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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 1 D 5/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 3 Abs. 2
BauGB § 8 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 8 Abs. 4
BauGB § 10 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 31 Abs. 7
BauGB § 214 Abs. 2 Nr. 2
1. Tritt vor Ausfertigung und Veröffentlichung eines nach § 8 Abs. 4 BauGB beschlossenen vorzeitigen Bebauungsplans der Flächennutzungsplan in Kraft, entfällt die Genehmigungspflicht aus § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Es bedarf in diesem Fall nur dann einer neuen Abwägung und Be-schlussfassung durch den Gemeinderat, wenn die Umsetzung des Bebauungsplans unmöglich geworden ist oder sich das Abwägungsergebnis als nachträglich unausgewogen darstellt.

2. Ein Antrag auf Rückübertragung eines Grundstücks nach dem Vermögensgesetz führt nicht zur Offenkundigkeit der durch die Bauleitplanung berührten Belange des Anmelders. Dies gilt auch dann, wenn das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen und die den Bebauungsplan vorbereitende Verwaltung derselben Körperschaft angehören.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Normenkontroll-Urteil

Az.: 1 D 5/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 95/16 " -Siedlung" der Stadt Chemnitz, bekannt gemacht am 5.12.2001

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Döpelheuer und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 16. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Normenkontrollantrag ist gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Nr. 95/16 " -Siedlung". Dieser Bebauungsplan betrifft unter anderem die Grundstücke Gemarkung A. , Flurstück Nr. F1 mit einer Größe von 5.590 m2 und Flurstück Nr. F2 mit einer Größe von 10.750 m2, die zurzeit als Kleingartenanlage genutzt werden. Die Antragsteller sind Rechtsnachfolger des früheren Grundstückseigentümers E. W. D. . Dieser verließ 1951 die ehemalige DDR ohne Beachtung der Meldevorschriften, worauf sein Eigentum nach § 1 der Verordnung vom 17.7.1952 in Volkseigentum überführt wurde. Die Wohnungs- und Grundstücksverwaltung des Rates der Stadt Karl-Marx-Stadt und der K. schlossen am 11.8.1955 über die Grundstücke einen Pachtvertrag zur kleingärtnerischen Bewirtschaftung. In diesem wurde unter § 3 vereinbart, dass das Pachtverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen werde und beide Vertragsteile berechtigt seien, unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist zu kündigen.

Frau L. B. und Herr W. K. , die Rechtsnachfolger nach Herrn E. W. D. waren, stellten mit Schreiben vom 25.9.1990 einen Antrag auf Rückübertragung bei der Antragsgegnerin.

Am 24.3.1993 schloss die Antragsgegnerin mit dem S. über die Grundstücke einen Generalpachtvertrag zum Zweck der Weiterverpachtung.

Im Entwurf des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin, Stand Dezember 1994, wurden die Grundstücke ausgewiesen als Dauerkleingarten. Der Planungs- und Verkehrsausschuss der Antragsgegnerin fasste am 21.11.1995 einen Aufstellungsbeschluss zum Erlass des Bebauungsplans Nr. 95/16, der als vorzeitiger Bebauungsplan nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 BauGB ergehen sollte. Die Flächen der Flurstücke F1 und F2 wurden in das Plangebiet aufgenommen; Planungsziel war die "Ausweisung der Wohnbaufläche als allgemeines Wohngebiet und als reines Wohngebiet". In der Zeit vom 29.1.1996 bis 12.2.1996 wurden die Planungskonzepte öffentlich ausgelegt. Der Kleingartenverein B. nahm in einem Schreiben vom 10.2.1996 dahin gehend Stellung, dass die Kleingartenanlage in naher und ferner Zukunft erhalten bleiben müsse und deshalb als Dauerstandort für Kleingärten auszuweisen sei.

