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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.08.2005
Aktenzeichen: 1 B 889/04
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, SächsBO


Vorschriften:

BauGB § 34
BauNVO § 3
BauNVO § 4
SächsBO § 6
SächsBO § 62
SächsBO § 67
1. Die in ein Bauvorhaben einbezogenen Bestandsgebäude sind neu zu bewerten, soweit die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen für ein einheitliches Bauvorhaben insgesamt neu aufgeworfen wird (bejaht bei Umbau ehemaligen Altenheims zu kultureller Begegnungsstätte)

2. Schutzgüter der Abstandsflächenvorschrift des § 6 SächsBO n.F. sind neben dem Brandschutz zumindest der Belang einer ausreichenden gesundheitsrelevanten Belichtung. Die Wahrung des sozialen Wohnfriedens zählt nicht mehr zu den Schutzgütern.

3. § 67 Abs. 1 SächsB0 n.F. gestattet kein beliebiges Abweichen vom Bauordnungsrecht, eröffnet aber eine Flexibilisierung insbesondere bei Verwirklichung der betroffenen Schutzziele auf anderen als den bauaufsichtlich vorgegebenen Wegen.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 B 889/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Baugenehmigung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Verwaltungsgericht Müller

am 28. August 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. Mai 2004 - 4 K 382/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Um- und Neubau der auf ihrem benachbartem Grundstück H. straße N1 in Leipzig (Flurstück Nr. F1 ) befindlichen Gebäude zu einem gemeindlichen Begegnungszentrum und die ihr hierfür ergänzend erteilte Befreiung von der Einhaltung der Abstandsflächen.

Die Beigeladene ist Eigentümerin des unbeplanten Vorhabengrundstücks, dessen Geländeoberfläche unterschiedliche Höhen aufweist und gegenwärtig mit einem Vorderhaus (ein Untergeschoss, ein Erdgeschoss, je zwei Ober- sowie Dachgeschosse) mit sich rückwärtig anschließendem Terassenanbau nebst Treppenabgang sowie einem in nördlicher Richtung in etwas über 17 Metern Abstand gelegenen Hinterhaus (ein Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Obergeschoss) bebaut ist. Es wurde bis 1996 als Altenheim (ehemalige A. -Stiftung) genutzt.

Am 21.12.2001 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau des Altenheims zu einem Begegnungszentrum der gemeinde .

Im bestehenden Vorder- und Hinterhaus sieht die Beigeladene ein Foyer, Vortragsräume, einen Ausstellungsraum, einen Gymnastikraum, eine Bibliothek, einen Schach- und Zeichenraum, ein Vorstandsbüro, eine Hausmeisterwohnung sowie Gästezimmer, ein Musikzimmer, ein Nähzimmer und zwei Bastelräume vor. Im Keller des Vorderhauses sollen Technik- und Lagerräume ausgebaut sowie eine zum Dach entlüftete Küche mit Speiseaufzug eingebaut werden. Der Keller des Hinterhauses soll u.a. Garderoben, Toilettenanlagen und Lagerräume aufnehmen. Für den dazwischen liegenden Bereich ist ein Verbindungsbau in abgesenkter Bauweise mit einer Außenhöhe von ca. 1,4 m (Fußbodenhöhe des rückwärtigen Ausgangs des Vorderhauses auf den sich derzeit anschließenden Terassenanbau) und einem vom Vorderhaus aus begehbaren begrünten Flachdach (Hof) mit runden Oberlichtern vorgesehen, der das Vorder- und Hinterhaus verbinden sowie im Inneren einen Saal mit einer Bestuhlung für ca. 300 Personen ermöglichen soll. Auf der zum klägerischen Grundstück hin gelegenen Seite des Verbindungsbaus plant die Beigeladene eine Fensterfront. Die Einrichtung von 21 Stellplätzen, die nach der Bauordnung in der näheren Umgebung nachzuweisen sind und rechtlich gesichert sein müssen, ist nach den im Rahmen des Augenscheins vom 25.08.2005 gemachten Angaben der Beigeladenen nunmehr auf dem einige Querstraßen entfernten Grundstück F. straße N4 geplant. Die Gesamtbaukosten beziffert die Beigeladene auf ca. 2,5 Millionen Euro.

Mit Bescheid vom 15.8.2002 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung und stellte sie den Bevollmächtigten des Klägers, der Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstücks H. str. N3 (FlSt.-Nr. F2 ) ist, am 5.9.2002 zu.

Am 4.10.2002 legte der Kläger Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein, den er im wesentlichen damit begründete, dass er im Hinblick auf den problematischen Bauuntergrund aus Auelehmboden nicht bereit sei, das Restrisiko des Eintritts von Schäden an Nachbargebäuden hinzunehmen. Zudem verstoße das Vorhaben gegen Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.2.2003 wies das Regierungspräsidium Leipzig den Widerspruch des Klägers zurück. Er sei durch die Baugenehmigung nicht in seinen Rechten verletzt. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Es befinde sich in einem unbeplanten allgemeinen Wohngebiet und sei nach § 34 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Anlage für kirchliche Zwecke grundsätzlich zulässig. Anhaltspunkte für dem Kläger unzumutbare Auswirkungen seien nicht erkennbar, zumal der An- und Abfahrtsverkehr infolge anderweitig gelegener Stellplätze nicht planmäßig zum Vorhaben hingezogen werde. Es füge sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung ein. Insbesondere könne nicht von einer erdrückenden Wirkung oder Riegelbebauung ausgegangen werden. In bauordnungsrechtlicher Hinsicht könne der Kläger keine Verletzung in eigenen Rechten wegen Verstoßes gegen die öffentlich-rechtlichen Interessen dienende Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen nach § 49 SächsBO a.F. geltend machen. Aufgrund Bestandsschutzes sei auch nicht von einer Verletzung der Abstandsflächen nach § 6 SächsBO a.F. auszugehen. Ferner bestünden auch nach den Geländeverhältnissen keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Standfestigkeit des Gebäudes auf dem klägerischen Grundstück.

