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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 1 B 735/05
Rechtsgebiete: SächsBO, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

SächsBO a.F. § 70
VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 161 Abs. 2
Ob es sich bei den einer nachträglich erteilten Baugenehmigung beigefügten Regelungen um selbständig anfechtbare Nebenbestimmungen handelt, richtet sich nach dem Empfängerhorizont.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 B 735/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baugenehmigung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Döpelheuer auf Grund der mündlichen Verhandlung

am 16. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. April 2004 - 3 K 1643/00 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung gegen die Feststellung der Erledigung und Auferlegung der Kosten des Verfahrens durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6.4.2004. In dem zu Grunde liegenden Verfahren wandten sich die Kläger gegen eine ihnen nach ihrer Auffassung von der Beklagten aufgegebene Verpflichtung, die Fenster des von ihnen sanierten Hauses zweiflügelig mit Oberlicht herzustellen und die zweiflügelige Hauseingangstür am Ort zu erhalten und unter stilistischer Anpassung der Klinken- bzw. Drückergarnitur aufarbeiten zu lassen.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Mehrfamilienwohnhaus bebauten Grundstücks H. , Flurstück F1 der Gemarkung Freiberg. Im Juli 1998 beantragten sie die Genehmigung zur Sanierung, Modernisierung und zum Ausbau des Dachgeschosses des Wohnhauses. In den Bauvorlagen sind die Fenster im Wesentlichen zweiflügelig mit Oberlicht dargestellt. Die Fenster im Dachgeschoss sind einflügelig und zwei Fenster im Erdgeschoss dreiflügelig mit Oberlicht dargestellt. Die Haustür ist zweiflügelig in Kassettenform ausgewiesen. Nach der beigefügten Baubeschreibung sollten die Fenster als Holzdrehkippfenster - zweiflügelig - hergestellt werden.

Unter dem 29.9.1999 erteilte die Beklagte den Klägern eine nachträgliche Baugenehmigung für das zwischenzeitlich fertig gestellte Vorhaben. Die eingereichten Bauvorlagen hatte sie mit einem Grünstempel versehen. In dem Bescheid führte sie aus: "Die nachstehend oder in den Anlagen enthaltenen Auflagen und Bedingungen sowie die grünen Eintragungen sind Bestandteile dieser Genehmigung. Die Hinweise sind bei der Ausführung zu beachten. Auflagen: 1. Die Fenster sind zweiflügelig mit Oberlicht herzustellen (§ 8 Abs. 3 der Gestaltungssatzung). 2. Die zweiflügelige Hauseingangstür ist am Ort zu erhalten und aufarbeiten zu lassen. Die Klinken- bzw. Drückergarnitur ist stilistisch der Bauzeit der Tür anzupassen (Hinweis: Hierzu steht Ihnen das Denkmalamt gern beratend zur Verfügung. ... ."

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs führten die Kläger aus, dass sie seit ihrem Erwerb des Grundstücks im Jahre 1998 die Fassadengestaltung mit Ausnahme der Farbe nicht verändert hätten und die Fenster nebst Haustür bereits eingebaut gewesen seien. Das Gebäude sei seit seiner Fertigstellung zum Ende des vorvorigen Jahrhunderts in seinem heutigen Aussehen fertig gestellt worden, weshalb es Bestandsschutz genieße.

