) für nicht von dieser anerkannten Kostenerstattungsfälle gemäß § 107 Abs. 1 BSHG festgesetzt habe, insgesamt als rechtswidrig und sei insoweit aufzuheben.

Aus den vorgenannten Gründen seien auch die "gesamtabrechnenden" Bescheide vom 11. März 2002 und 14. Januar 2003 rechtswidrig. Der mit dem Klagantrag zu 2) verfolgte Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von insgesamt 21.035,19 Euro sei gemäß § 113 Abs. 4 VwGO begründet.

Gegen das dem Beklagten am 25. August 2003 zugestellte Urteil hat dieser am 23. September 2003 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 08. Oktober 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte macht geltend: Gemäß § 27 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FAG seien die kreisangehörigen Gemeinden verpflichtet, ihm 30 % seiner Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Der § 107 BSHG finde i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG auch im Verhältnis zwischen den Gemeinden desselben Sozialhilfeträgers Anwendung. Die Klägerin sei daher verpflichtet, bis zu 2 Jahren 30 % der Sozialhilfeaufwendungen zu tragen, die für solche Personen anfielen, die aus ihrem Gebiet in das einer anderen Gemeinde im Bereich des Beklagten verzögen.

§ 107 Abs. 2 BSHG greife im Falle des Hilfeempfängers ... nicht. Diese Norm regele den Fall, dass der Hilfeempfänger in der Zuzugsgemeinde über einen zusammenhängenden Zeitraum von 2 Monaten keine Hilfe erhalte. Herr ... habe im Bereich der Klägerin, die Ursprungsgemeinde i.S.d. § 107 Abs. 2 BSHG sei, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, der kürzer als zwei Monate gewesen sei. Dies sei aber für die Begründung der Erstattungspflicht gegenüber der Zuzugsgemeinde unerheblich.

Die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG finde keine Anwendung.

Bereits von der Systematik des Gesetzes her beziehe sich § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG, der den Verweis auf den Abschnitt 9 des BSHG enthalte, lediglich auf die Frage, welche kreisangehörige Gemeinde diejenige sei, in der der Aufwand i.S.d. § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG entstehe. Die Höhe der Erstattung sei dagegen abschließend in § 27 Abs. 1 FAG mit 30 % aller Sozialhilfeaufwendungen festgelegt. Einschränkungen dieser pauschal festgelegten Höhe sollten nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 27 Abs. 1 FAG nur nach Maßgabe von § 27 Abs. 3 FAG möglich sein. Hätte der Verweis auf den Abschnitt 9 des BSHG auch die Höhe der Erstattung betreffen sollen, hätte er, systematisch korrekt, in einem vierten, sich auf die ersten beiden Absätze beziehenden Absatz stehen müssen. In Absatz 1 hätte außerdem ein ausdrücklicher Verweis auf die Einschränkungen durch diesen Absatz 4 stehen müssen sowie in Absatz 1 auch auf die Einschränkungen durch Absatz 3 verwiesen werde. Statt dessen habe der Gesetzgeber den Verweis auf Abschnitt 9 BSHG als Nachsatz zu § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG placiert, er erlange Geltung deshalb auch nur für den vorstehenden Satz.

Eine Anwendung von § 111 Abs. 2 BSHG auf die Erstattungsforderung des Beklagten würde auch in mehrfacher Hinsicht dem Zweck von § 27 FAG widersprechen. Insoweit wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Beklagten unter Bezugnahme auf einen in der Hilfeakte des Hilfeempfängers ... befindlichen Vermerk der Stadt ... ergänzend ausgeführt, dass sich der Hilfeempfänger Ende November 1999 von seiner Ehefrau getrennt habe und deshalb aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und nach ... verzogen sei. Nachdem sich die Eheleute wieder versöhnt hätten, sei der Hilfeempfänger Ende Dezember 1999 wieder in die eheliche Wohnung zurückgekehrt.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Zum Fall des Hilfeempfängers ... trägt sie ergänzend vor: Der Hilfeempfänger habe ganz offensichtlich in ihrem Bereich einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht begründet. Wie sich aus den bei den Gerichtsakten befindlichen Meldebescheinigungen ergebe, sei der Hilfeempfänger nur für einen Monat in ... gemeldet gewesen und habe sich unter gleicher Anschrift zuvor in ... abgemeldet und dann in ... wieder angemeldet. Der Hilfeempfänger sei mithin gar nicht vom Ort seines bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzogen. Es handele sich vielmehr ersichtlich um einen Versuch, Sozialhilfe zu erschleichen. Nach Auskunft der Vermieterin in ... sei ihm eine kleine Dachgeschosswohnung vermietet worden. Er sei damals nur mit ein paar Habseligkeiten in Plastiktüten eingezogen und habe keine Möbel mitgebracht. Er habe sich nur selten im Haus aufgehalten. Eine Monatsmiete habe er gezahlt. Angesichts dieses Sachverhalts sei zumindest zweifelhaft, ob Herr ... tatsächlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 30 Abs. 3 SGB I in ... begründet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist überwiegend begründet.

Die Anfechtungsklage der Klägerin ist unzulässig.

Die Schreiben des Beklagten vom 29. November 2000, 11. März 2002 und 14. Januar 2003 sind weder der Form noch ihrem Inhalt nach Verwaltungsakte, die im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO angefochten werden könnten.

Die genannten Schreiben sind mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Auch wenn daraus noch nicht der Schluss gezogen werden kann, dass allein deshalb die Schreiben nicht als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, gibt dieser Umstand zumindest den Hinweis, dass der Absender sie nicht als Verwaltungsakte verstanden wissen wollte (BVerwG, Urt. v. 26.06.1987 - 8 C 21/86 -, BVerwGE 78, 3). Entscheidend ist der Empfängerhorizont, d.h. wie der Adressat den Inhalt des Schreibens unter Berücksichtigung des Wortlauts, des Gesamtverhaltens des Absenders und aller dem Absender erkennbar gewordenen Begleit- und Nebenumstände hat verstehen müssen (vgl. Urt. d. Senats v. 26.01.2000 - 2 L 236/98 -). Die Klägerin ist als amtsfreie, hauptamtlich verwaltete Gemeinde erfahren im Umgang mit dem Verwaltungsverfahrensrecht und erlässt selbst Verwaltungsakte. An sie sind daher höhere Anforderungen zu stellen als an einen Normalbürger.

Dem Wortlaut des Anschreibens vom 29. November 2000 ist lediglich zu entnehmen, dass hinsichtlich der nicht anerkannten Kostenerstattungsanträge einzelner Gemeinden (gemeint sind damit die hier streitigen Forderungen, deren Ausgleich nach der im Kreis praktizierten Verfahrensweise zwischen den Gemeinden - soweit anerkannt - direkt erfolgt) Verrechnungen gemäß Anlage in Höhe des Gemeindeanteils vorgenommen wurden. In der Anlage ist unter "Verrechnung nicht anerkannter Kostenerstattungen nach § 107 BSHG" ein Betrag von 16.838,93 DM ausgewiesen. Abschließend wird die Klägerin in der Anlage aufgefordert, u.a. auch diesen Betrag an die Kreiskasse zu überweisen. Weder der Form noch dem Inhalt des Anschreibens und der Anlage sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Beklagte über die schlichte Zahlungsaufforderung hinaus die Klägerin im Wege eines Verwaltungsaktes zur Leistung verpflichten wollte. Die verwandten Begriffe, Jahresabrechnung und Verrechnung, sprechen gegen die Annahme eines Verwaltungsaktes.

Unter Verrechnung ist der Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen zwei oder mehreren Personen zu verstehen. Besonders geregelte Fälle der Verrechnung sind die Aufrechnung (§§ 387 f. BGB) und der Kontokorrent (§ 355 Abs. 1 HGB). Die Aufrechnungserklärung ist für sich allein noch kein Verwaltungsakt (BVerwG, Urt. v. 27.10.1982 - 3 C 6.82 -, BVerwGE 66, 218). Entsprechendes gilt für die Verrechnung.

