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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.07.2009
Aktenzeichen: 1 A 744/08
Rechtsgebiete: BAföG, VwGO


Vorschriften:

BAföG § 20 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 744/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen rückwirkender Aufhebung der Bewilligung von Ausbildungsförderung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 14. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Dem Kläger wird für das Zulassungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N in Leipzig beigeordnet.

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30. Oktober 2008 - 3 K 750/07 - wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe:

1. Dem Kläger ist auf seinen Antrag vom 29.1.2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten (§ 121 ZPO) zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Kläger ist nach den vorliegenden Unterlagen bedürftig. Einer Prüfung der Erfolgsausichten bedurfte es nicht. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO sieht nämlich vor, dass in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen ist, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn - wie hier - der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Beiordnung des Rechtsanwaltes beruht auf § 121 Abs. 1 ZPO.

2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

Der vom Beklagten dargelegte Zulassungsgrund liegt nicht vor.

An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458). Da sich ernstliche Zweifel auf das Entscheidungsergebnis und nicht auf die dafür gegebene Begründung beziehen, scheidet eine Zulassung der Berufung aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 22.7.2002 - 5 B 103/02 - m. w. N.; st. Rspr.).

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im hier streitgegenständlichen Umfang stattgegeben. Der Bescheid des Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Sächsischen Landesamtes für Ausbildungsförderung seien rechtswidrig, soweit die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Zeit von Juli bis September 2006 aufgehoben und ein Betrag in Höhe von mehr als 1.590,- € zurückgefordert werde. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 BAföG seien nicht erfüllt. Der Kläger habe seine Ausbildung im Sommer 2006 aufgrund einer von ihm beantragten Beurlaubung unterbrochen. Diese Unterbrechung habe er aufgrund seiner zuvor erfolgten Erkrankung nicht zu vertreten. Die Änderung der bewilligten Ausbildungsförderung finde für die Monate Juli bis September 2006 ihre Rechtsgrundlage auch nicht in § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften seien nämlich für den hier genannten Zeitraum nicht gegeben. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits vor der beantragten Beurlaubung erkrankt gewesen sei und ihm aufgrund seiner Erkrankung ein Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsförderungsleistungen für 3 Monate zugestanden habe (§ 15 Abs. 2a BAföG). Damit unterscheide sich diese Fallkonstellation von den Fällen, bei denen es bereits aufgrund einer zuvor erfolgten Beurlaubung zu einer Unterbrechung kam.

Der Beklagte wendet ein , sein Rückforderungsanspruch sei gemäß § 20 Abs.2 BAföG gegeben. Dem Kläger habe für das Sommersemester 2006 aufgrund der Beurlaubung kein Anspruch auf Ausbildungsförderung zugestanden. Er habe die Beurlaubung auch zu vertreten. Er habe den Urlaubsantrag aus freien Stücken gestellt. Eine Exmatrikulation habe ihm nicht gedroht. Er hätte die ihm fehlenden Leistungen noch erbringen können.

Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dieses ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Monate Juli 2006 bis September 2006 kein Rückforderungsanspruch gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG besteht. Nach dieser Vorschrift hat der Auszubildende den Förderbetrag für den Kalendermonat oder den Teil eines Kalendermonats zurückzuzahlen, in dem er die Ausbildung aus einem von ihm zu vertretenden Grund unterbrochen hat. Eine Unterbrechung der Ausbildung liegt vor, wenn der Auszubildende die Ausbildungsstätte nicht mehr besucht (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.1988 - 5 C59/85 -). Zu vertreten hat ein Auszubildender die Unterbrechung, wenn ihm das Fernbleiben von der Ausbildung zuzurechnen ist (vgl. VGH BW, Urt. v. 14.9.1977, FEVS 26, 243). Bei einer Unterbrechung durch das Einlegen eines Urlaubssemesters handelt es sich grundsätzlich um eine dem Auszubildenden zuzurechnende Unterbrechung, während eine Unterbrechung infolge einer Erkrankung kein Grund ist, den dieser zu vertreten hat (VGH BW, Urt. v. 14.9.1977 a. a. O.; BVerwG, Urt. v. 21.6.1979, BVerwGE 58, 132). Dementsprechend ist eine Beurlaubung, die aus Anlass einer Erkrankung erfolgt, keine solche, die der Auszubildende zu vertreten hat, denn sie beruht auf der grundsätzlich nicht vorwerfbaren Erkrankung. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21.6.1979, auf die sich der Beklagte ausdrücklich beruft, ebenfalls die Ansicht vertreten, dass ein Rückforderungsanspruch nach § 20 Abs. 2 BAföG entfalle, wenn Anlass für die Beurlaubung eine Erkrankung gewesen sei. In diesen Fällen fehle es grundsätzlich an der erforderlichen Vorwerfbarkeit (BVerwG, Urt. v. 21.6.1979, BVerwGE 58, 132). In diesem Zusammenhang kommt es indes nicht darauf an, ob für den Kläger nur die Möglichkeit bestand, ein Urlaubssemester einzulegen oder es auch andere Alternativen gab.

Soweit das Verwaltungsgericht eine Rückzahlungspflicht auch nach weiteren Vorschriften verneint hat (§ 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG), stand dies hier nicht zur Überprüfung, da der Beklagte mit seinem Zulassungsantrag im Wesentlichen nur eingewendet hat, dass der Kläger seiner Meinung nach die Unterbrechung zu vertreten habe und die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 BAföG deshalb erfüllt seien.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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