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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2009
Aktenzeichen: 1 A 225/09
Rechtsgebiete: SächsBO, VwGO


Vorschriften:

SächsBO § 80 S. 2
VwGO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 225/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Nutzungsuntersagung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 9. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20. Januar 2009 - 7 K 2511/06 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 24.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen nicht die von der Beklagten allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458).

Das Verwaltungsgericht Dresden hat der auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 18.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 22.2.2007 gerichteten Klage stattgegeben. Die Nutzungsuntersagung beruhe auf § 80 Satz 2 SächsBO. Sie stehe im Ermessen der Behörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt würden. Die Ermessenserwägungen im maßgeblichen Widerspruchsbescheid seien ermessensfehlerhaft. Im vorliegenden, deutlich vom Regelfall abweichenden Fall sei nicht vom "Normalfall" des Einschreitens der Behörde beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 SächsBO auszugehen. Zwischen der Aufnahme der Nutzung und dem behördlichen Einschreiten habe ein Zeitraum von fast acht Jahren gelegen. Spätestens bei einer Ortsbesichtigung vom 25.8.2005 habe die Beklagte von der ihrer Ansicht nach vorliegenden Brandgefahr Kenntnis erlangt. Nach einer Stellungnahme der Bauaufsicht ......... vom 22.11.2005 bestünden brandschutzseitig grundsätzlich keine Bedenken gegen die Nutzung der Halle durch maximal 16 Personen. Bedenklich seien lediglich die zahlreichen Holzanbauten. Eine Nutzungsuntersagung bis zu deren Entfernung sei in Betracht zu ziehen gewesen. Alle diese besonderen Umstände habe die Beklagte bei ihrer gebotenen Ermessensentscheidung über die Nutzungsuntersagung unberücksichtigt gelassen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass auch im vorliegenden Fall die Nutzungsuntersagung nach § 80 Satz 2 SächsBO allein aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit habe angeordnet werden können. Sie liege im intendierten Ermessen. Ein atypischer Fall, der zu einer Steigerung der Anforderungen an die Begründung der Ermessensentscheidung führe, sei nicht gegeben. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit liege, wie das Regierungspräsidium Dresden in seinem Widerspruchsbescheid ausgeführt habe, nicht vor. Die längere bauaufsichtliche Untätigkeit führe nicht zu einer besonderen Begründungslast, weil sie weder die Baugenehmigung noch die Befreiung erteilt habe. Diese Bescheide seien vom Landkreis Sächsische Schweiz erlassen worden. Sie sei erstmals im Jahr 2005 anlässlich der ungenehmigten Anbauten auf die bestehende Brandgefahr aufmerksam geworden. Gewissheit über die Baustoffklasse der Außenwände (schwer entflammbar) habe sie erst durch die brandschutzrechtlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros ...... erlangt. Entgegen der Ausführungen des Gerichts habe die Widerspruchsbehörde auch die ungenehmigten Holzanbauten in ihre Ermessenserwägungen eingestellt.

Diese Einwendungen sind nicht geeignet, die tragenden Rechtssätze oder erheblichen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts derart in Zweifel zu ziehen, dass der Ausgang des Verfahrens als zumindest offen angesehen werden muss. Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtig ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Maßgeblich kommt es auch bei der Überprüfung der Ermessenserwägungen auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides an (SächsOVG, Urt. v. 18.4.2001 - 1 B 543/00 m. w. N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung nach § 80 Satz 2 SächsBO - der Nutzung baulicher Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften - das behördliche Einschreiten als "Normalfall" intendiert (vgl. Urt. v. 3.3.1999 - 1 S 317/97; Beschl. v. 25.6.2001 - 1 B 67/01). Einer vertieften Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen bedarf es nur, wenn diese sich in einer für die Ermessensbetätigung erheblichen Weise vom Regelfall unterscheiden. Solche besonderen Umstände liegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, hier vor. Dem Kläger wurden vom Landkreis Sächsische Schweiz mit Bescheinigung vom 26.11.1998 die abschließende Fertigstellung der baulichen Anlage bescheinigt und die Genehmigung zur Nutzung erteilt. Genehmigt wurde die Nutzung als Tennis- und Badmintonhalle und für den Publikumsverkehr durch eine nur unwesentliche Personenzahl (vgl. Befreiung vom 22.7.1997 durch das Bauordnungsamt des Landkreises Sächsische Schweiz). Die beigefügten Auflagen betreffen sämtlich nicht den Brandschutz. Die Nutzung der Halle blieb in der Folgezeit, soweit sie der genehmigten Nutzung entsprach, unbeanstandet. Die fast achtjährige Duldung der genehmigten Nutzung unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt vom "Normalfall" (vgl. hierzu May in: Hasske/ May/Hillesheim/Linow, Sächsische Bauordnung für Praktiker, 2006, § 80 Rn. 9). Das Verhalten des Landkreises Sächsische Schweiz muss sich die Beklagte als dessen Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. In seine Ermessenserwägungen hätte die Beklagte im vorliegenden Fall auch einstellen müssen, dass von Seiten des Bauaufsichtsamtes ......... keine brandschutztechnischen Bedenken gegen die genehmigte Nutzung der Halle als Tennis- und Badmintonanlage für nicht mehr als 16 Personen erhoben wurden. Dieser Umstand erfordert ausdrücklich eine besondere Begründung der Entscheidung, die Nutzung der Halle in Gänze zu untersagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG. Der Senat folgt insoweit den von den Beteiligten unbeanstandeten Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seiner Streitwertentscheidung.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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