Der Beklagte hat auch keinen öffentlich-rechtlichen, hoheitlichen Leistungsgrund angeführt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 26.06.1987, a.a.O.). Der geltend gemachte Zahlungsanspruch wird - soweit streitig - als Kostenerstattung nach § 107 BSHG bezeichnet. Kostenerstattungsansprüche nach § 107 BSHG sind im Wege der Leistungsklage und nicht durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Nichts anderes ergibt sich aus § 27 Abs. 1 FAG, der für die Klägerin erkennbar im Zusammenhang mit § 107 BSHG Rechtsgrund für den geltend gemachten Anspruch sein soll. Danach haben die kreisangehörigen Gemeinden den Kreisen 30 % der diesen nach § 26 Satz 1 und 3 FAG zur Last fallenden Aufwendungen zu erstatten. Die Vorschrift begründet bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar einen Zahlungsanspruch des Kreises gegenüber den Gemeinden, ohne dass es der Umsetzung der gesetzlichen Regelung durch einen Verwaltungsakt bedarf. Kreis und Gemeinden stehen sich insoweit nicht in einem Subordinationsverhältnis gegenüber, sondern sind gleichgestellt.

Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass der Beklagte u.a. auch die Klägerin gemäß §§ 96 Abs. 1 BSHG, 4 Abs. 2 AG-BSHG durch Heranziehungssatzung beauftragt hat, ihm obliegende Aufgaben der Sozialhilfe durchzuführen und in seinem Namen zu entscheiden. Zum einen findet § 27 Abs. 1 FAG auch dann Anwendung, wenn ein solches Auftragsverhältnis nicht besteht, zum anderen findet im Hinblick auf die Frage der Kostentragung, weil weder § 96 BSHG noch das AG-BSHG insoweit eine Regelung trifft, § 91 SGB X Anwendung. Danach haben die beauftragten Gemeinden Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen (vgl. auch § 7 Abs. 1 der Heranziehungssatzung des Beklagten), der ebenfalls durch Leistungsklage geltend zu machen und nicht vom Beklagten durch Leistungsbescheid festzusetzen ist.

Für die Schreiben vom 11. März 2002 und 14. Januar 2003 gilt Entsprechendes. In diesen Schreiben teilt der Beklagte lediglich mit, dass eine Kostenerstattungsforderung nach § 107 BSHG mit Abschlagzahlungen wegen der Durchführung von Aufgaben der Sozialhilfe verrechnet worden sei. In diesem Schreiben hat die Klägerin zunächst auch keine Verwaltungsakte gesehen und vermutlich deshalb auch keine Widersprüche eingelegt, sondern lediglich den geltend gemachten Zahlungsanspruch im Klageverfahren erweitert. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin beantragt, auch die "Bescheide" vom 11. März 2002 und 14. Januar 2003 teilweise aufzuheben.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten nur einen Zahlungsanspruch in Höhe von 505,85 Euro. Im Übrigen ist die Leistungsklage unbegründet und die Berufung des Beklagten begründet.

Rechtsgrundlage des streitigen Anspruchs des Beklagten auf Erstattung von 30 % der ihm als örtlichen Träger der Sozialhilfe nach § 26 Satz 1 und 3 FAG a.F. zur Last fallenden Aufwendungen ist § 27 Abs. 1 FAG a.F.. Die Neufassungen der Vorschriften der §§ 26, 27 FAG sind erst zum 01. Januar 2003 in Kraft getreten (GVOBl. S. 239) und nicht einschlägig, weil nur Erstattungsforderungen aus Jahren bis 2002 im vorliegenden Fall streitig sind.

Zur Kostenerstattung nach Absatz 1 ist gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 grundsätzlich diejenige kreisangehörige Gemeinde verpflichtet, in der der Aufwand entstanden ist, es sei denn, es sind Fallgestaltungen gegeben, die denen des 9. Abschnitts des BSHG entsprechen. Dies folgt aus § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG, der den 9. Abschnitt des BSHG für entsprechend anwendbar erklärt.

