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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 2 B 145/03
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG


Vorschriften:

GG Art. 16a Abs. 2
AsylVfG § 26a
AsylVfG § 51 Abs. 1
Einem schicksalhaft, irreversibel homosexuellen iranischen Staatsbürger, droht im Falle der Rückkehr in den Iran jedenfalls dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung, wenn den Behörden dessen homosexuelle Neigung und Betätigung bereits vor der Rückkehr in den Iran bekannt ist und deshalb damit zu rechnen ist, dass sein Verhalten im Iran einem gesteigerten Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse ausgesetzt sein wird.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: A 2 B 145/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigter und Abschiebungsschutz

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Enders aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2004

am 5. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beteiligten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15. November 2000 - A 7 K 32574/96 -, soweit es den Kläger betrifft, geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 AuslG hinsichtlich des Iran vorliegen. Ziff. 2 bis 4 des Bescheides der Beklagten vom 25. Oktober 1996 wird hinsichtlich des Klägers aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung des Beteiligten zurückgewiesen.

Hinsichtlich des Klageverfahrens tragen die Beklagte 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Kläger 1/12 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Im Übrigen tragen der Kläger und die Beklagte ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Das Klageverfahren ist gerichtskostenfrei.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten und der Beteiligte zu 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1964 in Teheran geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben sowie den Angaben seiner Ehefrau reiste er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen beiden am 1988 und 1990 geborenen Kindern am 1996 mittels eines Direktfluges von Teheran nach Frankfurt/Main in die Bundesrepublik ein. Die Einreise sei unter Mithilfe eines Schleppers und unter Benutzung eines für die ganze Familie ausgestellten gefälschten Passes, der andere, den Klägern nicht bekannte Namen enthalten habe, erfolgt.

Am 19.7.1996 stellten die Kläger einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 24.7.1996 führte der Kläger aus, er habe im Iran als Abteilungsleiter bei der staatlichen Telekom gearbeitet. Je nach Schicht hätten ihm eine oder zwei Personen unterstanden. Im September 1995 habe er u.a. den Auftrag erhalten, Telefongespräche, die von bestimmten Telefonnummern ausgegangen seien, zu überwachen und sie dann, wenn sie interessant bzw. für eine Verfolgung wesentlich gewesen seien, auf Kassette aufzunehmen. Die zu überwachenden Telefonnummern habe ihm sein Vorgesetzter benannt. Seiner Verpflichtung, die Nummern sofort an seine Mitarbeiter weiterzugeben, sei er zunächst nicht nachgekommen. Vielmehr habe er nach Dienstschluss die ihm genannten Telefonnummern gewählt und den jeweiligen Inhaber der Nummer darüber informiert, dass die Anschlüsse überwacht würden. Erst danach habe er die Nummern an seine Mitarbeiter weitergegeben. Am 17.2.1996 sei dem Kläger und seinem Amtsleiter mitgeteilt worden, dass eine Person bei Verhören ausgesagt habe, sie sei anonym über die Überwachung ihrer Telefonnummer informiert worden. Der Kläger habe deshalb Angst gehabt, dass seine Mitarbeiter befragt würden, wann er ihnen jeweils die zu überwachende Telefonnummern weitergegeben habe. Es hätte ermittelt werden können, dass manchmal eine erhebliche Zeitspanne zwischen der Information des Klägers und der Weitergabe der Nummern an seine Mitarbeiter gelegen habe. Er habe deshalb das Amt sofort verlassen. Zuhause habe er seiner Ehefrau mitgeteilt, dass er in Schwierigkeiten geraten sei und zu einem engen Freund gehen werde. Dort habe er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten. Drei Tage später habe ihm seine Ehefrau telefonisch mitgeteilt, dass eine Ladung seitens des Amtes eingegangen sei. Dieser Ladung sei er nicht gefolgt. Beim nächsten Telefonat - seine Ehefrau habe beide Telefonate von einer Telefonzelle ausgeführt - habe seine Ehefrau ihm mitgeteilt, dass das Haus gestürmt und die Wohnung komplett durchsucht worden sei. Nach ca. zwei Wochen sei ein Schreiben des Amtes eingegangen, dass er entlassen sei. Anfang Mai 1996 habe ihm seine Ehefrau mitgeteilt, dass erneut Beamte nach seinem Aufenthalt gefragt hätten. Deshalb habe er den Beschluss gefasst, außer Landes zu gehen. Gewarnt habe er die Personen deshalb, weil er während seines Militärdienstes an der Front sehr stark verletzt worden sei. An der linken Hand habe ihm ein Finger amputiert werden müssen, auch habe er noch viele Bomben- bzw. Granatsplitter in seinem Körper. Der Staat habe ihn aber nicht unterstützt. Er habe sich deshalb auf diese Weise rächen wollen. Seine Ehefrau habe ihr Grundstück verkauft, um die Ausreise finanzieren zu können.

