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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 1 E 179/03
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 3 Abs. 1
GKG § 25
GKG § 13 Abs. 1
1. Eine im Namen des obsiegenden Beteiligten erhobene Streitwertbeschwerde, die auf eine Erhöhung des Streitwertes gerichtet ist, ist ausnahmsweise zulässig, wenn zwischen dem Beteiligten und ihrem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 BRAGO besteht und der obseigende Beteiligte danach aufgrund einer höheren Streitwertfestsetzung bei seinem Prozessgegner einen höheren Betrag liquidieren kann.

2. Die Höhe des Streitwertes bei Baueinstellungsverfügungen kann sich an der auf der Grundlage der Baukosten ermittelten Rendite des Bauvorhabens bemessen.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 E 179/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einstellung von Bauarbeiten

hier: Streitwertbeschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Franke und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. John

am 7. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 11. Februar 2003 - 3 K 1102/97 - geändert.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 240.000,- € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die ausdrücklich im Namen der Klägerin eingelegte Streitwertbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde der Klägerin ist ungeachtet der begehrten Erhöhung des Streitwertes ausnahmsweise zulässig.

Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Streitwertbeschwerde eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Da sich nach dem festgesetzten Streitwert die Höhe der Gerichtsgebühren (§ 11 Abs. 2 GKG) und der Rechtsanwaltskosten (§ 9 Abs. 1 BRAGO) richtet, kann ein Verfahrensbeteiligter durch die Streitwertfestsetzung grundsätzlich nur dann beschwert sein, wenn er kostenpflichtig und der Streitwert zu hoch festgesetzt ist (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v. 23.10.2003, - 1 E 186/03 -). Sein Beschwerdebegehren kann im Allgemeinen schutzwürdig nur auf eine Herabsetzung des Streitwertes gerichtet sein, um die ihm auferlegte Kostenlast zu mindern, nicht jedoch darauf, den Prozessgegner mit höheren Kosten zu belasten. Dagegen ist wegen einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung regelmäßig nur der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert, der dann aus eigenem Recht gemäß § 9 Abs. 2 BRAGO Beschwerde führen kann (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl, § 25 GKG, RdNr. 59).

Ausnahmsweise kann ein nicht kostenpflichtiger Verfahrensbeteiligter eine Erhöhung des Streitwertes dann begehren, wenn er mit seinem Prozessbevollmächtigten ein über das Gesetz hinausgehendes höheres Honorar nach § 3 Abs. 1 BRAGO vereinbart hat. Diese bisher vom Senat noch nicht entschiedene Frage ist nunmehr zu bejahen. In diesem Fall kann nämlich der obsiegende Verfahrensbeteiligte aufgrund einer höheren Streitwertfestsetzung bei seinem Prozessgegner einen höheren Betrag liquidieren und so zugleich seine eigene Zahlungsverpflichtung aus der Honorarvereinbarung mindern (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.9.1991, MDR 1992, 299; BayVGH, Urt. v. 4.11.1974, BayVBl., 1975, 541; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.12.1971, NJW 1972, 788). Soweit dem entgegengehalten wird, ein Verfahrensbeteiligter könne auch bei Vorliegen einer Honorarvereinbarung aus eigenem Recht keine Streitwerterhöhung begehren, weil anderenfalls das erhöhte Honorar auf einen Gegner abgewälzt werden würde, der sich bereits auf einen endgültig festgesetzten Streitwert eingerichtet habe und nicht mit einer Streitwerterhöhung nur deshalb rechnen müsse, weil sein Gegner einen teureren Anwalt beschäftigt habe (Hartmann, aaO, RdNr. 60), folgt der Senat dem nicht. Denn solange eine Streitwertfestsetzung nicht rechtskräftig geworden ist, müssen alle Verfahrensbeteiligten mit ihrer Abänderung in einem Beschwerdeverfahren (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG) oder von Amts wegen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG) rechnen.

Der zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten am 24.1.1996 abgeschlossene und als "Honorarvereinbarung" bezeichnete Vertrag über "die Rechtsberatung zur Betreuung des Bauprojektes 'A. in G. " ist eine Vereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Diese könnte nur dann nicht Grundlage für ein Begehren der Klägerin auf Festsetzung eines höheren Streitwertes sein, wenn die Tätigkeit, deretwegen die Klägerin eine Erhöhung des Streitwertes begehrt, bezogen auf die im Übrigen vom Anwalt geschuldete Leistung nur von untergeordneter und nebensächlicher Bedeutung wäre. Anhaltspunkte dafür, dass dem so ist, sind jedoch angesichts des vorprozessualen Tätigwerdens des Prozessbevollmächtigten in dieser Angelegenheit nicht ersichtlich.

