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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2009
Aktenzeichen: 1 B 448/09
Rechtsgebiete: BAföG, SächsAG-BAföG


Vorschriften:

BAföG § 2 Abs. 1 Nr. 1
BAföG § 2 Abs. 2
SächsAG-BAföG § 3 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 448/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gleichstellung von Ergänzungsschulen gemäß § 2 Abs. 2 BAföG

Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 9. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. August 2009 - 5 L 318/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. August 2009 - 5 L 318/09 - wird aufgehoben.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Aus den vom Antragsgegner vorgetragenen Gründen - auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu Unrecht überwiegend stattgegeben hat.

Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO bejaht. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Die von der Antragstellerin betriebene Ausbildungsstätte sei eine Ergänzungsschule und der Ausbildung an einer Berufsfachschule gleichwertig. Die Prüfung der Gleichwertigkeit gemäß § 2 Abs. 2 BAföG erfolge hier auf Antrag der Antragstellerin (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BAföG). Die Ausbildung, die sie vermittele, sei der Ausbildung an einer staatlichen Berufsfachschule gemäß § 124 ff. BFSO gleichwertig. Sie führe zu einem berufsqualifizierenden Abschluss i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG. Die Ausübung des Berufs als Koch oder Köchin, der rechtlich geregelt und anerkannt sei, werde damit ermöglicht. Nach der Ausbildung seien die Absolventen von der Beigeladenen zur Prüfung (§ 43 Abs. 2 BBiG i. V. m. § 71 Abs. 2 BBiG) zuzulassen. Da Rechtsverordnungen über die Feststellung der Gleichwertigkeit einer Ausbildung nach § 43 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BBiG nicht erlassen worden seien, sei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 BBiG grundsätzlich für jeden Ausbildungsgang im Einzelfall zu prüfen. Zur Vermeidung unnützer Ausbildungsanstrengungen folge hieraus im Interesse der Auszubildenden, aber auch der Ausbildungseinrichtung, dass sinnvoller Weise bereits bei Beginn der schulischen Ausbildung gemäß § 43 Abs. 2 BBiG zu klären sei, unter welchen Voraussetzungen eine Zulassung zur Abschlussprüfung erfolgen könne. Ein Anordnungsanspruch sei bereits deshalb gegeben, weil eine Nichtzulassung zur Prüfung durch die Beigeladene mit der Begründung, der Bildungsgang erfülle die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 BBiG nicht, nach derzeitigem Erkenntnisstand rechtswidrig sei. Zu berücksichtigen sei vor allem, dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner unstreitig sei, dass die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 BBiG erfüllt seien. Des Weiteren sei ein Anordnungsgrund gegeben. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache stehe der Entscheidung nicht entgegen. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass ein erheblicher Teil ihrer Schüler Bezieher von Leistungen nach dem BAföG seien. Es liege damit auf der Hand, dass eine Vielzahl von Schülern ihre Ausbildung abbrechen müsste, wenn Leistungen für diese Ausbildung nicht bewilligt würden, weil es an der notwendigen Gleichwertigkeitsfeststellung fehle.

Der Antragsgegner wendet ein, es fehle bereits an einem Anordnungsgrund. Dem Erlass der einstweiligen Anordnung stehe entgegen, dass mit ihr die Hauptsache vorweggenommen werde. Eine Fallkonstellation, in der das ausnahmsweise zulässig sei, liege nicht vor. Es fehle bereits an einer Substantiierung der Behauptung, dass eine hinreichende Anzahl von Schülern ihre Ausbildung ohne die Bewilligung von Ausbildungsförderung von vornherein nicht antreten oder abbrechen würde. Das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache sei für die Antragstellerin zumutbar. Es fehle aber auch an einem Anordnungsanspruch. Voraussetzung für die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Ausbildung an der Ergänzungsschule der Antragstellerin mit der Ausbildung an einer Berufsfachschule gemäß § 2 Abs. 2 BAföG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG sei, dass die Ausbildung an der Ergänzungsschule einen berufsqualifizierenden Abschluss vermittele. Dies müsse verbindlich festgestellt werden. Für die Feststellung sei die Beigeladene gemäß § 71 Abs. 2 BBiG i. V. m § 46 Abs. 1 BBiG zuständig. Es fehle an der notwendigen Erklärung über einen gleichwertigen berufsqualifizierenden Abschluss durch die Beigeladene.

