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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 1 B 268/09
Rechtsgebiete: SächsBO, SächsPolG


Vorschriften:

SächsBO § 3
SächsBO § 58 Abs. 2
SächsPolG § 4
SächsPolG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 268/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sicherungsanordnung und Androhung der Ersatzvornahme

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 9. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 9. Februar 2009 - 3 L 446/08 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 8. Mai 2008 wird wiederhergestellt und gegen Ziffer 3 und 4 des Bescheides vom 8. Mai 2008 angeordnet. Im Übrigen werden die Vollziehung der Ersatzvornahme und die des Kostenbescheides vom 9. September 2008 vorläufig aufgehoben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.350,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Aus den von ihr vorgetragenen Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, ihrem Widerspruch entgegen Ziffer 2 des Bescheides vom 8.5.2008 sowie entgegen § 11 SächsVwVG (Ziffern 3 und 4 des Bescheides vom 8.5.2008) aufschiebende Wirkung beizumessen.

Das Verwaltungsgericht hat die gegen ihre Verpflichtung zur Vornahme von Sicherungsmaßnahmen gerichteten Anträge der Antragstellerin abgelehnt. Die Gebäude .......straße 19/........straße 12 in hätten den Instandhaltungsanforderungen des § 3 Abs. 1 SächsBO nicht mehr genügt, so dass von ihnen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgegangen sei. Die Anordnung der Sicherungsmaßnahme beruhe auf § 58 Abs. 2 SächsBO. Dabei habe der Antragsgegner die Antragstellerin ermessensfehlerfrei als Verhaltensverantwortliche, d. h. als Handlungsstörerin gemäß § 4 Abs. 1 SächsPolG in Anspruch genommen. Zwar sei die Antragstellerin aufgrund des Eigentumsverzichtes zum 17.5.2006 zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids am 8.5.2008 nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks nebst Gebäuden und damit nicht mehr Zustandsstörerin gewesen. Allerdings lasse der Eigentumsverzicht ihre Verhaltensverantwortlichkeit nicht entfallen. Sie habe in der Zeit vom 7.10.1993 bis zum 17.5.2006 notwendige Instandhaltungsmaßnahmen unterlassen. Zur Durchführung dieser sei sie als Gesellschafterin der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in deren Eigentum das Grundstück nebst Gebäuden gestanden habe, gleichermaßen wie die Gesellschaft oder ihr Mitgesellschafter verpflichtet gewesen. Dies mache sie zur Verhaltensverantwortlichen durch Unterlassen. Auch die Störerauswahl sei ermessensfehlerfrei erfolgt.

Die Antragstellerin wendet ein, die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, sie könne als Verhaltensverantwortliche in Anspruch genommen werden, sei fehlerhaft. Das Grundstück und Gebäude hätten sich bereits im Zeitpunkt der Rückübertragung in einem schlechten Zustand befunden. Es seien zunächst auch alle erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung der Gebäude vorgenommen worden. In den Jahren 2003 und 2004 habe die Stadt jedoch mit Straßenbauarbeiten in der ........straße und der .......straße begonnen, die teilweise bis 2008 angedauert hätten. Durch die ohne Genehmigung der damaligen Eigentümerin bis auf ihr Grundstück und dort bis an die Außenmauern der Gebäude herangeführten Arbeiten, in deren Ergebnis auch die Straße und der Bürgersteig verbreitert worden seien und die damit verbundenen Erschütterungen, habe sich der Bauzustand zusätzlich in erheblichem Ausmaß verschlechtert. Dabei werde bereits in Abrede gestellt, dass von dem Grundstück nach 2006 noch eine Gefahr ausgegangen sei. Denn die Umgebung des Grundstücks sei durch eine Absperrung vor herabfallenden Bauteilen hinreichend gesichert gewesen. Sie werde zu Unrecht als Verhaltensstörerin in Anspruch genommen. Im Übrigen habe eine Instandhaltungspflicht nur für die ...-Gesellschaft bestanden. Eine Erweiterung der Haftung auf die Gesellschafter scheide aus. Auch hätten weder der Antragsgegner noch das Verwaltungsgericht ihr gegenüber in der Zeit vom 7.10.1993 bis zum 17.5.2006 jemals eine konkrete Instandhaltungsmaßnahme genannt, zu deren Übernahme sie verpflichtet gewesen sei. Eine Verhaltenshaftung durch Unterlassen lasse sich nicht aus einer Zustandshaftung herleiten.

