Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.07.2002
Aktenzeichen: 21 A 339/02
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 47
AuslG § 48
Einer Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen steht es nicht notwendig entgegen, dass die Reststrafe gemäß § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Prognose im ausländerrechtlichen Verfahren folgt anderen Grundsätzen als die Prognose zu einer Wiederholungsgefahr durch die Strafvollstreckungskammer.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 21 A 339/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Ausweisung

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 21. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2002 durch den Richter am Verwaltungsgericht als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Ausweisungsverfügung des Beklagten.

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste im Dezember 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Asylanerkennung. Gegen die Ablehnung des Asylantrages und die Abschiebungsandrohung hat der Kläger sodann erfolglos Klage erhoben; die Klage wurde mit Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21.08.1991 (14 A 380/90) abgewiesen. Ein Folgeantrag des Klägers vom 08.07.1993 führte nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Die diesbezüglich vom Kläger erhobene Klage wurde mit Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 14.10.1994 (5 A 368/94) abgewiesen. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Ein erneuter Folgeantrag vom 10.07.1995 führte dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland mit Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 11.11.1996 (5 A 478/95) zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens verurteilt wurde. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, es sei der Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung nunmehr in Betracht zu ziehen. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29.08.1997 wurde der Asylantrag abgelehnt und es wurden auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 AuslG verneint. Die diesbezüglich vom Kläger erhobene Klage wurde vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23.07.2002 abgewiesen (21 A 339/02).

Im Laufe des Asylverfahrens hat der Kläger Straftaten begangen und dies hat zu dem vorliegenden ausländerrechtlichen Verwaltungsrechtsstreit geführt. Nachdem der Kläger bereits im Jahre 1992 einmal zu einer Jugendstrafe von neun Monaten (auf Bewährung) wegen eines Betäubungsmitteldeliktes (Handel mit Heroin) verurteilt worden war (Urteil des Amtsgerichtes Hamburg vom 26.08.1992), folgte im Jahre 1997 eine Verurteilung wegen eines Betäubungsmitteldeliktes und wegen Waffenbesitz. Das Landgericht Itzehoe verurteilte den Kläger - rechtskräftig - mit Urteil vom 12.02.1997 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, wobei er in drei Fällen gemeinschaftlich handelte und wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf das bei den beigezogenen Akten befindliche Urteil Bezug genommen. Mit Bescheid vom 23.07.1998 verfügte der beklagte Kreis als zuständige Ausländerbehörde die Ausweisung des Klägers. Die Verfügung wurde gestützt auf die §§ 45 ff AuslG und dabei wurden general- und spezialpräventive Gesichtspunkte geltend gemacht. Das Europäische Niederlassungsabkommen und der Assoziationsratsbeschluss stünden der Ausweisung nicht entgegen. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 29.07.1998 Widerspruch eingelegt, den er nicht begründet hat. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.1999 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Die zugrundeliegenden Erwägungen zu generalpräventiven Gesichtspunkte wurden noch einmal ausführlich begründet.

Am 15.02.1999 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor:

Die Ausweisung sei unverhältnismäßig, da der Kläger in seiner Heimat als Kurde politisch verfolgt sei. Er habe in seiner Heimat politische Verfolgung erlebt und müsse im Falle einer Rückkehr erneut politische Verfolgung erdulden. Er stehe in der Türkei im Verdacht, Mitglied der verbotenen Arbeiterpartei PKK zu sein und sei einem diesbezüglichen Strafverfahren ausgesetzt. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger Asylbewerber sei und dass sein Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, weil diesbezüglich noch das Klageverfahren anhängig sei. Aus alledem ergebe sich, dass der Kläger gegenwärtig nicht ausgewiesen werden könne. Der unanfechtbare Abschluss des Asylverfahrens sei abzuwarten. Die Abschiebung würde für den Kläger im übrigen eine besondere Härte bedeuten, da für ihn Gefahr für Leib und Leben bestehe. Die Polizei würde ihn auf dem Flughafen sofort verhaften und ihn foltern. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Kläger wegen guter Führung am 15.03.1999 nach Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe vorzeitig auf Bewährung entlassen sei. Bereits seit April 1998 sei er Freigänger. Es sei nicht damit zu rechnen, dass der Kläger wieder straffällig werde. Dies werde in dem Gutachten der Ärztin Massel vom 30.03.1999 ausdrücklich bestätigt. Darin heiße es, es könne nicht festgestellt werden, dass die durch die Tat hervorgetretene Gefährlichkeit des Täters noch andauere. Es sei aus psychiatrischer Sicht nicht damit zu rechnen, dass der Betroffene weitere Straftaten begehe. Inzwischen sei dem Kläger die Reststrafe mit Wirkung vom 29.04.2002 erlassen worden. Der Kläger werde keine weiteren Straftaten begehen. Zum Zeitpunkt der Tat habe er noch einen sehr jugendlichen Charakter gehabt. In den letzten Jahren habe sich der Charakter des Klägers deutlich gefestigt. Er sei erwachsen, diszipliniert und verantwortungsbewusst geworden. Sobald er eine Arbeitserlaubnis erhalte, möchte er einer geregelten Arbeit nachgehen und eine Familie gründen. Derzeit lebe er von Arbeitslosenhilfe, die ihm aufgrund der Beschäftigung während der Strafvollstreckung zustehe. Dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit sei Genüge getan. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung würden eine Ausweisung nicht gebieten, zumal eine Ausweisung angesichts der Verhältnisse in der Türkei unverhältnismäßig sei.