In ihrem an die Kläger gerichteten Nichtabhilfeschreiben vom 16.5.2000 erklärte die Beklagte, dass die Fenster und die historische Eingangstür in den eingereichten Bauzeichnungen genauso dargestellt worden seien, wie sie seit der Erbauung des Gebäudes bestanden hätten. Die Hauseingangstür und die Fenster seien deshalb in der beantragten und genehmigten Form herzustellen. Außerdem begründeten baurechtlich illegale Maßnahmen keinen Bestandsschutz, so dass der ursprüngliche Zustand der Hauseingangstür und der zweiflügeligen Fenster entsprechend den Auflagen in der Baugenehmigung wieder herzustellen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.7.2000 wies das Regierungspräsidium Chemnitz den Widerspruch der Kläger zurück. Zur Begründung führte es aus, dass eine Genehmigungspflicht für den Einbau von Fenstern und Türen aufgrund von § 12 Abs. 1 Nr. 2 Sächsisches Denkmalschutzgesetz - SächsDSchG - bestehe, da es sich bei dem Gebäude um ein Kulturdenkmal i.S.v. § 2 Abs. 1 SächsDSchG handele. Durch den Einbau neuer Fenster und der Tür werde das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes verändert, was eine Genehmigungspflichtigkeit nach sich ziehe. Eine Genehmigung habe nicht vorgelegen, so dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, mit den der Baugenehmigung beigefügten Auflagen Nr. 1 und 2 den Einbau von zweiflügeligen Fenstern mit Oberlicht und einer zweiflügeligen Hauseingangstür mit stilistisch entsprechender Drückergarnitur zu verlangen. Der Einbau entsprechender Fenster und der Tür könne auf der Grundlage der Gestaltungssatzung der Beklagten und des § 11 Abs. 2 SächsDSchG verlangt werden. Hiernach sei bei widerrechtlicher Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals der vorherige Zustand wieder herzustellen. Dies sei Gegenstand der Auflagen. Da für den abweichenden Einbau weder eine Genehmigung vorliege noch eine Genehmigungsfähigkeit gegeben sei, könnten sich die Kläger auch nicht auf Bestandsschutz berufen. Es sei auch nicht von Belang, ob sie den abweichenden Einbau selbst durchgeführt hätten. Durch den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück seien sie für das Erscheinungsbild des Gebäudes verantwortlich geworden.

Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage machten die Kläger geltend, dass in einer nachträglich erteilten Baugenehmigung keine Auflagen erteilt werden könnten. Die Arbeiten an den Fenstern und der Hauseingangstür seien zudem nicht genehmigungspflichtig gewesen.

Auf die Erwiderung der Beklagten, dass es sich bei den in ihrem Bescheid angeführten "Auflagen" nicht um Nebenbestimmungen i.S.v. § 36 VwVfG, vielmehr um zusätzliche Konkretisierungen des Vorhabens und damit um Konkretisierungen der Baugenehmigung handele, hat das Verwaltungsgericht im Hinblick darauf, dass die Gestaltung der Fenster und Türen so geplant wie genehmigt worden sei, gegenüber den Klägern ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre Klage in Frage gestellt. Die Kläger haben daraufhin die Klage für erledigt erklärt. Die Beklagte widersprach der Erledigungserklärung, da es an einem erledigenden Ereignis fehle.