Durch Bescheide des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Antragsgegnerin vom 19.9.1996 und vom 23.10.1996 wurde die Rückübertragung der Flurstücke Nr. F1 und F2 an Frau L. B. verfügt. Sie legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein. Herr D. habe weder im Jahr 1949 einen Pachtvertrag abgeschlossen noch von irgendwelchen Pachtverträgen oder Pachtzahlungen gewusst.

Der Planungs- und Verkehrsausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 29.10.1996 Änderungen des Bebauungsplanentwurfs. Die Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 wurden als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung "Dauerkleingärtneranlage B. " festgesetzt. Die öffentliche Auslegung des Entwurfs zum vorzeitigen Bebauungsplan wurde am 15.11.1996 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht. Der Entwurf wurde in der Zeit vom 25.11.1996 bis 3.1.1997 öffentlich ausgelegt.

Im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 10.10.1997 wurde die 45. Sitzung des Stadtrates am 15.10.1997 bekannt gemacht. Als Thema wurde unter anderem benannt der Abwägungs- und Satzungsbeschluss zum vorzeitigen Bebauungsplan Nr. 95/16 " -Siedlung". In seiner Sitzung am 15.10.1997 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den vorzeitigen Bebauungsplan Nr. 95/16 " -Siedlung" als Satzung (Nr. 4). Der Oberbürgermeister wurde beauftragt, für den vorzeitigen Bebauungsplan die Genehmigung zu beantragen (Nr. 6). Die Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 wurden als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Dauerkleingarten festgesetzt. In der Begründung des Beschlusses wurde als allgemeines Planungsziel unter anderem die Festsetzung der Kleingartenanlage "B. " als Dauerkleingartenanlage auf den Flurstücken F1 und F2 der Gemarkung A. genannt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Entwicklung dieser Fläche zu Bauland nicht mehr Ziel der Planung sei. Der vorzeitige Bebauungsplan wurde damit begründet, dass die Antragsgegnerin durch Schaffung der planungsrechtlichen Grundlagen für privaten Eigenheimbau innerhalb des Stadtgebietes den landesplanerischen Vorgaben Rechnung tragen und dem Siedlungsdruck ins Umland begegnen wolle.

Der vorzeitige Bebauungsplan wurde dem Regierungspräsidium Chemnitz nicht zur Genehmigung vorgelegt.

Am 3.12.1997 ging ein Schreiben von Frau L. B. bei der Antragsgegnerin ein. In diesem erklärte sie ihren Widerspruch zum vorzeitigen Bebauungsplan mit der Begründung, dass die Flurstücke Nr. F1 und F2 mit der Absicht auf Bebauung gekauft worden seien und seit Anfang der dreißiger Jahre eine Straßenplanung für das gesamte Gebiet der " -Siedlung" existiert habe. Durch den Bebauungsplan werde ihr Land erheblich im Wert gemindert, zumal eine Bebauung auf Dauer unmöglich wäre. Deshalb bitte sie, ihr entweder eine gleich große und gleichwertige zur Bebauung zugelassene Fläche als Tausch zuzuweisen, von ihr die Fläche zum Baulandpreis zu erwerben oder ihr die Differenz zwischen heutigem Kleingartenpreis und heutigem Baulandpreis zu erstatten. Die Antragsgegnerin antwortete unter dem 18.12.1997, dass die Satzung erst mit ihrer Bekanntmachung rechtswirksam werde und vor diesem Zeitpunkt eine rechtliche Prüfung des Entschädigungsverlangens nicht möglich sei.

Frau L. B. verstarb am 14.7.1999 und wurde von den Antragstellern beerbt.

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 7.2.2001 einen Flächennutzungsplan, der die Flurstücke Nr. F3 und F2 als Dauerkleingarten auswies. Der Flächennutzungsplan wurde durch das Regierungspräsidium Chemnitz am 4.7.2001 genehmigt. Er wurde am 15.10.2001 ausgefertigt. Am 24.10.2001 wurde die Genehmigung im Amtsblatt bekannt gemacht.

Die Widersprüche von Frau L. B. gegen die Rückübertragungsbescheide wurden durch Widerspruchsbescheide des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 1.10.2001 zurückgewiesen.