Zur Begründung seiner am 14.3.2003 erhobenen Klage hat sich der Kläger auf eine Verletzung der Vorschriften über die Abstandsflächen berufen. Der geplante An- und Umbau mit kompletter Neunutzung löse eine Neubewertung des gesamten Bauwerks aus. Der Zwischenbau schaffe insgesamt eine neue bauliche Anlage. Ferner sei die Standsicherheit seines Gebäudes, eines Kulturdenkmals, nicht gewährleistet. Der besonders verformungsempfindliche Unterboden aus Auelehm könne sich bei den erforderlich werdenden Abschachtungen setzen. Auch sei der Baumbestand, insbesondere eine 140 Jahre alte Platane, gefährdet. Bauplanungsrechtlich füge sich das Bauvorhaben in die als reines Wohngebiet anzusehende nähere Umgebung, als welche das Straßenkarree F. -/H. - / L. straße anzusehen sei, nicht ein. Die Bedeutung des Viertels für die Wohnnutzung werde auch durch die Nähe zum angrenzenden Stadtpark und die Erhaltungssatzung der Beklagten vom 22.5.2001 bestätigt. Das geplante Begegnungszentrum lasse ein Umkippen des reinen in ein allgemeines Wohngebiet befürchten. Aber selbst bei einer Bewertung der Umgebung als allgemeines Wohngebiet verletze das Bauvorhaben das Rücksichtnahmegebot. Die Grundflächenzahl von 0,53 liege deutlich über der in der Umgebung vorhandenen Größenordnung. Die Geschossflächenzahl sei selbst größer als in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Der geplante Verbindungsbau finde keine Entsprechung in der Umgebung. Die geplante Nutzung füge sich wegen ihrer überregionalen Bedeutung und ihres breiten Spektrums nicht in die Umgebung ein. Die angedachten Sicherheitsmaßnahmen ließen den Eindruck eines Hochsicherheitstraktes entstehen und eine Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Notar befürchten. Es sei mit einer unzumutbar starken Zunahme des An- und Abfahrtverkehrs zu rechnen. Mangels ausreichender Stellplätze sei mit einer Beeinträchtigung der Wohnqualität zu rechnen. Dies gelte auch im Hinblick auf die von 300 - 400 Personen verursachte Geräuschkulisse sowie Essensdünste im Zusammenhang mit deren Verpflegung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.5.2004 abgewiesen, da die Baugenehmigung keine subjektive Rechte des Kläger schützende Vorschriften verletze. Der Kläger sei nicht durch einen Verstoß gegen die Abstandsflächenregelungen des § 6 SächsBO a.F. verletzt. Die Altbauten genössen Bestandsschutz, während der geplante Zwischenbau die Abstandsflächenvorgaben einhalte. Eine abstandsflächenrechtliche Neubewertung der gesamten Anlage sei nicht erforderlich. Gegen eine neu zu bewertende bauliche Anlage spreche, dass der geplante Zwischenbau zwar über einen Zu- und Abgang über das Vorderhaus verfüge, jedoch aufgrund der vorgesehenen abgesenkten Bauweise optisch selbständig sei. Er sei auch in statischer und konstruktiver Hinsicht gegenüber dem Altbestand ein selbständiges Bauwerk. Der Altbestand werde auch nicht dergestalt verändert, dass für ihn der Bestandsschutz entfalle. Es werde weder die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt noch eine statische Neuberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich. Durch das Vorhaben entstehe bei natürlicher Betrachtungsweise im Hinblick auf die unterschiedlichen Höhen (Traufhöhe von ca. 10 m am Vorderhaus und von ca. 2,60 m am Hinterhaus; Höhe von ca. 1,40 m der Außenwand des geplanten Zwischenbaus) auch keine neue einheitliche Außenwand zum Grundstück des Klägers hin, die eine abstandsflächenrechtliche Neubetrachtung des gesamten Bauvorhabens erforderlich mache. Dies gelte auch für die geplante Nutzungsänderung, da hier nicht der Fall gegeben sei, dass ein Gebäude, dessen Nutzung geändert werden solle, zuvor aufgrund einer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung oder Ausnahme bzw. Befreiung von den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften genehmigt worden sei. Eine Gefährdung der Standsicherheit der Platane auf dem Grundstück des Klägers sei auf der Grundlage des in den Verwaltungsakten befindlichen Baumschutzgutachtens mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Hinsichtlich der Standsicherheit des Gebäudes auf dem Grundstück des Klägers lägen die Voraussetzungen des nachbarschützenden § 15 Abs. 1 Satz 2 SächsBO a.F. nicht vor. Eine konkrete Einsturzgefahr sowie eine Gefährdung der Tragfähigkeit seines Baugrundes sei nicht ersichtlich. Zu Letzterem genüge die vorliegend durch Bedingung Nr. 1 zur Baugenehmigung geschaffene Bindung des zulässigen Baubeginns an die geprüft vorliegenden Standsicherheitsnachweise. Im Übrigen bestehe nach dem hierzu vorliegenden Prüfbericht vom 3.3.2003 (Bemerkung Nr. 7.2, S. 5) auch kein Gefährdungspotenzial hinsichtlich einer Grundwasserabsenkung. Der Kläger könne weiter keinen Mangel an Stellplätzen rügen, da den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 49 Abs. 1 und 2 SächsBO keine drittschützende Wirkung zukomme. Der Gesichtspunkt könne lediglich über das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme Berücksichtigung finden. Gegen dieses in § 34 Abs. 1 bzw. § 34 Abs. 2 i.V.m. § 15 BauNVO enthaltene Gebot verstoße das Planvorhaben ebenfalls nicht. Es liege konkret keine dem Kläger unzumutbare Überschreitung des Rahmens der Umgebungsbebauung vor. Hinsichtlich der gerügten Ausgestaltung des Vorhabens als Flachbau liege in der letztlich geltend gemachten Störung des Stadtbildes auch unter Berücksichtigung des Einfügungsgebots des § 34 Abs. 1 BauGB keine Verletzung eines nachbarschützenden Belanges. Die Erhaltungssatzung der Beklagten diene ebenfalls nicht dem Nachbarschutz, sondern allein dem Allgemeinwohlbelang der Bewahrung des Stadtbildes. Ebensowenig entfalte der lediglich mit einer Höhe von 1,40 m geplante Zwischenbau wegen seines Maßes der baulichen Nutzung eine den Kläger in seinen Rechten verletzende erdrückende Wirkung oder lasse eine Verschlechterung des Wohnklimas infolge erheblicher Bebauungsverdichtung oder negativer Auswirkungen auf die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungsverhältnisse befürchten. Das Vorhaben füge sich überdies nach der Art der geplanten baulichen Nutzung ohne Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in die nähere Umgebung ein. Diese sei nach den überzeugenden Darlegungen im Widerspruchsbescheid vom 19.2.2003 nicht als reines, sondern als allgemeines Wohngebiet einzustufen. Es sei nicht allein auf das Straßenkarree F. -/H. / L. straße abzustellen. Mangels Trennungswirkung der genannten Straßen seien vielmehr auch die gegenüberliegenden Grundstücke einzubeziehen. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sei aber auch anderenfalls nicht festzustellen. Es sei kein für den Kläger unzumutbarer An- und Abfahrtverkehr zu erwarten. Der Besuch des Begegnungszentrums sei nicht zwingend mit der Benutzung eines Pkw verbunden, da ein Transport von Gütern nicht der Regelfall sei und eine Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (J. allee) gegeben sei. Es sei nach den geplanten Nutzungszwecken (u.a. Daueraustellung, Musikzimmer, Bastelzimmer, Gymnastikraum und Gemeindesaal) auch nicht mit einem ständigen Kommen und Gehen der Besucher, sondern mit längeren Aufenthalten zu rechnen. Ferner sei bei der erforderlichen Einrichtung von 21 Stellplätzen nicht mit einem dem Umfang nach unzumutbaren Verkehrsaufkommen zu rechnen, zumal der Altbestand bisher als Altenheim mit gewissem Verkehrsaufkommen genutzt worden sei. Auch für den Gemeindesaal mit seiner Bestuhlung für bis zu 300 Personen könne nicht von einer täglichen oder wöchentlichen Vollauslastung ausgegangen werden. Vielmehr sei im Verwaltungsverfahren von jährlich 3 - 4 Gottesdiensten mit anschließender Feier die Rede gewesen. Schließlich seien nach der Bedingung Nr. 4 zur Baugenehmigung die erforderlichen Stellplätze bis zum Nutzungsbeginn nachzuweisen. Eine möglicherweise zu bestimmten Zeiten für den Kläger erschwerte Parkplatzsuche verletze das Rücksichtnahmegebot noch nicht. Den von der geplanten Nutzung ausgehenden Immissionen habe die Baugenehmigung durch Festsetzung von Lärmgrenzwerten (Auflagen Nr. 9 und 11 i.V.m. Anlage 3) und Bestimmungen zur belästigungsfreien Abführung von Dünsten aus Kücheneinrichtungen (Auflage Nr. 20 und Anlage 3) ausreichend Rechnung getragen. Die Bewältigung der Sicherheitsprobleme wegen einer erhöhten Gefahr von Anschlägen sei im Rahmen des Baugenehmigungsverfahren nicht vorgesehen, sondern ein polizeirechtliches Problem.

Der Senat hat mit dem Kläger am 22.10.2004 zugestelltem Beschluss vom 18.10.2004 - 1 B 681/04 - die Berufung wegen ernstlicher Zweifel zugelassen, da die Notwendigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Neubewertung des Bauwerks in Betracht komme.

Auf Antrag der Beigeladenen hat die Beklagte mit Bescheid vom 1.3.2005 eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Leipzig mit Widerspruchsbescheid vom 1.8.2005 zurück.

Unter Berücksichtigung dieser Änderung der Sach- und Rechtslage macht der Kläger im wesentlichen geltend, die angefochtene Baugenehmigung verstoße insbesondere gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 SächsBO und das Rücksichtnahmegebot. Die beabsichtigte Verbindung des bis 1996 als Altenheim genutzten Vorder- und Hinterhauses durch einen abgesenkten Zwischenbau mit Versammlungsraum zu einer Einheit mache eine abstandsflächenrechtliche Neubewertung sowohl wegen der Entstehung einer neuen baulichen Gesamtanlage als auch wegen der Aufnahme einer neuen Nutzung erforderlich. Es entstehe ein neues Gesamtgebäude i.S. des § 2 Abs. 2 SächsBO. Maßgebliches Kriterium der gebotenen funktionalen Gesamtbetrachtung sei die fehlende selbständige Benutzbarkeit sämtlicher, d.h. alter und neuer Gebäudeteile. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei weder der Mittelbau noch das Vorderhaus selbständig nutzbar. Das Abheben auf Fragen der Optik und der Statik finde im Gesetz keine Stütze. Auf den optischen Eindruck, der hier ohnehin das Vorliegen eines einheitlichen Gebäudes nahelege, komme es nicht an. Eine starke architektonische Gliederung oder eine statische Selbständigkeit des geplanten Mittelbaus gebe keinen Aufschluss über das Vorliegen eines selbständigen Gebäudes. Das geänderte Vorhaben berühre die geschützten Nachbarbelange stärker als die ursprünglichen Einzelgebäude. Es solle ein einheitlicher Baukomplex als Begegnungszentrum geschaffen werden. Die Länge des Baukörpers werde zum Grundstück des Klägers hin mehr als verdoppelt. Eine Aufteilung des einheitlichen Bauvorhabens komme nicht in Betracht, zumal der Bauherr den Bestandsschutz der Altsubstanz willentlich in Frage stelle. Die vor den Außenwänden eingehaltene Abstandsfläche betrage für das Vorderhaus nicht einmal 0,4 H, sondern bei einer Außenwandhöhe von 16,62 m und einer zu 1/3 anzusetzenden Dachwandhöhe von 5,49 m, insgesamt also 18,45 m, nach den maßgeblichen Darstellungen zum Bauantrag lediglich ca. 2,5 m. Auch die Nutzungsänderung gebiete eine abstandsflächenrechtliche Neubewertung. Die Genehmigungsfrage werde auch insoweit neu aufgeworfen, wenn die Nutzungsänderung eines die Abstandsvorschriften nicht einhaltenden Gebäudes nicht mehr vom Bestandsschutz gedeckt sei. Erst recht müsse dies gelten, wenn überhaupt keine bestandsgeschützte Nutzung mehr vorhanden sei. Für die Erteilung einer Abweichung fehle es vorliegend an der Voraussetzung, dass die mit dem Abstandsflächenrecht verfolgten Schutzzwecke nicht stärker als bisher beeinträchtigt würden. Das müsse erst Recht gelten, wenn wie hier überhaupt keine nachwirkende bestandsgeschützte Nutzung mehr vorliege. Bauplanungsrechtlich verstoße die Baugenehmigung zu Lasten des Klägers gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 BauNVO. Das Bauvorhaben befinde sich in einem reinen Wohngebiet mit dem typischen Klima besonderer Ruhe, das durch den nördlich angrenzenden Park nochmals verstärkt werde. Aber auch in einem allgemeinen Wohngebiet sei das Vorhaben unzulässig. Der zu erwartende An- und Abfahrtverkehr von Teilnehmern sowie entsprechender Anlieferungsverkehr sei für den Kläger unzumutbar. Es sei mit dem Absetzen von Personen vor der Tür und dem Suchen von Parkplätzen in der Nähe mit allen störenden Begleiterscheinungen zu rechnen. Die Beigeladene spreche selbst von überregionaler Bedeutung und "Großveranstaltungen" mit mehreren hundert Teilnehmern, für die selbst die Küchenräume mit einer Gesamtfläche von ca. 50 qm ihrer Größe nach nicht zur Versorgung geeignet seien. Auch fernab angelegte Stellplätze würden den Verkehr wegen des Absetzens von Besuchern vor der Tür und "Parkplatzsuchverkehr" in der Nähe mindestens verdoppeln. Der in der Baugenehmigung geforderte Nachweis von Stellplätzen diene nicht dem vom Kläger geltend gemachten Emissionsschutz, sondern lediglich der Entlastung des öffentlichen Verkehrsraums. Irrelevant sei, dass der Versammlungsraum nur an wenigen Tagen im Jahr genutzt werden solle. Maßgebend sei der genehmigte Nutzungsumfang, zumal das geplante Gemeindezentrum der Ausweitung der Aktivitäten der Beigeladenen dienen solle. Insbesondere sei der Versammlungsraum auch für musische Veranstaltungen bestimmt, von denen nicht klar sei, warum sie nur an Feiertagen stattfinden sollten. Lediglich drei oder vier Veranstaltungen jährlich seien bei dem beträchtlichen Aufwand der Errichtung eines Versammlungsraumes für mehrere hundert Personen auch nur schwer vorstellbar. Eine Vorprägung durch die vorherige Nutzung des Altbaus als Altersheim könne nicht zulasten des Klägers berücksichtigt werden, da diese Nutzung spätestens 1996 aufgegeben wurde und ihren Bestandsschutz eingebüßt habe.

