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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.08.2009
Aktenzeichen: 1 A 173/09
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 2 Abs. 1a
BAföG § 12 Abs. 2
BAföG § 53 S. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 A 173/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Bewilligung und Rückzahlung von Ausbildungsförderung

hier: Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann ohne mündliche Verhandlung

am 21. August 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. März 2008 - 5 K 155/07 geändert. Die Klage wird auch für den Bewilligungszeitraum Juni 2006 abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung gegen die Aufhebung seines Änderungs- und Rückforderungsbescheides vom 31.8.2006 durch das Verwaltungsgericht, soweit er den Monat Juni 2006 betrifft.

Mit diesem Bescheid hatte der Beklagte die Ausbildungsförderung gegenüber der Klägerin für die Zeiträume Februar bis Juli 2006 und August 2006 bis Juli 2007 neu festgesetzt und eine Überzahlung für den Zeitraum Februar bis Juni 2006 in Höhe von 1.100,- € nach § 59 SGB X zurückgefordert. Hintergrund war die Tatsache, dass die Mutter der Klägerin zum 3.1.2006 von nach verzogen und ab diesem Zeitpunkt die Ausbildungsstätte der Klägerin von der Wohnung der Mutter aus erreichbar war.

Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 31.8.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides auf, soweit er den Bewilligungszeitraum Februar bis Juni 2006 betraf. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe für die Monate Februar bis Juni 2006 Vertrauensschutz gegenüber einer Erstattungsforderung zu. Die Klägerin habe seit Jahren keinen Kontakt zu ihrer Mutter gehabt und erst im Juni 2006 von deren Umzug nach erfahren. Bis dahin habe sie darauf vertrauen können, die Ausbildungsförderung in der bisher bewilligten Höhe für ihren Lebensunterhalt verwenden zu dürfen. Sie habe weder bewusst eine ihr nachteilige Änderung der Verhältnisse verschwiegen noch sei sie grob fahrlässig einer sie treffenden Mitteilungspflicht nicht nachgekommen. Unter keinen Umständen habe die Klägerin damit rechnen können, dass ihre Mutter, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt gehabt habe, in die Nähe ihrer Ausbildungsstätte verziehen würde. Ausbildungsförderung sei der Klägerin erst ab dem Monat, der auf den Monat (hier Juni 2006) in dem sie Kenntnis vom Umzug ihrer Mutter erhielt, folgt, zu versagen.

Auf den Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 17.3.2009 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit durch dieses der Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Sächsischen Landesamtes für Ausbildungsförderung für den Bewilligungsmonat Juni 2006 aufgehoben wurde. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an einem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin bestünden.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Beklagte aus, die Klägerin habe unstreitig ab Mai 2005 (meint 2006) von dem Umzug ihrer Mutter nach gewusst und dies auch so in ihrem Folgeantrag angegeben. Insoweit könne ihr kein Vertrauensschutz zustehen. Gemäß § 2 Abs. 1a Nr. 2 BAföG komme es mit Blick auf den Wohnsitz der Eltern allein auf dessen Belegenheit im Verhältnis zur Ausbildungsstätte an. Unerheblich sei es, ob aufgrund der konkreten familiären Verhältnisse ein Zusammenleben des Auszubildenden mit seinen Eltern erwartet werden könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. März 2008 - 5 K 155/07 - zu ändern und die Klage auch für den Bewilligungszeitraum Juni 2006 abzuweisen.

Die Klägerin hat sich im Berufungsverfahren in der Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 24.7. und 11.8.2009 übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Für die näheren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungsvorgänge und den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht verwiesen. Entscheidungsgründe:

Aufgrund des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klage ist auch unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit sie sich gegen eine Rückforderung für den Bewilligungszeitraum Juni 2006 richtet. Die Klägerin hat bereits im Mai 2006 von dem Umzug ihrer Mutter nach erfahren, so dass sie sich für den Folgemonat Juni 2006 gegen über dem Änderungs- und Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 31.8.2006 nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen kann.

Gemäß § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG wird der Bewilligungsbescheid zu Ungunsten des Auszubildenden vom Beginn des Monats an, der auf den Eintritt eines für die Bewilligung der Leistung maßgeblichen Umstandes folgt, geändert. Ein solcher Umstand liegt hier gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG vor.