Der Bebauungsplan wurde am 26.11.2001 unter Streichen der Bezeichnung "vorzeitiger" ausgefertigt und am 5.12.2001 - als nicht vorzeitiger Bebauungsplan - im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 49 bekannt gemacht. Unter dem 7.12.2001 wurden die erste Ausfertigung der Satzung mit Begründung und der Nachweis der Bekanntmachung dem Regierungspräsidium Chemnitz übersandt.

Die Antragsteller haben am 15.4.2003 Normenkontrollantrag gestellt.

Die Antragsteller tragen vor, es fehle eine Begründung hinsichtlich der Dringlichkeit der Bebauungsplanaufstellung nach Maßgabe des § 8 BauGB. Der Bebauungsplan Nr. 95/16 sei im Übrigen formell ordnungsgemäß ergangen, weise jedoch schwerwiegende materielle Mängel in einzelnen Abwägungsvorgängen auf, welche sich auch im Abwägungsergebnis niederschlügen. In den Festsetzungen des Bebauungsplans seien hinsichtlich der Bebaubarkeit sowie der Ausnutzung des Grundstücks im Abwägungsergebnis relevante Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 6 BauGB i.d.F.v. 27.7.2001 zu verzeichnen.

Entgegen der Annahme im Bebauungsplan und Flächennutzungsplan sei nicht von einer ständigen Nutzung als Dauerkleingartenanlage auszugehen gewesen. Vor dem Zweiten Weltkrieg habe für das Gebiet ein so genannter Bebauungsplan F existiert, der eine Bebaubarkeit der Grundstücke vorgesehen habe. Zwischen dem früheren Eigentümer D. und dem K. habe kein Pachtvertrag bestanden. Herr D. habe das Flurstück Nr. F1 , welches mit einem Gartenhaus bebaut sei, bis 1951 privat genutzt und nicht verpachtet. Das Flurstück Nr. F2 sei bis 1951 an einen Bauern zu dessen Nutzung verpachtet worden. Somit habe 1949 noch keine kleingärtnerische Nutzung stattgefunden. In dem Pachtvertrag vom 11.8.1955 sei ausdrücklich ausgeschlossen worden, dass eine Kleingarten-Daueranlage habe entstehen sollen. Aufgrund des Restitutionsantrages hätten die Absichten von Frau L. B. , die Grundstücke einer Wohnbebauung zuzuführen, bei der Antragsgegnerin als bekannt zu gelten. Es hätte sich aufdrängen müssen, dass die Eigentümerbelange mit abzuwägen gewesen seien. Eine Änderung bzw. Einschränkung der baulichen Nutzung eines Grundstücks begründe eine Abwägungserheblichkeit. Da eine Abwägung mit den Belangen aus dem Eigentumsgrundrecht unterblieben sei, liege ein Abwägungsfehler vor. Gerade die Ausweisung von Dauerkleingärten auf privaten Grundstücken bedürfe einer besonders sorgfältigen Abwägung. Die planende Gebietskörperschaft müsse insoweit hinreichende gewichtige öffentliche Belange anführen. Hierzu seien Erwägungen der Antragsgegnerin vollständig unterblieben. Die verspätete Erhebung der Einwendungen sei darauf zurückzuführen, dass die Rechtslage bis zur Bestandskraft der Restitutionsbescheide als extrem unsicher anzusehen gewesen sei. Die Antragsteller und ihre Rechtsvorgängerin hätten nicht mit Sicherheit davon ausgehen können, dass ihr Eigentum tatsächlich betroffen würde. Die Festsetzungen von Grünflächen nach § 1 Abs. 6, § 9 Nr. 15 BauGB i.V.m. dem Bundesnaturschutzgesetz zum Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft ausschließlich auf den im Privateigentum stehenden Grundstücken sei abwägungsdefizitär. Eine Abwägung im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht und die mit der Planung verbundenen Lasten sei völlig unterblieben.

