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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 06.08.2009
Aktenzeichen: 2 A 119/08
Rechtsgebiete: BhV, SächsBG


Vorschriften:

BhV § 5 Abs. 1
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 2
SächsBG a. F. § 99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 2 A 119/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Beihilfe

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn ohne mündliche Verhandlung

am 6. August 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. März 2006 - 11 K 3438/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Beamter im einstweiligen Ruhestand und begehrt die Bewilligung einer Beihilfe.

Zur Behandlung der bei ihm vorliegenden Krankheitsbilder Arteriosklerose, koronare Herzerkrankung und Fettstoffwechselstörung wurden dem Kläger hoch dosierte Vitaminpräparate verschrieben, u. a. mit ärztlichem Rezept vom 30.4.2002 das nicht als Arzneimittel zugelassene Präparat Preventec. Den unter dem 3.5.2002 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung einer Beihilfe lehnte der nach den Vorschriften des Gesetzes über den Kommunalen Versorgungsverband Sachsen (hier: in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.1.1997, SächsGVBl. S. 74) für die beklagte Stadt <leer handelnde (im Folgenden: Beklagte) mit Bescheid vom 13.5.2002 ab. Aufwendungen für vom Arzt verordnete Präparate, die keine Arzneimittel seien bzw. nicht zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt würden, seien nicht beihilfefähig.

Den hiergegen am 22.5.2002 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landratsamts vom 2.8.2002 mit Widerspruchsbescheid vom 4.8.2003 zurück. Das Präparat Preventec sei nicht beihilfefähig. Es sei geeignet, Güter des täglichen Bedarfs i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 4 BhV zu ersetzen, weil im Vordergrund der Einnahme die Zufuhr von Vitaminen und Spurenelementen stehe. Ein Beihilfeanspruch ergebe sich auch nicht aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, weil jedenfalls für die sonstige Behandlung der Erkrankungen des Klägers Beihilfe gewährt werde. Zudem habe die Beihilfe nur ergänzenden Charakter, weshalb Härten und Nachteile, die keine unzumutbare Belastung bedeuteten, hingenommen werden müssten. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 5.8.2003 zugestellt.

Am 4.9.2003 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Dresden, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholte und vertiefte. Die pharmazeutische Industrie stelle zur Behandlung seiner Erkrankungen keine geeigneten Arzneimittel zur Verfügung. Die Einnahme von Preventec werde ärztlich empfohlen und sei bei ihm medizinisch wirksam. Für die Beihilfefähigkeit komme es auf die Umstände des Einzelfalls an, nicht aber darauf, ob ein Präparat wissenschaftlich allgemein anerkannt sei. Die Beklagte trat der Klage entgegen und verteidigte den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid.

Mit Urteil vom 7.3.2006 - 11 K 3438/03 - wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Preventec sei kein Arzneimittel, es sei weder als solches zugelassen noch in der sogenannten "Roten Liste" aufgeführt. Auch der Hersteller sehe das Präparat nicht als chemisches Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel an. Unabhängig davon sei ein Präparat, auch ohne Arzneimittel zu sein, beihilfefähig, wenn von ihm nach objektiven Maßstäben eine therapeutische Wirkung zu erwarten sei. Dies sei der Fall, wenn die Therapie wissenschaftlich anerkannt oder deren Anerkennung zu erwarten sei. Davon könne hier gemäß der Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landratsamts vom 27.12.2001 nicht ausgegangen werden. Da nach dem Stand der Wissenschaft eine künftige Anerkennung der Therapie nicht zu erwarten sei, gebiete auch die Fürsorgepflicht nicht die ausnahmsweise Erstattung der Kosten.

Auf Antrag des Klägers hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 26.02.2008 - 2 B 262/06 - die Berufung zugelassen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, die Wirksamkeit von Preventec sei wissenschaftlich mehrfach nachgewiesen. Hierzu beruft er sich auf die ärztliche Bescheinigung vom 3.8.2006 und das ärztliche Attest vom 17.12.2001. Preventec werde in der ärztlichen Praxis eingesetzt und habe therapeutische Wirkung. Nach dem Stand der Wissenschaft bestehe die begründete Erwartung auf die wissenschaftliche Anerkennung der Therapie mit hoch dosierten Vitaminpräparaten zur Behandlung der bei ihm vorliegenden Krankheitsbilder. Die Einnahme von Cholesterinsyntheseesterase-Hemmern habe bei ihm zu gefährlichen Nebenwirkungen geführt, weshalb die Beklagte aus Fürsorgegründen verpflichtet sei, die Kosten des Präparats Preventec zu übernehmen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7.3.2006 - 11 K 3438/03 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des vom 13.5.2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 4.8.2003 zu verpflichten, dem Kläger für das Präparat Preventec eine Beihilfe in Höhe von 29,02 € zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führt sie aus, die Behandlung mit hoch dosierten Vitaminpräparaten zähle nicht zu den wissenschaftlich allgemein anerkannten Behandlungsmethoden. Mit ihrer Anerkennung sei auch nicht zu rechnen. Die Wirksamkeit der Therapie im Einzelfall, wie sie beim Kläger gegeben sei, genüge nicht.

