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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 3 LB 51/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs 1
AuslG § 53 Abs 6
AuslG § 54
AuslG § 50 Abs 2
1. Roma sind im Kosovo keiner politischen Verfolgung ausgesetzt

2. Moslemische Roma aus dem Kosovo können zudem auf Serbien als inländische Fluchtalternative verwiesen werden.

3. Die Situation der Roma im Kosovo kann grundsätzlich nur Gegenstand einer Entscheidung nach § 54 AuslG sein; eine extreme Gefährdungslage, die gleichwohl die Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich

4. Moslemische Roma aus dem Kosovo können wegen dort nicht behandelbarer Erkrankungen auf Serbien verwiesen werden; sie haben dort kostenlosen Zugang zur Krankenversorgung, wenn sie sich dort niederlassen und registrieren lassen können


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 3 LB 51/01

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 4. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beteiligten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. April 2001 geändert.

Die Klage wird, soweit das Verfahren nicht bereits eingestellt worden ist, abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten im Berufungsverfahren.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger, ein Ehepaar, sind muslimische Roma aus dem Kosovo (Gemeinde ...).

Der am ... geborene Kläger zu 1) und die am ... geborene Klägerin zu 2) reisten zuletzt im November 1993 (auf dem Landweg) aus ihrem Heimatland aus. Die Ablehnung ihres Asylantrages wurde durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 30. Mai 1995 - 16 A 571/94 -, rechtskräftig seit dem 25. Juli 1997, bestätigt.

Am 23. Juni 1999 beantragten die Kläger die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens unter Berufung auf die Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner. Zudem beriefen sie sich unter Vorlage eines hausärztlichen Attestes vom 22. Juni 1999 im Hinblick auf die Klägerin zu 2) auf das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Durchführung weiterer Asylverfahren sowie die Anträge auf Abänderung des Bescheides vom 18. August 1994 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab. Gleichzeitig setzte sie eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung an. Mit Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 1999 - 7 B 52/99 wurde den Klägern Eilrechtsschutz gewährt.

Die Kläger haben gegen diesen Bescheid rechtzeitig Klage erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens legten sie weitere Atteste (vom 28. Oktober 1999, 10. August 2000 und 6. November 2000) wegen der Erkrankungen der Klägerin zu 2) vor und trugen vor, dass sie sich bislang als Kosovo-Albaner gefühlt hätten, jedoch Roma seien und auch als solche von der dortigen Bevölkerung angesehen und verfolgt würden. Bei ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1) u.a. ausgeführt, dass er über längere Zeiträume in Montenegro gearbeitet habe und sie sich wegen der Schwierigkeiten der Passausstellung im Kosovo ihre Pässe in ... (Montenegro) hätten ausstellen und später verlängern lassen. Sie sprächen romanes, albanisch und - jedoch nur unzureichend - serbo-kroatisch.

Die Kläger haben ihre Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG zurückgenommen und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1999 in dem noch angefochtenen Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen,

sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Mit Urteil vom 03. April 2001 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde, und die Beklagte unter Abänderung des streitig gebliebenen Teils des Bescheides vom 15. Oktober 1999 verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich beider Kläger vorliegen. Die Kläger hätten einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Sie seien zweifelsfrei Roma aus dem Kosovo. Es stehe zu befürchten, dass sie in Anknüpfung an ihre Ethnie selbst bei Zugrundelegung des strengen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes in asylrechtlich relevanter Weise verfolgt würden, wenn sie in ihre angestammte Heimat im Nord-Kosovo zurückkehren müssten. Den Klägern drohe im Kosovo quasi-staatliche Verfolgung. Sie seien bereits aufgrund ihres Erscheinungsbildes als Roma-Angehörige zu erkennen und unterlägen dadurch der Gefahr ständiger und nicht kalkulierbarer Übergriffe durch die albanische Bevölkerung. Zwar versuchten die KFOR-Truppen den albanische Aggressionen zu begegnen, dies gelinge jedoch nur unzureichend, so dass eine im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG asylrechtlich relevante Schutzlücke bestehe. Es gebe für sie auch nicht die Möglichkeit in andere Landesteile (Serbien oder Montenegro), in denen sie verfolgungsfrei leben könnten, auszuweichen.

Auf Antrag des Beteiligten hat der erkennende Senat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, soweit der Klage stattgegeben worden ist.

Der Beteiligte beantragt sinngemäß, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. April 2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Mit Verfügung vom 09. Juli 2003 sind die Prozessbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Berufsrichter des Senats die Berufung auf Grund der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielten. Es sei deshalb beabsichtigt, gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss zu entscheiden. In der Verfügung ist Bezug genommen worden auf die bisherige maßgebliche Rechtsprechung des Senats. Des weiteren sind die maßgeblichen Erkenntnismittel benannt worden. Nach Eingang der Stellungnahme der Kläger vom 19. August 2003 (mit diversen ärztlichen Bescheinigungen) hat der Senat mit Schreiben vom 9. September 2003 seine Absicht, im Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO zu entscheiden, bekräftigt, einen weiteren Lagebericht des Auswärtigen Amtes zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und den Beteiligten abermals Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Senat vorgelegen; auf sie und die Schriftsätze der Prozessbeteiligten wird wegen deren Vorbringen sowie der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet.