Die Antragsteller beantragen,

den Bebauungsplan der Stadt Chemnitz Nr. 95/16 " -Siedlung", ausgefertigt am 26. November 2001, bekannt gemacht am 5. Dezember 2001, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass sie bei Aufstellung des Bebauungsplans die öffentlichen und privaten Belange nach § 1 Abs. 6 BauGB i.d.F.v. 27.7.2001 zutreffend gegeneinander abgewogen habe. Nach § 214 Abs. 3 BauGB sei für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgeblich. Die von der Planung berührten Belange seien zutreffend ermittelt und hinreichend in die Abwägung einbezogen worden. Die Grundstücke seien seit 1949 kleingärtnerisch genutzt worden und es habe keine bauliche Nutzung im Zeitpunkt der Beschlussfassung bestanden. Zudem habe die Rechtsvorgängerin der Antragsteller weder an der frühzeitigen Bürgerbeteiligung vom 29.1. bis 12.2.1996 noch an der Bürgerbeteiligung vom 25.11.1996 bis 3.1.1997 teilgenommen. Da sich die Bebaubarkeit der betroffenen Grundstücke in Anbetracht der jahrelangen kleingärtnerischen Nutzung nicht habe aufdrängen müssen, sei dieser Belang nicht abwägungserheblich gewesen. In den Findbüchern zu den Gemeinden O. und A. gebe es keine Hinweise auf einen Bebauungsplan F, der vor dem Zweiten Weltkrieg existiert haben solle. Auch sei bis zum 30.6.1991 kein Überleitungsverfahren nach § 246 a Abs. 4 BauGB bezüglich des Bebauungsplans F durchgeführt worden.

Die Festsetzung von Grünflächen mit der Zweckbestimmung Dauerkleingarten sei nicht zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft erfolgt, sondern zur Sicherung der Kleingartenanlage "B. ". Die Grundstücke der Antragsteller seien nicht mit Festsetzungen belastet worden, die die Wohnnutzung der übrigen Grundstücke erst ermöglichten.

Die verzögerte In-Kraft-Setzung des Bebauungsplans sei bedingt durch die Zusammenarbeit mit einem privaten Vorhabenträger. Dieser habe die überwiegende Zahl der Flurstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans durch Verträge gebunden. Auf Basis des Satzungsbeschlusses sei zwischen dem Vorhabenträger und der Antragsgegnerin über die Kostenverteilung für Maßnahmen der äußeren Erschließung des Plangebietes verhandelt worden. Wegen des plötzlichen Todes des Vorhabenträgers seien die Verhandlungen gescheitert. Zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sei bekannt gewesen, dass das Gebiet der -Siedlung ohne weitere kostenintensive Maßnahmen insbesondere der Verkehrserschließung und der Entwässerung nicht habe entwickelt werden können. Die In-Kraft-Setzung des Bebauungsplans sei 1997 unterblieben, da noch keine Sicherheit über den zeitlichen Ablauf der Baumaßnahmen sowie die zeitliche Abfolge ihrer Finanzierung bestanden habe. Daher habe eine Erwartungshaltung im Sinne einer unmittelbaren Baulanderschließung ohne Absicherung der erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen vermieden werden sollen. Umgekehrt sei 1997 ein Satzungsbeschluss notwendig gewesen, um die begleitenden Planungen für den Ortsteil A. auszulösen bzw. zu forcieren. Die erforderlichen Maßnahmen zum Straßen- und Sammlerbau seien durch die Antragsgegnerin im Schwerpunkt bis 2001 soweit durchgeführt worden, dass die Voraussetzungen für eine geordnete Entwicklung des Gebiets vorgelegen hätten. Der Ortsteil A. sei seit 2005 an den "Südverbund" angeschlossen. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans seien ca. 50 Häuser entlang der neuen Straße "A. " und in Verlängerung der M. straße errichtet worden. Der Bebauungsplan sei nach Wirksamkeit des Flächennutzungsplans in Kraft getreten, sodass eine Genehmigung nach § 10 Abs. 2 BauGB nicht erforderlich gewesen sei. Trotz des zeitlichen Abstandes zwischen Satzungsbeschluss und In-Kraft-Treten des Bebauungsplans sei von einem durchgehend einheitlichen Willen der Antragsgegnerin zur Entwicklung des Plangebietes auszugehen. Hierfür sprächen insbesondere die finanzierten und durchgeführten Baumaßnahmen und die Übereinstimmung mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.