Der 9. Abschnitt des BSHG regelt die Kostenerstattung zwischen Trägern der Sozialhilfe und insbesondere § 107 BSHG die Kostenerstattung bei Umzug von hilfebedürftigen Personen in den Zuständigkeitsbereich eines anderen örtlichen Sozialhilfeträgers. Ohne die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift könnte der Zweck des § 27 Abs. 1 FAG, die Kreise von den Aufwendungen der Sozialhilfe in Höhe von 30 v. H. zu entlasten, in den genannten Umzugsfällen nicht eintreten, weil die Aufwendungen in einer Gemeinde außerhalb des Kreisgebietes anfallen. Der Rückgriff auf eine kreisangehörige Gemeinde ist somit nicht möglich, obwohl der Kreis als örtlicher Sozialhilfeträger dem nunmehr zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger bis zwei Jahre seit dem Aufenthaltswechsel bei Vorliegen der Voraussetzungen zu 100 % kostenerstattungspflichtig ist. In erster Linie regelt die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 2 BSHG i.V.m. § 107 BSHG mithin den Kostenausgleich bei Umzug hilfebedürftiger Personen verbunden mit einem Zuständigkeitswechsel des örtlichen Sozialhilfeträgers. Den Kostenausgleich in Höhe von 30 v. H. nach § 27 Abs. 1 FAG hat in diesen Fällen abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG gemäß Satz 2 die Gemeinde zu leisten, aus der die hilfebedürftige Person verzogen ist (Ursprungsgemeinde). Richtig ist, dass in den Umzugsfällen die Ursprungsgemeinde nicht wegen der Kostenbeteiligung dazu angehalten wird, kostenbewusst zu handeln, weil über die Sozialhilfegewährung anderen Orts entschieden wird. Die kostenbewusste Aufwandserfüllung durch die Gemeinden in Angelegenheiten der Sozialhilfe ist neben der Kostenentlastung der Kreise jedoch nur ein weiterer Zweck der Regelung des § 27 Abs. 1 FAG, der auch dann nicht greift, wenn und soweit kreisangehörige Gemeinden und Ämter nicht nach §§ 96 BSHG, 4 Abs. 2 AG-BSHG zur Durchführung der dem örtlichen Sozialhilfeträger obliegenden Aufgaben herangezogen werden. Gleichwohl hat auch dann die kreisangehörige Gemeinde den 30 %igen Anteil an den Aufwendungen der Sozialhilfe zu tragen.

Hat mithin die Ursprungsgemeinde bei Umzug sozialhilfebedürftiger Personen in ein anderes Kreisgebiet den 30 %igen Aufwandsanteil zu tragen, kann bei Umzug innerhalb des Kreisgebietes nichts anderes gelten. Die Interessenlage ist vergleichbar. Da u.a. § 107 BSHG gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG nur entsprechende Anwendung findet, sind auch die Umzugsfälle innerhalb des Kreisgebietes von der Bezugnahme auf den 9. Abschnitt des BSHG mit erfasst, obwohl die Vorschrift in direkter Anwendung nur die Kostenerstattung zwischen örtlichen Trägern der Sozialhilfe regelt.

Zwar entsteht bei Umzug innerhalb des Kreisgebietes der Aufwand in einer kreisangehörigen Gemeinde, der Rückgriff auf die Zuzugsgemeinde seitens des Kreises wegen des 30 %igen Anteils gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG wäre aber sachlich nicht gerechtfertigt. Aus der Sicht der Zuzugsgemeinde macht es keinen Unterschied, ob die zuziehende hilfebedürftige Person aus einer kreisangehörigen Gemeinde oder von außerhalb des Kreises kommt. Bei Zuzug von außerhalb des Kreisgebietes hat sich die Zuzugsgemeinde 2 Jahre nicht an den Kosten der Sozialhilfe zu beteiligen, weil der aufnehmende Kreis als örtlicher Sozialhilfeträger einen Kostenerstattungsanspruch in direkter Anwendung des § 107 BSHG gegen den früher zuständigen Sozialhilfeträger hat und deshalb bereits seine Aufwendungen erstattet bekommt. Gleiches muss für die Zuzugsgemeinde bei entsprechender Anwendung des § 107 BSHG - wie sie in § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG vorgesehen ist - gelten, wenn die hilfebedürftige Person aus einer anderen kreisangehörigen Gemeinde zuzieht. Allein systemgerecht erscheint auch die Gleichbehandlung der Ursprungsgemeinde, unabhängig davon, ob die hilfebedürftige Person innerhalb des Kreises oder in einen Nachbarkreis verzieht. Im letzteren Fall ist der abgebende Kreis in der direkten Anwendung des § 107 BSHG kostenerstattungspflichtig und die Ursprungsgemeinde nach dem oben Gesagten in Höhe von 30 % an den Aufwendungen zu beteiligen. Ihre Freistellung von diesem Kostenanteil zu Lasten der Zuzugsgemeinde bei Umzug innerhalb des Kreisgebietes entbehrt jeder sachlichen Berechtigung.