Diese Einwände führen nicht dazu, dass der Antrag - im stattgegebenen Umfang - gemäß § 123 VwGO durch das Verwaltungsgericht abzulehnen gewesen wäre. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Regelung zur Verhinderung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der danach erforderliche Anordnungsgrund ist hier gegeben. Denn die Antragstellerin ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, dass ihre Ergänzungsschule von einer ausreichenden Anzahl von Berufsschülern angenommen wird. Ohne die vorläufige Entscheidung wäre die Antragstellerin gehindert, für einen längeren Zeitrum zu kalkulieren und zu planen. Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass nach den bisherigen Erfahrungen der Antragstellerin gut die Hälfte ihrer Schüler mit der Hilfe von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ihre Ausbildung absolviert hat, ist dies nicht zu beanstanden. Denn diese Angabe beruht auf den konkreten Angaben der Antragstellerin im Erörterungstermin am 5.8.2009, die von der Antragsgegnerin ausweislich des Protokolls damals nicht bestritten worden sind.

Zudem ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe in Bezug auf das Schuljahr 2009/2010 einen Anordnungsanspruch, nicht zu beanstanden. Dieser ergibt sich aus § 2 Abs. 2 BAföG i. V. m. § 39 Abs. 3 BAföG, § 3 Abs. 4 des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - SächsAG-BAföG -. Danach wird für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen Ausbildungsförderung geleistet, wenn die zuständige Landesbehörde anerkennt, dass der Besuch der Ergänzungsschule dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Besuch von Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, geleistet, sofern sie in einen zumindest zweijährigen Bildungsgang einen qualifizierenden Abschluss vermittelt. Für die Entscheidung über den Feststellungsantrag sind danach die Landesbehörden zuständig, die gemäß § 39 Abs. 3 BAföG von jedem Land zu bestimmen sind. Vorliegend ist dies gemäß § 3 Abs. 4 SächsAG-BAföG das Sächsische Staatsministerium für Kultus. Das hat zur Folge, dass die Entscheidung, ob die vom Gesetz geforderte Gleichwertigkeitsentscheidung allein dieser Behörde obliegt, und sich damit auch Form und Inhalt der Entscheidung nach Landesrecht richten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.12.1980, FamRZ 1981, 821). Teil der Gleichwertigkeitprüfung ist dabei auch die Frage, ob die Ausbildung zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führt, der einem an einer Berufsfachschule vermittelten Abschluss entspricht (hier: §§ 124 a, 124b Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Berufsfachschule im Freistaat Sachsen - BFSO). Denn § 2 Abs. 2 BAföG nimmt hinsichtlich der von der zuständigen Landesbehörde zu treffenden Entscheidung über die Gleichwertigkeit Bezug auf die in § 2 Abs. 1 BAföG genannten Ausbildungsstätten. Maßstab für die Gleichwertigkeitsentscheidung sind dementsprechend die Zugangsvoraussetzungen, der Lehrplan, die fachliche und pädagogische Eignung der Lehrkräfte, die Qualität der vermittelten Ausbildung und der Ausbildungsabschluss (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.6.1993, BVerwGE 92, 340; VGH BW, Urt. v. 6.3.1990, - 9 S 1387/89, zitiert nach juris; Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2009, § 2, Rn. 25.1). Einer Entscheidung durch die Landesbehörde steht auch nicht eine fehlende Erklärung der Beigeladenen, dass die Ausbildung zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führe, und insbesondere nicht § 43 Abs. 3 des Berufsbildungsgesetzes - BBiG - i. V. m. § 46 Abs. 1 BBiG, § 71 Abs. 2 BBIG entgegen. Zwar ist nach den zuletzt genannten Vorschriften die Beigeladene für die Entscheidung über die Zulassung zur Abschlussprüfung zuständig. Dies betrifft aber nur die Entscheidung im Einzelfall. Denn die Vorschrift setzt voraus, dass der Schüler die Ausbildung bereits absolviert und sodann einen Antrag auf Zulassung zur Abschlussprüfung gestellt hat. Die Beigeladene ist nach dieser Vorschrift aber nicht zuständig für die Frage, ob eine Ergänzungsschule (§ 10 des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft - SächsFrTrSchulG) eine gleichwertige Ausbildung mit einem gleichwertigen berufsqualifizierenden Abschluss vermittelt. Diese Entscheidung obliegt allein dem Vertreter des Antragsgegners (§ 2 Abs. BAföG i. V. m § 3 Abs. 4 SächsAG-BAföG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 188 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit nicht einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Gerichtskosten werden gemäß § 188 VwGO nicht erhoben. Diese Vorschrift findet in Angelegenheiten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Anwendung. Ohne Bedeutung sind dabei die Vermögensverhältnisse der Beteiligten (vgl. VGH BW, Urt. v. 6.3.1990, a. a. O; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl.,§ 188 Rn. 8). Da hier Gerichtskosten nicht erhoben werden, bedarf es auch keiner Streitwertfestsetzung. Die Festsetzung des Streitwertes im Beschluss des Verwaltungsgerichts war deshalb aufzuheben.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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