Mit Bescheid vom 25.10.1996 lehnte die Beklagte die Asylanträge des Klägers sowie seiner Ehefrau und seiner Kinder ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG nicht vorlägen. Zudem erging die Aufforderung zur Ausreise binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides, im Falle der Anfechtung desselben binnen eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, und die Androhung der Abschiebung in den Iran oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet ist, falls sie die Einreisefrist nicht einhielten. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Schilderung des Kläger und seiner Ehefrau hinsichtlich ihrer Einreise in die Bundesrepublik. Auch den Angaben zu dem angeblichen Verfolgungsschicksal könne nicht geglaubt werden.

Zur Begründung der am 1.11.1996 erhobenen Klage wurde zunächst geltend gemacht, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger nicht auf dem Luftweg eingereist und die geltend gemachten Vorfluchtgründe unglaubwürdig seien. Darüber hinaus lägen Nachfluchtgründe vor. Der Kläger sei Mitglied der Organisation Iranischer Konstitutionalisten (OIK). Der Kläger reichte eine ärztliche Bescheinigung der Diplommedizinerin H. vom 2.7.1997 vor, aus der sich ergibt, dass im Röntgenbild der Brustorgane des Klägers zahlreiche metalldichte Teilchen, wahrscheinlich Granatsplitter, zu erkennen seien. Weiter wurde geltend gemacht, der Kläger habe jeden Monat die Sitzungen des OIK in verschiedenen sächsischen Städten besucht. Im Jahre 1998 sei er Chef für das Kultur- und Demonstrationswesen in Sachsen geworden. Am 26.9.1998 sei er als Mitglied des Bezirksrates der Partei gewählt worden. Aufgrund seines Wohnungswechsels nach Köln im Januar 1999 habe er dieses Amt aufgeben müssen. In den Jahren 1997 bis 1999 habe er an sieben Demonstrationen vor der iranischen Botschaft in Bonn und an einer Demonstration vor dem Auswärtigen Amt in Bonn teilgenommen. In dem nach einem Anwaltswechsel eingegangenen Schriftsatz des neuen Prozessbevollmächtigten vom 14.4.2000 wurde erstmals geltend gemacht, der Kläger sei außerdem homosexuell. Schon im Alter von neun Jahren habe er einen gleichaltrigen Freund gefunden, mit dem er ein Liebesverhältnis gehabt habe. Diese Freundschaft, die beide aufgrund der islamischen Sittengesetze strikt geheimgehalten hätten, habe bis 1978 gedauert, da der Freund dann weggezogen sei. Später habe er für einige Monate eine weitere Liebesbeziehung zu einem Mann unterhalten, mit dem er sich auch sexuell betätigt habe. In den acht Jahren vor seiner Ausreise habe er einen weiteren festen Partner gehabt. Im Alter von 22 Jahren habe er geheiratet. Wie üblich hätten die Eltern beider Seiten die Partnerwahl und die Heirat miteinander vereinbart, ohne die Eheleute in die Entscheidung mit einzubeziehen. Er selber habe realisiert, dass er seine Frau nicht begehren und ihre Wünsche nach einem sie liebenden Mann nicht erfüllen könne. Eine gemeinsame Sexualität sei für ihn eine Art Verpflichtung gewesen. Nach der Geburt der beiden Söhne habe er sich sterilisieren lassen, da er der gesellschaftlichen Erwartung nach Kindern nachgekommen sei und einer Verschlimmerung