Die Klage ist, soweit sie noch anhängig ist, abzuweisen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.

1) Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind mit denen der politischen Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG deckungsgleich.

Auch der Senat geht davon aus, dass die Kläger Roma aus dem Kosovo sind. Die Kläger können sich gleichwohl nicht mit Erfolg darauf berufen, sie würden politisch verfolgt (ausführlich zum Begriff der politischen Verfolgung: BVerfGE 80, 315 <333 ff>). Ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG besteht trotz der nach wie vor äußerst angespannten Sicherheitslage für Roma im Kosovo nicht, weil die gegen die Angehörigen der Roma gerichteten Maßnahmen keine politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG darstellen. Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung, wobei dem Staat staatsähnliche Organisationen gleichstehen, die ihn verdrängt haben, oder denen er das Feld überlassen hat und die ihn insoweit ersetzen (vgl. BVerfG a.a.O. und BVerfG, InfAuslR 2000, 521 ff.). Einer derartigen staatlichen oder quasi staatlichen Verfolgung sind die Angehörigen der Roma seit dem Einzug der KFOR-Truppen im Kosovo aber nicht mehr ausgesetzt und es ist auch nicht erkennbar, dass sich hieran in absehbarer Zeit etwas ändern könnte. Vielmehr ist festzustellen, dass aus dem Kosovo stammende Roma im Falle einer Rückkehr in den Kosovo vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind, so dass selbst im Fall von vorverfolgt ausgereisten Angehörigen dieser Minderheit die Annahme einer politischen Verfolgung nicht in Betracht kommt. Unabhängig hiervon sind Roma aber in auch in Serbien vor politischer Verfolgung hinreichend sicher und es drohen ihnen dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort - ohne die dortige Verfolgung - so nicht bestünden (vgl. zur sog. inländischen Fluchtalternative BVerfGE 80, 315 <343 f.>; 81, 58 <65 f.>).

Die Bevölkerungsgruppe der Roma war nach der Rückkehr der von der ethnischen Vertreibung durch die Serben in die Nachbarländer geflohenen albanischen Bevölkerung in den Kosovo massiven gewalttätigen Übergriffen von Zivilisten ausgesetzt (vgl. hierzu die ad hoc - Berichte des Auswärtigen Amtes vom 8. Dezember 1999 und 21. November 2000). Die Tatsache, dass ein Teil der Roma die Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo unterstützt hatte und einzelne Roma an Gewalttaten beteiligt waren, wurde von einem Teil der albanischen Bevölkerung ungeachtet der unterschiedlichen Loyalitäten und sprachlichen sowie religiösen Traditionen undifferenziert auf alle Roma-Gruppierungen übertragen. Diese gegen Roma gerichteten Übergriffe wie Überfälle mit teilweise tödlichem Ausgang, Entführungen, Vergewaltigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Plünderungen und Brandstiftungen erreichten im Spätsommer/Herbst 1999 ihren Höhepunkt, ereignen sich aber auch heute noch, wenngleich sie zahlenmäßig deutlich zurückgegangen sind. Dass in den letzten Jahren deutlich weniger Übergriffe stattfinden, ist dabei nicht nur auf eine Verbesserung der Sicherheitslage (Schutz durch KFOR) zurückzuführen, sondern auch darauf, dass seit Mitte Juni 1999 schätzungsweise mehr als die Hälfte der Angehörigen dieser Minderheit - wie auch viele Angehörige anderer Minderheiten - unter dem Einfluss des Geschehens außerhalb des Kosovo Zuflucht gesucht haben. Es ist nach den Berichten des Auswärtigen Amtes (ad hoc - Berichte vom 4. Juni 2002 und vom 27. November 2002) sowie den Angaben von UNHCR und OSZE (zitiert nach dem Bericht des Informationszentrums Asyl des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zur Situation der Roma, Ashkali und Ägypter, Stand: März 2002) davon auszugehen, dass im Kosovo nur noch ca. 31.000 bis 32.000 Roma leben. Den vorliegenden Berichten verschiedener Quellen zufolge ist die Sicherheitslage der Roma im Kosovo nach wie vor als prekär zu beurteilen. Das Auswärtige Amt berichtet in seinem ad hoc - Bericht vom 27. November 2002, dass es weiterhin Plünderungen und das Abbrennen von Häusern gebe, so dass die Sicherheitslage "schwierig" sei. Die Häufigkeit ethnisch motivierter Übergriffe auf Minderheiten sei jedoch seit dem Jahr 2000 rückläufig. Amnesty international berichtet in dem Jahrbuch 2002 von überdurchschnittlich vielen Gewalttaten gegen Minderheiten (Serben, Roma etc.). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe spricht in dem Bericht (Kosovo - Situation der Minderheiten) vom 2. April 2003 davon, dass sich die Sicherheit und die Bewegungsfreiheit der Roma graduell verbessert habe, es aber gleichwohl gewaltsame Übergriffe, Belästigungen, Beschimpfungen und Diskriminierungen gebe, insbesondere wenn sich Angehörige der Roma außerhalb ihres Wohnortes bewegten. Die Roma führten im Wesentlichen ein Leben in Enklaven, oft unter desolaten Verhältnissen. Es gebe erhebliche Spannungen. Der UNHCR berichtet in seiner Stellungnahme vom März 2002, die Sicherheitslage sei ständigen Schwankungen unterworfen. Roma seien einer allgemeinen Diskriminierung ausgesetzt. Die Lage sei veränderlich und brisant. Manche Gemeinschaften hätten sich stabilisiert, andere seien Gewalt ausgesetzt.

