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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.04.2008
Aktenzeichen: 4 LB 7/06
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG, KAG, VerpackV


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 5 Abs. 2
KrW-/AbfG § 6
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 1. Halbsatz
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 1
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 2
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
KrW-/AbfG § 16 Abs. 1
KrW-/AbfG § 16 Abs. 1 Satz 1
KrW-/AbfG § 21
KrW-/AbfG § 24
KrW-/AbfG § 24 Abs. 2 Nr. 4
KAG § 6 Abs. 2
VerpackV § 6 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 4 LB 7/06

verkündet am 22. April 2008

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Abfallbeseitigungsrecht (Untersagungsverfügung gem. § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG) - Berufung -

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 23. Februar 2006 geändert.

Der Bescheid vom 25. Mai 2004 nebst Widerspruchsbescheid vom 15. September 2004 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Aufhebung einer abfallrechtlichen Untersagungsverfügung, mit der ihr die Erfassung und Verwertung von Altpapier aus privaten Haushaltungen im Stadtgebiet der Beklagten verboten wurde.

Die Klägerin ist ein umfassend im Bereich der Abfallentsorgung tätiges privates Wirtschaftsunternehmen. Sie führt diverse Dienstleistungen der Abfallentsorgung im privaten und kommunalen Bereich aus. Im Bereich der Altpapierverwertung ist sie seit ca. 30 Jahren tätig. Bis zum 31.12.2003 führte sie die Altpapiererfassung in Teilen des Stadtgebiets der Beklagten als Drittbeauftragte nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG durch. Zurzeit wird die Altpapiererfassung im Stadtgebiet der Beklagten durch die Beklagte selbst und ein von ihr beauftragtes Unternehmen durchgeführt. Die Verwertung des Altpapiers nimmt ein weiteres Unternehmen vor.

Die Klägerin plante, auch bei privaten Haushaltungen (Einzelhaushaltungen und größeren Wohneinheiten) ihre Leistungen im Bereich der Altpapierverwertung anzubieten. Ferner erwog sie, vor Verbrauchermärkten und Sportvereinen Altpapierbehälter aufzustellen und Straßenbündelsammlungen durchzuführen. Das erfasste Altpapier soll jeweils in Papierfabriken in der Europäischen Union, insbesondere in den Niederlanden, einer Verwertung zugeführt werden.

Die Klägerin unterbreitete verschiedenen Hausverwaltungen und Wohnungsbaugesellschaften sowie einzelnen Privatpersonen das Angebot, auf deren Grundstücken Altpapierbehälter aufzustellen und das anfallende Altpapier der Verwertung zuzuführen. In der Folgezeit stellte sie nach Zustimmung der jeweiligen Hausverwaltungen bzw. der Privathaushalte Abfallbehälter bei einigen Wohneinheiten auf. Die Zustimmung wurde zum Teil mündlich erteilt, zum Teil wurden Verträge mit einer Laufzeit von 2 Jahren abgeschlossen, in denen sich die Haushaltungen verpflichteten, den Entsorgungsvertrag mit dem bisherigen Entsorgungspartner zu kündigen. In mehreren Fällen forderten die Hausverwaltungen und die privaten Haushaltungen den Abfallwirtschaftsbetrieb der Beklagten auf, die kommunalen Altpapiertonnen abzuziehen und keine weiteren Altpapiergebühren zu erheben.

Mit Schreiben vom 20.02.2004 zeigte die Klägerin der Beklagten die von ihr geplanten Tätigkeiten an.

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin, in der diese der Beklagten mitteilte, dass die Absicht bestehe, "in einem bestimmten räumlichen Bereich flächendeckend die Erfassung von Wertstoffen 'freiwillig' anzubieten", erließ die Beklagte mit Datum vom 25.05.2004 die streitgegenständliche Untersagungsverfügung. Hierin ordnete sie gemäß § 21 KrW-/AbfG an, dass die Klägerin die Erfassung, Entsorgung und Verwertung von Altpapier (Papier, Pappe, Karton - sog. "PPK-Fraktion") aus privaten Haushaltungen im Stadtgebiet der Beklagten zu unterlassen habe. Sie verbot der Klägerin insbesondere das Aufstellen von Altpapierbehältern zum Zwecke der Befüllung von Abfällen der PPK-Fraktion aus privaten Haushaltungen sowie deren Leerung. Weiter wurde der Klägerin aufgegeben, ihre im Stadtgebiet der Beklagten aufgestellten Altpapierbehälter, die mit Abfällen der PPK-Fraktion aus privaten Haushaltungen befüllt sind oder befüllt werden sollen, unverzüglich zu entfernen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die genannten Anordnungen wurde ein Zwangsgeld von jeweils 5.000,00 € angedroht. Die Anordnungen wurden für sofort vollziehbar erklärt.

Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass die von der Klägerin geplante und zum Teil bereits durchgeführte Altpapiererfassung und -verwertung im Widerspruch zu § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG stehe. Die Tätigkeit der Klägerin stelle keine die Überlassungspflicht auschließende Eigenverwertung nach § 13 Abs. 1 S. 1 2. HS KrW-/AbfG dar. Es handle sich auch nicht um eine gewerbliche Sammlung nach § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG, da die Erfassung des Altpapiers nicht aufgrund eines freiwilligen Angebots der privaten Haushaltungen, sondern aufgrund der auf zwei Jahre abgeschlossenen Verträge erfolge. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Darüber hinaus habe die Klägerin den Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung nicht geführt. Ferner stünden einer Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Die Beklagte habe als entsorgungspflichtige Körperschaft eine funktionsfähige Abfallentsorgung sicherzustellen. Dieses sei nur möglich, wenn entsprechende Anlagen in ausreichender Größe und angemessener betriebswirtschaftlicher Form zu vertretbaren Gebühren fortgeführt werden könnten. Im Falle des Tätigwerdens der Klägerin müsse sie Reserve- und Bereitschaftsvorkehrungen (Ersatzfuhrparks, Arbeitskräfte, Müllbehälter) treffen, um im Fall des Zurückziehens der Klägerin aus dem Markt ihrer Auffangfunktion gerecht zu werden und einen Entsorgungsnotstand zu verhindern. Es bestehe durch das Tätigwerden der Klägerin auch eine erhebliche Planungsunsicherheit, die die stabilen Grundlagen der Gebührenkalkulation zerstören würde. Durch die geplante flächendeckende Altpapiererfassung würde die kommunale Abfallentsorgung in ihrem Bestand gefährdet. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass die Beklagte allein die verkehrs- und kostengünstigen Haushalte umwerbe, bei denen viel Altpapier anfalle ("Rosinentheorie"), während die Beklagte zu unvertretbaren Kosten die Entsorgung bei den übrigen Haushalten gewährleisten müsse. Schließlich sei eine Sammlung durch die Klägerin unzulässig, da ein wesentlicher Anteil des einzusammelnden Papiers sowie der Pappe aus dem Rücknahme- und Befreiungssystem nach der Verpackungsverordnung ("Grüner Punkt" - DSD Deutschland GmbH) bestehe, in welches die Klägerin nicht eingebunden sei.

Gegen die Untersagungsverfügung erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte vor dem Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28.07.2004 ab (Az. 12 B 35/04). Die streitgegenständliche Verfügung werde sich voraussichtlich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde der Klägerin wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 19.08.2004 (Az. 4 MB 76/04) zurück. Die angegriffene Verfügung sei weder offensichtlich rechtmäßig noch rechtswidrig. Die in diesem Falle vorzunehmende Folgenabwägung gehe zu Lasten der Klägerin.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 22.09.2004 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass bereits keine Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG bestehe. Die von der Beklagten vertretene Auffassung zur Eigenverwertung im Rahmen des § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG entspreche nicht dem heutigen Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur. Wortlaut, Systematik und die Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG sprächen dafür, dass eine Eigenverwertung im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG auch durch einen beauftragten Dritten nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG erfolgen könne.

Jedenfalls liege eine gewerbliche Sammlung nach § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG vor. Dieses gelte selbst dann, wenn man mit der Beklagten als Voraussetzung für eine Sammlung fordern würde, dass die Abgabe des Altpapiers freiwillig und ohne vertragliche Bindung erfolgen müsse. Es bestünden keine Verträge über die Verwertung des Altpapiers, sondern allein mündliche oder schriftliche Abreden darüber, dass die Klägerin Abfallbehälter auf den Grundstücken aufstellen dürfe. Eine Nutzungspflicht ergebe sich daraus nicht. Dieses gelte erst recht für die Altpapiererfassungsbehälter vor Verbrauchermärkten und für die geplanten Straßenbündelsammlungen. Jedenfalls enthalte die Untersagungsverfügung einen überzogenen Regelungsgehalt, da sie auch die Sammlung vor Verbrauchermärkten und Straßenbündelsammlungen verbiete, welche unzweifelhaft freiwillig seien. Im Übrigen liege entgegen der Auffassung der Beklagten eine Sammlung auch dann vor, wenn vertragliche Vereinbarungen bestünden. Insoweit sei der Begriff der Sammlung europarechtskonform auszulegen.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin keinen Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung geführt habe. Zum einen sei der Beklagten aufgrund der früheren Tätigkeit der Klägerin als Drittbeauftragte nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG bekannt gewesen, dass sie in der Vergangenheit das Altpapier stets ordnungsgemäß und schadlos der Verwertung zugeführt habe. Entsprechende Nachweise seien von der Beklagten auch nicht gefordert worden und hätten ohne weiteres beigebracht werden können. Die Klägerin sei jederzeit bereit, die im gerichtlichen Verfahren bereits erbrachten Nachweise zu ergänzen und zu aktualisieren.

Der Tätigkeit der Klägerin stünden schließlich auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen. Dies verkenne die Beklagte, die offenbar davon ausgehe, dass die Durchführung gewerblicher Sammlungen grundsätzlich im Widerspruch zu öffentlichen Interessen stehe, weil § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG kein Einfallstor für gewerbliche Abfallsammlungen aus privaten Haushaltungen sein dürfe. Richtigerweise setze die Feststellung überwiegender öffentlicher Interessen im Sinne der genannten Vorschrift voraus, dass die gewerbliche Sammlung die öffentliche Entsorgung im Sinne ihrer Funktionsfähigkeit ernsthaft gefährde. Erforderlich sei zudem, dass die Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen konkret nachgewiesen werde. Einen solchen Nachweis habe die Beklagte nicht geführt.