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden; insoweit wird auf die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt den Standpunkt, dass die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist und vertieft und wiederholt hierzu die Begründung der Bescheide. Der Kläger mache zwar geltend, künftig keine weiteren Straftaten begehen zu wollen, es sei jedoch zu befürchten, dass er wieder straffällig werde, wenn er sich ein Bleiberecht im Asylverfahren verschafft habe bzw. im vorliegenden Verfahren Erfolg habe.

Die Kammer hat den Rechtsstreit gemäß § 6 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat insbesondere zum Gesichtspunkt der Spezialprävention weitere Ermittlungen angestellt und hierzu die Akten des Strafverfahrens einschließlich des Bewährungsheftes beigezogen, eine Stellungnahme des Bewährungshelfers angefordert und die aktuelle Situation geklärt. Diesbezüglich wird auf die beigezogenen Beiakten sowie die bei den Gerichtsakten befindlichen Stellungnahmen des Diplompädagogen sowie des Beklagten (einschließlich Bundeszentralregisterauszug) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Ausweisungsverfügung des Beklagten vom 23.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 15.01.1999 ist rechtmäßig. Die Begründung des Widerspruchsbescheides betreffend eine Ausweisung auf der Grundlage des § 47 AuslG aus generalpräventiven Gründen ist zutreffend und hierauf wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen. Die Voraussetzungen einer Ist-Ausweisung liegen vor, ein Ermessen hat der Beklagte nicht. Die hiergegen vom Kläger angeführten Argumente überzeugen nicht.