Die erteilte Abweichung verletze den Kläger in seinen Rechten. Bei den im Rahmen der Abwägung nach § 67 SächsBO einzustellenden nachbarlichen Belangen müsse es sich nicht um subjektiv-öffentliche Rechtspositionen handeln. Auch müsse bei Zulassung einer Abweichung mit Rücksicht auf einen vorhandenen Baubestand dessen formelle und materielle Legalität zutreffend eingestellt werden. Bei der hier gegebenen Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften könne der Nachbar bereits die objektive Rechtswidrigkeit der Abweichung rügen. Die erfolgte Zulassung der Abweichung sei auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite rechtswidrig. Die zu stellenden Anforderungen seien nicht geringer als nach früherem Recht. Denn die Zulassung einer Abweichung diene ausschließlich der Bewältigung atypischer Situationen und nicht der Eröffnung beliebiger Abweichungen vom Baurecht, zumal die Abstandsflächentiefe deutlich - auf das noch eben akzeptable Mindestmaß - verringert worden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der amtlichen Gesetzesbegründung. Es sei kein atypischer Fall gegeben. Ein zwischen den Gebäuden bestehender "übergroßer Abstand" oder das Fehlen einer einheitlichen Bauweise begründe keinen atypischen Fall. Die Unterschreitung der Abstandsfläche um 1,54 m, also um 25,5 %, sei nicht mehr marginal. Einen etwaigen Bestandsschutz der Altgebäude habe die Beigeladene mit ihrem Bauvorhaben selbst in Frage gestellt. Jedenfalls sei die vorgenommene Abwägung fehlerhaft. Die Beklagte habe die besondere Struktur der Abstandsflächenvorschriften und den grundsätzlichen Vorrang der nachbarlichen Interessen nach der gesetzlichen Wertung des Abstandsflächenrechts verkannt. Deren Zurückstellung rechtfertigende herausgehobene öffentliche Belange seien hier nicht erkennbar. Öffentliche Belange sprächen vielmehr gegen die Zulassung einer Abweichung. So entspreche das Vorhaben im Hinblick auf den Zuweg zur Dachterrasse des Mittelbaus und die Erreichbarkeit der Toilettenanlagen nicht den Vorschriften über barrierefreies Bauen. Weiter habe die Beklagte die Ziele einer Verhinderung weiterer baulicher Verdichtung aus ihrer eigenen Erhaltungssatzung vom 22.5.2001 und ihrem Stadtentwicklungsplan verkannt. Ebenso habe sie das Vorliegen eines reinen Wohngebietes verkannt. Auch der nachbarschützende Belang des Brandschutzes sei fehlgewichtet, da die Aufnahme einer neuen Nutzung nach entfallenem Bestandsschutz einer früheren Nutzung - zumal wegen der geplanten großen Anzahl von Nutzern - die Brandgefahr verstärke. Gleichermaßen störe die Aufnahme einer Nutzung durch mehrere hundert Personen im erholungsbedeutsamen Blockinnenbereich den Wohnfrieden. Die Beklagte habe sich auch nicht von einer lediglich geringen Betroffenheit des klägerischen Grundstücks durch Verkürzung der Abstandsfläche leiten lassen dürfen. Einen Grundsatz, dass die Abstandsflächen in solchen Fällen verkürzt werden dürften, gebe es nicht. Im Übrigen verringere sich das Gewicht der privaten Belange der Beigeladenen umso mehr, je mehr sich die Baumaßnahme - wie hier - wirtschaftlich einer Neuerrichtung annähere. Jedenfalls könnten sich die rein privaten Belange der Beigeladenen nicht gegen die gewichtigeren entgegenstehenden öffentlichen und nachbarlichen Belange durchsetzen. Letztlich habe sich die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung durch ihre Erhaltungssatzung und ihren Stadtentwicklungsplan selbst gebunden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Baugenehmigung vom 15. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2003 sowie der Abweichung vom 1. März 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2005 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichtes Leipzig vom 11. Mai 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält eine abstandsflächenrechtliche Neubewertung weder wegen des Entstehens einer neuen Gesamtanlage noch wegen einer Nutzungsänderung der Altbauten für erforderlich. Der geplante Umbau habe keine abstandsflächenrechtliche Relevanz für die bestehenden Gebäude. Hinsichtlich des Gebäudebegriffes des § 2 Abs. 2 SächsBO seien neben der Funktion eines Gebäudes sein optischer Eindruck sowie seine Statik und Konstruktion zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Abstandsflächen sei nach deren Sinn und Zweck, ausreichend Belichtung, Besonnung und Brandschutz zu gewährleisten, nicht die Funktion, sondern die Optik und die Statik bzw. Konstruktion entscheidend. Danach entstehe mit dem geplanten Begegnungszentrum keine neue Gesamtanlage. Durch die abgesenkte Bauweise bleibe die Eigenständigkeit der Einzelgebäude erhalten. Es entstehe keine neue einheitliche Außenwand zum Grundstück des Klägers. Die drei statisch eigenständigen Gebäudeteile seien auch selbständig benutzbar und über separate Eingänge betretbar. Der Zwischenbau lasse den Bestandsschutz für den Altbestand nicht entfallen. Er werde nicht identitätsaufhebend verändert. Auch die geplante Nutzungsänderung führe nicht zu einer abstandsflächenrechtlichen Neubewertung der Altgebäude. Für diese sei lediglich eine Nutzungsänderungsgenehmigung erforderlich. Sie seien nicht aufgrund einer Privilegierung oder Ausnahme bzw. Befreiung von abstandsflächenrechtlichen Vorschriften genehmigt. Die Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften des § 6 SächsBO sei vorsorglich beantragt und zugelassen worden. Die Bauaufsichtsbehörde könne nach § 67 Abs. 1 SächsBO Abweichungen von den grundsätzlich auf 0,4 H reduzierten Abstandsflächen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Belange mit den öffentlich-rechtlichen Belangen vereinbar sei. Die rechtliche Hürde sei danach nunmehr niedriger als bisher. Vor allem sei der zum Vorhaben hin gelegene Teil des Nachbargrundstücks über mehrere Meter nicht bebaut und somit tatsächlich ein übergroßer Abstand eingehalten. Auch seien die Abstandsflächen in der Umgebungsbebauung in der Regel unterschritten. Bei Einhaltung der Abstandsflächen würde sich das Vorhaben, das eine vermittelnde Höhe zwischen der 4-geschossigen Bebauung der H. str. N2 und der 3- geschossigen Bebauung des klägerischen Grundstücks habe, nicht mehr in die Umgebung einfügen. Der Baukörper würde entweder zu schmal oder zu niedrig. Damit seien die vorhandenen Gebäude auch bei einer Neubewertung der Abstandsflächen zulässig. Das Bauvorhaben verstoße auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Es befinde sich in einem allgemeinen Wohngebiet und sei nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Anlage für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke zulässig. Der Gemeindesaal werde nur zu besonderen Anlässen für Veranstaltungen genutzt. Weiterhin sei dem Kläger der zu erwartende An- und Abfahrtverkehr zumutbar. Das Vorhaben sei in einem allgemeinen Wohngebiet "regelzulässig". Die entfernteren Stellplätze müssten genutzt werden, da in unmittelbarer Nähe keine ausreichenden Stellplätze verfügbar seien.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Vorhaben verstoße weder gegen das nachbarschützende Abstandsflächenrecht noch gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Der Zwischenbau halte die Abstandsflächen zum Kläger ein und mache auch keine Neubewertung des gesamten Gebäudekomplexes erforderlich. Es werde kein neues Gesamtgebäude gem. § 2 Abs. 2 SächsBO geschaffen. Maßgeblich sei die statische und optische Unabhängigkeit der baulichen Anlagen. Selbst wenn man nicht auf diese Merkmale, sondern auf das Merkmal eines funktionellen Zusammenhangs abstellen wolle, nach dem allerdings eine hinreichend bestimmte Beurteilung generell nicht mehr möglich sei, sei eine selbständige Benutzbarkeit schon aufgrund der eigenen Eingänge und der vorhandenen eigenen Treppenräume der mehrgeschossigen Gebäudeteile gegeben. Für eine Nutzungsänderungsgenehmigung sei grundsätzlich keine abstandsflächenrechtliche Neubewertung vorzunehmen. Sie sei für die Schutzgüter der Abstandsvorschriften, die unabhängig von der Art der Nutzung einzuhalten seien, nicht von Bedeutung. Eine Ausnahme hiervon gelte nur dann, wenn die Nutzungsart im früheren Genehmigungsverfahren von Bedeutung gewesen sei. Dies sei hier nicht gegeben. Auch ein eventuell erloschener Bestandsschutz für die Nutzung der Altbauten als Altersheim habe keinen Einfluss auf die Erforderlichkeit einer abstandsflächenrechtlichen Neubewertung. Es sei auch dann keine erneute Baugenehmigung zur Errichtung der in der Substanz fortbestehenden Altbauten, sondern allenfalls eine Nutzungsänderungsgenehmigung erforderlich. Im Übrigen folge aus der erteilten Abweichung auch im Verhältnis zum Kläger, dass er nicht mehr in seinem Recht auf Einhaltung der Abstandsflächen verletzt sei. Die damit verbundene Änderung der Rechtslage sei im Anfechtungsprozess des Klägers zugunsten der Bauherrin zu berücksichtigen. Die Abweichung von den Abstandsflächen um lediglich 1,54 m zum benachbarten Grundstück führe unter den Gesichtspunkten des Brandschutzes, der Besonnung und der Belüftung zu keinen tatsächlichen unangemessenen Beeinträchtigungen des Nachbarn, da der zum Vorhaben hin gelegene Teil des Nachbargrundstücks über mehrere Meter unbebaut sei. Hinzu komme, dass lediglich die Nutzung eines bereits vorhandenen Bestandes geändert werden solle und die nähere Umgebung einen Übergang zur geschlossenen Bebauung aufweise. Schließlich verstoße das Vorhaben nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Es sei in der als allgemeines Wohngebiet anzusehenden näheren Umgebung, die über das vom Kläger benannte Straßenkarree hinausreiche, allgemein zulässig. Auch das vom Kläger benannte Straßenkarree stelle aber mit seinen zahlreichen Freiberuflern sowie mehreren nicht störenden Gewerbebetrieben und Verwaltungsanlagen ein allgemeines Wohngebiet dar. Der zu erwartende An- und Abfahrtsverkehr beeinträchtige den Kläger nicht unzumutbar. Die einzelnen Angebote des Gemeindezentrums würden erfahrungsgemäß nur durch einen Bruchteil der Gemeinde genutzt und ließen auf einen regelmäßig länger andauernden Aufenthalt der Besucher schließen. Auch sei auf Grund der vorhandenen Nahverkehrsanbindung eine Anfahrt mit dem Pkw nicht zwingend vorausgesetzt. Der Gemeindesaal werde mit seiner vollen Kapazität nur an wenigen Festtagen genutzt. Als Vorbelastung sei zudem die kurze Entfernung des klägerischen Grundstücks zur "A. " zu beachten, in der nahezu wöchentlich Großveranstaltungen mit gesteigertem Verkehrsaufkommen stattfänden.

