Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 278/03
Rechtsgebiete: BGB, HandwO


Vorschriften:

BGB § 626
BGB § 855
BGB § 858 Abs. 1
HandwO § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 278/03

Verkündet am 10. Dezember 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19. Februar 2003 - 10 Ca 10349/02 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auf die Berufung der im Ersten Rechtszug unterlegenen Klägerin weiter darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung vom 11.07.2002, der Klägerin zugegangen am selben Tag, sein Ende gefunden hat.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich mit Blick auf die Berufungsverhandlung ist ergänzend festzuhalten, dass ursprünglich der Ehemann der Klägerin, der, Inhaber der Einzelfirma ... gewesen ist. Diese unterhielt bereits eine Produktionsstätte, die von der beklagten GmbH übernommen wurde. Diese hat im Jahre 2002 auch alle Arbeitnehmer übernommen. Herr... wurde als Betriebsleiter der Beklagten in die Handwerksrolle eingetragen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Klage ist gleichfalls unbegründet. Die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 11.07.2002 aufgelöst.

Die Berufungskammer folgt im Wesentlichen den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, weswegen von deren erneuter Darstellung im Wesentlichen abgesehen werden kann.

Lediglich mit Blick auf das Berufungsverfahren sind die folgenden ergänzenden Ausführungen veranlasst:

1.

Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung kann die Klägerin den gewählten Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stellen. Denn es ist davon auszugehen, dass es sich bei der Klägerin stets um eine Arbeitnehmerin gehandelt hat, deren Arbeitsverhältnis insbesondere in demselben Betrieb ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Denn die Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin bei dem früheren Inhaber der Einzelfirma ... - ihrem Ehemann ... - sind aufgrund der Regelung in § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB berücksichtigungsfähig. Bei Übernahme der Produktionsstätte und sämtlicher Arbeitnehmer ist von einem Betriebsinhaberwechsel auszugehen. Dies hat den Eintritt der Beklagten in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Klägerin und dem seinerzeit begründeten Arbeitsvertrag bewirkt.

2.

Die außerordentliche fristlose Kündigung ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil es zu den Lohnentnahmen aus der Bargeldkasse gekommen ist.

Es steht außer Streit, dass die Klägerin, ihr Ehemann sowie die Tochter ... Nettolohnansprüche gegen die Beklagte in Höhe der Beträge hatten, über welche die Barentnahmen vorgenommen wurden.

Allerdings war die Klägerin zur Entnahme weder schuldrechtlich noch besitzrechtlich befugt.

a) Wie jedes Schuldverhältnis erlischt auch ein durch Arbeit begründeter Lohnanspruch nach § 362 Abs. 1 BGB dadurch, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Nicht erlischt es dadurch, dass sich der Gläubiger selbst wegen seiner Ansprüche befriedigt. Dies ist aber durch die Barentnahmen geschehen.

Außerdem hat die Klägerin durch die Barentnahmen verbotene Eigenmacht i. S. des § 858 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte geübt. Nach dieser Regelung handelt widerrechtlich (verbotene Eigenmacht), wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet.

Besitzer des Geldes war ausschließlich die Beklagte bzw. waren Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft im Rechtssinne ausschließlich die Personen, die zur organschaftlichen Vertretung der Beklagten befugt waren. Die Klägerin gehörte nicht zu diesem Personenkreis. Vielmehr handelte es sich bei ihr - wie bei jedem Arbeitnehmer - lediglich um eine sog. Besitzdienerin i. S. der Regelung des § 855 BGB. Danach gilt: Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.

Durch die Barentnahmen ist es durch die Klägerin, da nicht selbst Besitzerin, zu Besitzentziehungen zu Lasten der Beklagten gekommen.

b) Ihr Verhalten war der Klägerin durch die Beklagte weder vertraglich noch war es gar - für die Besitzentziehung - gesetzlich gestattet.

Es mag sein, dass der ... als Betriebsleiter in die Handwerksrolle eingetragen war oder noch ist. Dies begründet für sich jedoch keine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis mit Wirkung für und gegen die Beklagte. Bei dem "Betriebsleiter" handelt es sich um eine Kategorie des Handwerksrechts nach der Handwerksordnung. Auf den Betriebsleiter kommt es bei einer juristischen Person nach § 7 Abs. 4 Satz 1 der Handwerksordnung an, wenn sie in die Handwerksrolle eingetragen werden soll. Denn dann muss der Betriebsleiter die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 wird in die Handwerksrolle eingetragen, wer in dem von ihm zu betreibenden Handwerk oder in einem diesem verwandten Handwerk die Meisterprüfung bestanden hat.

Daraus folgt, dass der ... lediglich die Voraussetzungen erfüllen musste, die an einen ...meister zu stellen sind. Das bringt keine rechtsgeschäftliche Vetretungsbefugnis mit sich. Da er selber lediglich angestellt war, hatte er - da ebenfalls nur Besitzdiener - keine Befugnisse, seinerseits der Beklagten Besitz an Geld zu entziehen oder eine derartige Entziehung zu gestatten.

3.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Eigenmächtigkeit der Klägerin einen Kündigungsgrund darstellt. Denn sie hat sich durch ihr Verhalten die Kompetenz darüber angemaßt, wie mit den Tageseinnahmen der Barkasse zu verfahren ist. Sie hat ihre Interessen an einer pünktlichen und vollständigen Lohnzahlung über die Interessen der Beklagten gestellt, notwendige andere Dispositionen über die Verwendung der Bareinnahmen treffen zu können. Diese konnte das entnommene Geld nicht für die Lohnzahlung an andere Arbeitnehmer oder für die Bezahlung von Lieferanten verwenden.

Es ist der Klägerin in Sonderheit auch nicht nachgelassen, einen eigenen Lohnanspruch oder gar den Lohnanspruch verwandter Dritter selbst zu exekutieren. Werden berechtigte Ansprüche nicht erfüllt, muss die Hilfe der Gerichte in Anspruch genommen werden. Das Verhalten der Klägerin kommt demgegenüber einer Art Selbstjustiz durch Unterschlagung gleich.

4.

Die streitgegenständliche Kündigung ist insbesondere auch als außerordentliche fristlose Kündigung wirksam.

Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, weiterhin eine Arbeitnehmerin mit Zugriff auf die Bargeldkasse zu beschäftigen, die - im Übrigen ohne jedes Unrechtsbewusstsein - es für völlig normal hält, sich aus dieser Kasse wegen eigener Lohnansprüche sowie wegen der Lohnansprüche mitarbeitender Verwandter bedienen zu dürfen.

II.

Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann ihrerseits durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden. Möglich ist dies unter den in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen.



Ende der Entscheidung

Zurück