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Urteil festgestellt. Die Änderung des ursprünglichen Klagebegehrens auf eine Erledigungsfeststellung sei zulässig. Bei dem ursprünglich gegen die "Auflagen" gerichteten Klageantrag habe es sich nicht um eine bloße Anfechtung der "Auflagen" gehandelt. Bei diesen handele es sich um Inhaltsbestimmungen der Baugenehmigung, weshalb sie nicht selbständig anfechtbar gewesen seien. Das Begehren der Kläger sei deshalb ursprünglich darauf gerichtet gewesen, die Baugenehmigung von der Beklagten ohne die angegriffenen "Auflagen" zu erhalten. Deshalb habe es sich tatsächlich um eine Verpflichtungsklage gehandelt, die sie nachfolgend für erledigt erklärt hätten. Diese sei einseitig geblieben, so dass die Behauptung der Erledigung zum neuen Streitgegenstand geworden sei. Der hierauf gerichtete Antrag sei begründet. Die ursprüngliche Klage sei von Anfang an bis zum erledigenden Ereignis zulässig und begründet gewesen. Die Beklagte habe kein schutzwürdiges Interesse an einer (klagabweisenden) Sachentscheidung geltend gemacht. Der ursprüngliche Antrag sei zulässig gewesen. Selbst wenn es sich bei den "Auflagen" um Inhaltsbestimmungen der Baugenehmigung gehandelt habe, hätten sie Gegenstand einer Verpflichtungsklage sein können. Dass es sich bei den "Auflagen" um "keine Auflagen im technischen Sinn" handele, habe die Beklagte erst in ihrer Klageerwiderung vom 6.7.2001 ausgeführt. Noch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien die Beklagte wie die Kläger sowohl von einem materiellen Regelungsgehalt als auch von einer Anfechtbarkeit der "Auflagen" ausgegangen. Bis zur Erledigung habe es der Klage auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis gemangelt. Dieses sei erst mit der Klageerwiderung entfallen, weshalb die Erledigungserklärung wegen der hierdurch veränderten Prozesssituation geboten gewesen sei. Die ursprüngliche Klage sei auch begründet gewesen. Die der nachträglichen Baugenehmigung beigefügten "Auflagen" Nr. 1 und 2 seien rechtswidrig. Sie hätten nicht auf die Gestaltungssatzung der Beklagten gestützt werden können, da diese nichtig sei. Zum anderen seien die Bestimmungen inhaltlich zu unbestimmt gewesen und hätten im Widerspruch zu den ohne entsprechende Grüneinträge versehenen Bauzeichnungen gestanden, was einen Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - darstelle. Während im Tenor des Bescheides vom 29.9.1999 die Baugenehmigung einerseits ohne Einschränkung "entsprechend den beigefügten und als zugehörig gekennzeichneten Bauvorlagen" - also entsprechend den Ansichten vom 15.7.1998 - erteilt worden sei, verlange die "Auflage" Nr. 1, die Fenster zweiflügelig mit Oberlicht herzustellen, ohne insoweit zwischen den Fenstern im Erdgeschoss oder im Dachgeschoss zu differenzieren. Gleiches gelte für die "Auflage" Nr. 2. Es ergebe sich nicht aus den Bauvorlagen, dass die Haustür verändert werden sollte oder verändert worden sei. Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Vorlageschreiben im Widerspruchsverfahren, dass die Haustür nicht am ursprünglichen Standort eingesetzt worden sei und in ihrem Äußeren nicht der geforderten Form entspreche, lasse sich anhand der vorliegenden Behördenakten nicht nachvollziehen. Auch insoweit sei nicht mit hinreichender Bestimmtheit ersichtlich, welches Handeln vom Bauherrn gefordert werde. Dies verdeutliche sich an der Forderung nach einer "stilistischen Anpassung" der Drückergarnitur an die Bauzeit. Die Beklagte habe des Weiteren nicht dargelegt, worin ihr schutzwürdiges Interesse an einer Entscheidung über den Feststellungsantrag liegen solle. Ein solches sei auch nicht ersichtlich. Das Gericht habe die Erledigung festzustellen. Dem ursprünglichen Klagebegehren sei durch ein Ereignis nach Klageerhebung die Grundlage entzogen worden. Mit der Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung vom 6.7.2001, die "Auflagen" dienten nur der zusätzlichen Beschreibung des Vorhabens und der Konkretisierung der Baubeschreibung, habe sie diese ursprünglich rechtlich verbindlichen Regelungen in der Baugenehmigung vom 29.9.1999 konkludent aufgehoben. Bei diesen "Auflagen" habe es sich um inhaltliche Nebenbestimmungen zu der erteilten Baugenehmigung gehandelt. Nach dem insoweit maßgebenden Empfängerhorizont seien die "Auflagen" objektiv als rechtlich bindende Verpflichtungen der Kläger zu verstehen. Auch nach dem inneren Willen der Beklagten im Widerspruchsverfahren habe es sich um die Kläger verpflichtende Regelungen handeln sollen. Sie habe geltend gemacht, dass die "Auflagen 1 und 2" Herstellungspflichten der Kläger, also deren Tätigwerden im Sinne einer Veränderung ihres Gebäudes, beinhalteten. Damit stelle sich die Klageerwiderung in der Sache als verdeckte Rücknahme bzw. Aufhebung dieser Bestimmungen in der Baugenehmigung dar.