Der Senat hat durch Einnahme eines Augenscheins über die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.08.2005 Bezug genommen.

Dem Senat liegen neben der Senatsakte (2 Bände) die beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Leipzig (4 K 382/03, 1 Band) und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Zulassungsverfahren 1 B 681/04, 1 Band) vor. Weiter liegen dem Senat 2 Heftungen des Regierungspräsidiums Leipzig (Widerspruchsverfahren zur Baugenehmigung sowie zur zugelassenen Abweichung), 1 Leitzordner der Beklagten (Baugenehmigungsakte) und 1 Heftung der Beklagten (Verfahren zur Erteilung der Abweichung vom 1.3.2005) vor. Auf den Inhalt dieser Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die erteilte Baugenehmigung vom 15.8.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2003 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist auf Grund der ergänzend mit Bescheid vom 1.3.2005 und Widerspruchsbescheid vom 1.8.2005 zugelassenen Abweichung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger konnte die Abweichung jedenfalls im Wege der aus prozessökonomischen Gründen nach §§ 91, 125 VwGO sachdienlichen Klageänderung in das Berufungsverfahren einbeziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.1971 - IV C 2/68 -, NJW 1971, 1147).

Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in der Fassung der Abweichungsentscheidung verletzt keine im Genehmigungsverfahren zu prüfenden, den Kläger schützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Für das im Jahr 2001 eingeleitete Baugenehmigungsverfahren bestimmen sich die zu prüfenden Vorschriften nach der Verfahrensvorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 SächsBO in der ab dem 1.5.1999 und vor dem 1.8.2004 geltenden Fassung (SächsGVBl 1999, 86 u. 1999, 186; im folgenden: SächsBO a.F.; s. § 90 Abs. 1 Satz 1 SächsBO). Materiellrechtlich ist im Nachbaranfechtungsstreit grundsätzlich der Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage der Genehmigungserteilung maßgeblich (BVerwG, Beschl. v. 23.4.1998 - 4 B 40/98 -, NVwZ 1998, 1179). Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherren haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, da es mit der Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, aaO, und § 90 Abs. 1 Satz 3 SächsBO).

Durch die Baugenehmigung werden den Kläger als Nachbarn schützende Vorschriften weder des Bauordnungsrechts (unten I.) noch des Bauplanungsrechts (unten II.) verletzt.

I. 1. Die Erteilung der Baugenehmigung verstößt nicht gegen die gemäß § 62 SächsBO a.F. zu prüfende Vorschrift des § 6 SächsBO in der hier nach § 90 Abs. 1 Satz 3 SächsBO anwendbaren aktuellen Fassung, wonach vor den Außenwänden von oberirdischen Gebäuden Abstandsflächen einzuhalten sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SächsBO). Die Tiefe der Abstandsflächen bemisst sich nach der Wandhöhe und beträgt in der Tiefe grundsätzlich 0,4 der Wandhöhe - 0,4 H -, mindestens 3 m (§ 6 Abs. 4 und 5 Satz 1 SächsBO).

Das Vorderhaus der Beigeladenen hält den sich hieraus zum klägerischen Grundstück ergebenden Abstand nicht ein. Die Einhaltung des erforderlichen Abstandes ist auch nicht nach planungsrechtlichen Vorgaben (§ 6 Abs. 1 Satz 3 SächsBO) oder deshalb entbehrlich, weil im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 SächsBO rechtlich gesichert wäre, dass das Grundstück des Klägers nicht überbaut wird. Ebensowenig kann von der Einhaltung des Abstandes abgesehen werden, weil dem Vorderhaus im Rahmen des Bauvorhabens der Beigeladenen Bestandsschutz zukäme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats (SächsOVG, Beschl. v. 18.10.1994 - 1 S 133/94 -; Beschl. v. 10.6.1996 - 1 S 134/96 -; JBSächsOVG 4, 220; Beschl. v. 16.2.1999 - 1 S 53/99 -, SächsVBl. 1999, 137; Beschl. v. 25.2.1999 - 1 S 61/99 -, SächsVBl. 1999, 139; Beschl. v. 31.4.2004 - 1 B 255/04 -) sind auch die in ein Bauvorhaben einbezogenen Bestandsgebäude neu zu bewerten, soweit die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen für ein einheitliches Bauvorhaben insgesamt neu aufgeworfen wird. Dies ist hier der Fall. Ein einheitliches Bauvorhaben ist zunächst gegeben, weil die Beigeladene selbst ihr Vorhaben als Einheit aufgefasst hat. Sie hat das Vorhaben bereits im Bauantrag als einheitlichen "Um- und Neubau" zur Genehmigung gestellt (vgl. zur Erheblichkeit des Antragsinhalts BVerwG Beschl. v. 13.10.1998 - 4 B 93/98 -, NVwZ 1999, 298; BVerwG, Urt. v. 4.7.1980 - IC C 99/77 -, NJW 1981, 776 zu § 29 BauGB; SächsOVG, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 B 344/03 -). Sie hat die einzelnen Baukörper mit ihrem übergreifenden Nutzungskonzept zu einem einheitlichen Objekt ("Begegnungszentrum") zusammengefasst und zum Bauantrag eine einheitliche Flächenberechnung vorgenommen. Unabhängig davon ist auch eine funktionale Verbindung der Bauten zu einem einheitlichen Gebäude (vgl. zur Maßgeblichkeit einer funktionalen Verbindung § 2 Abs. 2 SächsBO und SächsOVG, Beschl. v. 16.2.1999 - 1 S 53/99 -, SächsVBl. 1999, 137 sowie BVerwG, Beschl. v. 13.12.1995 - 4 B 245/95 -, NVwZ 1996, 787) zu bejahen, nachdem der Zwischenbau ungeachtet eines zusätzlichen seitlichen Zugangs auf seiner Westseite in erster Linie auf eine Begehung über den straßenseitigen Haupteingang des Vorderhauses ausgerichtet ist sowie Sanitär- und andere ihm dienende Funktionsräume in den Bestandsgebäuden geplant sind. Der geplante Zwischenbau kann entgegen der Aufassung des Verwaltungsgerichts auch nicht als optisch selbständig bewertet werden. Allein der Umstand, dass der geplante Zwischenbau besonders wegen seiner niedrigeren Geschosszahl und Gebäudehöhe in der Außenansicht eigenständig wahrnehmbar ist, vermittelt noch nicht den Eindruck seiner Selbständigkeit von den Bestandsbauten. Vielmehr ergibt sich gerade aus aus seiner Anordnung zwischen den Bestandsbauten und seiner Erschließung auch über den Haupteingang im Vorderhaus der Eindruck einer verklammernden Verbindung der beiden Hauptbauten unter Entstehung entsprechender Durchgangsmöglichkeiten bis zum Hinterhaus. Daran ändert die aus Gründen des Denkmalschutzes zugunsten der Bestandsgebäude geforderte statische Eigenständigkeit des geplante Zwischenbaus nichts. Es ist auch eine insbesondere nach der Nutzerzahl relevante Nutzungsveränderung geplant, die geeignet erscheint, nachbarrechtliche Belange etwa des Brandschutzes stärker als zuvor zu berühren und deshalb eine neue Prüfung des gesamten Vorhabens auch hinsichtlich der Abstandsflächenvorschrift des § 6 SächsBO erforderlich zu machen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 B 344/03 - S. 6; Beschl. v. 1.3.2005 - 1 BS 24/05 -; Beschl. v. 16.2.1999 - 1 S 53/99 -, SächsVBl. 1999, 137; Beschl. v. 15.3.1994 - 1 S 633/93 -, LKV 1995, 119; OVG NW, Urt. v. 15.5.1997 - 11 A 7224/95 -, NVwZ-RR 1998, 614).