seiner ohnehin schon großen Belastung durch weitere Kinder habe zuvorkommen wollen. In Köln habe er Kontakt zu Gruppen der homosexuellen Szene aufgenommen und wichtige Kontakte gefunden. Seit 1999 besuche er regelmäßig die sogenannte "Binats-Gruppe", eine Selbsthilfegruppe unter dem Dach des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland. Insoweit wurde eine Bescheinigung vorgelegt. Anfang 1999 habe er mit seiner Ehefrau ein offenes Gespräch über seine Homosexualität führen können. Seitdem lebten sie in getrennten Zimmern. Seit Februar 2000 unterhalte er eine feste homosexuelle Partnerschaft mit dem als Zeugen benannten C. S. . Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die einem Homosexuellen im Iran bei einer Rückkehr drohende Todesstrafe als politische Verfolgung zu werten. Der Kläger hat ein fachwissenschaftliches Attest des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. , Klinikum der J. -Universität F. , Institut für Sexualwissenschaft, vom 27.1.2000 vorgelegt. Hiernach sei der Kläger zweifelsfrei homosexuell. Die vom Kläger geschilderte Lebensgeschichte beschreibe, dass es ihm auch unter der Bedrohung durch die Todesstrafe nicht möglich gewesen sei, auf sexuelle Kontakte mit Männern zu verzichten. Es sei davon auszugehen, dass sich dieses Bedürfnis auch in der Zukunft nicht werde ändern können. Die Eheschließung sei nicht mit dem Ziel erfolgt, durch eine Scheinehe die Homosexualität vor der Umwelt zu verbergen, vielmehr habe sie sich vor dem kulturellen Hintergrund seines Herkunftslandes außerhalb seiner eigenen Entscheidungsmacht vollzogen. Sie stelle die Homosexualität natürlich in keiner Weise in Frage. Bei einer Rückkehr in den Iran sei davon auszugehen, dass der Kläger die seiner sexuellen Orientierung entsprechenden Triebbedürfnisse ungeachtet der ihn drohenden gesellschaftlichen und staatlichen Sanktionen ausleben müsse. Der Kläger hat Bescheinigungen des OIK sowie des Lesben- und Schwulenverbandes hinsichtlich seiner politischen Aktivitäten im Rahmen dieser Organisationen sowie zur Glaubhaftmachung der Luftwegeinreise Bestecke, Gewürze und Servietten der Iran-Air sowie eine Plastiktasche, die die Kinder auf dem Flug nach Deutschland im Flugzeug erhalten hätten, vorgelegt. Der Kläger sei auch Mitarbeiter der Organisation Demokratischer Iraner in Köln und habe für diese in der Zeitschrift Talash einen Artikel gegen die islamische Republik Iran und gegen Chatami geschrieben; die Zeitschrift wurde nebst einer Übersetzung des Artikels vorgelegt. Am 2.7.2000 habe der Kläger an der Christopher Street Day Parade in Köln mit seiner Gruppe "Schwule Väter Köln" teilgenommen. In der Zeitschrift Homan Nr. 16/2000 habe er einen Artikel über sich und seine Homosexualität geschrieben und sich damit weltweit geoutet. Die Zeitschrift, die nebst einer Übersetzung des Artikels vorgelegt wurde, werde in London veröffentlicht und weltweit vertrieben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger Angaben dazu gemacht, wann sich zum ersten Mal seine homosexuelle Veranlagung gezeigt hat und wie sein Leben im Hinblick auf diese sexuelle Orientierung bis heute verlaufen ist.

