Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.11.2009
Aktenzeichen: 1 A 668/08
Rechtsgebiete: BauGB, TA-Lärm


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 1
TA-Lärm Ziff. 1 S. 2 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 668/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Errichtung einer Terrasse als Gaststättenerweiterung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 6. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. August 2008 - 7 K 1704/05 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

Die von der Klägerin dargelegten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458). Da sich ernstliche Zweifel auf das Entscheidungsergebnis und nicht auf die dafür gegebene Begründung beziehen, scheidet eine Zulassung der Berufung aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 22.7.2002 - 5 B 103/02 - m. w. N. st. Rspr.).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die angefochtene Baugenehmigung sei rechtmäßig (§ 70 Abs. 1 SächsBO a. F). Öffentlich-rechtliche Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen seien, stünden nicht entgegen. Eine Pflicht zur Einholung einer Geräuschimmissionsprognose (Ziffer 3.2.1 der TA-Lärm) habe nicht bestanden. Die Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften. Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein (§ 34 Abs. 1 BauGB). Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einer so genannten Gemengelage. Diese sei gekennzeichnet durch ein Nebeneinander von nicht miteinander harmonierenden Nutzungsarten. Die nähere Umgebung werde durch mehrgeschossige Gründerzeitbauten geprägt, die in geschlossener Blockrandbebauung errichtet worden seien. In deren Erdgeschossen befänden sich verschiedene Schank- und Speisewirtschaften sowie Einzelhandelsgeschäfte. In den Obergeschossen werde neben einer Wohnnutzung auch gewerbliche Nutzung ausgeübt. Dabei dienten die Schank- und Speisewirtschaften allein aufgrund ihrer Anzahl und Ausrichtung nicht mehr allein der Versorgung des Gebiets. Dies gelte auch für die vorhandenen Läden, die auch von gebietsfremden Personen aufgesucht würden. Es handele sich um ein regional und überregional bekanntes "Vergnügungsviertel" mit vorwiegend studentischem Publikum. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nichts ersichtlich, insbesondere gingen von der Gästeterrasse keine für die Nachbarn unzumutbaren Geräuschimmissionen aus. Für die maßgeblichen Richtwerte sei eine Mittelwertbildung geboten, d. h. die Festsetzung von Grenzwerten, die zwischen denen für Gewerbe- und Wohngebiete liegen. Der am Tag einzuhaltende Mittelwert betrage unter Berücksichtigung der Grenzwerte nach der TA-Lärm 60 dB(A). Dieser werde hier nach überschlägiger Berechnung und den Auskünften des .............. in der mündlichen Verhandlung nicht überschritten.

Die Klägerin wendet ein, dass es sich bei der Umgebung des Vorhabens um ein allgemeines Wohngebiet handele. Es sei deshalb ein Immissionsrichtwert von max. 55 dB (A) tagsüber einzuhalten. Die vorgenommene überschlägige Berechnung sei nicht ausreichend. Nach der TA-Lärm sei es vielmehr notwendig, eine Geräuschimmissionsprognose einzuholen. Die überschlägige Berechnung sei zudem fehlerhaft.

Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dabei besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich vorliegend bei der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks um ein allgemeines Wohngebiet handeln könnte (§ 4 BauNVO). Ein solcher ergibt sich weder aus dem Erneuerungskonzept "Stadterneuerung für ........, Sanierungsgebiet '..............." vom 8.7./9.7.1993 noch aus der Baugenehmigung. Denn maßgeblich ist allein, wie sich der Gebietscharakter im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung tatsächlich darstellte. Nach dem Widerspruchsbescheid entspricht dieser einer Gemengelage. Diese Einschätzung ist nach dem Inhalt der Akten sowie den in diesen vorhandenen Plänen und Fotografien nicht zu beanstanden. Denn wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, handelt es sich aufgrund des in der Umgebung vorhandenen vielfältigen Angebots an Geschäften, Schank- und Gaststätten jedenfalls um kein Gebiet, das vorwiegend dem Wohnen dient. Des Weiteren ist auch die vorgenommene überschlägige Berechnung der zu erwartenden Geräuschimmissionen nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin einwendet, dass die Maßgaben der TA-Lärm nicht ausreichend beachtet worden seien, insbesondere eine Geräuschimmissionsprognose (A. 2.1 und A. 2.4 TA-Lärm) nicht vorliege, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen findet die TA-Lärm auf Freiluftgaststätten bereits keine Anwendung (vgl. Ziffer 1 Satz 2 Buchst. b TA-Lärm; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 25.8.2003 - 7 B 14 77/03; BayVGH, Urt. v. 31.7.2003 - 2 B 00.3282 -, beide zitiert nach juris). Die von einer Außengaststätte ausgehenden Geräusche werden nämlich hauptsächlich durch menschliches Verhalten verursacht und nicht von einer Anlage. Ob die Geräusche laut, leise, stumpf oder schrill sind, kann vom Betreiber nicht beeinflusst werden, sondern hängt allein vom Naturell des jeweiligen Gastes ab (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 25.8.2003 a. a. O.). Zum anderen ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aber auch bei Zugrundlegung der TA-Lärm als Richtmaß nicht zu beanstanden, denn nach der überschlägigen Prognose, die mit der Auskunft des .............. in der mündlichen Verhandlung in Einklang steht, werden selbst die Richtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) tags (vgl. Nr. 6.1 Buchst. d) nicht überschritten. Soweit die Klägerin die Überschlagsberechnung für fehlerhaft hält, weil die Vorbelastung durch Verkehrslärm und dass der Umstand, dass Gäste nach dem Genuss von alkoholischen Getränken lauter sprechen würden, nicht berücksichtigt worden seien, führt dies ebenfalls nicht zur Begründetheit des Zulassungsantrags. Dabei beruht die seitens der Klägerin in Bezug genommene Stellungnahme des .............. bereits nicht auf konkret ermittelten Faktoren, sondern nur auf der Nennung "prinzipieller Kriterien" und Annahmen. Diese sind nicht geeignet die überschlägige Prognose und die Auskünfte des .............. in der mündlichen Verhandlung zu erschüttern. Denn der Gutachter führt nur ohne Bezug auf einen konkret überprüften Sachverhalt aus, dass unter Berücksichtigung der dargestellten Randbedingungen ganz grob und überschlägig auch ein 11 dB (A) höherer Beurteilungspegel ermittelt werden könne, ohne ausdrücklich festzustellen, dass diese Randbedingungen auch vorliegen. Dabei ist die Berechnung der Klägerin auch deshalb in Frage zu stellen, weil die geringe Kapazität der Terrasse mit nur 24 Gastplätzen der Annahme einer lauten Außengaststätte entgegenstehen dürfte (vgl. in diesem Zusammenhang BayVGH, Urt. v. 31.7.2003 - 2 B 00.32.82 -). Zudem hat die Klägerin bei ihrer Berechnung, die insoweit nicht erläutert wird, wohl die 24 Gastplätze insgesamt eingestellt, was bedeuten würde, dass 24 Gäste gleichzeitig sprechen würden (vgl. Ziffer 3. Berechnungsblatt des ..............).

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten in diesem Sinne weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die wesentlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Anforderungen, die an die Berücksichtigung von Geräuschimmissionen zu stellen sind, geklärt sind.

Des Weiteren ist auch ein Verfahrensmangel nicht dargelegt. Eine Aufklärungsrüge genügt nur dann den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn der Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert dargetan wird. Das bedeutet, dass mit dem Zulassungsantrag substanziiert hätte dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände der Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in erster Instanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich - wie hier - angekündigte Beweisanträge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht (ständige Rspr. des BVerwG, vgl. etwa Beschl.v. 20.9.2007 - 4 B 38/07, zitiert nach juris). Aufgrund der überschlägigen Lärmprognose des .............. und seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung drängte sich für das Gericht eine Beweisaufnahme auch nicht auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Sie hat keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 9.7.1 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467). Hiernach ist für das Beschwerdeverfahren mangels substanziierter Darlegung einer konkreten Grundstückswertminderung durch die angegriffene Baugenehmigung auf den eine Art von Auffangwert (SächsOVG, Beschl. v. 20.10.2005 - 1 BS 251/05 - m. w. N.) darstellenden Betrag von 7.500,- € abzustellen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück