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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 948/02
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
Ist die erstmals in der Berufungsverhandlung beantragte nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage wegen des Verstreichens der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht mehr möglich, braucht das Arbeitsgericht nicht mit dem Antrag befasst zu werden. Er ist vom Landesarbeitsgericht (mit) zu verbescheiden.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 17. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 17.03.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 11. Oktober 2002 - 3 Ca 3318/02 - wird unter Verwerfung ihres Antrages, die Klage nachträglich zuzulassen, auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien haben im Ersten Rechtszug darüber gestritten, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch ordentliche, auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützte Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 26.06.2002, der Klägerin zugegangen am 28.06.2002, zum 30.09.2002 aufgelöst worden ist.

Weiter ist es der Klägerin um ihre Prozessbeschäftigung gegangen.

Gegen die Kündigung hat sich die Klägerin mit einem an das Amtsgericht Bautzen gesandten Telefax gewendet, das am 18.07.2002 bei dem Arbeitsgericht Bautzen eingegangen ist. Eine ladungsfähige Anschrift des Beklagten ist nicht angegeben. Deshalb wurde die Klägerin mit Schreiben der Vorsitzenden des Arbeitsgerichts vom 19.07.2002, abgelassen am 22.07.2002, darauf hingewiesen, dass ihr Fax mangels vollständiger Anschrift nicht den Erfordernissen einer Klageschrift entspreche. Diese Belehrung ist der Klägerin nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung auch zugegangen.

Am 24.07.2002 ist bei dem Arbeitsgericht Bautzen eine das "Passivrubrum berichtigende" Kündigungsschutzklage gegen die vorgenannte Kündigung eingegangen.

Hier ist die ladungsfähige Anschrift des Beklagten genannt.

Die Klägerin hat das Fehlen eines Kündigungsgrundes, die Verletzung des § 15 KSchG (da Betriebsratsmitglied) sowie der Vorschriften der §§ 102 und 103 BetrVG geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach sachlicher Prüfung abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 06.11.2002 zugestellte Urteil am 29.11.2002 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis 06.02.2003 am 04.02.2003 ausgeführt.

Die Klägerin bleibt bei ihrem Vorbringen im Ersten Rechtszug. Klagerweiternd führt sie einen Wiedereinstellungsanspruch ein, der wie folgt begründet ist:

"Zwischen dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der Klägerin (sic.) und ihrer Entlassung wurde die ... AG (sic.) in ... an die Fa. ... veräußert. Damit ist ein Ereignis eingetreten, welches eine Wiedereinstellung der Klägerin rechtfertigt. In dem übergehenden Betriebsteil wurde nach der Kündigung der Klägerin auch eine Arbeitnehmerin eingestellt (Frau ...), welche eine kaufmännische Kraft ist. Sie übt die Tätigkeit aus, welche die Klägerin ausüben könnte."

Die Klägerin beantragt, jedenfalls der Sache nach (die Angabe des Aktenzeichens des angefochtenen Urteils fehlt),

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 11.10.2002 - 3 Ca 3318/02 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 26.06.2002 (zugegangen am 28.06.2002, diese Angabe fehlt) nicht aufgelöst (im Antrag der Klägerin: "beendet", also nicht wie in § 4 Satz 1 KSchG vorgeschrieben) aufgelöst worden ist;

2. (aufgrund diesbezüglicher Nachfrage: hilfsweise) den Beklagten "als Vertreter der ... mbH ..." zu verurteilen, mit ihr (der Klägerin) einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen und sie ("diese") wieder einzustellen.

Der Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung,

ohne in die Klagerweiterung im Berufungsverfahren einzuwilligen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

In der Berufungsverhandlung vom 17.03.2004 beantragt die Klägerin, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Erstmals durch den diesbezüglichen Hinweis der Berufungskammer in der Verhandlung habe sie Kenntnis davon erlangt, dass sie die Klagefrist nach § 113 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. habe verstreichen lassen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil auch die Klage unbegründet ist. Das Arbeitsgericht hat sie jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen (1.). Die Klageerweiterung im Berufungsverfahren ist nicht zulässig (2.).

1.

Die Kündigung ist schon deshalb wirksam, weil die Klägerin die maßgebende Klagefrist nicht eingehalten hat.

Bereits nach § 4 Satz 1 KSchG in der hier noch anzuwendenden alten Fassung musste ein Arbeitnehmer, der geltend machen wollte, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Anderenfalls wurde sie nach § 7 KSchG in der hier ebenfalls anwendbaren alten Fassung wirksam.

Für eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter - wie hier - war darüber hinaus § 113 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. zu berücksichtigen. Danach musste der Arbeitnehmer auch dann innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben, wenn er sich für die Unwirksamkeit der Kündigung auf andere als die in § 1 Abs. 2 und 3 KSchG bezeichneten Gründe (also solche, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb entgegenstehen, bedingt sind) berufen wollte.

Die Klägerin hat nicht innerhalb der ab 26.06.2002 laufenden Frist von drei Wochen geklagt. Sie kann sich demgemäß wegen § 4 Satz 1 KSchG a. F. nicht auf fehlende Kündigungsgründe berufen. Und wegen § 113 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. kann sie keine sonstigen Wirksamkeitsgründe der Kündigung geltend machen, mithin also weder eine Verletzung ihres Sonderkündigungsschutzes nach § 15 KSchG noch einen Verstoß gegen § 102 oder § 103 BetrVG.

Für die Frage, ob die Klägerin fristgerecht geklagt hat, ist die Eingangsfrist der Klage zu prüfen. Denn der bloße Eingang genügt nach § 167 ZPO dann, wenn durch die zu erhebende und mithin zuzustellende Klage eine Frist gewahrt werden soll, sofern die Zustellung demnächst erfolgt.

Bei dem Telefax kann ebenso wie bei der späteren Klageschrift vom 24.07.2002 davon ausgegangen werden, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Klagefristen gewahrt werden sollten. Denn es ging um eine Arbeitgeberkündigung, auf die jedenfalls nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung aufgrund § 23 Abs. 1 KSchG mit Blick auf die Beschäftigtenzahl auch § 4 Satz 1 KSchG a. F. anwendbar war. Außerdem musste die Klagefrist nach § 113 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. eingehalten werden, da die Kündigung von einem Insolvenzverwalter herrührt und dieser sowohl in dem Fax der Klägerin wie in der Klageschrift vom 24.07.2002 auch genannt wird.

Allerdings erfüllt das Fax der Klägerin nicht die Voraussetzungen einer Klageschrift. Eine solche muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO u. a. die Bezeichnung der Parteien enthalten. Die Angabe der Anschriften schreibt § 253 ZPO zwar nicht ausdrücklich vor. Nach der Rechtsprechung ist sie jedoch zwingendes Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klageerhebung jedenfalls dann, wenn die Angabe ohne weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse entgegensteht (vgl. statt aller Zöller/Greger, ZPO, § 253 Rdnr. 8 m. N. d. Rechtsprechung).

An der Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Beklagten fehlt es in dem Fax der Klägerin. Gründe hierfür sind nicht genannt.

Unabhängig davon und selbständig tragend hätte mangels Anschrift auch nicht demnächst zugestellt werden können.

Angegeben ist die Anschrift des Beklagten erst in der Klageschrift vom 24.07.2002. Diese ist jedoch erst am nämlichen Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, mithin nach Ablauf der Klagefrist von drei Wochen. Die Ergänzung wirkt nicht zurück (Zöller/Greger, a. a. O., Rdnr. 23 m. N. d. Rechtsprechung).

Die Kündigungsschutzklage ist auch nicht nachträglich zuzulassen. Zwar gibt es eine derartige Möglichkeit nach § 5 KSchG unter den dort genannten Voraussetzungen. Diese müssen hier jedoch nicht geprüft werden. Denn ein Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage kann nach Ablauf von sechs Monaten - vom Ende der versäumten Frist an gerechnet - nicht mehr gestellt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG), welche Frist bei einer aus dem Jahre 2002 stammenden Kündigung und einem Zulassungsantrag im Jahre 2004 offensichtlich verstrichen ist. Der Antrag ist damit unzulässig und deshalb zu verwerfen. Zwar ist die Frage strittig, ob das Landesarbeitsgericht überhaupt einen erstmals im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung zu bescheiden hat (vgl. KR-Friedrich, § 5 KSchG Rdnrn. 161 ff.). Das Bundesarbeitsgericht jedenfalls setzt diese Möglichkeit voraus (BAG vom 16.03.1988 - 7 AZR 587/87 -, EzA § 130 BGB Nr. 16). Auf die vielfach diskutierte Frage, ob und auf welche Weise zunächst das Arbeitsgericht mit dem Antrag zu befassen wäre (KR-Friedrich, a. a. O., Rdnr. 167), kommt es hier nicht an, da wegen Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Kündigungsschutzklage nicht mehr nachträglich zugelassen werden kann (Sächs. LAG vom 28.03.2000 - 1 Sa 494/99 -, JURIS; KR-Friedrich, a. a. O. Rdnr. 167).

2.

Die Klageerweiterung ist im Zweiten Rechtszug nicht zulässig. Bei ihr handelt es sich um eine Klageänderung, da sie sich auf ein nach Ausspruch der Kündigung eingetretenes Ereignis und mithin auf einen neuen Klagegrund stützt.

Eine Klageänderung ist nach § 533 ZPO n. F. nur zulässig, wenn

1. der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und

2. sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Hier fehlt die Einwilligung des Beklagten. Unabhängig davon, dass die Klageänderung hier nicht für sachdienlich gehalten wird, stützt sie sich jedenfalls nicht auf Tatsachen, die nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung nach § 529 ZPO zugrunde zu legen:

1. Die vom Gericht des Ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;

2. neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil keine Tatsachen festgestellt, auf die nunmehr der Wiedereinstellungsanspruch gestützt wird. Die Berücksichtigung der dazu nunmehr vorgetragenen neuen Tatsachen ist schon deshalb nicht zulässig, weil der die Klage erweiternde Antrag auf eine Verurteilung des Beklagten als "Vertreter" gerichtet ist. Darum handelt es sich bei dem Beklagten nicht. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... mbH und dadurch nicht Vertreter, sondern Partei kraft Amtes. Die von der Klägerin erstrebte Verurteilung des Beklagten als Vertreter würde dazu führen, dass im Ergebnis die aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht zur Prozessführung befugte GmbH, obzwar als solche nicht prozessbeteiligt, verurteilt würde.

Das widerspräche den Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§§ 80 ff. InsO). Im Übrigen erschließt sich nicht, warum die Veräußerung einer (namensähnlichen?) Aktiengesellschaft einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den beklagten Verwalter über das Vermögen einer GmbH begründen können sollte.

II.

Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen. Für den im Zweiten Rechtszug erstmals gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage existiert ein besonderer Gebührentatbestand nicht. Er ist von den gerichtlichen und außergerichtlichen Gebühren des Berufungsverfahrens mit umfasst.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Zulassungsgründen fehlt. Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung im Verfahren der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG ist nicht statthaft (BAG vom 20.08.2002 - 2 AZB 16/02 -, EzA § 5 KSchG Nr. 34).



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