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 9.11.2005 - 1 B 750/04 - zugelassen. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Verpflichtungsklage durch die Kläger erhoben worden sei. Nach der Rechtsprechung des Senats könne der Antrag eines anwaltlich vertretenen Beteiligten nicht ohne weiteres umgedeutet werden. Der Beklagten sei zudem darin zu folgen, dass die Voraussetzungen für eine Umdeutung hier nicht vorgelegen haben dürften. Sowohl der Antrag aus der Klagschrift als auch die zu ihm mit Schriftsatz vom 12.6.2001 gegebene Begründung sprächen eindeutig für die Erhebung einer Anfechtungsklage. Noch im Anschluss an seine einseitig gebliebene Erledigungserklärung habe der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 17.3.2003 ausgeführt, dass die Klage auf "die Beseitigung der gesetzten Auflagen" gerichtet gewesen sei.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Es habe die von den anwaltlich vertretenen Klägern erhobene Anfechtungsklage zu Unrecht in eine - nach seiner Auffassung allein zulässige - Verpflichtungsklage umgedeutet. Insoweit seien für eine Umdeutung strenge Maßstäbe anzulegen. Der Antrag in der Klagschrift sei unzweifelhaft ein Anfechtungsantrag. Dies bestätige der klägerische Schriftsatz vom 12.6.2001, durch den die Kläger vorgetragen hätten, keine neue Baugenehmigung zu begehren, sondern sich gegen die beiden Auflagen zu wenden. Arbeiten an Fenstern und Türen hätten sie als nicht genehmigungspflichtig dargestellt, weshalb sie eine Baugenehmigung für gar nicht erforderlich gehalten hätten. Als Anfechtungsklage sei das Begehren jedoch unzulässig gewesen, was einer Feststellung der Erledigung der Hauptsache entgegengestanden hätte. Für die Feststellung der Erledigung habe es zudem an einem erledigenden Ereignis gefehlt. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Charakter der Auflagen seien widersprüchlich. Führe es am Anfang im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung aus, dass die "Auflagen" nicht selbstständig anfechtbar, sondern Inhaltsbestimmungen der Baugenehmigung seien, stelle es am Ende der Urteilsbegründung fest, dass es sich bei den "Auflagen" um inhaltliche Nebenbestimmungen gehandelt habe. Habe es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts um "modifizierende Auflagen" gehandelt, sei seine Annahme einer konkludenten Aufhebung der - isoliert nicht angreifbaren Bestimmungen - nicht haltbar. Für den Fall, dass die beiden Auflagen als selbstständig anfechtbare Nebenbestimmungen anzusehen seien, fehle es an einem erkennbaren Aufhebungswillen der Beklagten. In dem Erlass einer widersprechenden Entscheidung könne nicht stets die Rücknahme einer vorhergehenden Entscheidung gesehen werden. Stelle man auf die Klageerwiderung ab, könne ein Aufhebungswille nicht angenommen werden. Die Beklagte habe darin gerade deutlich gemacht, dass sie die "Auflagen" als nicht isoliert anfechtbare Nebenbestimmungen betrachte. Zudem sei nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts eine Klaglosstellung der Kläger nur über den Erlass einer insoweit auflagenfreien Baugenehmigung möglich gewesen. Ein solcher Bescheid sei nicht ergangen. Letztlich verstoße die Umdeutung des anwaltlichen Antrages auch gegen die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 8.8.1997 - 1 S 564/96 - und vom 20.5.1998 - 1 S 187/98 - aufgestellten Anforderungen. Die auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage sei abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. April 2004 - 3 K 1643/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragten,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung ohne die Auflagen Nr. 1 und 2 zu erteilen,