I. Der Antrag ist zulässig. Die Antragsteller sind als Eigentümer von zwei im Plangebiet liegenden Grundstücken nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung kann aus einem Verstoß gegen das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Abwägungsgebot folgen, das hinsichtlich abwägungserheblicher privater Belange drittschützenden Charakter hat (BVerwG, Urt. v. 30.4.2004 - 4 CN 1.03 -, NVwZ 2004, 1120; BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, NJW 1999, 592). Die Antragsteller machen einen solchen Abwägungsfehler geltend, denn sie berufen sich darauf, die Antragsgegnerin habe bei ihrer Abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt, dass durch die Festsetzung als Dauerkleingartenanlage die Nutzungsmöglichkeiten der Eigentümer in erheblichem Maße eingeschränkt werden. Auch ist der Normenkontrollantrag innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.

II. Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bebauungsplan in seiner ausgefertigten und bekannt gegebenen Fassung ist in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig.

1. Es liegen keine Verfahrens- und Formfehler vor.

a) Entgegen der Behauptung der Antragsteller ist eine Begründung zum vorzeitigen Bebauungsplan ergangen. Weitere formelle Mängel werden von den Antragstellern nicht gerügt.

b) Der Bebauungsplan leidet nicht wegen Fehlens der Genehmigung des Regierungspräsidiums Chemnitz unter einem absoluten Verfahrensfehler nach § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Zwar bedurfte er ursprünglich - weil er als vorzeitiger Bebauungsplan i.S.v. § 8 Abs. 4 BauGB beschlossen wurde - nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Mit dem In-Kraft-Treten des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin am 24.10.2001 ist aber die Genehmigungspflicht für den Bebauungsplan nachträglich entfallen. Der Genehmigungsvorbehalt aus § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB dient der sonst auf der Ebene des Flächennutzungsplans erforderlichen Koordinierung staatlicher und gemeindlicher Interessen sowie der Kontrolle der planerischen Grundkonzeption. Da bei den genehmigungspflichtigen Bebauungsplänen die Entwicklung aus einem Flächennutzungsplan fehlt, werden die Grundzüge der städtebaulichen Planung hier erst im Bebauungsplan festgelegt. Damit ist die aufsichtliche Prüfung in diesen Fällen von besonderer Bedeutung (Gierke in: Brügelmann, BauGB, Stand Dezember 2005, § 10 RdNr. 106). Tritt jedoch zwischen Beschluss und Veröffentlichung des Bebauungsplans der - von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigte - Flächennutzungsplan in Kraft, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans nunmehr zusätzlich nach dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Da der Bebauungsplan den Festsetzungen des Flächennutzungsplans angepasst werden muss, ist eine Interessenkoordination und Einhaltung der genehmigten planerischen Grundkonzeption gewährleistet, ohne dass es noch einer Genehmigung des Bebauungsplanes bedarf.