Schließlich steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, dass die zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten abgeschlossene Vereinbarung nicht für dessen gerichtliches Tätigwerden gilt. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem zur Sache ergangenen Urteil vom 11.2.2003 die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Klägerin für das Vorverfahren für notwendig erklärt, so dass sie jedenfalls die insoweit auf sie entfallende Zahlungsverpflichtung aus der Honorarvereinbarung auf ihren Gegner abwälzen könnte.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert zu niedrig angesetzt.

Die Voraussetzungen für die Festsetzung des sog. Ersatzstreitwertes nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG liegen nicht vor, weil der Sach- und Streitstand genügend Anhaltspunkte für eine Bemessung des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag der Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache bietet.

Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 15.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 30.4.1997, mit dem der Beklagte der Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzuges die Einstellung der Tiefbauarbeiten für den Neubau von 10 Mehrfamilienhäusern in Form von Terrassenhäusern aufgegeben hatte. Nach dem Bauantrag vom 16.2.1994 sollte jedes Gebäude 8 Wohnungen mit einer gemeinsamen Wohnfläche von 528,56 qm aufweisen. Die Wohnungen sollten nach dem der Baugenehmigung beigefügten statistischen Erhebungsbogen als Eigentumswohnungen weiterveräußert werden; die Baukosten für jedes Gebäude waren hiernach auf 1.590.000,- DM veranschlagt.

Nach Ziffer II Nr. 7.3 des sog. Streitwertkataloges (abgedruckt bei Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Anh. § 164 RdNr. 14), dem der Senat regelmäßig folgt, bemisst sich der Streitwert bei Baueinstellungsverfügungen nach der Höhe des Schadens, des Ertragsverlustes oder der Aufwendungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist als Schaden nicht die Wertminderung des Baugrundstückes anzusetzen. Ebenso wenig sind die Aufwendungen für Planungs- und Vermessungsleistungen sowie Zinsschäden in die Berechnung einzustellen. Denn diese Schäden mögen zwar dadurch entstanden sein, dass das geplante Bauvorhaben nicht durchgeführt worden ist. Ursächlich hierfür war indes nicht die Baueinstellungsverfügung des Beklagten, sondern der Umstand, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan der Beigeladenen vom 11.10.1993 nach deren Vorbringen im Jahr 1996 wieder aufgehoben und damit der Durchführung des Bauvorhabens die rechtliche Grundlage entzogen worden ist. Darum geht es hier aber nicht. Durch die allein streitgegenständliche Baueinstellungsverfügung wäre lediglich eine zeitliche Verzögerung in der Bauausführung eingetreten, und allein die sich hieraus - etwa durch Verzögerungen beim Verkauf der Wohnungen - ergebenden Schäden können für die Festsetzung des Streitwertes maßgebend sein.

Nach der st. Rspr. des Senats (vgl. z.B. SächsOVG, Beschl. v. 14.6.2001, - 1 E 167/00 und 1 E 168/00 -) entspricht bei Baueinstellungsverfügungen der nach Ziffer II Nr. 7.3 des sog. Streitwertkataloges zu ermittelnde Schaden regelmäßig einem angedrohten Zwangsgeld, weil die Behörde die Höhe eines Zwangsgeldes an der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Ordnungspflichtigen zu orientieren hat. In Ermangelung einer derartigen Zwangsgeldandrohung im Bescheid des Beklagten vom 15.10.1996 bemisst der Senat den Schaden anhand der Rendite des Bauvorhabens, die nach Schätzung des Senats (vgl. § 287 ZPO) 3 % der Baukosten beträgt. Bei 10 geplanten Gebäuden mit Baukosten von je 1.590.000,- DM ergeben sich Gesamtbaukosten von 15.900.000,- DM, aus denen sich der festgesetzte Streitwert errechnet (vgl. auch ThürOVG, Beschl. v. 29.11.1999, NVwZ-RR 2000, 578, 580 zur Bemessung des Streitwertes bei der Baueinstellung vermieteter Gebäude anhand des Jahresnutzwertes).

Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung sind im Hinblick auf § 25 Abs. 4 GKG entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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