Jedenfalls seien die Regelungen des § 13 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG europarechtskonform auszulegen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 25.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2004 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in ihrer Untersagungsverfügung und in ihrem Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend ausgeführt, dass der Gesetzgeber den Bereich der Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge angesehen habe. Dieses System der Abfallentsorgung habe er grundsätzlich beibehalten wollen. Die privaten Haushaltungen seien nämlich mit einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung im Regelfall überfordert. Im Übrigen sprächen auch praktische Gründe dafür, Ausnahmen von der Überlassungspflicht auf die Fälle der Eigenverwertung zu begrenzen. Nur so könnten flächendeckende Entsorgungssysteme und eine effektive Behördenkontrolle gewährleistet und Anreize zur illegalen Abfallentsorgung vermieden werden. Das Europarecht fordere keine andere Auslegung.

Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte ihre Befürchtungen bezüglich der zu erwartenden Gebührenerhöhungen bei Zulassung der Betätigung der Klägerin substantiiert. Je nach dem eintretenden Mengenverlust (10%, 25%, 50% oder 75%) würde eine Gebührenerhöhung (für PPK) um 16,9%, 53,2%, 102,6% bzw 232,5% zu besorgen sein.

Mit Urteil vom 23.02.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Bei der Tätigkeit der Klägerin handle sich nicht um eine die Überlassungspflicht ausschließende Eigenverwertung nach § 13 Abs. 1 S. 1 2. Hs. KrW-/AbfG. Der Wortlaut, die Systematik und Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 1 S. 1 2. Hs. KrW-/AbfG sprächen dafür, dass der Pflichtige selbst verwertend tätig werden müsse und eine Einschaltung Dritter die Überlassungspflicht grundsätzlich nicht entfallen lasse. Zur Begründung hat sich das Verwaltungsgericht dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen des VGH Mannheim in seinem Urteil vom 21.07.1998 (Az. 10 S 2614/97 - NVwZ 1998, 1200) gestützt. Die Zulässigkeit der untersagten Betätigung werde auch nicht durch § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG begründet. Es könne sowohl offen bleiben, ob eine vertragliche Überlassung von Abfällen zur Verwertung eine Sammlung darstelle, als auch, ob ein Verstoß gegen die Verpackungsverordnung vorliege. Jedenfalls stünden einer Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Die Klägerin beabsichtige, flächendeckend die Altpapiererfassung auf dem Entsorgungsgebiet der Beklagten vorzunehmen und diese noch auf weitere Bereiche auszudehnen. Der Beklagten würden dadurch diese besonders lukrativen Entsorgungsbereiche entzogen, was sich automatisch gebührenerhöhend auf die Gebührensätze der anderen Abfallfraktionen niederschlagen würde. Dies sei zusammen mit der Entsorgungssicherheit ein schützenswerter Allgemeinwohlbelang. Dies gelte unabhängig davon, ob die von der Beklagten dargelegten gebührenrechtlichen Folgen bei den jeweils geschätzten Mengenverlusten richtig seien. Zwar gehe die Klägerin zutreffend davon aus, dass nicht jede Rentabilitätserwägung ausreiche, um "überwiegende" öffentliche Interessen zu begründen. Bei einer derartigen Auslegung würde die Vorschrift des § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG weitgehend leer laufen. Im vorliegenden Fall sei jedoch entscheidend, dass die Klägerin beabsichtige, in die flächendeckende Altpapiererfassung auf dem Entsorgungsgebiet der Beklagten einzusteigen. In einem solchen Falle müsse die Beklagte nicht zuwarten, bis die befürchtete Aushöhlung der öffentlichen Entsorgungsstruktur tatsächlich stattgefunden habe oder bis Mengenverluste bezüglich der PPK-Fraktion tatsächlich auf die Gebühren durchgeschlügen. Im Gegensatz zu einer gewerblichen Sammlung, die punktuell und/oder zeitlich begrenzt durchgeführt werden soll, dürfe die zuständige Behörde entgegenstehende öffentliche Interessen im Sinne von § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG bereits dann annehmen, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass der Einstieg in eine flächendeckende Altpapiererfassung auf Dauer geplant sei.

Dieses Auslegungsergebnis widerspreche auch nicht europäischem Recht.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 15.03.2006 zugestellte Urteil am 06.04.2006 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und trägt ergänzend und vertiefend vor. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei insbesondere wegen der Ausführungen zu den überwiegenden öffentlichen Interessen rechtsfehlerhaft. Die vom Verwaltungsgericht angestellten generalpräventiven Überlegungen beruhten offenkundig auf der Annahme, dass jede gewerbliche Sammlung praktisch eine Bedrohung der öffentlichen Entsorgung darstelle. Dieses reiche für die Annahme überwiegender öffentlicher Interessen nicht aus. Vielmehr hätte sich das Verwaltungsgericht mit den konkreten Auswirkungen der Sammlung auseinandersetzen müssen. Soweit die Beklagte zu den zu erwartenden Gebührensteigerungen vorgetragen habe, seien diese Berechnungen unsubstantiiert und unzutreffend.