Diese gewalttätigen Übergriffe gegen Angehörige nichtalbanischer Bevölkerungsgruppen im Kosovo stellen keine politische Verfolgung dar.

Da die Organe der früheren Bundesrepublik Jugoslawien - heute der Republik Serbien und Montenegro - seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen die Gebietsgewalt im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit im Kosovo verloren haben und dort als übergreifende effektive Ordnungsmacht seither nicht mehr bestehen, ist eine politische Verfolgung der Kläger im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG durch die Republik Serbien und Montenegro im Kosovo nicht möglich. Der Kosovo ist völkerrechtlich zwar weiterhin Teil des Staates Serbien und Montenegro, die Ausübung der Regierungsgewalt über den Kosovo ist jedoch de facto suspendiert. Die effektive Gebietsgewalt im Kosovo wird seit dem Rückzug der jugoslawischen Sicherheitskräfte und der Beendigung der Kampfhandlungen zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien am 10. Juni 1999 und in absehbarer Zeit allein von der internationalen Gemeinschaft in Gestalt der UNMIK (im zivilen Bereich) und der KFOR-Truppen wahrgenommen. Durch die Etablierung der internationalen Zivil- und Sicherheitspräsenz im Kosovo haben staatliche Repressionen gegen Kosovo Albaner oder andere ethnische Gruppen ein Ende gefunden. Dies hat der Senat bereits mehrfach festgestellt (vgl. zuletzt Beschluss vom 22. Mai 2002 - 3 L 133/95 -) und entspricht auch weiterhin der gegenwärtig aktuellen Erkenntnislage (vgl. den ad hoc - Bericht des Auswärtigen Amtes vom 27. November 2002).

Die im Kosovo stattfindenden gewalttätigen Übergriffe gegen Angehörige nichtalbanischer Bevölkerungsgruppen wie z. B. Roma durch albanische Zivilisten sind der internationalen Gemeinschaft bereits nicht als mittelbare Verfolgung zurechenbar. Dies würde voraussetzen, dass diese zu derartigen Übergriffen anregt, sie unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und es damit unterlässt, den Betroffenen den erforderlichen Schutz mit den ihr an sich zur Verfügung stehenden Mitteln zu gewähren, oder wenn sie sich zum Einsatz dieser Mittel im konkreten Fall gegenüber Verfolgungsmaßnahmen Dritter nicht in der Lage sieht; wobei nicht übersehen werden darf, dass es keinen schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz geben kann und die Schutzgewährung eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation jenseits der ihm bzw. ihr zur Verfügung stehenden Mittel endet (vgl. zur mittelbaren Verfolgung BVerfGE 80, 315 <336>, BVerwGE 88, 367 <372>). Anhaltspunkte dafür, dass die UNMIK und die KFOR-Truppen nicht sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Mittel gleichermaßen zum Schutz aller im Kosovo lebenden Bevölkerungsgruppen einsetzen, bietet das zur Verfügung stehende Erkenntnismaterial nicht. Die UNMIK und die KFOR gewähren allen im Kosovo lebenden Bevölkerungsgruppen - und damit auch den Roma - mit den ihnen an sich zur Verfügung stehenden Mitteln Schutz und sind dazu prinzipiell auch in der Lage, zumal insoweit übereinstimmend alle Erkenntnisquellen zumindest von einer graduellen Verbesserung der Sicherheitslage der Minderheiten im Kosovo berichten. UNMIK, UNHCR und OSZE koordinieren ihre Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten in einer "Task Force", welche sich um die Sicherheit der Roma bemüht, wenn diese allerdings auch unter KFOR-Präsenz nicht immer zuverlässig gewährleistet ist. Nach der Auskunft des UNHCR vom 4. Januar 2001 an das VG Schleswig bemüht sich die ad hoc - Arbeitsgruppe zu Minderheiten der UNMIK weiterhin, der Notwendigkeit internationaler Maßnahmen zu Gunsten der nicht-albanischen Bevölkerungsgruppen Rechnung zu tragen. Die Arbeitsgruppe, deren Vorsitz gemeinsam von UNHCR und OSZE wahrgenommen wird, hat sich darauf konzentriert, die Sicherheit und die Bewegungsfreiheit nicht-albanischer Gemeinschaften zu verbessern und längerfristig vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen. Zu den Schutzaktivitäten zählen insbesondere die Umsiedlung gefährdeter Personen und die Beobachtung der Situation von Rückkehrern. Besonders vielfältig sind die im Rahmen der längerfristig vertrauensbildenden Maßnahmen erfolgenden Aktivitäten. So hat der UNHCR seit Februar 2000 im Rahmen eines "humanitären runden Tisches" eine Reihe von Gesprächen zur Situation von Roma, Ashkali und "Ägyptern" veranstaltet, die dazu geführt haben, dass führende Persönlichkeiten der Kosovo-Albaner und Roma eine gemeinsame Erklärung verabschiedet haben, in der sie die Anwendung von Gewalt verurteilt und sich für Toleranz zwischen den Volksgruppen und die Rückkehr von vertriebenen Roma ausgesprochen haben (vgl. auch wegen der weiteren verschiedenen Maßnahmen im Einzelnen die genannte Auskunft des UNHCR vom 4. Januar 2001). Die KFOR sichert Siedlungen der Roma und Ashkali, kontrolliert Zufahrtsstraßen und eskortiert Bustransporte sowie Konvois privater Fahrzeuge, die es den Angehörigen der Minderheiten ermöglichen, ihre Enklaven zu verlassen. Sind Übergriffe zu erwarten, reagiert die KFOR zudem mit erhöhter Präsenz, verstärkten Patrouillen und verschärften Sicherheitsvorkehrungen (Auswärtiges Amt, ad hoc - Berichte vom 21. November 2000 und vom 27. November 2002; UNHCR, Auskunft vom 01. März 2000 an VG Karlsruhe; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosovo - Situation der Minderheiten, 2. April 2003). Daher kann keine Rede davon sein, die UNMIK und die KFOR seien zur Schutzgewährung nicht bereit. Da Übergriffe auf Roma und Ashkali in den Gebieten, in denen eine erhöhte KFOR-Präsenz besteht, deutlich vermindert werden konnten, ist davon auszugehen, dass KFOR und UNMIK zum Schutz der Roma prinzipiell auch in der Lage sind. Der Umstand allein, dass KFOR und UNMIK trotz prinzipieller Schutzbereitschaft nicht immer in der Lage sind, die Roma wirkungsvoll vor Anschlägen zu schützen, begründet keine asylrechtliche Verantwortlichkeit, weil diese jenseits der an sich zur Verfügung stehenden Mittel endet (vgl. BVerfGE 80, 315 <336>).

Unabhängig von der Situation im Kosovo wären die Kläger als Angehörige der Roma bei einer Rückkehr in ihr Heimatland gegenwärtig und auf absehbare Zeit auf Grund der nach ihrer Ausreise erfolgten durchgreifenden Veränderung der politischen Verhältnisse in Serbien vor politischer Verfolgung hinreichend sicher. Die Kläger müssen als Roma in Serbien keine politische Verfolgung mehr befürchten. Die neue politische Führung in Serbien gewährleistet den Minderheiten Schutz; in Montenegro ist dies schon länger der Fall. Aus diesem Grunde hat der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 23. Mai 2002 - 3 L 176/95 - und 11. September 2003 - 3 LB 35/01 - für Minderheiten in Serbien eine hinreichende Verfolgungssicherheit bejaht, wobei es in den Beschlüssen - wie vorliegend - um moslemische Roma ging.

Der Senat hat hierzu in seinem zuletzt genannten Beschluss ausgeführt:

