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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 524/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB, KSchG


Vorschriften:

InsO § 125
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 242
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 613 a Abs. 4
BGB § 613 a Abs. 4 Satz 1
BGB § 613 a Abs. 4 Satz 2
KSchG § 17
KSchG § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 524/05

Verkündet am 14. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 20.04.2005 - 7 Ca 7087/05 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Revision ist nicht zugelassen.

Tatbestand:

Auf die Berufung des im Ersten Rechtszug unterlegenen Klägers geht es auch im Berufungsverfahren unverändert darum, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund der ordentlichen Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters - des Beklagten zu 1. - mit Schreiben vom 29.09.2004, dem Kläger zugegangen am 30.09.2004, mit Ablauf des 31.12.2004 sein Ende gefunden hat. Der im Ersten Rechtszug und zunächst auch im Berufungsverfahren noch auf ein "Arbeitsverhältnis der Parteien" bezogene Antrag ist insoweit in der Berufungsverhandlung auf den Beklagten zu 1. - wie auch gemeint - konkretisiert worden.

Unverändert geht es dem Kläger um die Feststellung, dass der Beklagte zu 2. verpflichtet ist, ihn auf der Grundlage seiner bisherigen Vertragsbedingungen im Rettungsdienstbereich der Wachen ... und ... auch über den 31.12.2004 hinaus weiterzubeschäftigen. Insofern ist gegenüber dem entsprechenden Antrag im Ersten Rechtszug lediglich eine sachlich nicht relevante Modifikation vorgenommen worden.

Unverändert geht es des Weiteren um die hilfsweise begehrte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2. durch die streitgegenständliche Kündigung des Beklagten zu 1. nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.2004 hinaus fortbesteht.

Schlussendlich begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zu 2. (erstinstanzlich und bis zur Berufungsverhandlung noch: "der Parteien"), ihn nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des DRK-Tarifvertrages weiterzubeschäftigen.

Wegen des Tatbestandes im Ersten Rechtszug wird auf die Beurkundung des tatsächlichen Vorbringens der drei Parteien in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung aufgrund der seines Erachtens nicht widerlegten Vermutungswirkung des § 125 InsO für wirksam gehalten. Sie sei auch nicht wegen unzureichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ungerechtfertigt. Die Anhörung des Betriebsrats vor ihrem Ausspruch gehe in Ordnung. Auf ein neueres Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Massenentlassungsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Schließlich sei die Kündigung auch nicht wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot bei Betriebsübergang unwirksam. Gegen den Beklagten zu 2. habe der Kläger keinen Weiterbeschäftigungs- bzw. Einstellungs-/Fortsetzungsanspruch. Selbst wenn ein Betriebsübergang auf den Beklagten zu 2. stattgefunden haben sollte, wäre dies nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vorgekommen. In einer derartigen Situation billige die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen Wiedereinstellungsanspruch zu.

Der Kläger hat gegen das ihm am 26.05.2005 zugestellte Urteil am 24.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 26.07.2005 ausgeführt.

Der Kläger erkennt weiter einen Betriebsübergang auf den Beklagten zu 2. Im Rahmen der Betriebsratsanhörung vom 21.09.2004 habe der Beklagte zu 1. u. a. darüber informiert, dass der Rettungsdienst ab dem 01.01.2005 an den Beklagten zu 2. vergeben worden sei. Es läge damit zwar kein Rechtsgeschäft zwischen den beiden Beklagten hinsichtlich der Übernahme der Aufgabe des Rettungsdienstes ab dem Jahresbeginn 2005 vor. Allerdings wäre eine solche Vergabe schon aus tatsächlichen Gründen heraus nicht möglich gewesen. Denn die Aufgabe des Rettungsdienstes werde vom Rettungszweckverband vergeben, welcher auch Eigentümer der Rettungsfahrzeuge sei, die zuvor auch bereits die Arbeitnehmer des Beklagten zu 1. im Rahmen des Rettungsdienstes genutzt hätten. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe bereits festgestanden, dass die Aufgabe des Rettungsdienstes jedenfalls von dem Zweitbeklagten durchzuführen sein würde.

Das Anwesen, in welchem sich die Rettungswache befindet, stehe im Eigentum der Schuldnerin und sei mit Büromöbeln und technischen Anlagen für den Betrieb des Rettungsdienstes ausgestattet. Dieses Bürogebäude sei dem Beklagten zu 2. vom Beklagten zu 1. im Wege einer Gestattung überlassen worden.