Unter Berücksichtigung dieser Einwände dürfte der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Anordnungen im Bescheid des Antragsgegners vom 8.5.2008 voraussichtlich Erfolg haben. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Störerauswahl zu beanstanden. Die Antragstellerin konnte nicht als Verhaltensstörerin gemäß § 4 Abs. 1 SächsPolG in Anspruch genommen werden. Nach der genannten Vorschrift kann die Behörde Maßnahmen gegenüber Personen treffen, die durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen oder stören. Zwar ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass eine Verhaltenshaftung nicht nur durch positives Tun, d. h. durch konkrete Handlungen, sondern auch durch ein Unterlassen begründet werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.8.2006, BVerwGE 126, 326) und, dass der am 17.5.2006 durch die Eintragung in das Grundbuch vollzogene Eigentumsverzicht der Antragstellerin und ihres Mitgesellschafters als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine zuvor rechtlich bestehende Verhaltensverantwortlichkeit nicht entfallen ließe, da ein Verhaltensstörer grundsätzlich unbeschränkt für sein Gefahr verursachendes Verhalten oder Unterlassen einzustehen hat (BVerwG, Urt. v. 31.8.2006, a. a. O.). Nicht gefolgt werden kann dem Verwaltungsgericht aber in der Auffassung, dass die Verhaltensverantwortlichkeit der Antragstellerin, die aus ihrem Unterlassen von angezeigten Instandhaltungsmaßnahmen in der Zeit vom 7.10.1993 bis zum 17.5.2006 resultiere, nicht entfallen sei. Dieser Betrachtungsweise ist bereits entgegenzuhalten, dass eine solche Verhaltensverantwortlichkeit der Antragstellerin in dem genannten Zeitraum bereits gar nicht bestanden hat. Wer die Beseitigung des ordnungswidrigen Zustands einer Sache unterlässt, die in seinem Eigentum steht, kann nämlich nur als Zustandsstörer und nicht daneben auch als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.8.2006, a. a. O.; vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH BW, Urt. v. 30.7.2002; 10 S 2153/01, zitiert nach juris und VGH BW, Beschl. v. 4.8.1995, DÖV 1996, 40). Dafür spricht, dass das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) und die daraus resultierenden Pflichten (Art. 14 Abs. 2 GG) allein grundstücksbezogen zu betrachten sind. Deshalb knüpft auch die Haftung gemäß § 5 SächsPolG an den Zustand der Sache und die Sachherrschaft über diese an (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschl. v. 31.7.1998, NJW, 231). Nur aufgrund dieser Zugriffsmöglichkeit auf den Zustand trifft den Eigentümer mithin eine Instandhaltungspflicht gemäß § 3 SächsBO. Vorliegend bestand auch keine zusätzliche Verantwortlichkeit aufgrund einer weiteren Rechtsvorschrift, die eine Verhaltenshaftung begründen könnte. Mit dem Eigentumsverzicht und dessen Vollzug im Grundbuch ist diese Eigentumsposition entfallen, mit der Folge, dass auch die Zustandsverantwortlichkeit gemäß § 5 SächsPolG damit endete.

Es besteht auch keine so genannte "fortwirkende Zustandshaftung'" (vgl. VGH BW, Urt. v. 30.7.2002, a. a. O.). Denn nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 5 SächsPolG kommt nur die Inanspruchnahme des Eigentümers oder desjenigen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, in Betracht (vgl. hierzu auch VGH BW, Urt. v. 30.7.2002, a. a. O.). Eine Regelung, dass polizeiliche Maßnahmen auch an denjenigen gerichtet werden können, der das Eigentum an einer Sache, von der eine Gefahr ausgeht, in der Vergangenheit inne hatte, ist im Sächsischen Polizeigesetz hingegen nicht geregelt.

Vorliegend kann von einer Haftung auch nicht unter Berücksichtigung von § 138 BGB ausgegangen werden, weil etwa der Eigentumsverzicht infolge einer bereits konkretisierten behördlichen Maßnahme ergangen wäre. Dabei kann der Antragstellerin der Bescheid vom 21.3.2006 bereits deshalb nicht als solche konkretisierende Maßnahme entgegen gehalten werden, weil er nur an den Mitgesellschafter gerichtet war. Hinzu kommt, dass die Erklärung zum Eigentumsverzicht nach dem insoweit vom Antragsgegner nicht bestrittenen Vortrag der Antragstellerin bereits am 13.3.2006 - mithin vor dem Ergehen des Bescheides vom 21.3.2006 - erfolgte. Der 17.5.2006 ist insoweit nicht maßgebend, weil dieses Datum nur den grundbuchmäßigen Vollzug des zuvor erklärten Eigentumsverzichtes dokumentiert. Da die Anordnungen mit Bescheid vom 8.5.2008 den Rechtsgrund für die Vollziehung der Ersatzvornahme und den ergangenen Kostenbescheid vom 9.9.2008 darstellen, waren die Vollziehung der Ersatzvornahme und die des Kostenbescheides vom 9.9.2008 vorläufig aufzuheben (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Hinsichtlich der Höhe des Streitwertes folgt der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beteiligten substanziell nichts vorgetragen haben (§ 52 Abs. 3 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.6.2 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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