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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.06.2006
Aktenzeichen: 2 OG 1/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 152 a
Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sind Gegenvorstellungen als außerordentliche Rechtsbehelfe nicht mehr zulässig.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 2 OG 1/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Bescheinigungen aufgrund abgaberechtlicher Vorschriften - Steuererleichterungen gemäß §§ 7 i, 10 f, 10 g und 11 b EStG -

hier: Gegenvorstellung

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 15. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen die im Beschluss vom 29. März 2006 zum Verfahren - 2 LA 120/05 - vorgenommene Streitwertfestsetzung wird verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten dieses Verfahrens.

Gründe:

Die Gegenvorstellung der Beklagten ist unzulässig.

Eine Gegenvorstellung war als Rechtsbehelf außerhalb eines förmlichen Rechtsmittelverfahrens zwar weitgehend anerkannt. Sie war auch statthaft gegen Beschlüsse, die mit der Beschwerde nicht angreifbar sind, etwa gemäß § 152 Abs. 1 oder § 158 Abs. 1 VwGO. Ihre Zulässigkeit beschränkte sich jedoch schon immer auf Fälle, in denen die unanfechtbare Entscheidung offensichtlich fehlerhaft war, grobes prozessuales Unrecht und einen unerträglichen Missgriff darstellte. Sie war kein Rechtsbehelf, mit dem generell eine weitere Überprüfung der Entscheidung auf etwaige Fehler erreicht werden konnte (std. Rspr., vgl. Senatsbeschl. v. 20.03.2003 - 2 OG 8/03 -).

Der Senat schließt sich aber der Auffassung an, dass für eine Gegenvorstellung gegen unanfechtbare gerichtliche Entscheidungen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3220) am 01. Januar 2005 kein Raum mehr ist. Nach der durch das vorgenannte Gesetz in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügten Vorschrift des § 152 a ist nach deren Absatz 1 Satz 1 das Verfahren fortzuführen, wenn die Entscheidung nicht anderweitig anfechtbar ist und das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Mit der Einfügung dieser Vorschrift sind sonstige außerordentliche Rechtsbehelfe, wie etwa Gegenvorstellungen, gegen unanfechtbare Entscheidungen nicht mehr statthaft. Die Gegenvorstellung gehört zu den außerordentlichen Rechtsbehelfen. Solche "außerhalb des geschriebenen Rechts" geschaffenen Rechtsbehelfe sind unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003 - 1 PBvU I/02 -, BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924). Danach besteht keine Veranlassung, nach Einführung der Anhörungsrüge weiterhin eine Gegenvorstellung gegen unanfechtbare Entscheidungen zuzulassen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 08.02.2006 - 11 LA 82/05 -, juris).

Der Rechtsbehelf der Beklagten könnte auch dann keinen Erfolg haben, wenn die Gegenvorstellung in eine nach § 152 a VwGO zulässige Anhörungsrüge umgedeutet werden könnte. Zwar ist die Zwei-Wochen-Frist des § 152 a Abs. 2 VwGO gewahrt, doch hat die Beklagte nicht dargelegt, dass mit dem angefochtenen Beschluss der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein könnte. Die Beklagte hält vielmehr die Auffassung des Senats, dass bei der umstrittenen Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen erhöhter Absetzungen bei einem Baudenkmal nach §§ 7 i, 10 f, 11 b EStG der zu erwartende Zins- bzw. Liquiditätsvorteil den Wert des Streitgegenstandes ausmacht, für unzutreffend und begehrt ausdrücklich eine Überprüfung dieser Rechtsauffassung. Unbeschadet der Frage, ob mit der Anhörungsrüge nach § 152 a VwGO nicht nur bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch bei vergleichbar klar überprüfbaren Verstößen gegen sonstige Verfahrensgrundrechte vorgegangen werden kann (vgl. VGH Bad.-W., Beschl. v. 02.02.2005 - 3 S 83/05 -, NJW 2005, 920), kann sie jedoch nicht dazu dienen, eine erneute materiell-rechtliche Würdigung der angegriffenen Entscheidung vorzunehmen. Mit der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung im Anhörungsrügengesetz ab 01. Januar 2005 nur in Fällen der Verletzung rechtlichen Gehörs dem entscheidenden Gericht die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen, wäre es unvereinbar, § 152 a VwGO als einen über seinen klaren Regelungsgehalt wesentlich hinausgehenden allgemeinen Rechtsbehelf gegen rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zu begreifen. Insoweit fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (VGH Bad.-W., a.a.O., vgl. auch OVG Lüneburg, a.a.O., Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 152 a Rdnr. 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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