Der Beklagte zu 2. führe mit nahezu identischem Personal die Rettungsdienstaufgaben im bisherigen Umfang fort mit derselben Organisation der Leitung und in den bisherigen Dienstschichten des Zwölf-Stunden-Rhythmus bzw. im Bereich des Krankentransports mit einem Acht-Stunden-System.

Der Kläger hält seine Ausführungen zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige aufrecht.

Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 20.04.2005 - 7 Ca 7Ž087/05 -

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 1. durch die Kündigung vom 29.09.2005 nicht aufgelöst wird;

2. festzustellen, dass der Beklagte zu 2. verpflichtet ist, ihn - den Kläger - auf der Grundlage seiner bisherigen Vertragsbedingungen im Rettungsdienstbereich der Wachen ... und ... auch über den 31.12.2004 hinaus weiterzubeschäftigen;

3. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten zu 2. durch die Kündigung des Beklagten zu 1. vom 29.09.2004 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.2004 hinaus fortbesteht;

4. den Beklagten zu 2. zu verurteilen, ihn nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des DRK-Tarifvertrages weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten beantragen

die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der genauen Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage aus zutreffenden Erwägungen, denen die Berufungskammer im Wesentlichen folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), abgewiesen.

Mit Blick auf das Berufungsverfahren sieht sich die Kammer zu folgenden ergänzenden Ausführungen veranlasst:

1. Soweit sich die Klage mit dem Kündigungsschutzantrag im Rahmen des Berufungsantrages zu 1. weiter gegen den Beklagten zu 1. richtet, ist sie nicht begründet.

a) Mit Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass der Kläger die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO dahin, dass die streitgegenständliche Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist, nicht ausgeräumt hat. Dazu hätte er hier widerlegen müssen, dass der Beklagte zu 1. nicht Mitte September 2004 den Entschluss gefasst hat, den Geschäftsbetrieb des Schuldners zum 31.12.2004 einzustellen und sämtlichen Mitarbeitern zu kündigen.

Der Umstand allein, dass es zu einem Betriebsübergang auf den Beklagten zu 2. gekommen sei, entkräftet die Vermutungswirkung nicht. Zwar schließen sich Betriebsübergang und -stilllegung aus. Jedoch ist bei zunächst beabsichtigter Stilllegung und späterem Betriebsübergang auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abzustellen. Danach liegt eine Kündigung "wegen" Betriebsüberganges vor, wenn ein Betriebsübergang zwar bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch nicht vollzogen worden ist, dieser aber bereits bei Ausspruch der Kündigung vom Arbeitgeber geplant war, schon greifbare Formen der Verwirklichung angenommen hatte und wenn die Kündigung nur ausgesprochen worden ist, um den geplanten Betriebsübergang vorzubereiten oder zu ermöglichen (BAG vom 19.05.1988 - 2 AZR 596/87 - AP Nr. 75 zu § 613 a BGB).

Davon kann hier nicht die Rede sein. Denn der Beklagte zu 1. hat jedenfalls keinen Betriebsübergang, sondern eine Stilllegung geplant und dies durch die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter auch verwirklicht. Greifbare Formen der Verwirklichung eines Betriebsüberganges sind demgegenüber nicht ersichtlich. Der Beklagte zu 1. hatte bei Ausspruch der Kündigung bestenfalls Kenntnis davon, dass der Rettungsdienst ab dem 01.01.2005 an den Beklagten zu 2. vergeben worden sei. Die Vergabe eines Auftrages an einen Dritten begründet jedoch für sich noch keinen Betriebsübergang. Hier ergibt sich sogar das Gegenteil dadurch, dass der Beklagte zu 1. jedenfalls die Aktivitäten des Schuldners im Rahmen des Rettungsdienstes unter Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer beenden wollte und beendet hat.

Es ist auch nicht ersichtlich, ob die Kündigung nur ausgesprochen worden ist, um einen geplanten Betriebsübergang vorzubereiten oder zu ermöglichen. Dagegen streitet, dass nicht der Beklagte zu 1. mit dem Beklagten zu 2. über die Möglichkeit der Übernahme von Personal gesprochen hat, sondern der Geschäftsführer des Beklagten zu 2. derartige Gespräche mit Arbeitnehmern geführt hat, denen dann später sämtlich gekündigt wurde. Eine irgendwie geartete Vorauswahl später und für den Fall eines Betriebsüberganges zu übernehmenden Personals zwischen den Beklagten stellt dies jedenfalls nicht dar.

b) Die Kündigung verstößt auch nicht gegen das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 BGB.

Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung ist der Kläger der Auffassung, ihm sei "wegen" Betriebsüberganges gekündigt worden (§ 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB). Träfe dies zu, wäre die Kündigung in der Tat unwirksam. Allerdings muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB ausdrücklich anordnet, dass "das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen" unberührt bleibt.

