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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 799/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 516 Abs. 3 S. 1
ZPO § 524 Abs. 4
ZPO § 97 Abs. 1 S. 1
Der Rechtsmittelführer, der die Berufung zurücknimmt, muss nach den Neuregelungen über die Anschlussberufung in § 524 ZPO nicht auch die infolge der Anschlussberufung entstandenen Kosten tragen. Diese fallen vielmehr dem Anschlussberufungskläger zur Last.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Chemnitz, 19.01.2005

Az.: 2 Sa 799/03

In dem Rechtsstreit

wegen Zahlung

hier: Entscheidungen nach Zurücknahme der Berufung

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ..., ohne mündliche Verhandlung nach schriftlicher Anhörung der Parteien am 19.01.2005 beschlossen:

Tenor:

1. Die Zurücknahme der Berufung des Widerbeklagten hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

2. Die Anschließung des Widerklägers hat mit der Berufungsrücknahme ihre Wirkung verloren.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Widerbeklagte 42/100 und der Widerkläger 58/100.

Gründe:

I.

Es ist über die Folgen nach Zurücknahme der Berufung des Widerbeklagten, der sich der Widerkläger angeschlossen hatte, zu entscheiden.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 21.151,23 Euro. Hiervon entfallen 8.968,38 Euro auf die Berufung (7.168,38 Euro + 1.800,00 Euro) und 12.182,85 Euro auf die Anschlussberufung.

II.

Nach § 516 Abs. 3 ZPO ist durch Beschluss über die Folgen der Zurücknahme der Berufung des Widerbeklagten zu entscheiden.

Danach ergibt sich Folgendes:

1. Die Zurücknahme der Berufung hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

2. Nach § 524 Abs. 4 ZPO verliert die Anschließung des Widerklägers ihre Wirkung, weil die Berufung zurückgenommen wurde.

3. Außerdem ist nach § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO über die Verpflichtung zur Kostentragung (für das Berufungsverfahren) zu entscheiden.

Diese Kosten können nicht allein dem Berufung führenden Widerbeklagten aufgebürdet werden.

Ausgehend von dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfahrens in Höhe von 21.151,23 Euro entfällt auf den Berufung führenden Widerbeklagten der Wert der mit der Berufung bekämpften Verurteilung durch das angegriffene Urteil (ohne Zinsen), mithin 8.968,38 Euro.

Dies entspricht einer Kostenlast in Höhe von 42/100 zu Lasten des Berufung führenden Widerbeklagten und in Höhe von 58/100 zu Lasten des die Anschlussberufung führenden Widerklägers.

Dies folgt für den die Berufung zurücknehmenden Widerbeklagten aus § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO und für den dadurch seiner Anschlussberufung verlustig werdenden Gegner aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die es eingelegt hat. Eine wirkungslos gewordene Anschlussberufung ist ein erfolgloses Rechtsmittel. Die Quotelung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die Kosten u. a. dann verhältnismäßig zu teilen sind, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

Zu den Vorschriften des alten Berufungsrechts hielt eine verbreitete Meinung im Anschluss an eine diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daran fest, dass der Rechtsmittelführer, der die Berufung zurücknimmt, nach § 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO a. F. auch die infolge der unselbständigen Anschlussberufung (alten Rechts) entstandenen Kosten zu tragen habe. Demgegenüber wurde mit zunehmender Tendenz die Rechtsauffassung vertreten, dass im Falle der Berufungsrücknahme über die durch die Anschlussberufung verursachten Mehrkosten nach den Grundsätzen von § 91 a ZPO zu entscheiden sei (vgl. Darstellung des Streitstandes bei OLG Frankfurt vom 17.11.1994 - 6 UF 181/94 -, FamRZ 95, 945 m. N.). Beiden Ansichten lag ersichtlich der Ausgangspunkt zugrunde, dass die unselbständige Anschließung an das Rechtsmittel des Gegners nicht eigenständiges Rechtsmittel sei. Damit kam die Pflicht zum Tragen von "Rechtsmittelkosten" nach § 97 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.

Nach der Neuregelung in § 524 ZPO, die die "Anschlussberufung" nicht nur im Text, sondern sogar in der sog. amtlichen Überschrift erwähnt, dürfte es sich bei der Anschließung nunmehr um ein Rechtsmittel - und zwar eben um dasjenige der Anschlussberufung - handeln. Wird es geführt und ist es erfolglos - aus welchem Rechtsgrund auch immer -, ist nicht einsichtig, warum die dadurch erwachsenen Kosten entgegen § 97 Abs. 1 ZPO dem Anschlussberufungsbeklagten auferlegt werden sollten. Dies gilt auch dann, wenn die Anschlussberufung aufgrund der Rücknahme der Berufung - wie hier - ihre Wirkung verliert. Denn der Berufungsführer hat keinen Einfluss darauf, ob und in welchem Umfang sich der Berufungsbeklagte seinem Rechtsmittel anschließt. Und der Anschlussberufungskläger muss und kann die Folgen einer Berufungsrücknahme (hier: nach neuem Recht in § 524 Abs. 4 ZPO) einkalkulieren.

Mit Blick auf die sich hier für den seine Berufung zurücknehmenden Widerbeklagten ergebende Kostenlast nach § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO ergibt sich eine Kostenquotelung, die sich an dem Maß des Obsiegens bzw. des Unterliegens beider Parteien (gemessen am Gesamtstreitwert) orientiert.

III.

Für den Berufungskläger/Kläger/Widerbeklagten/Anschlussberufungsbeklagten ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben. Für den Berufungsbeklagten/Beklagten/Widerkläger/Anschlussberufungskläger jedoch wird die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss zugelassen.

Zwar existieren divergierende Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte - soweit dokumentiert - bislang lediglich zum alten Berufungsrecht. Der Sache kommt jedoch grundsätzliche Bedeutung zu. Allein das Bundesarbeitsgericht kann für die Gerichte für Arbeitssachen bundeseinheitlich klären, ob einer aufgrund Rücknahme der Hauptberufung wirkungslos gewordenen Anschlussberufung neuen Rechts kostenmäßig Bedeutung zukommt.

Die eine gleich gelagerte Entscheidung der Kammer (vom 19.12.2003 - 2 Sa 1032/02) betreffende Rechtsbeschwerde ist nach Mitteilung der Geschäftsstelle durch das Bundesarbeitsgericht noch nicht erledigt.

Die Rechtsbeschwerde wird bei dem Bundesarbeitsgericht unter dem Az. 3 AZB 3/04 geführt.

Im Folgenden wird über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem es einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form belehrt.



Ende der Entscheidung

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