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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 3 LB 35/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs 1
AuslG § 53 Abs 6
AuslG § 54
Moslemische Roma aus Serbien sind in Serbien vor politischer Verfolgung hinreichend sicher
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 3 LB 35/01

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Abschiebungsschutz nach §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 11. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beteiligten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 02. März 2001 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten im Berufungsverfahren.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger sind eine muslimische Romafamilie aus Zemun in der Nähe Belgrads (in Serbien). Der am 16. Januar 1963 geborene Kläger zu 1) und die am 26. Juli 1966 geborene Klägerin zu 2) sind miteinander verheiratet und die Eltern des am 17. Dezember 1986 geborenen Klägers zu 3) sowie des am 08. November 1988 geborenen Klägers zu 4).

Sie verließen ihr Heimatland erstmals am 07. September 1991 und reisten am 09. September 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 12. September 1991 ihren ersten Antrag auf Gewährung politischen Asyls stellten. Nachdem die Kläger ihren Asylantrag zurückgenommen hatten und am 21. September 1993 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt waren, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 07. Januar 1994 das Asylverfahren ein und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen.

Nach ihrer erneuten Einreise beantragten die Kläger am 06. November 1995 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. November 1995 ab. In den beiden sich anschließenden Eilrechtsschutzverfahren blieben die Kläger erfolglos (Beschl. des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 11.12.1995 - 16 B 149/95 - und v. 02.01.1996 - 16 B 3/96 -). Nachdem die Klage mit Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 25. Januar 1996 - 16 A 465/95 - als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, kehrten die Kläger - so ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 02. März 2000 - 7 A 57/99 - noch im Jahre 1996 abermals freiwillig in ihre Heimat zurück, wo sie sich dann wiederum in ihrem Wohn- und Geburtsort Zemun in der Nähe Belgrads aufhielten.

Nach erneuter Einreise in das Bundesgebiet auf dem Landweg (so ihre Angaben zum Reiseweg in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 02. März 2000 - 7 A 57/99 -) beantragten die Kläger am 28. Januar 1999 abermals die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Zur Begründung trugen sie vor, dass sie Volkszugehörige der Roma seien und als solche Opfer einer Gruppenverfolgung in ihrer Heimat. Der Kläger zu 1) sei von Serben malträtiert, die Kläger zu 3) und zu 4) seien von jugendlichen Serben geschlagen und drangsaliert worden. Die Polizei und auch die Schule habe ihnen den dort nachgesuchten Schutz verweigert. Zuletzt seien sie sogar mit Waffen bedroht und ein Neffe des Klägers zu 1) sei getötet worden.

Mit Bescheid vom 24. März 1999 lehnte das Bundesamt die Asylanträge ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen. Gleichzeitig setzte es eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung an.

Die Kläger haben gegen diesen Bescheid rechtzeitig Klage erhoben. Bei ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1) u.a. ausgeführt, dass er nach seiner zweiten Rückkehr im Jahre 1996 lediglich zweimal für sechs Monate eine Gelegenheitsarbeit erhalten habe, ansonsten jedoch keine Arbeit, obwohl er von Beruf Präzisionsmetallschleifer sei und die Meisterqualifikation besitze. Seine Kinder - die Kläger zu 3) und 4) - hätten bis zur Wiederausreise die Schule besucht und seien - genauso wie er bei seiner Arbeit - malträtiert und provoziert worden. Trotz Meldungen habe die serbische Polizei nichts unternommen, sondern sie im Gegenteil beschimpft und ihnen gegenüber ihre Missachtung zum Ausdruck gebracht. Auf Grund der Häufung der Übergriffe seien sie dann abermals in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Eigentlicher Ausreisegrund sei ein Vorfall in der Schule der Kinder gewesen. In dieser Schule seien auch die Kinder seines Bruders gewesen. Es sei zu Streitereien gekommen, die eskaliert wären, so dass im weiteren Zuge der Ereignisse der Bruder des Klägers zu 1) erschossen worden sei. Diesen Vorfall habe die Polizei zwar untersucht, jedoch nicht geklärt. In der Folge sei es zu erheblichen Spannungen zwischen seiner Familie und der Familie des Täters gekommen. Auch der Schuldirektor habe ihnen erklärt, dass er für die Sicherheit der Kläger zu 3) und zu 4) nicht mehr garantieren könne.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 24. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen, die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen sowie festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Mit Urteil vom 02. März 2001 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 24. März 1999 verpflichtet, festzustellen, dass bei den Klägern die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Da die Kläger auf dem Landweg ausgereist seien, könnten sie sich gemäß Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG nicht auf das Asylgrundrecht aus Art. 16 a Abs. 1 GG berufen. Sie hätten jedoch einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Zwar könnten sie sich nicht auf eine Gruppenverfolgung der Roma in ihrer Heimat berufen, jedoch seien sie vor ihrer Ausreise Einzelverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen, die an ihrer Ethnie anknüpften und die die Schwelle zur Asylerheblichkeit überschritten hätten. Sie seien bereits durch Äußerlichkeiten als Roma-Angehörige und auf Grund ihres Familiennamens als Moslems zu erkennen. Der Kläger zu 1) sei mehrfach Opfer erheblicher körperlicher Gewalt durch nicht zur Volksgruppe der Roma gehörende Mitbürger, teilweise auch durch Amtsträger (Polizisten) gewesen, ohne dass er hiergegen habe staatlichen Schutz erlangen können. Die Klägerin zu 2) sei verbalen Herabsetzungen ausgesetzt gewesen, gegen die sie ebenfalls keinen staatlichen Schutz habe erlangen können. Die Kläger zu 3) und 4) seien wiederholt während des Schulbesuches Übergriffen ihrer Mitschüler ausgesetzt gewesen, ohne dass die Schule hiergegen Schutz gewährt habe. Die Übergriffe und Schikanen seien auch dem jugoslawischen Staat zurechenbar. Es sei nicht ersichtlich, dass die Kläger auf eine sogenannte inländische Fluchtalternative verwiesen werden könnten.