Während § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB ein Kündigungsverbot wegen des Betriebsüberganges anordnet, stellt § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB demgemäß klar, dass eine Kündigung aus anderen - insbesondere wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen - Gründen möglich bleibt. Bei der Anwendung des § 613 a Abs. 4 BGB ist stets zu prüfen, ob es - neben dem Betriebsübergang - einen sachlichen Grund gibt, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermag, so dass der Betriebsübergang nur äußerlicher Anlass, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist (vgl. BAG vom 18.07.1996 - 8 AZR 127/94 - AP Nr. 147b zu § 613 a BGB). Deshalb ist eine Kündigung nicht schon dann rechtsunwirksam, wenn der Betriebsübergang für die Kündigung ursächlich ist, sondern nur, aber auch immer dann, wenn Beweggrund für die Kündigung - das Motiv der Kündigung also - wesentlich durch den Betriebsinhaberwechsel bedingt war (BAG vom 27.09.1984 - 2 AZR 309/83 - AP Nr. 39 zu § 613 a BGB).

Die streitgegenständliche Kündigung ist aus "anderen Gründen" i. S. des § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB erfolgt. Sie ist betriebsbedingt erklärt wegen Betriebsstilllegung. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beweggrund für die Kündigung in irgendeiner Form durch einen möglichen Betriebsinhaberwechsel bestimmt gewesen wäre. Dagegen streitet, dass der Beklagte zu 1. sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt hat. Bei der - in der Tat vorhandenen - Betriebsmittelarmut wäre er dann gar nicht mehr in der Lage gewesen, einem Betriebserwerber - vielleicht mit Ausnahme eines Gebäudes - ein irgendwie geartetes funktionsfähiges betriebliches Substrat zu übertragen.

c) Wegen Verstoßes gegen die Regelungen in §§ 17, 18 KSchG kann die Kündigung aus mehreren selbständig tragenden Gründen nicht unwirksam sein:

Für diejenigen Tatsachen, die einen Verstoß gegen jene Regelungen bedingen würden, ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Dies bedeutet streng genommen, dass er zunächst einmal zu den Voraussetzungen der §§ 17, 18 KSchG vortragen müsste, selbst wenn der Beklagte zu 1. vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen ist.

Unabhängig davon und selbständig tragend gilt Folgendes:

Es ist richtig, dass nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (vom 27.01.2005 - C 188/03 [Irmtraut Junk/Wolfgang Kühnel] - NZA 2005, 213) die Art. 2 bis 4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen dahin auszulegen sind, dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung gilt.

Demgegenüber ist es allerdings ständige und gefestigte Rechtsprechung des zuständigen Senats des Bundesarbeitsgerichts, dass unter "Entlassung" i. S. von § 17 KSchG die tatsächliche Beendigung der Beschäftigung zu verstehen ist, worauf seitens des Senats in Kenntnis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich hingewiesen worden ist (BAG vom 24.02. 2005 - 2 AZR 207/04 - dok. in JURIS).

Damit ist "Entlassung" i. S. der §§ 17, 18 KSchG eben nicht gleichbedeutend mit "Kündigung" oder "Kündigungserklärung". Ein der Richtlinie 98/59/EG entsprechendes anderes Verständnis ist aufgrund des nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte eindeutigen Gehalts dieser Bestimmung auch im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nicht möglich (ArbG Krefeld vom 14.04.2005 - 1 Ca 3731/04 - DB 2005, 892 ff.; Bauer/Krieger/Powiatzka, DB 2005, 445 ff.; Grimm/Borck, EWiR 2005, 213 f.; a. A. etwa Riesenhuber/Domröse, EWS 2005, 97 ff.; Wolter, AuR 2005, 135 ff.).

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der nationale (hier deutsche) Gesetzgeber eine europäische Richtlinie möglicherweise nur nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. In einer derartigen Situation kommt jedoch eine unmittelbare Geltung und ein darauf beruhender Anwendungsvorrang der Richtlinie nur vertikal im Verhältnis zwischen Bürgern und öffentlichen Stellen, nicht auch horizontal im Verhältnis Privater untereinander in Betracht (BAG vom 18.02.2003 - 1 ABR 2/02 - AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft), weswegen sich der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1. auf die Richtlinie in der vom Europäischen Gerichtshof für maßgebend angesehenen Auslegung - wie ohnedies auf die Richtlinie selbst - nicht berufen kann.