Mit Urteil vom 15.11.2000 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 25.10.1996 insoweit aufgehoben, als er den Kläger betrifft, und die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran beim Kläger vorlägen. Die Klagen der Kläger zu 2 bis 4 wurden abgewiesen. Der Asylanspruch des Klägers sei nicht schon durch die Drittstaatenregelung ausgeschlossen. Das Gericht sei aufgrund der genauen Angaben zur Flugzeit und der Fluggesellschaft sowie durch die Vorlage von Utensilien, die die Kläger während des Fluges erhalten hätten, zu der Überzeugung gelangt, dass die Einreise auf dem Luftweg erfolgt sei. Der Kläger habe einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter wegen seiner homosexuellen Veranlagung, da diese im Falle eines weiteren Verbleibens im Iran oder bei einer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung in Form einer drakonischen Strafe zur Folge gehabt hätte bzw. haben würde. Hinsichtlich der Ehefrau und der Kinder des Klägers seien Asylgründe nicht geltend gemacht worden. Die Gewährung von Familienasyl gemäß § 26 AsylVfG scheide aus, da der Kläger bislang nicht unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden sei.

Auf Antrag des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 7.2.2003 - A 2 B 790/00 - die Berufung zugelassen.

Zur Begründung der Berufung führt der Beteiligte aus, die Einlassungen des Klägers und seiner Ehefrau zur Einreise unter Meidung eines sicheren Drittstaates seien als für die diesbezüglich nötige Überzeugungsgewissheit nicht ausreichend einzustufen, so dass der Kläger bereits deshalb nicht als Asylberechtigter anerkannt werden könne. Die Beklagte habe eine verfolgungsbedingte Ausreise verneint. Auch das Verwaltungsgericht habe eine solche nicht festzustellen vermocht. Im Urteil werde vielmehr ausdrücklich ausgeführt, die ursprüngliche Asylbegründung sei offenbar frei erfunden. Eine einschlägig irreversibel die Persönlichkeit prägende und bereits im Iran gelebte Veranlagung sei bislang wohl schwerlich ausreichend dargelegt. Für Außenstehende werde sich kaum erschließen, dass der Kläger im Iran nur aus gesellschaftlichem Druck eine Ehe eingegangen sei, wenn aus dieser Beziehung zwei Kinder hervorgegangen seien. Nachdem es im Iran offenbar zu keinerlei einschlägigen Schwierigkeiten bis zur Ausreise gekommen sei, scheine es dem Kläger, so er sich nicht völlig homosexuellen Handlungen enthalten habe, vielmehr im nötigen Maße möglich gewesen zu sein "unauffällig" zu bleiben. Wenn nun unter dem erleichternden Einfluss einer freiheitlichen Grundordnung wie im Bundesgebiet das Bekennen zur irreversiblen Veranlagung offen möglich sei, müsse sich die Rechtsfrage stellen, wie sich derlei in die Begrifflichkeit der objektiven und subjektiven Nachfluchtgründe einordne bzw. ob und inwieweit dann für die Frage eines etwaigen Asylanspruchs die Grundsätze gemäß § 28 Satz 1 AsylVfG, zumindest entsprechend, Anwendung zu finden hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setze das Asylgrundrecht von seinem Tatbestand her grundsätzlich den kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus. Bei subjektiven Nachfluchttatbeständen könne eine Asylberechtigung in aller Regel nur in Betracht gezogen werden, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstelle. Nachdem es keinen Zweifeln begegnen dürfte, dass die Umsetzung einer sexuellen Orientierung in aller Regel willentlich beeinflussbar sei und hier zudem nach den objektiv erkennbaren Gegebenheiten das klägerische Verhalten im Iran auch so ausgerichtet gewesen sein müsse, dass er nicht "auffällig" wurde, dürften die aus Sicht des Verwaltungsgerichts gegebenen Verfolgungsgründe im vorstehenden Sinne als solche subjektiven erscheinen, die eine Asylanerkennung nicht zu begründen vermögen. Nach der aktuellen Quellenlage müsse zudem zweifelhaft sein, dass bereits wegen einer irreversiblen homosexuellen Prägung ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko bestehe. Insbesondere sei, soweit es die Gefahr der Todesstrafe betreffe, nicht erkennbar, dass die insoweit bestehenden besonderen Beweisanforderungen wesentlich gelockert worden wären. Eine asylerhebliche Gefährdung sei nach der Rechtsprechung allein bei einer derart irreversibel die Persönlichkeit prägenden Veranlagung anzunehmen, dass es nach Rückkehr in den Iran gewissermaßen zwangsläufig zu homosexuellen Beziehungen käme und zudem zu erwarten stehen müsse, dass dies auch bekannt werde. Eine entsprechend irreversibel die Persönlichkeit prägende Veranlagung des Klägers sei bislang vorliegend jedoch nicht erkennbar geworden.