Die Begründung des Verwaltungsgerichts beruhe zudem wesentlich auf der Feststellung, dass die Klägerin beabsichtige, ein umfassendes und flächendeckendes Sammelsystem für die PPK-Fraktion im gesamten Stadtgebiet der Beklagten zu errichten. Dieses sei aber nie die Absicht der Klägerin gewesen. Tatsächlich sei sie nur punktuell tätig geworden. Sie beabsichtige zwar auch, das Altpapier verschiedener benachbarter Abfallerzeuger und u.U. ganze Straßenzüge zu übernehmen. Schon aus eigenem wirtschaftlichen Interesse sei sie bestrebt, in diesen Teilbereichen nicht nur ein Rosinenpicken zu betreiben. Eine flächendeckende Übernahme des Altpapiers im Stadtgebiet der Beklagten sei aber weder beabsichtigt noch realistisch. Selbst einen Anteil von 10 % des Gesamtaufkommens der Beklagten könnte die Klägerin nur über mehrere Jahre am Markt gewinnen. Die zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung übernommene Altpapiermenge dürfte im Promillebereich des gesamten Aufkommens der Beklagten liegen.

Die Zulässigkeit der Sammlung ergebe sich jedenfalls unter Berücksichtigung des Europarechts.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 23.02.2006 die abfallrechtliche Untersagungsverfügung der Beklagten vom 25.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und hat auf entsprechende Verfügungen des Senatsvorsitzenden mit Schriftsatz vom 27.2.2008 eine Gebührenbedarfsberechnung der Papierbehälter für das Jahr 2004 und mit Schriftsatz vom 20.3.2008 eine Gebührenbedarfsberechnung für Restabfallbehälter für die Jahre 2004 und 2008 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 25. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Mit der Untersagungsverfügung wird der Klägerin die Erfassung und Verwertung von Altpapier (PPK-Fraktion) aus privaten Haushaltungen im Stadtgebiet der Beklagten umfassend und auf Dauer untersagt. Von der Untersagungsverfügung sind damit auch gewerbliche Sammlungen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG erfasst.

Soweit die Beklagte meint, die Untersagung gewerblicher Sammlungen auf § 6 Abs. 3 VerpackV stützen zu können, ist dem entgegen zu halten, dass die rechtliche Zulässigkeit der gewerblichen Altpapiersammlung ausschließlich nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG zu beurteilen ist. Durch diese Vorschrift werden gewerbliche Sammlungssysteme außerhalb des Bereichs der Rückgabe- und Rücknahmepflichten auf Grund von Rechtsverordnungen nach § 24 KrW-/AbfG ermöglicht. (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.02.2008 - 10 S 2422/07 -). Im Übrigen besteht für Verpackungen ohnehin nur eine Rücknahme- aber keine Rückgabepflicht und damit auch keine Überlassungspflicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 - 7 C 42.07 -).

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG besteht eine Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Da Zweifel an der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des von der Klägerin gesammelten Altpapiers nicht bestehen und überwiegende öffentliche Interessen gewerblichen Sammlungen der Klägerin nicht entgegenstehen, ist die Untersagungsverfügung (insoweit) rechtswidrig.

An den Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung gesammelten Altpapiers sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.02.2008, a.a.O. und OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.01.2008 - 7 ME 193/07 -). Dies gilt im Hinblick auf die Klägerin insbesondere deshalb, weil sie unbeanstandet bereits Dienstleistungen der Abfallentsorgung im privaten und kommunalen Bereich ausgeführt hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Verwertung von Altpapier aus anderen Herkunftsbereichen, und darüber hinaus gerade auch für die Beklagte als Drittbeauftragte nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG im Bereich der Sammlung und Verwertung von Altpapier tätig geworden ist. Die Beklagte hat auch begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Klägerin nicht geäußert. Allein unter Hinweis auf einen etwaigen unzureichenden Nachweis durfte die generelle und dauerhafte Untersagungsverfügung nicht ergehen. Vor der Untersagung von Sammlungstätigkeiten hätte es der Beklagten oblegen, der Klägerin Gelegenheit zu geben, konkret bestehende Zweifel auszuräumen oder etwaige von ihr für erforderlich gehaltene Genehmigungen oder Eignungsnachweise anzufordern (siehe hierzu Urt. des Senats v. 22.10.2003 - 4 LB 22/03 - zur Zulassung Privater zum Rettungsdienst und Krankentransport). Dies ist im vorliegenden Fall offensichtlich deshalb nicht geschehen, weil objektiv Zweifel an der Eignung und Zuverlässigkeit der Klägerin nicht bestehen. Die Beklagte hat derartige Zweifel auch in der mündlichen Verhandlung nicht geäußert.