Nach alledem findet § 107 BSHG gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG grundsätzlich auch bei Umzug einer hilfebedürftigen Person innerhalb des Kreisgebietes in eine andere Gemeinde entsprechende Anwendung. Voraussetzung für die Erstattungspflicht ist aber, dass die hilfebedürftige Person i.S.d. § 107 Abs. 1 BSHG vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts in eine andere Gemeinde verzogen ist. Die Klägerin behauptet, der Hilfeempfänger ... habe in ... keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Sie schließt dies aus dem Umstand, dass Herr ... nur für einen Monat (vom 20. November bis 20. Dezember 1999) in ... gemeldet gewesen sei und sich unter gleicher Anschrift (Avenue St. Sebastian 7 b) in ... abgemeldet und wieder angemeldet habe. Er sei mithin gar nicht vom Ort seines bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzogen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung trifft dies nicht zu. Der Hilfeempfänger hat sich Ende November 1999 von seiner Ehefrau getrennt, ist zunächst nach ... verzogen und dann in die eheliche Wohnung nach ... zurückgekehrt, weil er sich mit seiner Ehefrau wieder versöhnt hatte. Allein die Tatsache, dass er sich nur einen Monat in ... aufgehalten hat, steht der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes nicht entgegen. Vielmehr hat er nach Trennung von seiner Ehefrau in ... eine Wohnung bezogen und inne gehabt. Er hat sich dort "bis auf Weiteres" zunächst im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufgehalten, hatte bis zur Rückkehr in die eheliche Wohnung dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1999 - 5 C 11.98 -, FEVS 49, 443) und somit in ... einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I begründet, wenn auch - wegen der Versöhnung mit seiner Ehefrau - letztlich nur für kurze Zeit.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Kostenerstattungspflicht der Klägerin nicht schon durch § 107 Abs. 2 BSHG ausgeschlossen. Nach § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG endet die Kostenerstattungspflicht, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von 2 Monaten (am Zuzugsort) keine Hilfe zu gewähren war. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind ersichtlich nicht erfüllt, weil Herr ... in ... unmittelbar nach seiner Rückkehr Ende Dezember 1999 innerhalb eines Monats (§ 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG) ab Januar 2000 bis einschließlich Februar 2001 Sozialhilfe erhalten hat.

Die Klägerin kann ihrer Kostenerstattungspflicht auch nicht entgegenhalten, dass ein (erneuter) Umzug eines Hilfeempfängers innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des nunmehr zuständigen örtlichen Sozialhilfeträgers die gemäß § 107 BSHG entstandene Kostenerstattungspflicht des bisher zuständigen Sozialhilfeträgers nicht beendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.2003 - 5 C 15.02 -, BVerwGE 117, 364). Vorliegend geht es lediglich um die entsprechende Anwendung des § 107 BSHG. Mit der Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in ... Ende November 1999 und dem tatsächlichen Aufenthalt in ... hatte entsprechend § 107 BSHG die Gemeinde ... als sogenannte Ursprungsgemeinde den 30 %igen Anteil an den in ... anfallenden Sozialhilfeaufwendungen zu tragen. Diese Erstattungspflicht nach § 27 FAG endete bei entsprechender Anwendung des § 107 BSHG in Fällen des Umzugs innerhalb des Kreisgebietes ebenso wie die Erstattungspflicht des bisherigen Sozialhilfeträgers in direkter Anwendung des § 107 BSHG endet, wenn die hilfebedürftige Person während des der Kostenerstattung zugrunde liegenden Zeitraums von 2 Jahren (§ 107 Abs. 2 BSHG) in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers verzieht (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. v. 06.02.2003, a.a.O.; LPK-BSHG, 6. Aufl., § 107 Rdnr. 20).

Anders ist der Kostenerstattungsfall der Frau ... zu beurteilen.