Mit Beschluss vom 9.7.2008 hat der Senat zu der Frage, ob die Verabreichung hoch dosierter Vitaminpräparate, wie Preventec, zur Behandlung der Krankheitsbilder Arteriosklerose, koronare Herzerkrankung und Fettstoffwechselstörung eine wissenschaftlich anerkannte Therapie darstellt, sowie dazu, ob, sollte dies nicht der Fall sein, nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft die begründete Erwartung ihrer künftigen Anerkennung besteht, Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 11.12.2008 verwiesen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Dresden in den Verfahren - 11 K 3438/03 - und - 11 K 3213/03 - und die Behördenakten der Beklagten in diesen Verfahren sowie die Akten des Zulassungs- und Berufungsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, weil sich der Kläger und die Beklagte hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil das dem Kläger zur Behandlung seiner Erkrankungen Arteriosklerose, koronare Herzerkrankung und Fettstoffwechselstörung ärztlich verordnete Präparat Preventec nicht beihilfefähig ist.

Der Beihilfeanspruch des Klägers beurteilt sich gemäß § 14 Abs. 4 Sächsische Beihilfeverordnung - SächsBVO - vom 22.7.2004 (SächsGVBl. S. 347, zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.03.2008, SächsGVBl. S. 275) nach § 1 SächsBVO vom 29.6.1995 (SächsGVBl. S. 211). Danach sind für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen an Beamte, Richter, Ruhestandsbeamte und Richter im Ruhestand die jeweils für die Beamten des Bundes geltenden Verwaltungsvorschriften entsprechend anzuwenden. Dies ist vorliegend die ab dem 1.1.2002 geltende Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) i. d. F. vom 1.11.2001 (GMBl. 2001 S. 918).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 17.6.2004, DVBl. 2004, 1420) genügen die Beihilfevorschriften des Bundes als Verwaltungsvorschriften nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts, weil die wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen hat. Dies gilt auch, soweit die Beihilfevorschriften - wie hier - durch Verweisung unmittelbar geltendes Landesrecht sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2004, NVwZ 2005, 710). Gleichwohl ist für einen Übergangszeitraum, in dem der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Schaffung einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung nachkommen kann, von einer Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen. Dieser Zeitraum endet spätestens bei Ablauf der gegenwärtigen Legislaturperiode des Bundestags (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.5.2008, DVBl. 2008, 1193; Urt. v. 26.6.2008, NVwZ 2009, 472, 473), so dass die Beihilfevorschriften derzeit weiterhin anzuwenden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.2.2009, NVwZ 2009, 847; Senatsurt. v. 1.4.2009 - 2 A 86/08 - juris).

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. mit § 5 Abs. 1 BhV besteht ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für schriftlich verordnete Arzneimittel, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Über die Notwendigkeit und die Angemessenheit entscheidet die Festsetzungsstelle, die hierzu Gutachten des Amts- oder Vertrauensarztes einholen kann.

Das dem Kläger ärztlich verordnete Präparat Preventec ist kein Arzneimittel i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV und deshalb nicht beihilfefähig. Als Arzneimittel kommen grundsätzlich - und so auch hier - nur Mittel in Betracht, die dazu bestimmt sind, ihre Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung am oder im menschlichen Körper zu erzielen. Das deckt sich im Wesentlichen mit dem engeren Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetz - AMG -. Dieser ist zwar nicht ohne weiteres auf das Beihilferecht übertragbar, kann aber als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.1996, DVBl. 1996, 1149). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel i. S. d. § 2 Abs. 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LMFG -. Zu den Lebensmitteln zählen gemäß § 1 Nahrungsergänzungsmittelverordnung - NemV - vom 24.5.2004 (BGBl. I S. 1011) auch Nahrungsergänzungsmittel. Diese sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, enthalten ein Konzentrat von Nährstoffen, das sind Vitamine und Mineralstoffe einschließlich Spurenelemente, und werden in dosierter Form in den Verkehr gebracht.

Gemessen daran handelt es sich bei dem Präparat Preventec nicht um ein Arznei-, sondern um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels. Darauf hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: Bundesinstitut) in seiner vom Senat eingeholten Auskunft vom 11.12.2008 hingewiesen. Gemäß der zu den Akten gereichten Gebrauchsinformation des Herstellers bietet dieser das Präparat Preventec ausdrücklich nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittel) an. Von einer pharmakologischen Wirkung, das heißt davon, dass durch Preventec Krankheiten geheilt oder verhindert werden können, ist dort ebenfalls nicht die Rede. Letztlich hat auch der Kläger die fehlende Arzneimitteleigenschaft von Preventec im Berufungsverfahren nicht mehr in Abrede gestellt. Soweit er jedoch geltend macht, die Einnahme hoch dosierter Vitaminpräparate wie Preventec stelle eine wissenschaftlich anerkannte Therapieform zur Behandlung der Arteriosklerose, koronaren Herzerkrankung und Fettstoffwechselstörung dar, nach dem Stand der Wissenschaft sei zumindest aber ihre Anerkennung zu erwarten, weshalb die Beklagte aus Fürsorgegründen zur Erstattung der hierfür erforderlichen Aufwendungen verpflichtet sei, hat dies die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme nicht ergeben.

Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden ist - von Sonderfällen abgesehen - grundsätzlich mit der in § 99 SächsBG a. F. (entspricht § 45 BeamtStG) normierten und durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der Krankenvorsorge durch die Beihilferegelungen konkretisiert wird, vereinbar. Hinsichtlich der Beihilferegelungen im Einzelnen steht dem Normgeber bzw. Dienstherrn ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge bestimmen kann. Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in vollem Umfang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990, BVerfGE 83, 89, 98; BVerwG, Beschl. v. 28.11.1991, BVerwGE 89, 207, 209; Urt. v. 29.6.1995, ZBR 1996, 48). Die Fürsorgepflicht ist daher nicht durch die in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV vorgesehene Begrenzung der Beihilfe auf Aufwendungen verletzt, die dem Grunde nach notwendig und nach Umfang und Höhe angemessen sind. Zwar wird bei der Prüfung der Notwendigkeit regelmäßig der Beurteilung des Arztes zu folgen sein. Eine Ausnahme gilt jedoch für wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden. Beihilfen werden aus allgemeinen Steuergeldern finanziert, so dass es wegen des öffentlichen Interesses an deren effektiver und sparsamer Verwendung aus Sicht des Dienstherrn nicht ohne Belang ist, ob die von ihm (mit-)finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 a. a. O.).

Allerdings kann das Gebot des § 5 Abs.1 Satz 1 BhV, eine Beihilfe zu dem Grunde nach notwendigen Aufwendungen zu leisten, den Dienstherrn aus Fürsorgegründen ausnahmsweise dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Hierfür ist zumindest erforderlich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.3.1984, ZBR 1984, 306; Urt. v. 29.6.1995, a. a. O.; Urt. v. 18.6.1998, ZBR 1999, 25).

Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf das vorliegend im Streit befindlichen Präparat Preventec zur Behandlung der Erkrankung des Klägers an Arteriosklerose, koronarer Herzerkrankung und Fettstoffwechselstörung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.

Gemäß der Auskunft des Bundesinstituts vom 11.12.2008 werden in der medikamentösen Behandlung von Fettstoffwechselstörungen, die eine Arteriosklerose bedingen und zu vaskulären Erkrankungen wie z. B. einer koronaren Herzerkrankung führen können, die Cholesterinsyntheseesterase-Hemmer (Statine) derzeit als sogenannter Goldstandard, das heißt als in der Medizin allgemein anerkannte und maßgebende Behandlungsmethode, angesehen. Im Falle einer - wie vom Kläger behaupteten - Unverträglichkeit der Statine stehen weitere zugelassene Arzneimittel mit anderen Wirkstoffen zur Verfügung. Ob diese Arzneimittel beim Kläger überhaupt angewendet wurden und gegebenenfalls mit welchem Erfolg, kann dahinstehen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass sämtliche zur Behandlung der vorgenannten Erkrankungen des Klägers zur Verfügung stehenden Arzneimittel nicht eingesetzt werden können, scheidet eine Beihilfefähigkeit des Präparats Preventec aus, weil nach dem Stand der Wissenschaft jedenfalls keine begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung der Einnahme hoch dosierter Vitaminpräparate zur Behandlung dieser Erkrankungen besteht.