Aufgrund der Zulassung einer Abweichung nach § 67 Abs. 1 SächsBO ist kein Verstoß mehr gegen das Abstandsrecht gegeben. Der Kläger ist durch die so gefasste Baugenehmigung nicht mehr in seinen Rechten verletzt (vgl. HessVGH, Urt. v. 10.4.2000 - 9 UE 2459/96 -, NVwZ-RR 2001, 294).

Die Abweichung ist in der nach § 79 VwGO maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.8.2005 rechtmäßig. Gem. § 67 Abs. 1 SächsBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen unter Anderem von den Anforderungen der SächsBO zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 SächsBO vereinbar sind.

Die nunmehr für Ausnahmen und Befreiungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften nach bisherigem Recht unter dem Begriff der Abweichung einheitlich gefassten tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Bei der Erteilung einer Abweichung ist zu berücksichtigen, dass die einschlägigen Belange und Interessen regelmäßig schon durch die sonstigen baurechtlichen Vorschriften in einen gerechten Ausgleich gebracht worden sind und die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs kein beliebiges Abweichen von den Vorschriften der Landesbauordnung gestattet (vgl. OVG Rh.-Pf., Urt. v. 3.11.1999 - 8 A 10951/99 -, NVwZ-RR 2000, 580 für das dortige Landesrecht; zu §§ 6, 68 SächsBO a.F. SächsOVG, Beschl. v. 11.2.1997 - 1 S 531/96 -, SächsVBl 1998, 57, 58), jedoch andererseits durch § 67 SächsBO eine Flexibilisierung insbesondere bei der Verwirklichung der betroffenen Schutzziele auch auf anderen als den bauaufsichtlich vorgegebenen Wegen eröffnet wird (vgl. Jäde, NVwZ 2003, 668, 670; LT-Drs. 3/9651, Einzelbegründung zu § 67 Absatz 2). Ob auch nach dem neu gefassten Tatbestand entsprechend den bisherigen Anforderungen nach § 68 Abs. 3 SächsBO a.F. an die Erteilung von bauordnungsrechtlichen Befreiungen ein Ausnahmefall gegeben sein muss (vgl. dazu Jäde in: Jäde u.a., Bauordnungsrecht Sachsen, Lbl.-Kommentar Stand Jan. 2003, § 68 Rn. 47 f; BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999 - 4 B 5/99 - zur "Atypik" bei § 31 Abs. 2 BauGB), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Ein solcher liegt jedenfalls vor. Denn die hier betroffene Abstandsflächenunterschreitung beschränkt sich auf die dem Grundstück des Klägers zugewandte Seite des Vorderhauses. Dieses Vorderhaus, dessen rechtmäßige Errichtung keinen Zweifeln unterliegt, ist ein bereits vorhandener Bestandsbau und soll in seiner baulichen Gestalt nicht verändert werden. Insoweit wird auf dem Grundstück des Klägers keine Verschlechterung der bereits vorgeprägten baulichen Situation hervorgerufen. Denn es weist vorhabenseitig einen seiner Bebaubarkeit entgegenstehenden geschützten Baumbestand (eine Platane) auf und ist seinerseits erst im Abstand von ca. 20 m, also einem Vielfachen der Überschreitungstiefe, auf der vom Vorhabengrundstück abgewandten Hälfte bebaut. Dies hat die Beklagte in ihrer Abweichungsentscheidung zutreffend hervorgehoben. Die Schaffung des religiös-kulturellen Begegnungszentrums gerade auch unter Einbeziehung des vorhandenen und mit seinen runden erkerförmigen Vorbauten bereits symboltragend ausgestalteten Vorderhauses steht außerdem in Einklang mit dem öffentlichen Interesse an der Verfügbarkeit adäquater gemeindlicher Begegnungsorte.

Bei der Beurteilung, inwieweit eine Abweichung in Betracht kommt, sind auch die Schutzziele der entsprechenden baurechtlichen Anforderungen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung fehlerfrei bestimmt sowie mit den für eine Abweichung streitenden Gründen sowie den betroffenen öffentlichen und den geschützten Nachbarinteressen abgewogen worden (zu diesem Abwägungserfordernis vgl. SächsOVG, Beschl. v. 11.2.1997 - 1 B 66/03 - unter 2.2; OVG Rh.-Pf., aaO.).

Vorliegend sind die Schutzgüter der Abstandsflächenvorschrift des § 6 SächsBO betroffen, die nach der gesetzlichen Neuregelung - abweichend von § 6 SächsBO a.F. (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 B 344/03 -; SächsOVG, Beschl. v. 11.02.1997 - 1 S 531/96 -, SächsVBl. 1998, 57, 58) - einerseits neben dem Brandschutz zumindest den Belang einer ausreichenden gesundheitsrelevanten Ausleuchtung mit Tageslicht einschließen, während andererseits jedenfalls der Nebenzweck der Wahrung des sozialen Wohnfriedens nicht mehr zu den Schutzgütern zählt (Dammert in: Dammert u.a., Die neue sächsische Bauordnung, 2005, § 6 Rn. 1). Der dahin gehende gesetzgeberische Wille ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (vgl. LT-Drs. 3/9651, S. 11 - Einzelbegründung zu § 6 Abs. 5) und hat insoweit mit der Verringerung des Regelabstandsmaßes von 1 auf 0,4 h hinreichenden Ausdruck im Gesetz gefunden. Mangels einer Veränderung der Kubatur des Vorderhaus kommt es unabhängig von der Frage seiner Nutzung nicht zu Veränderungen der Belichtung oder Verschattung des klägerischen Grundstücks. Nicht zuletzt auf Grund der massiven Ausführung des Vorderhauses kann auch bei einer künftig möglicherweise erhöhten Zahl von Nutzern keine beachtliche Veränderung der brandschutzrechtlichen Situation festgestellt werden.

Weiter sind die nachbarlichen Belange des Klägers in die Abwägung einzustellen, soweit sie öffentlich-rechtlich geschützt sind. Dazu zählen die bereits durch § 6 SächsBO geschützten genannten Belange. Eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung dieser Belange ist jedoch, wie dargelegt, mangels Verschlechterung der bereits vorgeprägten baulichen Situation nicht erkennbar. Etwaige Beschränkungen einer künftigen Bebauung oder sonstigen Ausnutzbarkeit des klägerischen Grundstücks betreffen eine im Verhältnis zu seiner Größe lediglich geringfügige Fläche, die sich zudem entsprechend der Dachgestaltung des Vorderhauses mit zunehmendem Abstand zur Grundstücksgrenze - auf die Spitze einer Dreiecksfläche zulaufend - verkleinert. Unter Einbeziehung des einer Bebauuung entgegenstehenden geschützten Baumbestandes nahe der Grundstücksgrenze zum Vorhabengrundstück sowie des Umstandes, dass der Kläger nach der gesetzlichen Verkürzung des Abstandsmaßes von 1 h auf 0,4 h nur noch eine weitaus geringere Abstandsfläche als zuvor beanspruchen kann, ist auch das Gewicht derartiger Beschränkungen gemindert. Auf die weiteren vom Kläger unter Hinweis etwa auf § 31 Abs. 2 BauGB und die dort in Bezug auf die Befreiung von nachbarschützenden Vorgaben zu Gunsten des anfechtenden Nachbarn eröffnete umfassende objektiv-rechtliche Rechtmäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 -, NVwZ-RR 1999, 8; Urt. v. 6.10.1989 - 4 C 14/87 -, NJW 1990, 1192; BVerwG, Urt. v. 19.9.1986 - 4 C 8/84 -, NVwZ 1987, 409) vorgebrachten Bedenken etwa gegen die Vereinbarkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen mit Vorschriften zum behindertengerechten Bauen oder der Stellplatzgestaltung kommt es demgegenüber nicht an. Diese Rügen betreffen nicht die hier maßgebliche (vgl. Jäde in: Jäde u.a., Bauordungsrecht Brandenburg, Stand Okt. 2002, § 72 BbgBO § 72 Rn. 17 a ff) Rechtmäßigkeit der Abweichung, sondern lediglich der erteilten Baugenehmigung, die hier eine bereits vorhandene und Standortalternativen nicht eröffnende bauliche Situation legalisiert.