Frau ... ist (wohl) von ... nach ... in das Gebiet des Beklagten verzogen. In ... hatte sie bis zum 01. Dezember 2000 Sozialhilfeleistungen bezogen. In Rei...nbek ist sie seit dem 12. Februar 2001 gemeldet und bezog dort vom 22. Februar 2001 bis 30. Juni 2001 Sozialhilfeleistungen. Auch wenn sie - soweit ersichtlich - in der Zeit von Dezember 2000 bis Mitte Februar 2001 tatsächlich keine Sozialhilfeleistungen erhalten haben sollte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie in diesem Zeitpunkt nicht bedürftig war. Allein darauf kommt es nach § 107 Abs. 1 BSHG an. Kostenerstattungspflichtig war mithin die Stadt ... für längstens 2 Jahre nach dem Aufenthaltswechsel. Da sich die Hilfeempfängerin - soweit ersichtlich - nach ihrem Fortzug aus ... im Gebiet des Beklagten (wenn auch an wechselnden Orten) aufgehalten hat, jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass sie außerhalb des Kreises bis einschließlich November 2002 einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, ist die Kostenerstattungspflicht der Stadt ... gegenüber dem Beklagten auch nicht bis November 2001 entfallen, es sei denn, es war gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG für einen zusammenhängenden Zeitraum von 2 Monaten keine Hilfe zu gewähren. Dies dürfte auszuschließen sein. Tatsächlich bezog die Hilfeempfängerin - soweit ersichtlich - von der Stadt Reinbek vom 22. Februar 2001 bis 30. Juni 2001 Sozialhilfe erhielt. Ab 10. August 2001 bis 01. November 2001 hat sie ab und zu von der Klägerin Tagessätze für Durchreisende und ab Februar 2002 bis einschließlich November 2002 die hier streitigen laufenden und einmaligen Leistungen in Höhe von insgesamt 1.686,18 Euro erhalten. Mit welchen Mitteln die Hilfeempfängerin im Übrigen ihren Lebensunterhalt bestritt, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn die Kostenerstattungspflicht der Stadt ... vor dem 01. Februar 2002 entfallen sein sollte und der Beklagte deshalb nicht schon wegen des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Stadt ... an der Beteiligung einer seiner kreisangehörigen Gemeinden an den ihm entstandenen Sozialhilfeaufwendungen gehindert ist, ist jedenfalls nicht die Klägerin nach § 27 FAG für den im Zeitraum von Februar bis November 2002 in ... entstandenen Aufwand erstattungspflichtig. Voraussetzung wäre - wie bereits ausgeführt -, dass sie in ... ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte und von dort nach ... verzogen ist. Nach ihren Angaben hat sich die Hilfeempfängerin vor Februar 2002 bei ihrem Ehemann in ..., ..., aufgehalten. Hierbei handelt es sich jedoch um ein gemeindeeignes Haus, das für die Unterbringung männlicher Asylbewerber und Obdachloser genutzt wird. Es kann ausgeschlossen werden, dass sie sich dort i.S.d. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I unter Berichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 18.03.1999, a.a.O.) "bis auf Weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufgehalten und dort den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hatte, vielmehr dürfte der Aufenthalt in einem "Männerheim" für eine Frau nur als ein vorübergehendes Verweilen zu qualifizieren sein.

Der Beklagte hat daher zu Unrecht 30 % von 1.686,18 Euro, mithin 505,85 Euro von der Abschlagszahlung für Februar 2003 in Abzug gebracht und hat diesen Betrag der Klägerin nachzuzahlen.

Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass in weiteren Erstattungsfällen Besonderheiten vorliegen, die eine Kostenbeteiligung der Klägerin an den Sozialhilfeaufwendungen des Beklagten ausschließen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts findet die Bagatellregelung des § 111 Abs. 2 BSHG keine entsprechende Anwendung.

Dem Beklagten kann allerdings nicht darin gefolgt werden, dass bei entsprechender Anwendung des § 111 Abs. 2 BSHG in sämtlichen Fällen der Kostenbeteiligung nach § 27 FAG geprüft werden müsse, ob die Bagatellgrenze überschritten ist.

Selbst wenn man - wie das Verwaltungsgericht - die Auffassung vertritt, dass wegen der uneingeschränkten Bezugnahme auf den 9. Abschnitt des BSHG in § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG eine entsprechende Anwendung auch des § 111 Abs. 2 BSHG nicht ausgeschlossen werden könne, kann dies wegen des Zusammenhangs mit den vorstehenden Regelungen der §§ 103 bis 109 BSHG nicht für sämtliche Kostenerstattungsfälle gemäß § 27 FAG gelten, sondern nur für die, in denen den Vorschriften des §§ 103 bis 109 BSHG entsprechende Tatbestände gegeben sind.