c) Ein absoluter Verfahrensfehler nach § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist nicht deshalb gegeben, weil dem bekannt gemachten Bebauungsplan kein neuer und auf einen nicht vorzeitigen Bebauungsplan bezogener Ratsbeschluss zugrunde liegt. Nach der zur Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern nach § 215 Abs. 3 Satz 1 BauGB und § 215 a Abs. 2 BauGB i.d.F.v. 8.12.1986 entwickelten Rechtsprechung ist eine Gemeinde zwar nicht gehindert, bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage oder nach einem längeren Zeitablauf durch Neuplanung oder förmliche Planaufhebung von einer stecken gebliebenen Planung abzurücken, aber - weil es nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die Abwägung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan ankommt - nicht zu einer erneuten Abwägungsentscheidung und Wiederholung des Satzungsbeschlusses verpflichtet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich - ausnahmsweise - die Verhältnisse so grundlegend verändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist (BVerwG, Beschl. v. 25.2.1997, NVwZ 1997, 893 -; BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, DÖV 2001, 130). Überträgt man diese Grundsätze auf die Fallkonstellation, dass ein vorzeitig beschlossener Bebauungsplan vier Jahre lang nicht in Kraft gesetzt wird, weil sich die Realisierung der erforderlichen infrastrukturellen Maßnahmen als schwierig gestaltete, bedurfte es keiner neuen Abwägung und Beschlussfassung durch den Stadtrat der Antragsgegnerin. Es war weder die Umsetzung des Bebauungsplans unmöglich, noch stellte sich das Abwägungsergebnis als nachträglich unausgewogen dar.

2. Der Bebauungsplan ist materiell rechtmäßig.

a) Zwar verletzt er insoweit das Entwicklungsgebot aus § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB, als bei seinem Beschluss am 15.10.1997 noch kein Flächennutzungsplan existierte. Ein solcher Verstoß ist aber nach § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB, § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB i.d.F.v. 27.7.2001 unbeachtlich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die Festsetzungen des Bebauungsplans die sich aus dem am 24.10.2001 in Kraft getretenen Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist. Insbesondere weist der Flächennutzungsplan die Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 der Gemarkung A. ebenfalls als Dauerkleingarten aus.

b) Der von den Antragstellern geltend gemachte Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 6 BauGB i.d.F.v. 27.7.2001 (§ 1 Abs. 7 BauGB n.F.) liegt nicht vor. Dieses ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich der Belange in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (SächsOVG, NK-Urt. v. 30.9.2004 - 1 D 37/01 -, UA S. 20; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.9.2004 - 8 S 2392/03 -, NVwZ-RR 2005, 157). Dabei sind Mängel im Abwägungsvorgang nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (SächsOVG, NK-Urt. v. 30.9.2004 - 1 D 37/01 -, UA S. 20). Maßgeblich ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan.

Der Umstand, dass die Festsetzung der Dauerkleingartenanlage die Interessen der Rückübertragungsberechtigten berühren kann, stellt einen abwägungserheblichen Belang dar. Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zu diesen Belangen gehören nicht nur private Rechte, sondern auch alle nicht nur geringfügigen privaten (beispielsweise wirtschaftlichen) Interessen, die durch die Planung betroffen werden können (OVG Rh.-Pf., Urt. v. 29.9.2004, DÖV 2005, 483). Durch die Festsetzungen des Bebauungsplans können die Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 eine Wertminderung erfahren haben. Sie lagen zuvor - wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat - zumindest im weiteren Rahmen eines Bebauungszusammenhangs und hätten damit möglicherweise einer Wohnbebauung zugeführt werden können. Dies ist aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans nicht länger möglich. Die hiermit verbundene Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit durch die Restitutionsberechtigten hätte grundsätzlich bei der Abwägung Berücksichtigung finden müssen.