Der Sammlungstätigkeit der Klägerin stehen auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.03.2006 - 7 C 9.05 -, BVerwGE 125, 337) liegen solche überwiegenden Interessen vor, wenn ohne die Überlassung dieser Abfälle zur Verwertung (hier PPK-Fraktion) die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung gefährdet wäre. Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung als solche wird dadurch, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger weniger Altpapier überlassen wird, nicht beeinträchtigt. Finden flächendeckende und kontinuierliche Altpapiersammlungen gewerblicher Unternehmen statt und fällt deshalb regelmäßig weniger Altpapier beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger an, kann dies Umstrukturierungsmaßnahmen des Entsorgungsträgers (z.B. Abfuhrrhythmus und Umstellung auf ein Abrufsystem, Änderung der Verträge mit Drittbeauftragten) erforderlich machen. Eine Gefährdung der Entsorgung geht damit aber nicht einher. Solche Umstrukturierungen muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger stets vornehmen, wenn die vorhandenen Strukturen nicht mehr der notwendigen Daseinsvorsorge entsprechen. Dazu ist er schon im Hinblick darauf angehalten, dass nur die erforderlichen Entsorgungskosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG gebührenfähig sind. Dass die Beklagte damit überfordert wäre, ist für den Senat nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht geltend gemacht. Auch aus der Gesetzesbegründung (Begründung des federführenden Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 12/7284 S. 17) ergibt sich, dass der Gesetzgeber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zumutet, auf verstärkte Sammlungstätigkeiten organisatorisch zu reagieren. Nach der dort zu § 13 b gegebenen Begründung entsprechen die Absätze 2 und 3 dem Grundgedanken, Überlassungspflichten nur auf den erforderlichen Bereich der notwendigen Daseinsvorsorge zu beschränken. Hiervon werden nur Ausnahmen gemacht, soweit dies aus Gründen des Allgemeinwohls notwendig ist (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3). Ausnahmen sind danach nicht Ausnahmen von der Überlassungspflicht, sondern Ausnahmen von dem Grundgedanken der Beschränkungen der Überlassungspflicht, die aus Gründen des Allgemeinwohls notwendig sind. Dies verkennt das Verwaltungsgericht, wenn es die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung mit dem Regel-Ausnahmeprinzip begründet.

Allerdings muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Abfallentsorgung insgesamt sicherstellen und damit auch dann seiner Auffangfunktionen gerecht werden, wenn Abfälle flächendeckend und kontinuierlich von gewerblichen Unternehmen gesammelt werden. Dies bedingt Vorhaltekosten, die durch Erlöse aus der Abfallverwertung (hier PKK-Fraktion) nicht (mehr) gedeckt werden können, wenn die Entsorgungstätigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sich wegen gewerblicher Sammlungen zunehmend auf unattraktive Gebiete beschränkt. Diese Kosten sind allerdings gebührenfähig. Auf den Gebührenaspekt stellt die Beklagte auch im Wesentlichen in ihrer Argumentation ab.

Soweit sie darüber hinaus geltend macht, in Folge der von der Klägerin geplanten flächendeckenden Altpapiererfassung entstehe auch eine erhebliche Planungsunsicherheit, die die stabilen Grundlagen der Gebührenkalkulation zerstören würden, ist dem entgegenzuhalten, dass gebührenfähig die Kosten (einschließlich der Vorhaltekosten) sind, die sie zum Zeitpunkt der Kalkulation auf Grund der Erfahrungen der Vergangenheit und der prognostizierten zukünftigen Entwicklung für erforderlich halten durfte. Unwägbarkeiten gehen mithin zu Lasten der Gebührenpflichtigen. Selbst dann, wenn durch erforderliches kurzfristiges Eingreifen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht einkalkulierte Mehrkosten entstehen, ist er gebührenrechtlich befugt, Unterdeckungen der Kalkulationsperiode in Nachfolgejahren auszugleichen. Letztlich ist die flächendeckende Sammlung von Altpapier durch gewerbliche Unternehmen deshalb vor allem ein Gebührenproblem und kein Organisationsproblem, das der Entsorgungsträger nicht bewältigen könnte.

Soweit die Auffassung vertreten wird, es bestünden bereits Bedenken, dass das Interesse an einer kostengünstigen Entsorgung, das heißt das Interesse der Benutzer der Einrichtung "Abfallensorgung" an niedrigen Gebühren, ein "öffentliches Interesse" im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG sei (siehe VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.02.2008, a.a.O.) beziehungsweise im Rahmen der "öffentlichen Interessen" fiskalische Auswirkungen allenfalls nachrangig zu berücksichtigen seien (siehe OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.01.2008, a.a.O., m.w.N.), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Interesse an einer kostengünstigen Entsorgung ist ein Interesse, das auf die Verfolgung des Zwecks und die Zielvorgaben des Kreislaufwirtschaftsabfallgesetzes gerichtet ist. Nur wenn die Entsorgungsgebühren für den Benutzer "tragbar" sind, ist auch gewährleistet, dass er seinen Überlassungspflichten nachkommt und nicht zur Vermeidung einer - aus seiner Sicht - unverhältnismäßigen Gebührenbelastung den Weg der illegalen Abfallbeseitigung wählt.

Die Vermeidung jeglicher Gebührensteigerungen in Folge gewerblicher Sammlungen ist kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Wollte man dieser Auffassung folgen, wären gewerbliche Sammlungen immer schon dann unzulässig, wenn sie regelmäßig, flächendeckend erfolgen und Vorbildwirkung für andere Gewerbetreibende haben können. Eine derartige Einschränkung ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nicht zu entnehmen. Auch die oben genannte Gesetzesbegründung spricht dagegen. Danach sollen die Überlassungspflichten auf den erforderlichen Bereich der notwendigen Daseinsvorsorge beschränkt werden. Gewerblichen Sammlungen wird daher der Vorrang eingeräumt, soweit nicht überwiegende öffentliche Interessen dem entgegenstehen. Ob das öffentliche Interesse an einer kostengünstigen Abfallentsorgung ein in diesem Sinne "überwiegendes" ist, kann nur anhand der zu prognostizierenden Auswirkungen gewerblicher Sammlungen auf den Gebührenhaushalt beurteilt werden. Hierbei ist auf die Steigerung der Abfallentsorgungsgebühren insgesamt abzustellen und nicht lediglich die spezielle Gebühr für die Altpapierentsorgung in den Blick zu nehmen. Schützenswert ist das Interesse der Gebührenschuldner an der kostengünstigen Abfallentsorgung insgesamt und nicht ein spezielles Interesse an einer geringen Gebühr für die Altpapierentsorgung.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte eine solche spezielle Gebühr erhebt und die Gefahr bestehen könnte, dass eine verhältnismäßig hohe Steigerung dieser Gebühr dazu führen könnte, dass eine Vielzahl von Gebührenschuldnern ihre "blaue Tonne" abmelden und Altpapier ausschließlich Sammlungen zuführen, mit der Folge weiterer Steigerungen der speziellen Gebühr. Nach der Rechtsprechung des für das Gebührenrecht zuständigen 2. Senats des OVG Schleswig (siehe Urt. v. 13.02.2008 - 2 KN 3/06 -) überschreitet der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht den ihm als Satzungsgeber eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum, wenn er die Bereitstellung einer blauen Tonne nicht als besonderen Gebührentatbestand ausweist, sondern die Kosten der Entsorgung von Altpapier undifferenziert dem Restabfall zuordnet. Er könnte mithin der Gefahr einer deutlichen Steigerung einer speziellen Gebühr aus den vorgenannten Gründen (wenn sie denn besteht) durch die Erhebung einer undifferenzierten Gebühr begegnen, auch wenn aus Gründen der sogenannten Leistungsproportionalität gebührenrechtlich speziellen Gebühren der Vorrang einzuräumen ist.

Da die streitgegenständliche Untersagungsverfügung ein Dauerverwaltungsakt ist und im Falle seiner Aufhebung zukünftig mit der Durchführung von Altpapiersammlungen zu rechnen ist, sind zuvörderst die Auswirkungen auf die zukünftige Gebührengestaltung zu betrachten.

Nach der von der Beklagten vorgelegten Gebührenkalkulation "Papierentsorgung 2008" vom 26. September 2007 sind die Gesamtkosten der Papierentsorgung (ohne Transportzuschläge) mit 1,85 Mio. Euro veranschlagt. Dem stehen veranschlagte Erträge in Höhe von ca. 870.000 Euro gegenüber. Tatsächlich wurden im Jahre 2007 Erträge in Höhe von knapp 1 Mio. Euro erzielt. Geht man nun davon aus, dass die Gesamtkosten sich wegen der Auffangfunktion der Beklagten infolge flächendeckender Sammlungen nicht verringern werden (was unwahrscheinlich ist, weil die oben genannten Umstrukturierungsmaßnahmen Kosteneinsparungen mit sich bringen werden) und unterstellt weiterhin, dass Erträge aus der Altpapierverwertung nicht mehr anfallen (was unrealistisch ist, weil die Beklagte jedenfalls in unattraktiven Gebieten weiterhin Altpapier entsorgen wird) errechnet sich ein Gebührenmehrbedarf von ca. 1 Mio. Euro. Dieser Betrag zu den kalkulierten Entsorgungskosten für Restabfall und Altpapier (Bioabfall hier ausgenommen) in Höhe von 17,9 Mio Euro und 980.000 Euro gleich knapp 18,9 Mio. Euro in Beziehung gesetzt, macht einen prozentualen Gebührenmehrbedarf von 5,3 % aus. In absoluten Zahlen wird dies für einen Normalhaushalt (14tätige Entleerung eines Restabfallbehälters von 120 l und 4-wöchige Entleerung einer 240 l Papiertonne) bedeuten, dass die jährliche Entsorgungsgebühr für Rest- und Papierabfall sich von bisher ca. 200 Euro um ca. 10 Euro erhöht. Dies liegt im Bereich üblicher Gebührenschwankungen. So ist zum Beispiel allein die Restabfallentsorgungsgebühr 2008 für den 120 l Behälter (14tägige Leerung) um jährlich 17,04 Euro gesenkt worden.

Diese Zahlen machen deutlich, dass die Abfallentsorgung für den Benutzer selbst dann noch zu "erträglichen" Gebühren erfolgen wird, wenn bei einer "worst-case-Betrachtung" die Kosten der Altpapierentsorgung nicht sinken und die Erträge aus der Verwertung gegen Null gehen. Demzufolge überwiegt das öffentliche Interesse an einer kostengünstigen Abfallentsorgung nicht das Interesse gewerblicher Unternehmen an Sammlungen, die dem Schutzbereich des Art .12 Abs. 1 GG zuzuordnen sind. Entsprechendes gilt auch für den Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung. Im Jahre 2004 beliefen sich die kalkulierten Kosten für Papierabfall auf 1,146 Mio. Euro (ohne Transportzuschlag). Der Gesamtaufwand für Restabfall und Papier betrug ca. 20 Mio. Euro.

Abschließend sei angemerkt, dass der "worst-case" auch deshalb nicht eintreten wird, weil die Beklagte als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträgerin im Interesse der Gebührenschuldner nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, diese darauf hinzuweisen, dass sie zu Gebührenmehrbelastungen selbst beitragen, wenn sie Papierabfälle Privaten überlassen.

Weiterhin wird der Klägerin durch die streitgegenständliche Verfügung untersagt, Abfälle aus privaten Haushaltungen als beauftragte Dritte (außerhalb ihrer Sammlungstätigkeit) für Erzeuger und Besitzer zu verwerten. Auch insoweit ist die Untersagungsverfügung rechtswidrig. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KrW-/AbfG schließt die Einschaltung Dritter zur Verwertung von Abfällen nicht aus (a.A. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.07.1998 - 10 S 2614/97 -, NVWZ 1998, 1200; OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.06.2003 - 9 ME 1/03 -, NVWZ RR 2004, 175; siehe aber auch Beschl. d. Senats v. 17.01.2006 - 4 MB 121/05 -).

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KrW-/AbfG besteht die Überlastungspflicht nur, soweit sie (Erzeuger und Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen) zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen.

Dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, dass die Erzeuger und Besitzer "selbst" (d.h. in Person) zur Abfallverwertung bereit und in der Lage sein müssen. Allein aus der Verwendung des Wortes "sie" lässt sich dies ebenfalls nicht entnehmen (so aber OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.06.2003, a.a.O.; ebenso Beschl. des Senats vom 16.01.2006, a.a.O.). Die Verwendung des Wortes "sie" ist eine sprachliche Notwendigkeit, wenn an den vorherigen Halbsatz angeknüpft wird und für bestimmte Fälle die Überlassungspflicht der Erzeuger und Abfallbesitzer, abhängig von ihren Möglichkeiten und ihrem Willen (in der Lage und bereit), ausgenommen werden sollen. Dies besagt nichts im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einschaltung Dritter.

Die fehlende Erwähnung Dritter in diesem Zusammenhang spricht für und nicht gegen die Auslegung, dass Dritte für die Erzeuger und Besitzer von Abfällen in deren Auftrag verwertend tätig sein dürfen (a.A. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.07.1998, a.a.O.). Es ist allgemein zulässig, Pflichten - soweit keine unvertretbaren Handlungen erforderlich sind - durch Einschaltung Dritter (Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfe) zu erfüllen. Wenn dies ausnahmsweise gesetzlich ausgenommen sein soll, bedarf es einer gesetzlichen Regelung. Schweigen des Gesetzgebers spricht daher für die Zulässigkeit der Einschaltung Dritter.

Soweit § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KrW-/AbfG (auch) darauf abstellt, dass die Abfallbesitzer und -erzeuger "in der Lage" sein müssen, den Abfall zu verwerten, müssen sie nicht in Person dazu in der Lage sein. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Tatbestandsalternative "in der Lage" immer gegeben sei, mithin leer laufe, wenn die Einschaltung eines Dritten zulässig wäre. Die vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme von der Überlassungspflicht läuft vielmehr insgesamt nahezu leer, wenn der Erzeuger oder Abfallbesitzer selbst (in Person) zur Verrichtung in der Lage sein müsste. Dann kann nur noch die Eigenkompostierung in Betracht kommen, und es stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber eine so offene Formulierung gewählt hat, wenn nur ein Ausnahmetatbestand gegeben sein sollte.

Im Übrigen kann es nicht darauf ankommen, ob der Abfallbesitzer oder Erzeuger rechtlich in der Lage ist, einen Dritten einzuschalten, sondern nur auf die tatsächlich gegebene Möglichkeit. Die Einschaltung Dritter erfordert regelmäßig entweder die Verbringung von verwertbaren Abfällen zum Dritten, das heißt setzt die Verfügbarkeit über ein Transportmittel voraus, oder im Holsystem, die Bereitschaft des Dritten, die Abfälle abzuholen. Da bei Kleinstmengen der finanzielle Aufwand des Dritten durch den Ertrag nicht gedeckt sein kann, muss der Abfallbesitzer oder Erzeuger selbst finanzielle Mittel einsetzen, um Abfälle mit Hilfe Dritter verwerten zu können. Es verblieben mithin auch dann Fallgestaltungen, in denen der Erzeuger oder Abfallbesitzer nicht "in der Lage ist", mit Hilfe Dritter Abfälle zu verwerten.

Nach Auffassung des Senats ist die Wendung "nicht in der Lage oder nicht beabsichtigt" ohnehin als Begriffspaar zu sehen und nicht als unterschiedliche tatbestandliche Alternativen. Mit dem Begriffspaar werden vielmehr all die Fälle erfasst, in denen eine Verwertung durch den Abfallbesitzer oder Erzeuger selbst beziehungsweise auf seine Veranlassung unterbleibt. In diesen Fällen besteht die Überlassungspflicht.

Weiterhin ist geklärt, dass Abfallerzeuger und Besitzer auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung berechtigt sind, im Rahmen der Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG Dritte einzuschalten (siehe BVerwG, Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.). Weshalb im Rahmen der Verwertung anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. So wird man schlechterdings dem Abfallbesitzer oder Erzeuger nicht verwehren können, die sogenannte Eigenkompostierung (d.h. die Kompostierung in einer eigenen Anlage) auch durch Dritte (Verrichtungs-. oder Erfüllungsgehilfe) vornehmen zu dürfen. Fraglich kann allein sein, ob nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG die Verwertung in fremden Anlagen unter Einschaltung Dritter unzulässig ist. Dann ist aber nicht erklärlich, warum der Gesetzgeber in den Fällen des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ausdrücklich die Beseitigung nur in eigenen Anlagen zulässt, in Satz 1 dagegen eine derartige Einschränkung für verwertbare Abfälle nicht enthalten ist.

Schließlich ist die Zulässigkeit der Einschaltung Dritter in § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG ausdrücklich geregelt. Danach können die zur Verwertung und Beseitigung Verpflichteten Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten beauftragen. Nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG sind Erzeuger oder Besitzer von Abfällen verpflichtet, diese nach Maßgabe des § 6 zu verwerten. Davon abweichend sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, soweit die Abfallbesitzer oder Erzeuger zu deren Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG gilt von vornherein Abweichendes im Hinblick auf § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG nur, soweit die Voraussetzungen des 2. Halbsatzes nicht gegeben sind. Die Annahme, dass § 13 Abs. 1 1. Halbsatz des KrW-/AbfG einen Rückgriff auf § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht zulasse, steht somit schon im Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift, der einen Rückgriff gar nicht erfordert.

Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung. So heißt es in der Begründung des federführenden Ausschusses (a.a.O.) "§ 13 fordert eine Überlassung von Rückständen (an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger) nur insoweit, als der Erzeuger oder Besitzer zur Verwertung oder Entsorgung selbst - auch unter Einschaltung eines Dritten (§ 16) - nicht in der Lage ist, ....". Dass die Begründung sich allgemein auf § 13 bezieht, mithin quasi vor die Klammer gezogen ist, lässt nur den Schluss zu, dass sie grundsätzlich sowohl für Satz 1 als auch für Satz 2 gilt, wobei mit "nicht in der Lage" der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG aufgegriffen wird. Für den Anwendungsbereich des Satzes 2 stellt sich auch die Frage "zur Verwertung in der Lage ist" ohnehin nicht, weil danach Abweichendes nur für Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen gilt. Dabei wird nicht verkannt, dass in der weiteren Begründung speziell zu Satz 1 ausgeführt wird: "Ausnahmen bestehen bei Eigenverwertung von Sekundärrohstoffen (z.B. Eigenkompostierung oder Altkleiderspenden für die Caritas)." Der Begriff der Eigenverwertung ist im Hinblick auf die vorstehende Begründung (auch unter Einschaltung eines Dritten) nicht als ausschließliche Selbstverwertung ohne Inanspruchnahme Dritter zu verstehen. Eine Eigenverwertung liegt vielmehr auch vor, wenn Dritte für den Besitzer oder Erzeuger in dessen Auftrag verwerten. Die angeführten Beispiele (z.B. Eigenkompostierung oder Altkleiderspenden) sind eben nur beispielhaft, wobei mit der Altkleiderspende auch eine Verwertung durch Dritte angesprochen wird, ungeachtet dessen, dass nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG es sich bei derartigen Spenden, allerdings nur soweit sie im Rahmen von Sammlungen erfolgen, von vornherein nicht um überlassungspflichtige Abfälle handelt. Im Übrigen ist die ursprüngliche Formulierung des Regierungsentwurfs "Verwertung durch den Überlassungspflichtigen" (BT-Drs. 12/5672 S. 11) nicht Gesetz geworden. Danach hätte die Annahme nahe gelegen, dass nur eine Selbstverwertung zulässig ist. Die Neuformulierung sollte der Klarstellung des Gewollten dienen (BT-Drs. 12/7284 S. 17). Die Streichung der Formulierung in der Gesetz gewordenen Fassung spricht mithin ebenfalls dafür, dass im Rahmen der Verwertung eine Einschaltung Dritter zulässig sein sollte.

Soweit nach § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG für bestimmte Abfälle keine Überlassungspflicht besteht, ist diese Regelung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht überflüssig, wenn der Abfallbesitzer oder Erzeuger Dritte zur Verwendung in Anspruch nehmen darf.

Nach Nr. 1 besteht für Abfälle, die einer Rücknahme- oder Rückgabepflicht unterliegen, soweit nicht die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger an der Rücknahme mitwirken, von vornherein keine Überlassungspflicht. Verkaufsverpackungen, die danach nicht über-lassungspflichtig sind, teilen aber das abfallrechtliche Schicksal der überlassungspflichtigen Abfälle, sobald sie in den Reststoffabfallbehälter eingegeben werden, weil sie nur einer Rücknahmepflicht des Systembetreibers, aber keiner Pflicht zur Rückgabe an diesen unterliegen (BVerwG, Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.). Soweit aber die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger auf Grund einer Bestimmung nach § 24 Abs. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG an der Rücknahme mitwirken, sind sie diesen auch zu überlassen, es sei denn, der Abfallbesitzer oder Erzeuger verwertet sie selbst.

Nach Nr. 2 und 3 sind Sammlungen zulässig und in Sammlungen gegebene Abfälle nicht überlassungspflichtig. Dieser Regelung bedurfte es schon deshalb, weil damit die gemeinnützige und gewerbliche Sammlung von Abfällen erst möglich und zulässig wird. Ein Ausschluss der Einschaltung Dritter lässt sich im Umkehrschluss aus § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG jedenfalls nicht herleiten (ebenso Kunig, KrW-/AbfG, Komm., 2. Aufl., § 13 Rdnr. 15).

Der Sinn und Zweck der Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG erschöpft sich nach alledem darin, dass Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen dann dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen sind, wenn sie (aus welchen Gründen auch immer) vom Abfallbesitzer oder Abfallerzeuger nicht verwertet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war gemäß § 133 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Frage, ob § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KrW-/AbfG die Einschaltung Dritter zur Verwertung von Abfällen aus privaten Haushaltungen zulässt, rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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