Es ist jedoch der Ansicht des Beklagten zu folgen, dass aus systematischen Gründen eine entsprechende Anwendung des § 111 Abs. 2 BSHG ausscheidet. Die Regelung in § 27 Abs. 2 Satz 2 FAG, dass der 9. Abschnitt des BSHG entsprechend anzuwenden ist, knüpft unmittelbar an § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG an, der regelt, dass zur Kostenerstattung diejenige kreisangehörige Gemeinde verpflichtet ist, in der der Aufwand entsteht. Der 9. Abschnitt des BSHG regelt die Kostenerstattung zwischen Trägern der Sozialhilfe, d.h. Fälle in denen Aufwand im Gebiet eines Sozialhilfeträgers entsteht, der letztlich im Wege der Kostenerstattung von einem anderen Sozialhilfeträger getragen werden soll. Sollen diese Regelungen nach dem FAG entsprechende Anwendung finden, so kann dies im Kontext mit § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG nur bedeuten, dass abweichend hiervon - wie in Bezug auf die Vorschrift des § 107 BSHG bereits erörtert - nicht die Gemeinde den 30 %igen Anteil zu tragen hat, in der er entsteht, sondern die Herkunftsgemeinde des Hilfeempfängers. Demgegenüber regelt § 111 BSHG nicht wer kostenerstattungspflichtig ist, sondern den Umfang der Kostenerstattung. Der Umfang der Kostenbeteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den dem Kreis als örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Last fallenden Sozialhilfeaufwendungen ist jedoch bereits abschließend in § 27 Abs. 1 FAG geregelt. § 27 FAG ist eine Finanzausgleichsregelung. Es geht daher nicht um die Kostenaufteilung im sozialhilferechtlichen Einzelfall, sondern um eine verhältnismäßige Kostenlastverteilung zwischen einerseits dem Kreis und andererseits den kreisangehörigen Gemeinden in Bezug auf sämtliche Sozialhilfeaufwendungen, soweit nicht § 27 Abs. 3 FAG Anwendung findet, und zwar im Verhältnis von 70 : 30. Eine Einzelfallbetrachtung ist insoweit ohne Bedeutung. § 111 Abs. 2 BSHG stellt aber auf den sozialhilferechtlichen Einzelfall ab. Soweit eine Einzelfallbetrachtung zur Bestimmung der jeweiligen kostenerstattungspflichtigen Gemeinde nach § 27 Abs. 2 FAG erforderlich ist, bleibt hiervon die verhältnismäßige Kostenlastverteilung zwischen Kreis und Gemeinden unberührt. Anderenfalls würde der Zweck der Regelung des § 27 Abs. 1 FAG nicht erreicht.

Eine Anwendung der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG nur auf die Fälle der §§ 103 bis 109 BSHG macht zudem keinen Sinn. Eine weitergehende Anwendung auf alle Kostenbeteiligungsfälle ist - wie ausgeführt - ausgeschlossen. Ein nachvollziehbarer Grund, warum eine nach § 27 Abs. 2 Satz 1 FAG kostenerstattungspflichtige Gemeinde unabhängig von einer Bagatellgrenze immer den 30 %igen Anteil zu tragen hat, obwohl in einer Vielzahl von Einzelfällen die Grenze des § 111 Abs. 2 BSHG nicht überschritten wird, während in den Fällen der Kostenerstattung in entsprechender Anwendung des 9. Abschnitts des BSHG die Bagatellgrenze gelten soll, ist nicht ersichtlich. Schließlich soll die Regelung des § 111 Abs. 2 BSHG bewirken, dass sich Sozialhilfeträger nicht über relativ geringfügige Beträge streiten, zumal sie sowohl Kostengläubiger als auch Kostenschuldner sein können und deshalb ein gewisser Ausgleich stattfindet. Anders verhält es sich jedoch bei der Kostenbeteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den Sozialhilfeaufwendungen des Kreises. Die Anwendung einer Bagatellgrenze ginge immer und ausschließlich zu Lasten des Kreises.

Der Beklagte hat nach alledem zu Recht von der Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2000 "Kostenerstattungen nach § 107 BSHG" in Höhe von 16.838,93 DM gefordert. Die Verrechnung von Kostenerstattungen mit Schreiben vom 11. März 2002 und 14. Januar 2003 mit Abschlagszahlungen wegen der Durchführung von dem Kreis obliegenden Aufgaben der Sozialhilfe ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Gegenteiliges wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da hierfür Gründe i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.



Ende der Entscheidung

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