Der Rat der Antragsgegnerin musste den Interessen der Rückübertragungsberechtigten aber nicht bei seiner Abwägung Rechnung tragen. Es sind nur solche Belange in die Abwägung einzustellen, deren Beeinträchtigung während der Auslegung des Bebauungsplans nach § 3 Abs. 2 BauGB geltend gemacht wurde oder die offensichtlich sind, d.h. sich der planenden Behörde aufdrängen mussten (BVerwG, Urt. v. 13.9.1985, BRS 44 Nr. 20; BVerwG, Urt. v. 6.6.2002, NVwZ 2002, 1506). Die von Frau L. B. erhobenen Einwendungen waren verspätet. Sie wurden erst am 3.12.1997 und damit nach Erlass des Abwägungs- und Satzungsbeschlusses am 15.10.1997 erhoben, obgleich sowohl die Auslegung vom 25.11.1996 bis zum 3.1.1997 als auch die Beratung und Beschlussfassung am 15.10.1997 im Amtsblatt öffentlich bekannt gemacht worden waren. Somit wurden die Einwendungen nicht rechtzeitig gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht. Die Beeinträchtigung der Belange von Frau L. B. war für den Rat der Antragsgegnerin auch nicht ohne weiteres erkennbar. Es lag nicht offen zutage, dass die Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 , deren Verfügungsberechtigte die Antragsgegnerin war, in absehbarer Zeit im Wege der Restitution in Privateigentum übergehen würden. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung war das vermögensrechtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen. Die Kenntnis der Mitarbeiter des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Antragsgegnerin von dem Rückübertragungsverfahren war weder den Ratsmitgliedern noch der die Bauleitplanung vorbereitenden Dienststelle zuzurechnen, denn insoweit bestand keine Verpflichtung zum Informationsaustausch. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin zu 1) - wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - dem Leiter des Liegenschaftsamtes im Jahr 1993 mündlich von dem Restitutionsantrag ihrer Familie berichtet und noch weitere Gespräche bei der Antragsgegnerin über die Grundstücke geführt hat, lässt nicht darauf schließen, dass die Anmeldung im Jahr 1997 für den Rat der Antragsgegnerin und die den Beschluss vorbereitende Verwaltung offenkundig war. Diese waren auch nicht verpflichtet, sich von Amts wegen nach sämtlichen auf Grundstücke im Plangebiet angemeldeten vermögensrechtlichen Ansprüchen zu erkundigen und eigenständige Überlegungen über die Auswirkungen der Bauleitplanung auf die Vorstellungen und Ziele etwaiger zukünftiger Eigentümer anzustellen. Sinn und Zweck der öffentlichen Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 BauGB ist es gerade, die Satzungsgeber von einer solchen Prüfung zu befreien und die (angehenden) Eigentümer in die Lage und die Obliegenheit zu versetzen, selbst ihre Einwände gegen den Planentwurf zu äußern. Die Beteiligung der Bürger dient gerade auch dazu, Betroffenheiten zu ermitteln, die die planende Behörde nicht ohne weiteres erkennen kann (BVerwG, Urt. v. 13.9.1985, BRS 44 Nr. 20).

Ein Abwägungsfehler ist nicht darin zu sehen, dass eine möglicherweise vor dem Zweiten Weltkrieg bestehende Bauleitplanung für das Gebiet keine Beachtung gefunden hat. Diese ist nämlich im Hinblick auf die Grundstücke der Antragsteller nicht realisiert worden. Die Grundstücke dienten zumindest seit 1949 nicht der Wohnbebauung, sondern waren zunächst mit einem Gartenhaus bebaut bzw. an einen Landwirt verpachtet. Spätestens seit 1955 wurden sie durchgehend als Kleingartenanlage genutzt.

d) Wie aus der Begründung des Beschlusses vom 15.10.1997 hervorgeht, stellen die Flurstücke Nr. F1 und Nr. F2 keine naturschutzrechtlichen Ausgleichsflächen dar. Der in einer solchen Festsetzung von den Antragstellern gesehene Mangel liegt nicht vor.

4. Die Ausführungen der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 28.3.2006 geben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da sie den bisherigen Vortrag der Antragstellerseite lediglich wiederholen und vertiefen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F., der hier gemäß § 72 Nr. 1 GKG anwendbar ist. Dabei orientiert sich der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung an den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, nach dessen bei Antragseingang veröffentlichter Fassung von 1996 (Abdruck etwa in NVwZ 1996, 563) der Streitwert in Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne zwischen 10.000 DM und 100.000 DM anzusetzen ist (Streitwertkatalog 1996, Teil II Nr. 7.7). Unter Berücksichtigung der gegenüber dem Bebauungsplan von den Antragstellern geltend gemachten Wertminderung ihrer Grundstücke erscheint der aus dem Tenor ersichtliche Betrag angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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