Die neue politische Führung Serbiens und Montenegros, die am 05. Oktober 2000 bzw. nach den serbischen Parlamentswahlen am 23. Dezember 2000 die Macht übernommen hat, hat sich den Prinzipien von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Pluralismus und dem Respekt der Menschenrechte verschrieben. Erste konkrete Schritte zur Einführung der Rechtstaatlichkeit und zum Minderheitenschutz wurden unternommen, z. B. wurden diskriminierende Gesetze geändert bzw. abgeschafft und Führungspositionen in wichtigen Bereichen (z. B. in Justiz und im Geheimdienst) neu besetzt. Die ernsthafte Bemühung um die Einbeziehung der Minderheiten zeigt sich daran, dass ein Sandzak-Moslem zum Minderheitenminister berufen wurde und ein ungarischer Volkszugehöriger zum stellvertretenden Premierminister der neuen serbischen Regierung ernannt wurde. Der Minderheitenminister hatte in einem intensiven Dialog mit den Minderheiten und der internationalen Gemeinschaft einen Entwurf für ein neues Minderheitengesetz erarbeitet, das einstimmig im Bundesparlament angenommen und am 07. März 2002 in Kraft getreten ist; Durchführungsbestimmungen wurden im Juli 2002 veröffentlicht. Mit dem Gesetz werden Minderheitenrechte gemäß internationalen Standard verankert. Erste konkrete Schritte zur Stärkung der Rechte der Minderheiten wurden bereits gemacht, so werden seit dem 21. Dezember 2000 Personenstandsurkunden in der Vojvodina zweisprachig ausgestellt. Jetzt soll damit begonnen werden, sogenannte nationale Räte für jede Minderheit zu wählen. Staatliche Repressionsmaßnahmen, wie sie im Milosevic-Regime üblich waren, haben seit dem Regierungswechsel nicht mehr stattgefunden. Serbien wurde in Stabilitätspakt für Südost-Europa aufgenommen, kehrte bereits am 01. November 2000 als Vollmitglied in die UN zurück und wurde am 10. November 2000 wieder als vollwertiges Mitglied in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aufgenommen (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16. Oktober 2002 und vom 06. Februar 2002, BAFl Schwerpunktthemen 5/02). Auch Amnesty international berichtet in seinem Jahresbericht 2002, dass Jugoslawien - heute: Serbien-Montenegro - zwar weiterhin Handlungsbedarf in Bezug auf die Verwirklichung der Menschenrechte hat, bescheinigt der jugoslawischen Bundesregierung und der serbischen Regierung jedoch, dass während des Berichtsjahres Maßnahmen getroffen worden seien, um Lösungen für noch offene Menschenrechtsprobleme zu finden. Deutliches Zeichen der Wende ist die Auslieferung Milosevic an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Zur Lage der Roma gibt es zwar nach wie vor Berichte über eine starke Diskriminierung dieser Minderheit in der jugoslawischen Gesellschaft, jedoch geht dies nicht auf gezielte staatliche Maßnahmen zurück. Im Gegenteil widerspricht dies der neuen Minderheitenpolitik im Heimatland der Kläger. So berichtet das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 17. Mai 2001 an das VG Köln, dass in früheren Zeiten vereinzelt Übergriffe von Skinheads auf Roma bekannt geworden seine, in der jüngsten Zeit aber nicht mehr. Roma sind seit dem politischen Umschwung am 5. Oktober 2000 besser geschützt. Die Justizbehörden greifen jetzt Klagen von Roma auf. Erstmalig wurde im Frühjahr 2001 ein Skinhead wegen eines Überfalls auf einen Roma-Jungen von einem serbischen Gericht verurteilt worden. Im Lagebericht vom 16. Oktober 2002 heißt es hierzu, die Roma seien nicht wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, vielmehr bemühe sich die Bundesregierung, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Die Roma haben nach dem neuen Minderheitengesetz den Status einer nationalen Minderheit und sollen z. B. proportional in öffentlichen Ämtern vertreten sein, damit sie die Politik aktiv mitgestalten können. Seit dem Vorjahr 2002 erarbeitet das jugoslawische Minderheitenministerium in Kooperation mit den Roma eine landesweite Integrationsstrategie für Roma. Vor diesem Hintergrund kann eine staatliche bzw. dem Staat zurechenbare mittelbare Verfolgung von Roma in Serbien und Montenegro nicht angenommen werden.

Hieran hat sich seitdem nichts geändert (vgl. insbesondere Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2003): Die neue Bundes- und inzwischen Unionsregierung hat einen Bosniaken zum Minister für Menschenrechte und nationale Minderheiten berufen, ein ethnischer Ungar ist stellvertretender Premierminister der serbischen Regierung. Der Unterrepräsentierung von Minderheiten in Verwaltung, Justiz und Polizei wird aktiv entgegen gearbeitet; so ist bereits in acht ungarisch dominierten Gemeinden in der Vojvodina der Polizeichef ein ethnischer Ungar, in den albanischen Siedlungsgebieten Südserbiens befindet sich eine multiethnische Polizeitruppe im Aufbau und im Sandzak wurden bei Neubesetzungen in der Justiz verstärkt Bosniaken berücksichtigt. Ein Nationalrat der Roma, wie vom neuen Minderheitengesetz vorgesehen, konnte allerdings noch nicht eingerichtet werden, da die von Seiten der Roma notwendigen 3.000 Unterschriften noch nicht vorliegen. Schätzungsweise gibt es in Serbien zwischen 500.000 und 800.000 Roma, die unter den ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen ein Auskommen zumindest am Rande des Existenzminimums finden. Roma haben in Serbien und Montenegro, sofern sie dort mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen, insbesondere zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum. Hierbei kommt es aber oft zu praktischen Problemen, wenn die notwendigen Dokumente für die Registrierung fehlen, so insbesondere bei aus dem Kosovo geflohene Roma ohne Papiere, da dann eine Registrierung nicht erfolgt. Das Minderheitenministerium versucht, hier die relevanten Gesetze zu ändern und praktische Hilfe zu leisten. Bezogen auf die Problematik der inländischen Fluchtalternative ist festzustellen, dass Roma in Serbien bei der vorzunehmenden generalisierenden Betrachtung, bei der allerdings Besonderheiten des Einzelfalles in der gebotenen Weise zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, DVBl 1994, 524; BVerwG, Buchh. 402.25 § 1 AsylVfG a.F. Nr. 104 und 145), dort nicht auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten haben, dass sie so im Kosovo nicht befürchten müssten. Im Gegenteil ist die Ausgangssituation für Roma in Serbien, zumindest dann, wenn den Betroffenen eine Registrierung gelingen kann, weil ihnen insbesondere nicht die notwendigen Papiere fehlen, deutlich besser als im Kosovo, insbesondere im Hinblick auf die angebotenen Sozialleistungen, zu denen sie dann Zugang haben. Dies gilt auch im Falle der Kläger, da diese seinerzeit mit gültigen Reisepässen ausgereist waren und damit bei generalisierenden Betrachtung nach Beschaffung neuer Ausweispapiere die Möglichkeit einer Registrierung bei einer Niederlassung in Serbien haben.

2) Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen nicht vor. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des hier allein in Betracht zu ziehenden § 53 Abs. 6 AuslG nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (S. 1); Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt (S. 2). Derartige allgemeine Gefahren können auch dann keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG begründen, wenn sie einen bestimmten Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG im Verfahren eines Ausländers ist immer dann gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht. Im Falle von Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, kommt ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG in Betracht, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist dann der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die jeden einzelnen Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde (vgl. BVerwGE 99, 324 <328>).

Im Hinblick auf die allgemein schwierige Lage der Roma handelt es sich um eine Problematik, die grundsätzlich nur Gegenstand einer Entscheidung nach § 54 AuslG sein kann, da insoweit eine ganze Bevölkerungsgruppe betroffen ist. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 53 Abs. 6 AuslG kommt schon nicht in Betracht, weil für die Kläger aufgrund des Erlasses des Schleswig-Holsteinischen Innenministeriums vom 23. Mai 2003 - IV 606 - 212 - 29. 234. 50 -14 in Anknüpfung an das Memorandum of Understanding des Bundesministers des Innern und des UNMIK-Sonderbeauftragten Steiners vom 31. März 2003 eine mit einem Abschiebestopp nach § 54 AuslG vergleichbare Schutzsituation geschaffen wurde. Mit dem genannten Erlass verweist das Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein auf Ziffer 4 Satz 2 des Memorandums und weist daraufhin, daraus ergebe sich für Angehörige der Serben und Roma aus dem Kosovo für das Jahr 2003 ein faktisches Abschiebungshindernis. Neben einer förmlichen Anordnung nach § 54 AuslG hindert auch jede andere ausländerrechtliche Erlasslage die Durchbrechung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die wie - vorliegend der genannte Erlass vom 23. Mai 2003 - dem einzelnen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt (vgl. ebenso: BVerwG, DVBl. 2001, 1531; BVerwG, Buchh. 402.240 § 54 AuslG Nr. 3).

Aber selbst wenn man in Betracht zieht, dass der genannte Erlass nur noch für dieses Jahr gilt, ergibt sich gleichwohl kein anderes Ergebnis. Denn es besteht keine extreme Gefährdungslage in dem vorbezeichneten Sinne im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Kläger zur Volksgruppe der Roma, die die Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG rechtfertigen könnte. Dies gilt weder bezogen auf das Gebiet des Kosovo noch auf Serbien.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen kann trotz der Berichte über Übergriffe auf Roma im Kosovo nicht angenommen werden, dass jeder Angehörige dieser Volksgruppe bei einer Abschiebung in den Kosovo gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dem steht entgegen, dass UNMIK und KFOR nicht nur durchweg bereit, sondern in weiten Bereichen auch in der Lage sind, den Roma und Ashkali Schutz zu gewähren. Die KFOR sichert - wie bereits erwähnt - Siedlungen der Roma und Ashkali. Die Schutzmaßnahmen der KFOR haben dazu geführt, dass Übergriffe auf Angehörige der Volksgruppe der Roma deutlich vermindert werden konnten. Wie aus den Eingangs zitierten Quellen zur Lage der Roma ersichtlich, ist die Sicherheitslage im Kosovo auch nicht einheitlich zu beurteilen, sondern es bietet sich von Ort zu Ort ein unterschiedliches Bild. Keine der ausgewerteten Auskunftsquellen berichtet von Übergriffen in einem solchen Ausmaß, dass hier eine extreme Gefahrenlage festgestellt werden könnte. Da die Roma und Ashkali aufgrund der unsicheren Lage in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, sind sie in noch größerem Maße als die Kosovo-Albaner auf Nahrungsmittel und humanitäre Unterstützung angewiesen, von der sie nicht ausgeschlossen sind, wenngleich ihre Versorgung noch dürftiger und von noch strengeren Maßstäben abhängig ist als bei den Albanern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosova - Situation der Minderheiten, Berichte vom 1. März 2001, Gesellschaft für bedrohte Völker , Anlage zu Auskunft an das VG Saarlouis vom 12. Dezember 2000). Ähnlich verhält es sich bei der medizinischen Versorgungslage. Die primäre Gesundheitsversorgung ist in den Enklaven einigermaßen funktionsfähig (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosova - Zur medizinischen Versorgungslage, Juni 2001), während sich die sekundäre Gesundheitsversorgung schwieriger gestaltet. In den Ortschaften, in denen neben den Roma und Angehörigen anderer Minderheiten, überwiegend Serben leben, können sich kranke Minderheitenangehörige an die niedergelassenen serbischen Ärzte wenden, in anderen Ortschaften helfen die Teams von Medizins Du Monde Frankreich und Griechenland oder die Kranken können sich in einer Klinik der Hilfsorganisation Mutter Theresa versorgen lassen (Gesellschaft für bedrohte Völker, Anlage zur Auskunft vom 12. Dezember 2000 an das VG Saarlouis).