Der Beteiligte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15.11.2000 - A 7 K 32574/96 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beteiligten zurückzuweisen.

Er macht zunächst geltend, die Berufung sei vom Beteiligten unter Missbrauch seines gesetzlichen Auftrags erhoben worden und deshalb unzulässig. Weiter führt er aus, das Verwaltungsgericht sei aufgrund des klaren und detaillierten Sachvortrages und der vorgelegten Beweismittel in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Recht davon ausgegangen, dass die Einreise auf dem Luftweg erfolgt sei. Der Beteiligte gehe zudem von falschen Voraussetzungen aus, wenn er behaupte, der Kläger habe erst nach seiner Ausreise seine sexuelle Orientierung nach außen erkennbar gelebt. Seine irreversible Homosexualität sei ausführlich beschrieben und insbesondere mit einem fachwissenschaftlichen Attest belegt. Der Kläger lebe seine Veranlagung bereits seit weit über 25 Jahren. Seit seinem Aufenthalt in Deutschland habe er es verinnerlicht und gelebt, seine Homosexualität auch offensiv zu vertreten, nach außen zu tragen und auch in den gegebenen politischen Kontext zu setzen. Insoweit trete er nicht nur optisch nach außen als solcher in Erscheinung, sondern in diesem Zusammenhang auch politisch, indem er u.a. in der Gruppe Homan (Gruppe Iranischer Homosexueller) aktiv sei und einen Artikel über sich und seine Homosexualität auch im Zusammenhang mit dem Iran in der Zeitschrift Homan veröffentlicht habe. Der seit seiner Jugend homosexuell veranlagte und sich betätigende Kläger könne seine sexuelle Orientierung nicht willentlich beeinflussen, erst recht nicht im Sinne einer Enthaltsamkeit. Er sei derart irreversibel in seiner persönlichen Veranlagung geprägt, dass es nach seiner Rückkehr in den Iran gewissermaßen zwangsläufig zu homosexuellen Beziehungen käme. Wenn man vom Kläger sexuelle Enthaltsamkeit verlangte, würde man ihn darüber hinaus zum bloßen Objekt erniedrigen. Soweit der Beteiligte auf ein zumutbares Eigenverhalten zur Abwendung einer eventuellen Verfolgungsgefahr verweise, gehe dies ebenfalls fehl. Die Forderung zur Enthaltsamkeit sei verfassungswidrig und mit dem Kern des deutschen Asylrechts nicht zu vereinbaren. Anfang Oktober 2001 habe die iranische Regierung ein "unbarmherziges Vorgehen" gegen "unislamische Frauen und Schwule" angekündigt. Ein von schwuler Kundschaft besuchtes Internetcafé in Teheran sei geschlossen und in den vergangenen Monaten seien Schwule im Iran zu Tode gesteinigt oder gepeitscht worden. Insoweit wird auf anliegende Ausschnitte der deutschen Zeitung Box und der iranischen Zeitung Kayhan verwiesen. Der Kläger habe die Organisation "Irangays" in Köln gegründet. Er habe in verschiedenen Zeitungen, insbesondere den Zeitungen Queer und GayCityCom für die Organisation geworben. Für die Organisation Homan habe er das internationale Netzwerk mit dem Ziel organisiert, die persönlichen, sozialen und legalen Rechte iranischer Schwuler, Lesben, Bi- und Transsexueller zu verteidigen. Aufgrund der aktiven und auch internationalen Betätigung des Klägers sei davon auszugehen, dass er inzwischen auch