Kein anderes Ergebnis würde sich übrigens einstellen, wenn seit der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes unter "Entlassung" auch i. S. von § 17 KSchG nicht die tatsächliche Beendigung der Beschäftigung, sondern der Ausspruch von Kündigungen zu verstehen wäre:

Würde das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof folgen, würde dies eine Änderung einer lange geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung voraussetzen. Zwar wirkt auch eine Änderung einer derartigen Rechtsprechung grundsätzlich zurück. Dies gilt jedoch nur, soweit dem die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegenstehen. Eine über § 242 BGB hinausgehende Einschränkung der Rückwirkung höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dann geboten, wenn die von der Rückwirkung betroffene Partei auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung wegen ihrer Rechtsfolgen im Streitfall oder der Wirkung auf andere vergleichbar gelagerte Rechtsbeziehungen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde (vgl. bereits BAG vom 28.01.2001 - 2 AZR 619/99 - AP Nr. 1 zu § 28 LPVG Niedersachen m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Beklagte zu 1. musste im Zeitpunkt der Kündigung nicht damit rechnen, dass seine Kündigung wegen einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 ff. KSchG für rechtsunwirksam erklärt werde. Das Bundesarbeitsgericht hat noch mit Urteil vom 18.09.2003 (2 AZR 79/02 - AP Nr. 14 zu § 17 KSchG 1969) - also gerade einmal ein Jahr vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung - seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt und dabei entschieden, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen § 17 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führe; dies folge auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 ff. KSchG.

Auch die Arbeitsverwaltung hat bei ihren Auskünften an Arbeitgeber vor Bekanntwerden der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stets darauf abgestellt, dass die Pflicht zur Anzeige sich auf die tatsächliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse, nicht aber auf den Ausspruch der Kündigungen beziehe; die einschlägigen Erlasse wurden erst nach und aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs geändert (angepasst).

Demgegenüber war für den Beklagten zu 1. zur damaligen Zeit nicht erkennbar, dass die genannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen einer gegenläufigen Auslegung der sog. Massenentlassungs-Richtlinie durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27.01.2005 möglicherweise nicht aufrechterhalten werden kann. Auch wenn der die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auslösende Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.04.2003 (36 Ca 19726/02 - EWiR 2003, 1133) bereits vorlag und der Generalanwalt seinen Schlussantrag formuliert hatte, musste der Beklagte zu 1. angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des für ihn zuständigen höchsten Gerichts für Arbeitssachen und der hierauf beruhenden damaligen Praxis der Arbeitsverwaltung nicht davon ausgehen, dass die Kündigung aufgrund eines durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hervorgerufenen "Systemswechsels" im Recht der Massenentlassungen unwirksam sein könnte. Es würde für den Beklagten zu 1. eine unzumutbare Härte bedeuten, wollte man aus Gründen des Massenentlassungsschutzes der Kündigung die Wirksamkeit versagen. Der Beklagte zu 1. wäre gezwungen, das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut zu kündigen und zumindest die Vergütung bis zum Ablauf der sich ergebenden neuen Kündigungsfrist fortzuzahlen, obzwar er dazu berechtigt war und allen für ihn erkennbaren formalen Erfordernissen gerecht geworden ist (so die zutreffende Begründung des LAG Berlin vom 27.02.2005 - 17 Sa 2646/04 - LAG-Report 2005, 267, der zu folgen ist; wie hier unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes LAG Hessen vom 20.04.2005 - 6 Sa 2279/04 - NZA-RR 2005, 522).

2. Damit kann die Klage auch in Form der Berufungsanträge zu 2. bis 4. keinen Erfolg haben.

Diese Anträge setzen sämtlich voraus, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2. ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Das ist jedoch nicht der Fall, da das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung des Beklagten zu 1. zum 31.12.2004 sein Ende gefunden hat.

Der Beklagte zu 2. ist auch nicht aufgrund eines Betriebsüberganges Arbeitgeber des Klägers geworden. Denn dies ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB nur hinsichtlich "bestehender" Arbeitsverhältnisse möglich, woran es zu dem Zeitpunkt des strittigen Betriebsüberganges aber jedenfalls fehlte, weil der Beklagte zu 1. wirksam gekündigt hatte.

Die Anträge rechtfertigen sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Widereinstellungsanspruch. Ein derartiger Anspruch (bzw. auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses) besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vom 28.10.2004 - 8 AZR 199/04 - NZA 2005, 405) nicht, wenn - wie hier - nach Ablauf der Frist einer insolvenzbedingten Kündigung ein Betriebsübergang stattgefunden haben sollte.

II.

Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

Ende der Entscheidung

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