Für die Bevölkerungsgruppe der Roma in Serbien ist zwar festzustellen, dass ihre Lebensbedingungen in Serbien ausgesprochen schwierig sind und es im täglichen Leben in der Tat immer noch Vorbehalte und Diskriminierungen gibt. Diese schwierige Situation rechtfertigt aber ebenfalls nicht die Annahme einer extremen Gefahrenlage, denn es kann auch in Bezug auf Serbien keine Rede davon sein, dass Roma im Falle der Abschiebung dort gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden. Eine Versorgung mit Nahrung und Unterkunft ist - wenn auch auf niedrigem Niveau - auch für Roma im Regelfall gesichert (vgl. zum Ganzen: Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 und 28. Juli 2003, Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. Mai 2001 an das VG Köln, Auskunft der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 6. Februar 2003 an das VG Freiburg). Dass Übergriffe auf die körperliche Integrität nur vereinzelt vorkommen und insoweit die staatlichen Institutionen Schutz bieten, ist bereits gesagt worden.

Auch aus den Erkrankungen der Kläger ergeben sich keine individuellen Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, kann die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeit im Zielstaat ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen, sofern sich der Gesundheitszustand des Betreffenden alsbald nach der Rückkehr infolge der fehlenden Behandlungsmöglichkeit wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwGE 105, 187, <192 f.>; 105, 383 <387>; BVerwG, EZAR 043 Nr. 27; BVerwG, NVwZ 1998, 973). Allerdings darf die Krankheit im Zielstaat nicht so weit verbreitet sein, dass daraus eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG herzuleiten ist, die eine politische Leitentscheidung im Sinne des § 54 AuslG gebietet. Ähnlich verhält es sich, wenn sich aus einer allgemeinen Gefahr wie etwa der schlechten wirtschaftlichen oder medizinischen Versorgungslage individuelle Gefährdungen ergeben, die durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber gleichwohl nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (vgl. hierzu insbesondere BVerwGE 108, 77 <80 ff.>; BverwG, NVwZ 1998, 973 f.). Vorliegend kann unter Berücksichtigung insbesondere der im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand der Kläger alsbald nach einer Abschiebung in ihr Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Dabei ist, da die Kläger auch in Serbien vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind und ihnen dort auch keine anderen existentiellen Gefahren drohen, denen sie im Kosovo nicht ausgesetzt wären, nicht allein auf das Gebiet des Kosovo, sondern auch auf die mögliche medizinische Versorgung in Serbien zu schauen.

Der Kläger zu 1) leidet an einer chronischen Bronchitis (beginnendes Lungenemphysem), die die Gabe inhalativer Medikamente erforderlich macht, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, vorrangig aber einen Stopp der Nikotinzufuhr. Die Klägerin zu 2) leidet an einer Echinokokose der Leber, Zustand nach Operation, die 1996 mit einer Escarzoltherapie behandelt wurde. Seitdem waren/sind (nur noch) einmal im Jahr Kontrolluntersuchungen mittels Ultraschall erforderlich. Desweiteren leidet auch sie an einer chronisch obstruktiven Bronchitis, hinsichtlich der vorrangig der Nikotingenuss gestoppt werden sollte, um eine chronische Lungenerkrankung zu verhindern, sowie die Gabe inhalativer Medikamente erforderlich ist . Schließlich wurde bei ihr eine Ohrradikaloperation rechts durchgeführt, die eine vierteljährliche regelmäßige Kontrolle des rechten Ohres mit fachärztlicher Reinigung und Pflege erforderlich macht. In einem Attest vom 22. Juni 1999 werden auch noch rezidivierende Magenschleimhautentzündungen und ein Wirbelsäulensyndrom genannt.

Es ist nach der Erkenntnislage jedoch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich der Gesundheitszustand der Kläger im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland alsbald wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmern würde und es auf diese Weise alsbald zu einer erheblichen Gesundheitsverschlechterung kommen würde.