Auf Antrag des Beteiligten hat der erkennende Senat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, soweit der Klage stattgegeben worden ist.

Der Beteiligte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 02. März 2001 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger und der Beklagte haben keine Anträge gestellt.

Mit Verfügung vom 09. Juli 2003 sind die Prozessbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Berufsrichter des Senats die Berufung auf Grund der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielten. Es sei deshalb beabsichtigt, gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss zu entscheiden. In der Verfügung ist Bezug genommen worden auf die bisherige maßgebliche Rechtsprechung des Senats. Des weiteren sind die maßgeblichen Erkenntnismittel benannt worden. Die Prozessbeteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich zu dem beabsichtigten Beschlussverfahren sowie zur Sache selbst zu äußern.

Die Kläger haben in ihrem Schriftsatz vom 19. August 2003 zur Sache ergänzend vorgetragen, dass sie sich vor Diskriminierungsmaßnahmen in ihrer Heimat fürchteten. Dort würden regelmäßig Polizeiübergriffe stattfinden. Sie würden bei der Wohnungszuweisung zuletzt berücksichtigt und könnten von der Polizei keinen Schutz erhalten. Auch fürchteten sie, dass ihnen vorgehalten werde, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland waren und dort schlecht über Jugoslawien gesprochen hätten.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Senat vorgelegen; auf sie und die Schriftsätze der Prozessbeteiligten wird wegen deren Vorbringen sowie der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet.

Die Klage ist insgesamt abzuweisen. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.

1) Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind mit denen der politischen Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG deckungsgleich.

Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie würden politisch verfolgt (ausführlich zum Begriff der politischen Verfolgung: BVerfGE 80, 315 <333 ff>). Der Senat unterstellt zu ihren Gunsten, dass sie ihr Heimatland Jugoslawien - jetzt: Serbien-Montenegro - vorverfolgt verlassen haben, so dass die erforderliche Prognose, ob ihnen bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, nach dem herabgestuften Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" zu treffen ist (vgl. BVerfG a.a.O., S. 345). Doch auch diese für die Kläger günstigen Vorgaben verhelfen ihrem Begehren nicht zum Erfolg. Denn sie wären bei einer Rückkehr in ihr Heimatland gegenwärtig und auf absehbare Zeit auf Grund der nach ihrer Ausreise erfolgten durchgreifenden Veränderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland vor (erneuter) politischer Verfolgung hinreichend sicher. Deshalb kann der Senat die Frage offen lassen, ob für die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Ausreise eine inländische Fluchtalternative in Montenegro oder im Kosovo bestanden hatte.

Die Kläger müssen als Roma aus Serbien keine politische Verfolgung mehr befürchten. Die neue politische Führung in Serbien gewährleistet den Minderheiten Schutz, in Montenegro ist dies schon länger der Fall. Aus diesem Grunde hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23. Mai 2002 - 3 L 176/95 - für Minderheiten in Serbien eine hinreichende Verfolgungssicherheit bejaht, wobei es in dem Beschluss - wie vorliegend - um eine moslemische Romafamilie aus Serbien ging.

