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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 1 BS 309/07
Rechtsgebiete: BNatSchG


Vorschriften:

BNatSchG § 33 Abs. 2
BNatSchG § 61 Abs. 1 S 1 Nr. 1
Ein Verbandsklagerecht aus § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz i.V.m. § 11 Satz 1 BNatSchG kann nur dann bestehen, wenn ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung nach nationalem Recht zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.v. § 22 Abs. 1 BNatSchG (vgl. auch § 22 a SächsNatSchG) erklärt worden ist.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 BS 309/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Verhinderung des Pollenfluges (genveränderter Mais); Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 25. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 17. Juli 2007 - 13 K 1275/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg, weil es dem Antragsteller an der erforderlichen Antragsbefugnis fehlt. Das gilt für den Antrag, der Antragsgegner möge sicherstellen, dass der angebaute Mais der Linie MON 810 auf bestimmten, näher bezeichneten Flächen entweder vor der Blüte umgebrochen oder geerntet wird oder die Pollenfahnen so beschnitten werden, dass eine Abgabe von Pollen in die Umwelt nicht erfolgen kann, ebenso wie für den Hilfsantrag, geeignete Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass der Mais der Linie MON 810 auf diesen Flächen keine Blütenpollen in die Umwelt abgeben kann.

Der Antragsteller ist als Naturschutzverband ersichtlich nicht im Sinne von § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in subjektiv-öffentlichen Rechten betroffen. Seine Antragsbefugnis folgt aber nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung auch nicht aus § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz i.V.m. § 11 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG -. Denn bei dem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung, in dem oder in dessen Nähe die hier streitige Anbaufläche liegt und dessen Beeinträchtigung der Antragsteller im vorliegenden Fall befürchtet, handelt es sich nicht um ein sonstiges Schutzgebiet im Rahmen von § 33 Abs. 2 BNatSchG. Der Senat geht - wie bereits im Beschluss vom 10.7.2007 (1 BS 247/07) - davon aus, dass diese Voraussetzungen erst und nur dann vorliegen, wenn ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.v. § 22 Abs. 1 BNatSchG (vgl. auch § 22 a SächsNatSchG) erklärt worden ist. Nur diese Auslegung entspricht dem Wortlaut von § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, der gerade auf § 33 Abs. 2 BNatSchG verweist. Die zuletzt genannte Vorschrift ist die Norm, die regelt, dass die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete innerstaatlich zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.v. § 22 BNatSchG zu erklären sind. Hätte der Bundesgesetzgeber allein darauf abstellen wollen, dass überhaupt ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung vorliegt, hätte es nach der Terminologie des Bundesnaturschutzgesetzes nahe gelegen, (nur) von einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung zu sprechen. Insoweit enthält nämlich § 10 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG eine Legaldefinition. Danach sind Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung "die in die Liste nach Artikel 4 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG eingetragenen Gebiete, auch wenn sie noch nicht zu Schutzgebieten im Sinne dieses Gesetzes erklärt worden sind." Der Bundesgesetzgeber hat demgegenüber in § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht diesen, legal definierten Begriff gebraucht, sondern ihn vielmehr durch den Verweis auf § 33 Abs. 2 BNatSchG ergänzt. Dies legt die Auslegung nah, dass nur solche Natura 2000 Gebiete gemeint sind, die bereits innerstaatlich zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft erklärt wurden. Deshalb vermag der Senat der Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt, wonach § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auch auf Entscheidungen nach § 34 BNatSchG Anwendung finden soll (Beschl. v. 8.1.2007 - 2 M 358/06 -, zitiert nach juris; zustimmend Kremer, ZUR 2007, 248 f.) nicht zu folgen (wie hier Lorz/Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl., § 60 RdNr. 8; Gassner in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 RdNr. 8; Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 61 BNatSchG RdNr. 4).

An dieser Rechtsprechung hält der beschließende Senat fest. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine andere Sichtweise.

Dies gilt insbesondere für die vom Antragsteller in Anspruch genommene historische Auslegung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und des insoweit gleich lautenden § 60 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG. Zwar trifft es zu, dass ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf mit diesen Vorschriften Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie entsprochen werden sollte (vgl. BT-Drs. 14/6378, S. 60). Dies führt indes nicht zu der von dem Antragsteller angenommenen Auslegung der Vorschrift. Zu berücksichtigen ist im Hinblick auf die Gesetzgebungsgeschichte vielmehr weiter, dass der Wortlaut der fraglichen Vorschriften im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Änderungen erfahren hat. Vollzieht man diese nach, spricht alles dagegen, dass die vom Antragsteller vorgenommene Auslegung dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht.

Die ursprüngliche Fassung des Regierungsentwurfs, zu der die vom Antragteller in Bezug genommene Begründung gehört, lautete:

"Ein ... anerkannter Verein kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen

1. Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten, Nationalparken und sonstigen nach § 33 Abs. 2 ausgewiesenen Schutzgebieten ..." (Hervorhebung durch den Senat).