Ob insbesondere die bei der Klägerin zu 2) wegen ihrer diversen Erkrankungen erforderlichen Kontrolluntersuchungen im Kosovo durchgeführt werden können und wie dies verneinendenfalls rechtlich zu beurteilen ist, kann wegen der chronischen Bronchitis, an der beide Kläger leiden, dahinstehen. Dass die Nikotinkarenz von den Klägern jederzeit und überall auf der Welt durchgeführt werden kann, liegt zwar auf der Hand und bedarf auch keiner weiteren Erörterungen. Ansonsten kann aber eine chronische Bronchitis im Kosovo schon nicht behandelt werden, da es dort an spezialisierten Ärzten und medizinischen Einrichtungen fehlt, und auch die (nachrangig) vorzunehmende Gabe inhalativer Medikamente ist im Kosovo nicht durchführbar, da die Medikamente dort nicht erhältlich sind (vgl. Online Loseblattwerk Serbien und Montenegro des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zum Gesundheitswesen, Stand: März 2003; Informationszentrum Asyl und Migration des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Erkenntnisse des Bundesamtes, BR Jugoslawien/ Kosovo, Stand Januar 2003).

Anders verhält es sich aber mit Blick auf Serbien. Dort sind Atemwegserkrankungen grundsätzlich behandelbar. Es gibt dort ohnehin nur sehr wenige Erkrankungen, die aufgrund fehlender Ausrüstung oder Ausbildung des Personals nicht oder nur unzureichend behandelt werden können. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation, die auch das Gesundheitswesen betrifft, kann es zwar vorübergehend zu Engpässen kommen, jedoch werden lebensbedrohliche Erkrankungen im Regelfall sofort behandelt (vgl. Online Loseblattwerk Serbien und Montenegro des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zum Gesundheitswesen, Stand: März 2003; Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 und 28. Juli 2003). Die bei der Klägerin zu 2) erforderlichen Kontrolluntersuchungen bzw. Nachsorgebehandlungen können durchgeführt werden ebenso wie orthopädische Behandlungen möglich sind. Die Grundversorgung mit einfachen Medikamenten - auch für Atemwegserkrankungen - ist gewährleistet, jedoch müssen darüber hinausgehende Präparate kostenintensiv importiert werden. Die internationalen Hilfsorganisationen versuchen hier mit zunehmenden Erfolg, die Versorgungslücken zu schließen, so dass eine weitere Verbesserung der Situation zu verzeichnen ist. Gemeldete anerkannte Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger und deren Familienangehörige sind in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, zahlen aber keine Beiträge. Sie werden also de facto kostenfrei behandelt. Dies gilt auch für Angehörige der Volksgruppe der Roma aus dem Kosovo, sofern sie sich in Serbien niederlassen und dort registrieren lassen (vgl. zum Ganzen Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 und 28. Juli 2003). Dass letzteres für die Kläger grundsätzlich möglich ist, da diese mit gültigen Reisepässen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist waren, ist bereits festgestellt worden.

Dem von den Klägern gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, dass eine entsprechende Behandlung ihrer Erkrankungen in ihrem Heimatland nicht möglich sei, musste der Senat nicht nachgehen, da die erforderlichen Erkenntnisquellen zur Gesundheitsversorgung in Serbien und Montenegro und zur Situation der Roma in Serbien bereits in großem Umfang und auch hinreichend aktuell vorliegen. Einem auf Einholung eines Sachverständigengutachtens einschließlich amtlicher Auskünfte gerichteten Beweisantrag braucht ein Gericht dann nicht nachzugehen, wenn ihm zu dem Beweisthema andere amtliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten vorliegen, die eine hinreichend sichere Beurteilung der Beweisfrage erlauben, so dass sich die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht aufdrängt (vgl. BVerwGE 85, 92 <94 f.>, BVerwG, InfAuslR 1990, 99 < 101>). So verhält es sich hier.

Schließlich bleibt noch festzustellen, dass auch die Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden ist. Zwar ist die Bezeichnung des Abschiebezielstaates (Bundesrepublik Jugoslawien <Kosovo>) aufgrund des geänderten Staatsnamens inzwischen nicht mehr aktuell, jedoch entspricht die Abschiebungsandrohung nach wie vor den Anforderungen des § 50 Abs. 2 AuslG. Mit dem Begriff "Bundesrepublik Jugoslawien" wird das Abschiebeziel auch nach der Änderung des Staatsnamens sowohl für den betroffenen Ausländer als auch für die mit der Abschiebung betraute Ausländerbehörde unmissverständlich klar bezeichnet, so dass der Zweck des § 50 Abs. 2 AuslG in erreicht wird. Eine Umstellung der Zielstaatsbezeichnung in vergleichbaren Abschiebungsandrohungen erscheint für die Zukunft zwar wünschenswert, jedoch bestehen für eine gewisse Übergangszeit keine rechtlichen Bedenken, die alte Bezeichnung zu verwenden; die überkommene Staatsbezeichnung "Jugoslawien" wird im allgemeinen Sprachgebrauch ohnehin noch einige Zeit fortleben, ohne dass dies zu Unklarheiten führen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und - in entsprechender Anwendung - auf § 162 Abs. 3 VwGO. Das Verfahren ist nach §§ 83 b Abs. 1, 87 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gerichtsgebührenfrei. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.



Ende der Entscheidung

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