Nach § 2 Abs. 1a BAföG wird Ausbildungsförderung für den Besuch einer weiterführenden Berufsfachschule nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist, einen eigenen Haushalt führt und verheiratet ist oder war oder einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammenlebt. Unstreitig lagen diese Voraussetzungen für den hier noch streitigen Monat Juni 2006 nicht vor. Von der Wohnung ihrer Mutter konnte die Klägerin die von ihr besuchte Berufsfachschule zumutbar erreichen. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig und bedarf keiner weiteren Begründung.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach der von ihm geteilten (s. Beschl. v. 16.6.2009 - 1 D 71/09) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen der vorliegenden Art nur dann ein Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung besteht, wenn der Auszubildende ausschließlich aus Gründen, die in einem wesensmäßigen Zusammenhang mit der Ausbildung selbst stehen, außerhalb der elterlichen Wohnung untergebracht ist (BVerwG, Urt. v. 6.2.1974, Buchholz 436.36 § 12 BAföG Nr. 1; Urt. v. 23.6.1977, Buchholz a. a. O. Nr. 5; Urt. v. 14.12.1978, BVerwGE 57, 198; Urt. v. 15.11.1979, FamRZ 1980, 506). Andere, insbesondere soziale Gründe, wie zum Beispiel Erwerbstätigkeit des alleinstehenden Elternteils oder beengte Wohnverhältnisse (so BVerwG, Urt. v. 23.6.1977, a. a. O. unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung), die auf das Ausbildungsverhältnis nur mittelbar einwirken, sind hingegen nicht berücksichtigungsfähig (vgl. auch Rothe/Blanke, BAföG, Kommentar, Teil 2, 5. Auflage 2003, § 2 Rn. 24.1.2). Verfassungsrechtliche Bedenken, etwa im Hinblick auf Art. 3 GG an der Regelung des § 2 Abs. 1a BAföG bestehen nach der Rechtsprechung des Senats nicht (s. Beschl. v. 7.1.2009, 1 D 117/08). Sofern ein Auszubildender aus nicht in der Ausbildung selbst liegenden schwerwiegenden sozialen Gründen mit seinen Eltern nicht zusammenwohnen kann, ist Abhilfe nicht durch Mittel der Ausbildungsförderung zu schaffen, sondern gegebenenfalls etwa durch Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe (so z. B.: BVerwG, Urt. v. 15.11.1979, a. a. O.).

Hiervon ausgehend konnte sich die Klägerin nur bis einschließlich Mai 2006 und nicht Juni 2006 wie vom Verwaltungsgericht angenommen, gegenüber der auf § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG gestützten Änderung und Rückforderung der ihr bewilligten Ausbildungsförderung gemäß § 59 SGB X auf Vertrauensschutz berufen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss über die Zulassung der Berufung ausgeführt hat, gab die Klägerin selbst zur Begründung ihrer Klage im Schriftsatz vom 7.4.2007 an, im Mai 2006 Kenntnis von dem Umzug ihrer Mutter erhalten zu haben und bei ihrem Folgeantrag vom 24.5.2006 auch angegeben zu haben. Dies bestätigt die Erklärung ihrer Mutter auf dem Formblatt 3 zu diesem Antrag, wo diese mit ihrer neuen Adresse aufgeführt ist. Hatte die Klägerin hiernach im Mai 2006 positive Kenntnis von dem Umzug ihrer Mutter nach und damit von der Änderung eines für die Bewilligung von Ausbildungsförderung maßgeblichen Umstandes, entfällt der ihr bis dahin zustehende Vertrauensschutz ab diesen Zeitpunkt. Die Änderung ist dann ab dem darauf folgenden Monat Juni 2006 zuungunsten der Klägerin zu berücksichtigen gewesen (§ 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG).

Die Kostenentscheidung für das gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gegenstand der Kostenentscheidung sind die Kosten des Verfahrens auf Zulassung der Berufung und des Berufungsverfahrens. Im Verfahren auf Zulassung der Berufung war der Beklagte nur im Hinblick auf den Monat Juni 2006 erfolgreich, hingegen blieb sein Antrag auf Zulassung zu den Monaten Februar bis Mai 2006 ohne Erfolg. Hieraus ergibt sich die Kostenquote von 4/5 zu 1/5.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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