Die Abweichung ist auch mit den öffentlichen Belangen nach § 67 SächsBO vereinbar. Insbesondere ist im Sinne der von § 67 Abs. 1 SächsBO bezweckten Einhaltung von Mindestanforderungen (vgl. LT-Drs. 3/9651 - Einzelbegründung zu § 67) keine Gefährdung der Schutzgüter des § 3 Abs. 1 SächsBO - der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere des Lebens, der Gesundheit und der natürlichen Lebensgrundlagen - gegeben. Indessen beschränkt sich der weit gefasste Begriff der öffentlichen Belange nicht allein auf die spezifischen baurechtlichen Belange (SächsOVG, Beschl. v. 11.2.1997 - 1 S 531/96 -, SächsVBl 1998, 56, 58; s.a. BVerwG, Beschl. v. 19.2.1982 - 4 B 21/82 -, BRS 39 Nr. 56 zu § 31 Abs. 2 BauGB), sondern umfasst auch das sich nicht im privaten Interesse Einzelner erschöpfende öffentliche Interesse an der Schaffung von Versorgungs- oder Verkehrsanlagen sowie sozialer, kultureller oder sportlicher Einrichtungen, ohne dass solche Einrichtungen von einem hoheitlichen Träger betrieben werden müssen (vgl. SächsOVG, 21.9.2004 - 1 B 66/03 -; Beschl. v. 11.2.1997 - 1 S 531/96 -, SächsVBl 1998, 56, 58; BayVGH, Beschl. v. 26.6.1997 - 2 ZS 97.905 -, NVwZ-RR 1998, 619). Als ein derartiger öffentlicher Belang streitet hier unter Berücksichtigung der anerkannten Bedeutung von Kirchen und Religionsgemeinschaften (vgl. Art. 4 GG, Art. 109 SächsVerf und § 5 Abs. 2 des Vertrag des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Gemeinden, der öffentliche Zuschüsse zur Förderung der Errichtung von - wie hier - Kultuszwecken dienenden Gebäuden vorsieht) das Interesse an der Schaffung einer religiös-kulturellen Begegnungsstätte gerade auch an einem Standort mit bereits vorhandenen historischen Bezügen und baulich-gestalterischen Besonderheiten mit beträchtlichem Gewicht für die Verwirklichung des streitigen Vorhabens. Insgesamt erscheint danach die Zulassung einer Abweichung auch unter Berücksichtigung der geschützten Interessen des Klägers mit den öffentlichen Belangen vereinbar.

Die Abweichung vom 1.3.2005 ist in ihrer nach § 79 VwGO maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2005 auch ermessenfehlerfrei ergangen (vgl. § 114 VwGO).

Die Widerspruchsbehörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Zu Recht ging sie davon aus, dass die Form der Abstandsfläche nach der zu Gunsten der Beigeladenen anzuwendenden Neufassung des § 6 Abs. 4 SächsBO abweichend von der im Antrag der Beigeladenen ausgewiesenen rechteckigen Abstandsfläche in ein mit der Spitze auf dem Grundstück des Klägers auslaufendes Dreieck mündet. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, Wand- und Giebelflächen mit Rücksicht auf die grundsätzliche Verkürzung der Abstandsflächentiefe auf 0,4 H nunmehr "in ihren tatsächlichen Abmessungen" in die Abstandsflächenermittlung einzustellen (LT-Drs. 3/9651 S. 11 - Einzelbegründung zu § 6 Abs. 4 -). Die Abstandsfläche vor der Seitenwand des Vorderhauses ist demnach um die Fläche des zum Grundstück des Klägers hin abgewalmten Daches zu ergänzen, die Höhe des um ca. 60 Grad im unteren und ca. 47 Grad im oberen Teil geneigten Daches der vollen Seitenwandhöhe allerdings nur zu einem Drittel hinzurechnen, § 6 Abs. 4 Satz 4 SächsBO. Weiter haben die Behörden der Abweichung keine zu Lasten des Klägers unzutreffende Abstandsflächentiefe oder unzutreffende Grenzüberschreitungsmaße zu Grunde gelegt. Die Widerspruchsbehörde ist von einer Abstandsflächentiefe von 6,04 m ausgegangen, die im Anschluss an einen Abstand des Vorderhauses von der Grundstücksgrenze von 4,50 m auf einer Tiefe von 1,54 m auf dem Grundstück des Klägers ruhe. Diese rechnerisch vom Kläger nicht angegriffene Abstandsflächentiefe ergibt sich nach den Erläuterungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bei einer Dachhöhe von insgesamt 8,48 m aus einer bis zum Schnittpunkt mit der Dachhaut an der unteren Traufe ermittelten Wandhöhe von 11,97 m. Deren Berechnung wurde als Geländeoberfläche im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 3 SächsBO ein Mittelwert der unterschiedlichen Geländesniveaus des klägerischen Grundstücks, der Straße vor dem Vorhabengrundstück und des Gartenhofs im mittleren Teil des Vorhabengrundstücks in Höhe von 107,15 m über NN zu Grunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Maßgebliche Geländeoberfläche ist in Ermangelung einer von der Bauaufsichtsbehörde in der Baugenehmigung festgelegten oder in einem Bebauungsplan festgesetzten die gewachsene (natürliche) Geländeoberfläche (vgl. Nr. 2.6 Absatz 1 der VwVSächsBO vom 18.3.2005, SächsABl 2005, Sonderdruck Nr. 2, S. 57 ff, 60). Deren angenommene Höhe steht mit den bei 107 m über NN liegenden Angaben der mit dem Bauantrag eingereichten Karte des Städtischen Vermessungsamtes mit Höhen- und Liegenschaftsdarstellung zur straßenseitigen und mittleren Höhe des Vorhabengrundstücks sowie des Grundstücks des Klägers in Einklang. Entgegen der Auffassung des Klägers ist demgegenüber nicht auf die Bodenhöhe der vor der ihm zugewandten Seitenwand des Vorderhauses befindlichen Vertiefung von ca. 1,5 m abzustellen, da es sich bei dieser Vertiefung um eine unselbständige und im Verhältnis zur Gebäude- und Grundstücksgröße geringfügige Abgrabung handelt, die die maßgebliche Geländehöhe nicht verändert (vgl. Nr. 2.6 Absatz 2 VwVSächsBO).

Die Behörden haben zur Zulassung der Abweichung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides im Sinne von § 114 VwGO ausreichende Ermessenserwägungen angestellt. Sie haben die wesentlichen Belange mit den in Betracht kommenden Schutzzielen des § 6 SächsBO und den Interessen des Klägers sowie der Beigeladenen abgewogen. Sie durften dabei auch das Vorhandensein der Bausubstanz des bereits zuvor die Abstandsflächen gegenüber dem Grundstück des Klägers nicht einhaltenden Vorderhauses einstellen. Dass die Beigeladene die bisherige Nutzung ihrer Bestandsgebäude als Altersheim im Jahre 1996 aufgegeben hat, betrifft nicht die Existenz der Bausubstanz (vgl. zur allenfalls fehlerhaften Berücksichtigung von Bestandsschutz nach einem vollständigen Abriss der Substanz eines zu ersetzenden Gebäudes SächsOVG, Urt. v. 5.12.2002 - 1 B 325/01 -, SächsVBl 2003, 235). Ebenso sind die für eine Abweichung sprechenden öffentlichen Interessen, das Nutzungsinteresse der Beigeladenen, die Auswirkungen der von ihr geplanten Nutzung sowie die sich aus ihrer Form ergebende Verminderung der Abstandsfläche berücksichtigt.

2. Eine baubedingte Gefährdung der Sicherheit des klägerischen Grundstücks samt Standsicherheit des Gebäudes ist nicht ersichtlich. Mangels Vertiefung der Bedenken im Berufungsverfahren kann auf den bereits in den Akten des Verwaltungsgerichts enthaltenen Prüfbericht zur Baustatik des Dipl.-Ing. Baumgarten vom 3.3.2003 mit Bezugnahme auf vorangegangene Baugrundgutachten verwiesen werden, der derartige Gefährdungen nicht bestätigt. Auch die Standsicherheit der auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Platane erscheint im Hinblick auf die im Rahmen der Baugenehmigung und ihrer Anlage 5 festgesetzte Auflage Nr. 27, wonach die vorhabenbezogenen Bauarbeiten einen Mindestabstand einhalten bzw. bei dessen Unterschreitung besondere Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Wurzelraums getroffen werden müssen, nicht gefährdet.