höchsthilfsweise,

gemäß § 130 VwGO den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Kläger haben sich im Berufungsverfahren schriftsätzlich nicht geäußert. Im Klageverfahren hatten sie geltend gemacht, sich gegen eine nachträgliche Herstellungspflicht von Fenstern in zweiflügeliger Ausführung mit Oberlicht und die Erhaltungs- und Aufarbeitungspflicht der vorhanden gewesenen zweiflügeligen Hauseingangstür zu wenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts (1 Band), die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Heftungen), die Verwaltungsvorgänge der Widerspruchsbehörde (2 Heftungen) sowie die Akten des Zulassungs- (1 B 750/04) und des Berufungsverfahrens (1 B 735/05) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Die Kläger durften die der nachträglich erteilten Baugenehmigung beigefügten Auflagen Nr. 1 und 2 als selbstständig anfechtbare Regelungen auffassen (s. Ziffer 1.). Mit ihrer prozessualen Erklärung gegenüber dem Verwaltungsgericht, dass es sich bei diesen nicht um selbstständig anfechtbare Nebenbestimmungen i.S.v. § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - handele, hat die Beklagte diese konkludent aufgehoben (s. Ziffer 2.). Hierauf konnten die Kläger zulässigerweise den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären (s. Ziffer 3.).

1. Die Beklagte hat durch die der nachträglich erteilten Baugenehmigung beigefügten Regelungen in Gestalt der Auflagen Nr. 1 und Nr. 2 den berechtigten Eindruck der Kläger erweckt, dass ihnen durch diese ein bestimmten Tun vorgeschrieben werden sollte. Sie durften von ihnen als selbstständig anfechtbare Nebenbestimmung i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (Auflage) aufgefasst werden.

Maßgeblich für den Erklärungsinhalt der Auflagen Nr. 1 und 2 ist der Empfängerhorizont. Ausgehend von dem objektiven Erklärungswert dieser Regelungen kommt es darauf an, wie ein Bürger diese unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung verstehen durfte (vgl. nur Kopp, VwVfG, 9. Aufl., § 35 RdNr. 18 f. m.w.N., § 36 RdNr. 11). Allein die Bezeichnung der Regelungen als Auflage genügt insoweit nicht. Die Gesamtschau der maßgebenden Umstände führt hier jedoch dazu, dass es sich bei den von der Beklagten als Auflage bezeichneten Regelungen um Auflagen i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG handelte.

Für die Beifügung einer selbstständigen und auch als solcher vollstreckbaren Auflage in Gestalt der Auflage Nr. 1 ("Die Fenster sind zweiflügelig mit Oberlicht herzustellen") und Nr. 2 ("Die zweiflügelige Hauseingangstür ist am Ort zu erhalten und aufarbeiten zu lassen") spricht zunächst ihr eine Handlungsverpflichtung aussprechender Wortlaut. Insoweit ist es auch von Bedeutung, dass diese Regelungen einer nachträglich erteilten Baugenehmigung beigefügt waren. Sie konnten deshalb als Reaktion der Beklagten auf eine nach ihrer Auffassung nicht genehmigungsfähige Bauausführung aufgefasst werden.

Hiermit steht es im Einklang, dass die Beklagte auf den Widerspruch der Kläger in dem an diese gerichteten Nichtabhilfeschreiben vom 16.5.2000 ausführte, dass die Hauseingangstür und die Fenster "entsprechend den Auflagen in der Baugenehmigung" in der beantragten und genehmigten Form herzustellen seien. Die von ihnen durchgeführten Baumaßnahmen widersprächen der Gestaltungssatzung. Als Bauherr seien sie für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften verantwortlich. Den Eindruck einer den Klägern durch die Auflagen Nr. 1 und 2 aufgegebenen Handlungsverpflichtung bekräftigen die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 20.7.2000. Sie verweisen zunächst darauf, dass eine Baugenehmigung gemäß § 70 Abs. 3 SächsBO a.F. unter Auflagen erteilt werden könne. Da es an einer Genehmigung für den durchgeführten Einbau neuer Fenster und einer neuen Tür fehle, sei die Beklagte berechtigt gewesen, "mit den Auflagen Nr. 1 und 2 in der erteilten Baugenehmigung den Einbau von zweiflügeligen Fenstern mit Oberlicht und einer zweiflügeligen Hauseingangstür ... zu verlangen." Der Einbau könne auf der Grundlage der Gestaltungssatzung und des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes verlangt werden: "Danach ist bei widerrechtlicher Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals der vorherige Zustand wiederherzustellen. Durch den Einbau der in den Auflagen geforderten Fenstern und Tür wird der vorherige Zustand wieder hergestellt".

