Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 624/04
Rechtsgebiete: KSchG, SächsKitaG vom 27.11.2001 (GVBl. S. 705)


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
SächsKitaG vom 27.11.2001 (GVBl. S. 705)
Die Vorschriften über die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen (hier: den Landeszuschuss) bezwecken nicht den Schutz des Arbeitsplatzes der in einer derartigen Einrichtung beschäftigten Erzieherinnen.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 624/04

Verkündet am 09. März 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Frau ... auf die mündliche Verhandlung vom 09.03.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19. Mai 2004 - 10 Ca 10295/03 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Auf die Berufung der im Ersten Rechtszug unterlegenen Klägerin streiten die Parteien weiter darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 26.09.2003, der Klägerin zugegangen am 29.09.2003, mit Ablauf des 31.03.2004 sein Ende gefunden hat.

Unverändert erstrebt die Klägerin weiter auch die Verurteilung der Beklagten, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss der Sache tatsächlich zu beschäftigen.

Auf einen ebenfalls unverändert gebliebenen Hilfsantrag geht es der Klägerin - für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung - um die Verpflichtung der Beklagten, sie als Kindergartenerzieherin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung verfolgt die Klägerin mit dem Hilfsantrag einen Wiedereinstellungsanspruch.

Von der erneuten Wiedergabe des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen verwiesen (§ 69 Abs. 3 ArbGG). Dort ist nach Aktenlage das tatsächliche und rechtliche Vorbringen beider Parteien vollständig und richtig wiedergegeben. Die von der Klägerin begehrte Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils ist schon aus Rechtsgründen nicht möglich.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zwar ist die Klage nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung auch mit ihrem Hilfsantrag (I.) zulässig. Nicht hingegen ist sie begründet (II.).

I.

Aufgrund der gebotenen Auslegung ist der Hilfsantrag dahin zu verstehen, dass die Beklagte zur Annahme eines Angebots der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrages über die Tätigkeit als Kindergartenerzieherin zu den bereits früher einmal maßgebend gewesenen Bedingungen verurteilt werden soll.

In dieser Auslegung ist der Hilfsantrag zulässig (vgl. BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5 m. w. N.).

II.

Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen, denen die Berufungskammer im Wesentlichen folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), hat das Arbeitsgericht die Klage in der Sache abgewiesen. Die streitgegenständliche Kündigung ist wirksam, weshalb die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Prozessbeschäftigung hat (1.).

Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht nicht (2.).

1. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

a) Inner- und außerbetriebliche Gründe können ein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeiten des gekündigten Arbeitnehmers auswirken.

In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usw.), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche Entwicklungen oder fiskalische Überlegungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (sog. unternehmerische Entscheidung).

Im öffentlichen Dienst kann eine derartige Entscheidung z. B. darin liegen, dass in einem Haushaltsplan eine Stelle gestrichen (BAG vom 28.11.1956 - GS 3/56 - BAGE 3, 245; vom 03.05.1978 - 4 AZR 698/76 - BAGE 30, 272; vom 21.01.1993 - 2 AZR 330/92 - EzA § 2 KSchG Nr. 18), ein sog. kw-Vermerk angebracht (BAG vom 06.09.1978 - 4 AZR 84/77 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969) oder aus einem Personalbedarfsplan der Wegfall einer Stelle ersichtlich wird (BAG vom 18.11.1999 - 2 AZR 77/99 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 104; BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126; BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 522/01 - EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 50; aus letzter Zeit: BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - dok. bislang erst in JURIS).

Zu dem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört dabei auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - BAGE 88, 363; BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61; BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02 - a. a. O.; BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - a. a. O.). Der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen (BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - a. a. O.).

Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf des gekündigten Arbeitnehmers entfallen ist. Dabei muss zwar nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, zuletzt m. w. N. etwa BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - a. a. O.). Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung sich auf eine nach sachlichen Merkmalen genauer bestimmte Stelle bezieht (zuletzt BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - a. a. O.).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich ein Unterschied zu einer betriebsbedingten Kündigung eines privaten Arbeitgebers. Dieser kann sich nicht einfach auf eine Stellenstreichung oder -reduzierung berufen. Bei Gemeinden, Kreisen und Ländern, dem Bund oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist dies anders, wenn und weil das zuständige Parlament - auch ein Stadtrat wie hier - eine die Verwaltung bindende Vorgabe macht. Einer derartigen Vorgabe hat die Exekutive zu entsprechen. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um ein enormes Privileg. Dieses ist allerdings durch die öffentliche Kontrolle, die politische und gesetzliche Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger sowie das bundes- und landesverfassungsrechtlich vorgegebene Gewaltenteilungsprinzip gerechtfertigt. Dies bedeutet im Kern keine Kündigungserleichterung. Erleichtert, und zwar wesentlich ist lediglich das Führen eines Kündigungsschutzprozesses. Die politischen Voraussetzungen für Stellenstreichungen oder -reduzierungen dürften dagegen oftmals und in der Regel ungleich schwerer herbeizuführen sein als die Unternehmerentscheidung(en) eines Privaten. Und gerade diese erschwerten Umstände sind es, welche die Gerichte für Arbeitssachen sich auf eine Missbrauchskontrolle beschränken lassen. Diese Beschränkung bedeutet insbesondere auch, dass nicht die Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung oder die Richtigkeit des zum Zwecke der Konsolidierung beschrittenen Weges oder etwa die Sinnhaftigkeit der Schließung einer kommunalen Einrichtung nachzuprüfen wäre. Dies bleibt vielmehr im Prinzip der Einschätzungsprärogative der Entscheidungsträger der Beklagten - mithin hier ihrer Stadträte - überlassen. Sie haben darüber zu entscheiden, was sie meinen, kommunalpolitisch verantworten zu können oder verantworten zu müssen. Derartige Umstände sind den Motiven der Stadtratsbeschlüsse - mithin der Willensbildung der Stadträte - zuzurechnen.