3. Weitere bauordnungsrechtliche Rügen des Klägers etwa des nicht behindertengerechten Ausbaus des Vorhabens (§ 53 Abs. 4 SächsBO a.F. bzw. § 50 Abs. 3 SächsBO n.F.), des Fehlens notwendiger Treppenräume (§ 32 Abs. 1 SächsBO a.F. bzw. § 34 Abs. 1 SächsBO n.F.) und einer unzureichenden Anzahl von Stellplätzen (§ 49 Abs. 1 SächsBO) betreffen keine den Kläger als Nachbarn schützende Vorschriften (zu Stellplatzvorgaben vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, NVwZ-RR 2003, 549). Die Schaffung von gesicherten Stellplätzen ist im Übrigen durch die Baugenehmigung - Bedingung Nr. 4 - abgesichert. Sie müssen bis zur Nutzungsaufnahme nachgewiesen werden.

II. Das Vorhaben fügt sich nach § 34 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Dies erfordert, dass sich das Vorhaben hinsichtlich aller Maßstäbe des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 -, NVwZ-RR 1999, 364). Nach Satz 2 der Vorschrift darf auch das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden. Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens, dessen nähere Umgebung einem der Baugebiete nach der BauNVO entspricht, nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet zulässig wäre.

Danach ist zunächst die Eigenart der näheren Umgebung im Einzelnen zu bestimmen. Deren Grenzen lassen sich allerdings nicht schematisch festlegen, sondern sind wertend nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das Vorhabengrundstück eingebettet ist (BVerwG, Beschl. v. 28.8.2003 - 4 B 74/03 -, zit. n. Juris). Die bereits vorhandene Bebauung ist zu berücksichtigen, eine nicht auf Dauer genehmigte Bebauung allerdings nur, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden haben (BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 -, NVwZ-RR 1999, 364); eine vorhandene materiell illegale Bebauung oder ausgeübte Nutzung ist zu berücksichtigen, solange die zuständigen Behörden den Zustand dulden oder wegen formeller Legalität dulden müssen (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1/00 -, BRS 63 Nr. 102). Außer Betracht bleiben bauliche Anlagen, die die Umgebung nicht prägen oder in ihr gar als Fremdkörper erscheinen (BVerwG, Urt. v. 26.5.1978 - IV C 9/77 -, BVerwGE 55, 369) oder nur Nebenanlagen sind (VGH Kassel, Urt. v. 13.9.2003 - 4 UE 981/99 -, NVwZ-RR 2003, 259 f). Ein sich in jeder Hinsicht innerhalb des Umgebungsrahmens haltendes Vorhaben fügt sich in der Regel in seine Umgebung ein (BVerwG, Urt. v. 26.5.1978 - IV C 9/77 -, BVerwGE 55, 369; zum Ganzen s.a. SächsOVG, Beschl. v. 19.9.2005 - 1 B 898/04 -; Urt. v. 14.4.2005 - 1 B 432/03 -).

Die nach diesen Grundsätzen maßgebliche nähere Umgebung hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf das sich südlich des E. grabens anschließende Straßenkarree der F. -, H. und L. straße einschließlich ihrer beidseitigen Bebauung erstreckt und diese Umgebung als allgemeines Wohngebiet bewertet. Das Vorhabengrundstück liegt auch nach dem Ergebnis des vom Senat durchgeführten Augenscheins (vgl. Augenscheinsprotokoll vom 25.8.2005 mit beiliegenden Fotos sowie Vermerken im Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 23.8.2005) in einem durch die genannten Straßen gebildeten annähernd rechteckigen Bereich, in dem fast alle Grundstücke in weitgehend gleicher Weise beidseitig der Straße zusammenhängend mit - überwiegend straßenseitig und geschlossen errichteten - mehrstöckigen Gebäuden sowie teils ergänzend mit rückwärtigen Gebäuden bebaut sind. In diesen befinden sich vor allem Wohn-, aber - zu einem beträchtlichen Anteil - auch berufliche Nutzungen (etwa H. straße N5: Architektenbüro; H. straße N6: Ingenieurgesellschaft; H. straße N6: Elektroservice; H. straße N7: Steuerberater; H. straße N3: Notariat des Klägers; F. str. N2: Architekt und Ingenieur, Wellness-Angebote, Allrevisions-GmbH; H. straße N2: Anwaltskanzlei, Dentallabor, Fotolabor, Verlag; F. str. N8: Immobilienservice; F. str. N9: Ärztepraxis, Dental-GmbH; F. str. N7: Zahnarzt, Emissionshaus; F. str. N10: Musikagentur). Dabei handelt es sich um eine vorwiegende Wohngebietsnutzung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO und eine zulässige freiberufliche Nutzung in den Grenzen des § 13 BauNVO. Daneben sind vereinzelte weitere nicht störende berufliche Nutzungen vorhanden. Die Häufung der vorhandenen freiberuflichen Nutzungen steht damit der vom Kläger angenommenen Gebietseinordnung als reines Wohngebiet im Sinne von § 3 Abs. 1 BauNVO, in dem berufsbezogene Nutzungen allenfalls ausnahmsweise zulässig wären, entgegen. Die prägende Wirkung der vorhandenen berufsbezogenen Nutzungen wird nicht durch die Nähe eines ruhigen Stadtparks oder die Existenz einer Erhaltungssatzung in Frage gestellt. Der Senat hält es vorliegend auch für sachgerecht, räumlich auf die beidseitige Bebauung der oben genannten Umgebungsstraßen abzustellen. Den vorhandenen Umgebungsstraßen kommt keine trennende Wirkung zu. Eine Straße als angrenzende Verkehrsfläche muss nicht notwendig ein trennendes Element sein, sondern kann die Bebauung auch beiderseits der Straße als noch prägend erscheinen lassen (BVerwG, Beschl. v. 28.8.2003 - 4 B 74/03 -, zit. n. Juris; Beschluss vom 11.2.2000 - 4 B 1/00 -, BRS 63 Nr. 102; Urt. v. 6.7.1984 - 4 C 28/83 -, NJW 1985, 1569). Für die Bewertung der Wirkungen sind insoweit die wechselseitigen Auswirkungen und Prägungen des Bauvorhabens und seiner Umgebung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 4 C 30/78 -, BRS 36 Nr. 56). Danach wirken die bestehenden Umgebungssstraßen, die hier ausschließlich der Erschließung des Viertels dienen und nicht den Charakter von verstärkt befahrenen Durchgangsstraßen haben, für das Vorhaben und seine Umgebung auch nicht nach ihrer Breite oder Ausgestaltung optisch trennend. Das in seinen Auswirkungen nicht mit einer Wohnbebauung vergleichbare Vorhaben kann sich insbesondere wegen seiner überregionalen Ausrichtung und der vorgesehenen Zahl der Nutzer über bloße Nahwirkungen hinaus auf seine Umgebung auswirken. Derartige Auswirkungen werden durch die Lage des geplanten Verbindungsbaus im durch das Vorderhaus abgeschirmten hinteren Grundstücksbereich nicht vollständig ausgeschlossen.

Im allgemeinen Wohngebiet ist das Vorhaben der Beigeladenen nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Anlage für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke seiner Art nach ohne Beschränkung danach zulässig, ob es den Bedürfnissen der Gebietsbewohner dient (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.1992 - 4 C 50/89 -, NJW 1992, 2170 - Betsaal; Thür. OVG, Urt. v. 20.11.2002 - 1 KO 817/01, BRS 65 Nr. 86 - Bestattungsinstitut).

Das Vorhaben verstößt nicht nach dem Maß der Bebauung in einer den Kläger in seinen Rechten verletzenden Weise gegen § 34 Abs. 1 BauGB. Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit objektiv in den Rahmen der Umgebungsbebauung einfügt. Denn selbst wenn diese von einem geringeren Maß der Bebauung geprägt ist, weicht der hier maßgebliche Baukörper des Vorhabens nicht derart von der Umgebungsbebauung ab, dass eine Verletzung des - im Tatbestandsmerkmal des "Einfügens" enthaltenen und im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB allein nachbarschützenden (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 24.6.1996 - 1 S 248/96 - UA. S. 5) - Rücksichtnahmegebots gegeben wäre. Dies ist nicht schematisch nach quantitativen Kriterien, sondern danach zu beurteilen, ob sich eine Rahmenüberschreitung auf das Nachbaranwesen auswirkt und dessen Grundstückssituation - namentlich wegen einer erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens, einer Verschlechterung des Wohnklimas infolge erheblich verdichteter Bebauung oder negativer Auswirkungen auf die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungsverhältnisse - unzumutbar verschlechtert (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 24.6.1996 - 1 S 248/96 -). Derartige Verschlechterungen wegen des hier allein interessierenden Maßes der Bebauung liegen nicht vor. Für die Grundstückssituation des Klägers kann im Hinblick auf die lediglich ca. 1,40 m hohe, begrünte und mit mehreren Metern Abstand von der Grundstücksgrenze geplante Bauausführung des allein zu den - in ihren Außen- und Stockwerkmaßen unverändert bleibenden - Bestandsgebäuden hinzu kommenden Verbindungsbaus keine unzumutbare Verschlechterung angenommen werden. Dies gilt umso mehr, als der Verbindungsbau selbst den bereits bestehenden rückwärtigen Terassenanbau des Vorderhauses mit Treppenabgang ersetzt und auch das Grundstück des Klägers erst auf der vom Vorhabengrundstück abgewandten Seite bebaut ist. Insbesondere erzeugt das Vorhaben für das Grundstück des Klägers nach dem Ergebnis des durchgeführten Augenscheins keine "Hofsituation" oder eine Situation erdrückender Abriegelung (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 4.4.2005 - 1 LA 76/04 -, NVwZ-RR 2005, 521).