Die neue politische Führung Serbiens und Montenegros, die am 05. Oktober 2000 bzw. nach den serbischen Parlamentswahlen am 23. Dezember 2000 die Macht übernommen hat, hat sich den Prinzipien von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Pluralismus und dem Respekt der Menschenrechte verschrieben. Erste konkrete Schritte zur Einführung der Rechtstaatlichkeit und zum Minderheitenschutz wurden unternommen, z. B. wurden diskriminierende Gesetze geändert bzw. abgeschafft und Führungspositionen in wichtigen Bereichen (z. B. in Justiz und im Geheimdienst) neu besetzt. Die ernsthafte Bemühung um die Einbeziehung der Minderheiten zeigt sich daran, dass ein Sandzak-Moslem zum Minderheitenminister berufen wurde und ein ungarischer Volkszugehöriger zum stellvertretenden Premierminister der neuen serbischen Regierung ernannt wurde. Der Minderheitenminister hatte in einem intensiven Dialog mit den Minderheiten und der internationalen Gemeinschaft einen Entwurf für ein neues Minderheitengesetz erarbeitet, das einstimmig im Bundesparlament angenommen und am 07. März 2002 in Kraft getreten ist; Durchführungsbestimmungen wurden im Juli 2002 veröffentlicht. Mit dem Gesetz werden Minderheitenrechte gemäß internationalen Standard verankert. Erste konkrete Schritte zur Stärkung der Rechte der Minderheiten wurden bereits gemacht, so werden seit dem 21. Dezember 2000 Personenstandsurkunden in der Vojvodina zweisprachig ausgestellt. Jetzt soll damit begonnen werden, sogenannte nationale Räte für jede Minderheit zu wählen. Staatliche Repressionsmaßnahmen, wie sie im Milosevic-Regime üblich waren, haben seit dem Regierungswechsel nicht mehr stattgefunden. Serbien wurde in Stabilitätspakt für Südost-Europa aufgenommen, kehrte bereits am 01. November 2000 als Vollmitglied in die UN zurück und wurde am 10. November 2000 wieder als vollwertiges Mitglied in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aufgenommen (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16. Oktober 2002 und vom 06. Februar 2002, BAFl Schwerpunktthemen 5/02). Auch Amnesty international berichtet in seinem Jahresbericht 2002, dass Jugoslawien - heute: Serbien-Montenegro - zwar weiterhin Handlungsbedarf in Bezug auf die Verwirklichung der Menschenrechte hat, bescheinigt der jugoslawischen Bundesregierung und der serbischen Regierung jedoch, dass während des Berichtsjahres Maßnahmen getroffen worden seien, um Lösungen für noch offene Menschenrechtsprobleme zu finden. Deutliches Zeichen der Wende ist die Auslieferung Milosevic an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Zur Lage der Roma gibt es zwar nach wie vor Berichte über eine starke Diskriminierung dieser Minderheit in der jugoslawischen Gesellschaft, jedoch geht dies nicht auf gezielte staatliche Maßnahmen zurück. Im Gegenteil widerspricht dies der neuen Minderheitenpolitik im Heimatland der Kläger. So berichtet das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 17. Mai 2001 an das VG Köln, dass in früheren Zeiten vereinzelt Übergriffe von Skinheads auf Roma bekannt geworden seine, in der jüngsten Zeit aber nicht mehr. Roma sind seit dem politischen Umschwung am 5. Oktober 2000 besser geschützt. Die Justizbehörden greifen jetzt Klagen von Roma auf. Erstmalig wurde im Frühjahr 2001 ein Skinhead wegen eines Überfalls auf einen Roma-Jungen von einem serbischen Gericht verurteilt worden. Im Lagebericht vom 16. Oktober 2002 heißt es hierzu, die Roma seien nicht wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, vielmehr bemühe sich die Bundesregierung, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Die Roma haben nach dem neuen Minderheitengesetz den Status einer nationalen Minderheit und sollen z. B. proportional in öffentlichen Ämtern vertreten sein, damit sie die Politik aktiv mitgestalten können. Seit dem Vorjahr 2002 erarbeitet das jugoslawische Minderheitenministerium in Kooperation mit den Roma eine landesweite Integrationsstrategie für Roma. Vor diesem Hintergrund kann eine staatliche bzw. dem Staat zurechenbare mittelbare Verfolgung von Roma in Serbien und Montenegro nicht angenommen werden.