Hiervon ausgehend (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) mussten die Kläger die Auflagen Nr. 1 und 2 als selbstständige Handlungsverpflichtungen und nicht lediglich als den Inhalt der nachträglich erteilten Baugenehmigung beschreibende Ausführungen auffassen. Es war deshalb prozessual zulässig, gegen diese Auflagen eine auf deren Aufhebung gerichtete Anfechtungsklage zu erheben. Diese Klage ist nach der Klagschrift und der ihr am 12.6.2001 gegebenen Begründung eindeutig auf eine Aufhebung der Auflagen gerichtet. Die Frage nach der Zulässigkeit einer etwaigen Umdeutung des anwaltlich erhobenen Klagantrages stellt sich nicht.

2. Der Gegenstand der Anfechtungsklage, die Aufhebung der Auflagen Nr. 1 und 2, hatte sich durch die Klageerwiderung der Beklagten erledigt. In dieser hat sie ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei den Auflagen Nr. 1 und 2 nicht um selbstständig vollziehbare Auflagen i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG handeln solle, vielmehr diese Regelungen eine Konkretisierung des Inhalts der nachträglichen Baugenehmigung darstellten. Hierdurch hatte sich die Beklagte von ihren Ausführungen in dem Nichtabhilfeschreiben an die Kläger, wie auch von den ihrem Bescheid gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gestaltgebenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid gelöst. Nach dem auch insoweit maßgebenden Empfängerhorizont konnten die Kläger diese prozessuale Einlassung der Beklagten nur so verstehen, dass die Beklagte die Auflagen Nr. 1 und 2 aufhob und zu - nicht selbstständig anfechtbaren - Inhaltsbestimmungen ihrer Baugenehmigung umwidmete. Zum Erklärungswert der Auflagen hatte sie sich - mit nachfolgender Übereinstimmung mit dem Widerspruchsbescheid - eindeutig verhalten und ihnen eine unmittelbare Handlungsverpflichtung der Kläger beigemessen. Hiervon konnte sie sich nur durch eine Aufhebung der Auflagen lösen, was sie mit ihrer prozessualen Erklärung tat. Einer ausdrücklichen Erklärung der Aufhebung bedurfte es nicht.

3. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht auf die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Kläger die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung war nach den vorstehenden Ausführungen begründet. Die Beklagte hatte durch die in ihrer Klageerwiderung liegende konkludente Aufhebung der Auflagen Nr. 1 und 2 den Gegenstand der Anfechtungsklage der Kläger "erledigt". Es bedurfte deshalb - zur Vermeidung "einer Flucht in die Erledigung" nur noch der Feststellung, dass die ursprüngliche Klage - wie hier - zulässig war (s. Kopp, VwGO, 14. Aufl., § 161 RdNr. 23 m.w.N.). Da die Beklagte einer Erledigungsfeststellung entgegentrat, hat das Verwaltungsgericht zutreffend - mit Kostenlast der Beklagten - die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt. Auf die Begründetheit der ursprünglichen Klage kam es nicht an, da ein hierauf gerichtetes Feststellungsinteresse der Beklagten analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (vgl. Kopp, aaO) nicht erkennbar ist.

Bleibt die Berufung der Beklagten gegen die Erledigungsfeststellung durch das Verwaltungsgericht ohne Erfolg, kommt es auf die hilfsweise - für den Fall eines Erfolgs des gegen diese Feststellung gerichteten Begehrens der Beklagten - gestellten Anträge der Kläger nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 72 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,- € festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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