Bei der Auswertung epidemiologischer Studien habe sich, so das Bundesinstitut in seiner Auskunft, zwar ein positiver Zusammenhang zwischen der hohen Vitaminaufnahme und der Entstehung bzw. dem Verlauf verschiedener Erkrankungen, unter anderem der Arteriosklerose und der koronaren Herzerkrankung, gezeigt. Dieser Zusammenhang habe in klinisch kontrollierten Studien jedoch nicht nachgewiesen werden können. Als mögliche Gründe für diesen Widerspruch nennt das Bundesinstitut die Beeinflussung der epidemiologischen Studien durch verschiedene sozioökonomische Faktoren, wie gesündere Ernährungsgewohnheiten oder einen allgemein gesünderen Lebensstil der in die Untersuchung einbezogenen Bevölkerungsteile. Auch nicht erfasste Nahrungsbestandteile oder Behandlungsmethoden könnten die in den epidemiologischen Studien sichtbaren positiven Effekte bewirkt haben. Vor diesem Hintergrund stellen hochdosierte Vitaminpräparate, die, wie das Präparat Preventec, die von der Deutschen Gesellschaft für Ernähung e. V. angegebenen Reverenzwerte für Vitamine und Mineralstoffe für Erwachsene am Tag um ein Mehrfaches übersteigen, so das Bundesinstitut abschließend, nach heutigem Erkenntnisstand keine wissenschaftlich anerkannte Therapieform zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen, Arteriosklerose oder koronarer Herzerkrankung dar. Eine solche Anerkennung ist, so das Bundesinstitut weiter, auch nicht zu erwarten. Angesichts des, wie vorstehend dargelegt, Vorhandenseins etablierter medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten müsste eine neue Therapie in klinisch kontrollierten Studien ihre Überlegenheit bzw. Nichtunterlegenheit gegenüber diesen Behandlungsmethoden anhand sogenannter harter primärer Endpunkte, wie kardiovaskoläre Sterblichkeit oder Schlaganfallrisiko, nachweisen. Solche Nachweise gibt es nicht. Mit ihrer Erbringung ist auch nicht zu rechnen, nachdem ein Zusammenhang zwischen der Aufnahme hoch dosierter Vitaminpräparate und dem Verlauf von Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Fettstoffwechselstörungen durch klinisch kontrollierte Studien bislang nicht belegt ist.

Der vom Kläger geltend gemachte Beihilfeanspruch lässt sich ferner nicht mit der Begründung auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 99 SächsBG stützen, ein Ausschluss der Beihilfe für das in Rede stehende Präparat verletze diese in ihrem Wesenskern. Zum beihilferechtlichen Kernbereich der Fürsorgepflicht gehört, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sicherstellt. Er muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.2008 a. a. O.).

Davon, dass die Aufwendungen für das Präparat Preventec die wirtschaftliche Lebensführung des Klägers so einschränken, dass sie nicht mehr alimentationsgerecht ist, ist hier schon deswegen nicht auszugehen, weil die geltend gemachten Aufwendungen verhältnismäßig gering sind. Diese belaufen sich nach dem Rezept vom 30.4.2002 für eine Packung von 100 Kapseln auf 46,46 €. Nach Abzug des Selbstbehalts gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV in Höhe von 5,00 € entspricht dies bei einem Beihilfebemessungssatz von 70 v. H. einem erstattungsfähigen Betrag von 29,02 €. Die vom Kläger in einem Jahr selbst zu tragenden Kosten für das Präparat Preventec betragen somit 116,08 €. Unter diesen Umständen erweist sich der Ausschluss der Beihilfefähigkeit für das Vitaminpräparat Preventec wegen dessen fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung als mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht vereinbar. Der Maßstab des danach medizinisch Gebotenen wird auch sonst nicht unterschritten. Denn eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung der beim Kläger bestehenden Herz- und Gefäßerkrankungen sowie der Fettstoffwechselstörung ist, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 4.8.2003 - vom Kläger unbeanstandet und durch die Aktenlage bestätigt - ausgeführt hat, gewährleistet, weil Beihilfe zwar nicht für die insoweit ärztlich verordneten Vitaminpräparate, aber für die ärztlichen Leistungen und ärztlich verordneten Arzneimittel gewährt wird.

Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29,02 € festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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