Soweit der Kläger darauf verweist, er sei in der Türkei politisch verfolgt und sein diesbezügliches Asylverfahren sei noch nicht abgeschlossen, so dass eine Ausweisung nicht ergehen dürfe, führt dies nicht zum Erfolg der Klage, da vorliegend - wie der Beklagte zutreffend entschieden hat - die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 AuslG vorliegen. Danach werden Asylbewerber grundsätzlich nur unter der Bedingung ausgewiesen, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird jedoch (zwingend) abgesehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der nach § 48 Abs. 1 AuslG eine Ausweisung rechtfertigt. Nach dieser Vorschrift können anerkannte Asylberechtigte nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, wobei das Gesetz regelt, dass schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG vorliegen. Da die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 und auch Nr. 2 AuslG im Falle des Klägers wegen der in Rede stehenden Verurteilung unstreitig vorliegen, wäre die ohne Bedingung verfügte Ausweisung nur dann rechtlich zu beanstanden, wenn atypische Umstände vorliegen würden, die eine andere Entscheidung gebieten. Derartige atypische Umstände liegen nicht vor, vielmehr ist hier von einem Regelfall auszugehen. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die in § 47 Abs. 1 Nr. 1 für eine Ist-Ausweisung vorgesehene rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren im vorliegenden Fall mit einer Verurteilung zu vier Jahren Freiheitsstrafe deutlich überschritten wurde und dass gerade die in dem Landgerichtsurteil vom 12.02.1997 niedergelegten Umstände die Taten als besonders schwerwiegend erscheinen lassen. Das Landgericht hat eine niedrigere Strafe als vier Jahre "im Hinblick auf die entwickelte kriminelle Ernergie" des Klägers für nicht vertretbar erachtet. Dem Ausweisungsanlass, dem Rauschgiftdelikt des Klägers, kommt ein besonderes Gewicht zu, wie sich aus Art und Schwere der Straftat ergibt. Die Beteiligung am illegalen Heroinhandel gehört zu den besonders gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Delikten (Urteil des BVerwG vom 28.01.1997, 1 C 17/94). Unter Berücksichtigung der besonderen Schwere der Tat, die sich u. a. darin ausdrückt, dass der Kläger während des Tatzeitraums unerlaubt eine Schusswaffe besaß und in erheblicher Weise in den Heroinhandel verwickelt war, wiegt die Straftat besonders schwer und es besteht ein dringendes Bedürfnis daran, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung des Klägers andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Bei Durchsicht der Strafakten hat sich gerade in dem vorliegenden Strafverfahren gezeigt, wie schwierig es ist, in dem von ausländischen Tätern dominierten Handel mit Heroin mit Erfolg ermitteln zu können. Die Strafanzeigen, die Ausgangspunkt der Ermittlungen im vorliegenden Fall waren, wiesen auf einen weit größeren Täterkreis hin und es ist anzunehmen, dass mit der Verurteilung des Klägers und seines Cousins Faik Cagatay lediglich die Spitze des Eisberges zutage kam, während die Bosse und Hintermänner sowie weitere Beteiligte ungeschoren davongekommen sind. In den Ermittlungsakten ist von einem Tätergeflecht die Rede, das zu entwirren in dem Strafverfahren trotz umfassender Ermittlungen (Telefonüberwachung, Kontrolle der umfänglichen Überweisungen von Geldern in die Türkei ) offenbar nicht gelungen ist. So wurde z.B. das Verfahren gegen den Bruder des Klägers - - mangels hinreichender Beweise eingestellt. Vor diesem Hintergrund sprechen gerade unter Berücksichtigung der konkreten Umstände hier schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dafür, aus generalpräventiven Erwägungen heraus den Kläger auszuweisen, um damit mit dem Ziel einer Abschreckung deutlich zu machen, dass gegen ausländische Rauschgifthändler hart durchgegriffen wird. Der Umstand, dass die Reststrafe nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt wurde und die Reststrafe inzwischen erlassen wurde, ist rechtlich unerheblich, da die Ausweisung allein unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention rechtmäßig ist. Im Übrigen ist angesichts der Umstände des vorliegenden Falles davon auszugehen, dass die Ausweisung auch -wie dies im Rahmen des Ausgangsbescheides auch geschehen ist- auf spezialpräventive Gesichtspunkte hätte gestützt werden können. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass in Ausweisungsstreitigkeiten nach Maßgabe der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides zu entscheiden ist (BVerwG, Urteil vom 28.01.1997, 1 C 17/94); zu diesem Zeitpunkt - am 15.01.1999 - war der Beschluss über die vorzeitige Entlassung aus der Haft gemäß § 57 StGB noch nicht ergangen und auch die Reststrafe war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen worden Der Kläger beteuert zwar, keine Straftaten mehr begehen zu wollen und sowohl die Sozialprognose gemäß Gutachten vom 30.03.1999 als auch die Stellungnahme des Bewährungshelfers Niedermeier vom 04.06.2002 fallen für ihn günstig aus. Jedoch selbst unter Berücksichtigung der vorzeitigen Entlassung aus der Haft gemäß § 57 StGB und des Erlasses der Reststrafe vom 29.04.2002 überwiegen die Umstände, die für eine konkrete Wiederholungsgefahr bezüglich weiterer Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz sprechen. Im Zusammenhang mit § 51 Abs. 3 AuslG hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu zutreffend entschieden, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe nach § 57 Abs. 1 StGB zwar ein gewichtiges Indiz, aber keine Vermutung gegen das Bestehen einer Wiederholungsgefahr begründe (BVerwG, Urteil vom 16.11.2000, 9 C 6/00). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftagen ernsthaft drohe, seien die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftaten, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgut sowie die Persönlichkeit des Täters und seiner Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Dabei ist die der gesetzlichen Regelung zugrundeliegende Wertung zu beachten, dass Straftagen, die so schwerwiegend seien, dass sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geführt hätten, typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft seien. Dies gelte in besonderem Maße für schwere Rauschgiftdelikte, namentlich den illegalen Heroinhandel, der regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie verbunden sei und in schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährde. Allein der Umstand, dass der Ausländer die Freiheitsstrafe verbüßt habe, lasse nicht auf einen Wegfall des Wiederholungsrisikos schließen. Auch der Umstand, dass der Täter 2/3 der Freiheitsstrafe verbüßt habe und die Vollstreckung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden sei, genüge für sich allein nicht ohne weiteres, um eine Wiederholungsgefahr zu verneinen. Zwar handele es sich um ein wesentliches Indiz, aber nicht um eine Vermutung. Bei einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB stünden schon wegen der maßgeblichen Bedeutung der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt naturgemäß eher Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund. Zudem gehe es bei der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung um die Frage, ob die vorzeitige Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden könne. Dementsprechend sei eine eigene Entscheidung zu treffen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen seien, insbesondere die kriminelle Energie und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, vor allem die besondere Gefährlichkeit des Heroinhandels sowie die Frage, ob der Täter in das selbe soziale Umfeld zurückgekehrt sei, aus dem heraus er die Tat begangen habe. Ausgehend hiervon ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die positiven Prognosen des Bewährungshelfers und der Justizvollzugsanstalt sowie der Strafvollstreckungskammer zu dem auch vom Kläger hervorgehobenen Reifungsprozess zutreffend sind, jedoch erscheint es unter Berücksichtigung der bei den verübten Taten zu Tage getretenen kriminellen Energie wahrscheinlicher, dass der Kläger auf Dauer der Versuchung bzw. dem auf ihn ausgeübten Druck nicht widerstehen kann, erneut im Heroingeschäft tätig zu werden. Dabei fällt zum einen ins Gewicht, dass die Verurteilung vom 12.02.1997 nicht die erste Verurteilung ist, sondern dass der Kläger bereits vom Amtsgericht Hamburg am 26.08.1992 zu einer Jugendstrafe wegen Heroinhandels verurteilt wurde, wobei das Amtsgericht bereits damals darauf hinwies, der Kläger sei "kein Kleindealer". Des Weiteren haben sich aus den Strafakten Anhaltspunkte dafür ergeben, das der Kläger nicht der einzige aus der Familie ist, der im Heroingeschäft tätig wurde; es ist vielmehr davon auszugehen, das weitere Familienangehörige in diesem Geschäft waren und sind und der Kläger einer Wiedereinbeziehung in diesen Kreis nicht wird widerstehen können. Hierfür spricht insbesondere auch, dass er es nicht geschafft hat, sich von dem früheren Milieu, aus dem heraus er straffällig wurde, vollständig zu trennen (er lebte auch nach der Haftentlassung zeitweilig wieder bei seinem Bruder Hassan und hat auch heute noch Kontakt zu ihm). Weiterhin steht fest, dass es ihm bis heute nicht gelungen ist, eine solide soziale Lebensgrundlage zu schaffen, die ein straffreies Leben ermöglicht. Die bisher vorliegenden Arbeitsversuche haben nicht zu einer dauerhaften Anstellung geführt, der Kläger lebt immer noch von der Arbeitslosenhilfe, auf die er sich während der Vollstreckung der Strafhaft einen Anspruch erworben hat. Bei der Gesamtwürdigung war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in seinem Asylverfahren einen unglaubwürdigen Eindruck gemacht hat und insbesondere durch Vorlage unvollständiger Unterlagen aus dem Strafverfahren versucht hat, das Gericht über den Stand des Strafverfahrens in der Türkei zu täuschen (vgl. Urteil vom 23.07.2002 in dem Asylverfahren 21 A 292/02).

Auch das Argument des Klägers, die Ausweisung sei wegen einer drohenden politischen Verfolgung in der Türkei unverhältnismäßig, führt nicht zum Erfolg. Die Frage, ob der Kläger politisch verfolgt ist, ist nicht von dem beklagten Kreis zu entscheiden, sondern dies ist Gegenstand des Asylfolgeverfahrens. Die bisher vom Kläger durchgeführten Asylverfahren haben nicht zur Anerkennung einer politischen Verfolgung geführt. Auch das vom Kläger im Ausweisungsverfahren erwähnte Asylverfahren hat bisher nicht zum Erfolg geführt; mit Urteil vom 23.07.2002 ist die diesbezügliche Klage des Klägers abgewiesen worden (21 A 292/02).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück