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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 4 MB 45/04
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 17 Abs. 5
AuslG § 23 Abs. 3
AuslG § 45 Abs. 1
AuslG § 46 Nr. 6
Bei einem mit einer deutschen Staatsangehörigen verheirateten Ausländer ist die Sozialhilfebedürftigkeit kein Ausweisungsgrund. Die in Artikel 6 GG zum Ausdruck kommende Wertentscheidung hindert in diesem Fall die Ausübung von Ermessen gemäß § 45 Abs. 1 AuslG.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 4 MB 45/04

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Aufenthaltserlaubnis - Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 22. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer - vom 28.05.2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Peter Boysen, B-Stadt, Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28.05.2004 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO idF des RmBereinVpG v. 20.12.2001 - BGBl. I S. 3987 ff), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

Der Senat geht davon aus, dass sich der Antragsteller im Besitz einer bis zum 30.06.2004 gültigen Duldung befindet. In den Verwaltungsvorgängen findet sich auf Blatt 81 die Kopie eines Formulars, versehen mit dem Siegel des Kreises Nordfriesland, der Unterschrift des Mitarbeiters Pörksen sowie dem Lichtbild und der Unterschrift des Antragstellers, überschrieben mit "Ausweisersatz", "Aussetzung der Abschiebung (Duldung)", mit der Beschränkung der Wohnsitznahme auf den Kreis. Ein entsprechend ausgefülltes Original findet sich in der Akte nicht, sodass der Senat nicht davon ausgehen kann, dass es sich nur um einen Entwurf gehandelt hätte, der mangels Bekanntgabe (Aushändigung) nicht wirksam geworden wäre. Im Übrigen gibt der Antragsgegner selbst in seiner Beschwerdeschrift (S. 2 letzter Abs.) an: "Unzweifelhaft wurde der Antragsteller gemäß § 55 AuslG geduldet".

Ist danach im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass der Antragsteller sich zum Zeitpunkt seiner Eheschließung geduldet im Bundesgebiet aufgehalten hat, muss er vor Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG nicht ausreisen und in der Türkei ein Visum einholen, wenn er durch die Eheschließung einen Anspruch auf Erteilung erworben hat. Dabei weist der Antragsgegner grundsätzlich zu Recht darauf hin, dass es sich um einen gesetzlichen Anspruch handeln muss, das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes deshalb gem. § 23 Abs. 3 AuslG der Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG auch dann entgegen steht, wenn eine ordnungsgemäße Ermessensausübung gem. § 45 AuslG dazu führen würde, von der Ausweisung abzusehen. Im Grundsatz ist auch das Angewiesensein auf Sozialhilfe ein solcher Ausweisungsgrund (§ 46 Nr. 6 AuslG). Nach der Rechtsprechung des Senats (B. v. 24.02.2003, - 4 MB 12/03 -, AuAS 2003, 122 f.) gilt dies indes nicht bei einem Ausländer/einer Ausländerin, der/die mit einer/einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist. In diesem Fall verbietet Art. 6 GG von vornherein eine Ausweisung nur wegen des Bezuges von Sozialhilfe.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, wobei klarstellend darauf hinzuweisen ist, dass nicht - wie dem genannten Beschluss zu entnehmen sein mag - die Bedeutung des Grundrechts das Ermessen der Ausländerbehörde steuert, sondern die gebotene Beachtung der in ihm zum Ausdruck gebrachten Werteordnung ein Ermessen schon nicht eröffnet. Die Abwägung zwischen dem betroffenen Grundrecht und den durch die §§ 45 ff. AuslG geschützten Interessen findet vor der Ermessensausübung statt und schließt sie unter Umständen - je nach dem Abwägungsergebnis - aus oder lässt sie zu. Im Falle des § 46 Abs. 6 AuslG führt die Abwägung zu dem o.g. Ergebnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG.

Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergibt sich (schon) aus § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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