Schließlich verstößt das Vorhaben nicht aus sonstigen Gründen gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme. Nach diesem fügt sich ein Vorhaben, das sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, ausnahmsweise dann nicht in diese Umgebung ein, wenn es nicht die gebotene Rücksicht auf die sonstige, vor allem die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung nimmt (SächsOVG, Beschl. v. 25.10.2004 - 1 BS 301/04 - m.w.N.). Das Rücksichtnahme-gebot ist über den bereits genannten Gesichtspunkt des Maßes der Bebauung hinaus drittschützend, wenn in besonders qualifizierter und individualisierter Weise auf einen erkennbaren Kreis Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Eine erfolgreiche Berufung des Grundstücksnachbarn auf das drittschützende Rücksichtnahmegebot setzt voraus, dass das Bauvorhaben bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Gewicht der mit ihm verfolgten Interessen auf der einen und der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit der Belange des Nachbarn auf der anderen Seite für diesen die Schwelle der Zumutbarkeit überschreitet (SächsOVG, Beschl. v. 25.10.2004 - 1 BS 301/04 - m.w.N.).

Danach ist hier insbesondere keine subjektiv-öffentliche Rechte des Klägers verletzende Ausgestaltung der Park- und Stellplatzsituation gegeben, die unzumutbaren Verkehrslärm hervorrufen würde. Denn die von den notwendigen Stellplätzen einer - wie hier - zulässigen Bebauung ausgehenden Emissionen sind nach der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Wertung grundsätzlich hinzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 20.3.2003 - 4 B 59/02 -, NVwZ 2003, 1516; BayVGH, Beschl. v. 25.6.2004 - 15 ZB 04.487 -, BayVBl 2005, 212; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 27.6.2002 - 1 A 11669/99 -, BRS 65 Nr. 143). Es liegen auch keine hinreichenden Gründe vor, für den Kläger von einer ausnahmsweise unzumutbaren Belästigung mit Verkehrslärm auszugehen. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms von An- und Abfahrtsverkehr sowie von Parkverkehr, der dem Vorhaben auch dann zuzurechnen ist, wenn er im Vorhabenbereich auf einer öffentlichen Verkehrsfläche stattfindet (BVerwG, Urt. v. 27.8.1998 - 4 C 5/98 -, NVwZ 1999, 526), ist aufgrund seiner Unregelmäßigkeit nicht schematisch auf ein Regelwerk mit Maximalwerten, sondern auf eine Gesamtwürdigung der Situation abzustellen, für die derartige Werte allenfalls eine Orientierung geben können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.6.2003 - 4 BN 7/03 -, BauR 2004, 975; BVerwG, Urt. v. 27.8.1998 - 4 C 5/98 -, NVwZ 1999, 526; SächsOVG, Urt. v. 25.9.2003 - 1 B 768/00 -, BauR 2004, 1048). Vorliegend ist daher zu berücksichtigen, dass die Stellplätze situationsbedingt mangels unmittelbar vor Ort verfügbarer Flächen weiter entfernt geschaffen werden müssen, weshalb der Kläger insoweit keinen Kfz-Verkehr im rückwärtigen Teil des Vorhabengrundstücks selbst hinnehmen muss. Vorhabenbezogener Kfz-Verkehr (Parkplatzsuche, Ein- und Aussteigen von Besuchern oder eine gelegentliche Belieferung vor Ort) findet vielmehr, in den allgemeinen Verkehr eingebunden, auf der Straße statt. Die Straßen der näheren Umgebung sind aber, wie im Augenschein deutlich geworden ist, durch beidseitiges Beparken der Straßenränder und die damit verbundenen Verkehrsvorgänge bei vorhandener dichter Bebauung bereits erheblich vorbelastet. Das ist in die Beurteilung mit einzustellen (BVerwG, Urt. v. 27.2.1992 - 4 C 50/89 -, NJW 1992, 2170). Rücksichtslos ist dabei erst eine Steigerung der vorhandenen Beeinträchtigungen, die entweder erstmals die Schwelle der Unzumutbarkeit übersteigt oder eine zuvor schon unzumutbare Belastung spürbar verschärft (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, NVwZ-RR 2003, 549). Das ist hier nicht ersichtlich. Realistischerweise ist nicht damit zu rechnen, dass jeder Besucher mit einem eigenen PKW anreist. Der Umfang der vorhabenbezogenen Verkehrsvorgänge und -belastungen reduziert sich auch auf Grund der nach dem Nutzungskonzept zeitlich unterschiedlich liegenden Angebote für die Besucher sowie wegen der Nahverkehrsanbindung des Vorhabens. Unter Berücksichtigung der in der Baugenehmigung vor der Nutzungsaufnahme vorgesehenen Schaffung von 21 Stellplätzen, gegen deren als ausreichend anzusehende Anzahl (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.1992 - 4 C 50/89 -, NJW 1992, 2170 zu 5 Stellplätzen bei einer Kapazität von maximal 50 Besuchern einer Bethalle) der Kläger keine substanziierten Einwände vorgebracht hat, sind danach keine Besonderheiten ersichtlich, die eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers befürchten ließen. Der Kläger hat auch kein Recht auf eine bevorzugte Nutzung des öffentlichen Straßenraums etwa zum Zweck des Parkens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.3.1998 - 1 B 3/98 -, GewArch 1998, 254; OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, NVwZ-RR 2003, 549).

Auch gegen von der Nutzung des Vorhabens ausgehende unzumutbare Lärmbelästigungen ist der Kläger ausreichend geschützt. Hierzu sieht die Baugenehmigung (Auflage Nr. 11 und Anlage 3) auf der Grundlage des vorgelegten Nutzungskonzepts in Orientierung an § 22 BImSchG und der Freizeitlärm-Richtlinie 1995 je nach der Uhrzeit differenzierte Immissionsgrenzwerte zwischen 55 und 50 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts vor. Diese erscheinen gerade auch unter Berücksichtigung der geplanten maximalen Saalnutzungskapazitäten, des Ziels einer Nutzungsausweitung durch Integration neuer Gemeindemitglieder und des nicht im Einzelnen festliegenden Veranstaltungsschemas des Vorhabens geeignet, die Ruhebelange des Klägers auch im rückwärtigen Grundstücksbereich hinreichend zu schützen. Wegen ihrer tagsüber zeitlich gestaffelten Ausgestaltung stellen die Immissionsgrenzwerte strengere Anforderungen an das Vorhaben, als es Nr. 6.1 Buchst. d der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete verlangt. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Einhaltung von vornherein nicht möglich oder nicht durchsetzbar sei, sind nicht ersichtlich.

Zu Küchendünsten sieht die Baugenehmigung in ihrer Auflage Nr. 20 für die im Keller gelegene Küche vor, dass sie belästigungsfrei mittels eines Abzugs über das Dach abzuführen seien. Auch für den Verbindungsbau ist eine Belüftungsanlage vorgesehen. Dass diese Vorkehrungen nicht ausreichen könnten, ist ebenso wenig ersichtlich wie eine anderweitige Quelle von Geruchsemissionen, die in vermeidbarem Umfang über eine generell wohngebietstypische Nutzung hinausgehen und über die gegebene räumliche Distanz hinweg noch den Kläger beeinträchtigen könnten.

III. Für die Rüge eines Verstoßes der Genehmigung des Vorhabens gegen die Erhaltungssatzung fehlt es am erforderlichen Nachbarschutz zugunsten des Klägers.

IV. Gegen die Baugenehmigung kann der Kläger schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, das Bauvorhaben schaffe Sicherheitsprobleme. Dieser Einwand betrifft grundsätzlich keine bau- bzw. bodenrechtlichen Nutzungskonflikte, die mit baurechtlichen Mitteln zu bewältigen wären. Sie wären auch nicht dem Bauherren als Veranlasser zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.6.2004 - 5 S 1263/04 -, DÖV 2005, 440; VG Berlin, Urt. v. 20.5.1999 - 13 A 245/98 -, LKV 1999, 412) und sind jedenfalls typischerweise nicht unzumutbar (BayVGH, Beschl. v. 26.6.1997 - 2 ZS 97.905 -, NVwZ-RR 1998, 619).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.112,92 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der gem. § 72 Nr. 1 GKG n.F. anwendbaren alten Fassung. Dabei orientiert sich der Senat an der Empfehlung in Teil II. Nr. 7.6.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 1996 (Abdruck etwa in NVwZ 1996, 563), wonach bei Klagen eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung ein Streitwert von mindestens 10.000,- DM, mithin bei betragsgenauer Umrechnung (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 17.08.2005 - 1 B 94/04 -) 5.112,92 Euro anzunehmen ist. Greifbare Anhaltspunkte für eine höhere Wertminderung des Grundstücks des Klägers liegen nicht vor. Hinsichtlich der mit angefochtenen Abweichung ist kein weitergehendes wirtschaftliches Obsiegensinteresse zu berücksichtigten. Von einer amtswegigen Abänderung der - in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des Senats unter Rückgriff auf den bei der Umstellung auf Eurobeträge in § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken (vgl. Beschl. v. 23.03.2005 - 1 E 42/05 -) - auf den Betrag von 5.000,00 Euro abgerundeten Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird abgesehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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