Die Regelung fand sich in diesem Entwurf in § 60 Abs. 1 Nr. 1; gleich lautend war das Beteiligungsrecht in § 59 Abs. 2 Nr. 2 geregelt. Auch in der Begründung wird mehrmals auf "ausgewiesene Schutzgebiete" im Zusammenhang mit § 33 Abs. 2 Bezug genommen (vgl. etwa BT-Drs. 14/6378, S. 60, rechte Spalte oben). Bei der Begründung für die Einräumung des Verbandsklagerechts (aaO, S. 61) in der Fassung des ursprünglichen Gesetzentwurfs heißt es außerdem:

"Es handelt sich insofern um ein objektiv-rechtliches Beanstandungsverfahren. Nummer 1 entspricht mit den Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten und Nationalparken den in allen bisherigen landesnaturschutzrechtlichen Vereinsklageregelungen geltenden Klagemöglichkeiten und trägt darüber hinaus der erweiterten Vereinsmitwirkung bei Befreiungen von Verboten und Geboten im Rahmen von Vorschriften gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG Rechnung. Die Zulässigkeit einer Klage setzt dabei jeweils voraus, dass die Maßnahme oder das Vorhaben den Vorgaben einer Schutzerklärung zuwiderläuft und im Hinblick auf die in den (landesrechtlichen) Befreiungsregelungen geregelten spezifischen Befreiungsgründe zugelassen werden."

Dieser Teil der Begründung und der Wortlaut der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfes lassen nur den Schluss zu, dass nur die bereits nach nationalem Recht ausgewiesenen Schutzgebiete gemeint gewesen sind. Diese Auslegung wird durch den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens bestätigt. Der erste Änderungsantrag zu den fraglichen Vorschriften ging dahin, die Wörter "und sonstigen nach § 33 Abs. 2 ausgewiesenen Schutzgebieten" jeweils durch die Wörter "und sonstigen Schutzgebieten im Sinne des § 33 Abs. 2" zu ersetzen. In der Begründung zu diesem Änderungsantrag hieß es, § 33 Abs. 2 sei keine unmittelbar geltende Bestimmung. Die Schutzgebiete im Sinne des § 33 Abs. 2 würden daher nicht nach § 33 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes, sondern nach landesrechtlichen Vorschriften ausgewiesen (vgl. dazu BT-Drs. 14/6878, S. 17). Auch diesem Änderungsantrag, dem nicht gefolgt wurde, lag das Verständnis zugrunde, dass die entsprechenden Schutzgebiete förmlich ausgewiesen sein müssen.

Zu der nunmehr in Kraft befindlichen Fassung der Vorschriften führte schließlich ein Änderungsantrag, wonach die Wörter "und sonstigen nach § 33 Abs. 2 ausgewiesenen Schutzgebieten" durch die Wörter "und sonstigen Schutzgebieten im Rahmen des § 33 Abs. 2" ersetzt werden sollten. Insoweit hieß es zur Begründung: "§ 33 Abs. 2 ist keine unmittelbar geltende Bestimmung. Die Schutzgebiete im Sinne des § 33 Abs. 2 werden daher nicht 'nach § 33 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes', sondern nach landesrechtlichen Vorschriften ausgewiesen." (vgl. BT-Drs. 14/7490, S. 45; Hervorhebung durch den Senat). Auch insoweit zwingt die Gesetzgebungsgeschichte zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber bei der Regelung über die Verbandsklage und der fraglichen Beteiligungsvorschrift allein solche Schutzgebiete im Blick hatte, die nach landesrechtlichen Vorschriften förmlich ausgewiesen sind. Die vom Antragsteller hervorgehobene, in der Tat unscharfe Formulierung "im Rahmen des § 33 Abs. 2" hat ihren Grund allein in der Erkenntnis des Bundesgesetzgebers, dass es sich bei der in Bezug genommenen Vorschrift des § 33 Abs. 2 BNatSchG um bloßes Rahmenrecht handelt und dass die Ermächtigung für die nationale Unterschutzstellung dem jeweiligen Landesrecht zu entnehmen ist.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die hier vorgenommene Auslegung die Vorschrift leer laufen lassen würde; eine Unterschutzstellung in Form von Landschaftsschutzgebieten erscheint durchaus denkbar. Auch wird der Sinn und Zweck der Regelungen nicht verfehlt, wenn ihr Anwendungsbereich in der hier vorgenommenen Weise begrenzt wird.

Schließlich rechtfertigt das vom Antragsteller in Bezug genommene Urteil des OVG Rheinland-Pfalz (vom 9.1.2003 - 1 C 10187/01 -) keine andere Sichtweise. Denn diese Entscheidung betrifft die hier streitige Regelung über die Verbandsklage gerade nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil diese einen Antrag gestellt und sich so selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - folgt der Senat dem Ansatz des Verwaltungsgerichts, gegen den die Beteiligten nichts vorgebracht haben.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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