Der Umstand, dass das jugoslawische Bundesparlament am 04. Februar 2003 eine neue Verfassung beschlossen hat und sich die Bundesrepublik Jugoslawien seither "Serbien und Montenegro" nennt, ist ohne Auswirkung auf das vorliegende Verfahren. Soweit es bei der Frage der politischen Verfolgung auf die Staatsangehörigkeit eines Flüchtlings ankommt, ist hier entscheidend, dass die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro an die Stelle der Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Jugoslawien getreten ist ohne dass sich in der Sache Änderungen ergeben hätten.

2) Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen nicht vor. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des hier allein in Betracht zu ziehenden § 53 Abs. 6 AuslG nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (S. 1); Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt (S. 2). Derartige allgemeine Gefahren können auch dann keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG begründen, wenn sie einen bestimmten Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG im Verfahren eines Ausländers ist immer dann gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht. Im Falle von Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, kommt ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG in Betracht, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist dann der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre ( vgl. BVerwG, EZAR 43 Nr. 30 m.w.N.).

Die von den Klägern geschilderten Ereignisse vermögen eine individuelle Gefahr, die die Voraussetzung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfüllen könnte, nicht zu begründen. In Angesicht der seit der Ausreise der Kläger eingetretenen und Eingangs dargestellten Veränderungen der politischen Verhältnisse in Serbien und Montenegro kommen Übergriffe auf die körperliche Integrität von Angehörigen der Volksgruppe der Roma nur vereinzelt vor und insoweit bieten die staatlichen Institutionen Schutz (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 und Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. Mai 2001 an das VG Köln).

Im Hinblick auf die allgemein schwierige Lage der Roma handelt es sich um eine Problematik, die grundsätzlich nur Gegenstand einer Entscheidung nach § 54 AuslG sein kann, da insoweit eine ganze Bevölkerungsgruppe betroffen ist. Einen solchen Abschiebestopp gibt es zurzeit nicht. Es besteht aber auch keine extreme Gefährdungslage in dem vorbezeichneten Sinne im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Kläger zur Volksgruppe der Roma, die die Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG rechtfertigen könnte. Für die Bevölkerungsgruppe der Roma ist zwar festzustellen, dass ihre Lebensbedingungen in Serbien ausgesprochen schwierig sind und es im täglichen Leben in der Tat immer noch Vorbehalte und Diskriminierungen gibt. Diese schwierige Situation rechtfertigt aber nicht die Annahme einer extremen Gefahrenlage, denn es kann keine Rede davon sein, dass Roma im Falle der Abschiebung dort gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden. Eine Versorgung mit Nahrung und Unterkunft ist - wenn auch auf niedrigem Niveau - auch für Roma im Regelfall gesichert (vgl. zum Ganzen: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002, Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. Mai 2001 an das VG Köln, Auskunft der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6. Februar 2003 an das VG Freiburg). Dass Übergriffe auf die körperliche Integrität nur vereinzelt vorkommen und insoweit die staatlichen Institutionen Schutz bieten, ist bereits gesagt worden. Gerade im vorliegenden Fall besteht keine Veranlassung zu einer abweichenden Einschätzung, da die Kläger im Falle einer Rückkehr auf familiäre Hilfe durch den Vater des Klägers zu 1) zurückgreifen könnten, der nach wie vor in Zemun bei Belgrad lebt. Die Kläger hätten damit im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat zumindest eine erste Anlaufstelle.

Auch die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Zwar ist die Bezeichnung des Abschiebezielstaates (Bundesrepublik Jugoslawien) aufgrund des geänderten Staatsnamens inzwischen nicht mehr aktuell, jedoch entspricht die Abschiebungsandrohung nach wie vor den Anforderungen des § 50 Abs. 2 AuslG. Mit dem Begriff "Bundesrepublik Jugoslawien" wird das Abschiebeziel auch nach der Änderung des Staatsnamens sowohl für den betroffenen Ausländer als auch für die mit der Abschiebung betraute Ausländerbehörde unmissverständlich klar bezeichnet, so dass der Zweck des § 50 Abs. 2 AuslG in erreicht wird. Eine Umstellung der Zielstaatsbezeichnung in vergleichbaren Abschiebungsandrohungen erscheint für die Zukunft zwar wünschenswert, jedoch bestehen für eine gewisse Übergangszeit keine rechtlichen Bedenken, die alte Bezeichnung zu verwenden; die überkommene Staatsbezeichnung "Jugoslawien" wird im allgemeinen Sprachgebrauch ohnehin noch einige Zeit fortleben, ohne dass dies zu Unklarheiten führen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und - in entsprechender Anwendung - auf § 162 Abs. 3 VwGO. Das Verfahren ist nach §§ 83 b Abs. 1, 87 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gerichtsgebührenfrei. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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