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis für die ausgesprochene Kündigung vorliegt. Die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin als Erzieherin in einer Kindertagesstätte der Beklagten ist entfallen.

Der Stadtrat der Beklagten hat mit Beschluss-Nr. ... vom Beschluss-Tage 28.08.2003 u. a. sieben Stellen von Erzieherinnen geschlossen. Diese Stellenstreichungen führen u. a. ursächlich zu dem von der Beklagten behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für die Klägerin. Mit der Stellenstreichung hatte die Verwaltung der Beklagten die Kongruenz zwischen der Zahl der tatsächlich Beschäftigten und der Zahl der noch vorhandenen Stellen herzustellen. Möglich war dies nur durch die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, erforderlichenfalls - wie hier - auch durch Kündigung. Von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung konnte die Verwaltung der Beklagten auch nicht absehen. Die einzig ihr verbliebene Wahlmöglichkeit bestand nur darin, bei der Auswahl der zu Kündigenden (wie gesetzlich vorgeschrieben) soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dabei ist der Beklagten im Falle der streitgegenständlichen Kündigung kein Fehler unterlaufen. Sie hat aus den zutreffenden Erwägungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils weder überflüssigerweise auch der Klägerin gekündigt noch soziale Gesichtspunkte missachtet.

Nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin den eigentlich tragenden Kündigungsgrund nicht deutlich genug erkannt hat: Dieser besteht in der - unstreitig vorgekommenen - Stellenstreichung. Selbst wenn der Stadtratsbeschluss als Grundlage für die Stellenstreichung auf fehlerhafter Grundlage - etwa statistischer Art - gebildet worden wäre, würde ihn dies allein nicht gegenstandslos machen. Der Beschluss leidet nicht erkennbar an Mängeln, die seine Nichtigkeit zur Folge hätten. Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass er - erfolgreich - angefochten worden wäre.

Die Entscheidung der Beklagten ist auch nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich.

Offenbar unsachlich kann eine Unternehmerentscheidung sein, die unmittelbar oder mittelbar gegen Gesetze oder Verträge verstößt oder deren Umgehung dient oder die sich nur unter Verstoß gegen Gesetzes- oder Tarifrecht realisieren lässt, sofern der Schutzzweck der verletzten Norm das betroffene Arbeitsverhältnis unmittelbar erfasst (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 456/98 - BAGE 92, 79, 84; BAG vom 07.12.2000 - 2 AZR 391/99 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 108; BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - a. a. O.). Nach der Rechtsprechung des zuständigen Senats des Bundesarbeitsgerichts muss die möglicherweise durch die Unternehmerentscheidung verletzte Norm zumindest auch dem arbeitsrechtlichen Bestands- und Inhaltsschutz dienen (BAG vom 07.12.2000 - 2 AZR 391/99 - a. a. O.; BAG vom 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - a. a. O.).

In diesem Zusammenhang kann es hier dahinstehen, ob nach dem Sächsischen Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (Gesetz über Kindertageseinrichtungen - SächsKitaG) vom 27.11.2001 (GVBl. S. 705) dem Träger einer Einrichtung die Zahl des zu beschäftigenden Personals vorgegeben ist. Vieles streitet dafür, dass die Zahl der Beschäftigten maßgebend nur für die Finanzierung (den Landeszuschuss) ist. Jedenfalls bezwecken die Vorschriften des Gesetzes über Kindertageseinrichtungen offensichtlich keinen Arbeitsplatzschutz von Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen. Die Normen dieses Landesgesetzes haben keinen Arbeitnehmer drittschützenden Charakter. Die einzige das Personal betreffende Vorschrift in dem Gesetz (sein § 12) beschäftigt sich mit der ausreichenden Anzahl pädagogischer Fachkräfte für die Leitung und die Arbeit mit den Kindern. Dabei wird ausgegangen von der Zahl der Kinder und von der Betreuungszeit. Hierbei kann sich der Hinweis auf "pädagogische" Fachkräfte nur auf das Verhältnis dieser zu den Kindern beziehen und die Betreuungszeit auf das Verhältnis zu den Erziehungsberechtigten. Aus der Vorschrift ergibt sich kein irgendwie gearteter Anspruch einer Erzieherin gegen den Arbeitgeber dahin, wie viel Personal in welchem Umfang zu beschäftigen wäre. Die Einhaltung des Personalschlüssels ist - nach der Stellung der Vorschrift des § 12 im zweiten Abschnitt des Gesetzes unter "Planung und Betrieb" - eine solche der behördlichen Überwachung des Betriebes im Interesse der Kinder und der Erziehungsberechtigten, nicht aber des Personals.

2. Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht hier nicht.

Richtig ist, dass einem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen kann, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Entsteht diese erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, besteht grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch (BAG vom 06.08.1997 - 7 AZR 557/96 - BAGE 86, 194 ff.; BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - a. a. O.).

An einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit fehlt es hier deshalb, weil der Kündigungsgrund bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht weggefallen war. Denn die Stellenstreichung dauerte über den Kündigungstermin hinaus an.

Die gestrichene Stelle ist auch nicht nach Ablauf der Kündigungsfrist wieder geöffnet worden.

B.

Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen. Denn es fehlt an Zulassungsgründen.

Ende der Entscheidung

Zurück