den iranischen Behörden sehr bekannt sei, zumal es sehr wenige iranische Staatsbürger gebe, die sich insoweit outen. In den Zeitungen Eurogay und GayCityCom jeweils vom April 2003 seien Artikel über den Kläger erschienen, in denen dieser mit Foto abgebildet und mit vollem Namen genannt werde. Die Zeitschriften wurden übersandt. Gemäß einer Stellungnahme des Leiters der Beratungsstelle des Sozialwerks für Lesben und Schwule e.V. Köln vom 31.3.2003 besteht kein Zweifel an der irreversiblen Homosexualität des Klägers. Weiter hat der Kläger einen Brief der Schwester seiner Ehefrau nebst Übersetzung vorgelegt. In diesem heißt es u.a., es kursierten Gerüchte darüber, dass H. A. homosexuell geworden und einem solchen Verein beigetreten sei, dass er sich von seiner Ehefrau getrennt habe und dass seine Ehefrau dies psychisch sehr belastet habe. Der Vater, die Mutter und die Brüder des Klägers hätten gedroht, allen, d.h. dem Kläger, seiner Ehefrau sowie den Kindern, etwas anzutun. Der Kläger hat weiter eine Erklärung seines Cousin M. A. G. vom 20.10.2003 vorgelegt, gemäß der ihr gemeinsamer Onkel ihm im Sommer 2002 erklärt habe, seine Familie "kenne keinen H. mehr" und "H. sei nicht mehr mit ihnen verwandt". Weiterhin habe er gehört, dass die Eltern des Klägers drohten, sie würden ihn anzeigen, wenn er in den Iran kommen sollte. Im Iran bedeute eine Anzeige wegen Homosexualität eine große Bedrohung, da dafür die gesetzliche Todesstrafe vorgesehen sei. Der Kläger könne nicht mehr anonym bleiben, da die Tatsache seiner Homosexualität sich herumgesprochen habe und nun bekannt sei.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger unter anderem ausgeführt, sich seiner Ehefrau gegenüber im Jahre 1999 als homosexuell offenbart zu haben. Seit dieser Zeit lebten sie getrennt, die Scheidung sei eingereicht. Die Kinder seien bei seiner Ehefrau. Der Kläger hat zudem ein Exemplar der taz nrw Köln vom vorgelegt, in der ein Artikel über ihn enthalten ist, der mit seinem Bild versehen ist und in dem sein voller Namen genannt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Bundesamtes sowie auf die Gerichtsakten verwiesen. Diese Unterlagen sowie die den Beteiligten bekanntgegebenen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Nach § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO konnte der Senat auch ohne die in der mündlichen Verhandlung ausgebliebene Beklagte verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Terminsladung hingewiesen worden war.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das vom Beteiligten eingelegte Rechtsmittel nicht im Hinblick auf den Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.2000 - 2 BvR 143/98 - (NVwZ-Beilage I 3/2001 S. 28) unzulässig. Die dort in Frage stehenden Probleme hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist stellen sich hier nicht. Der Beteiligte war aufgrund einer Generalbeteiligungserklärung am Klageverfahren beteiligt und hat rechtzeitig einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung hat er eine Divergenz des Urteils mit der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht. Damit wird der Beteiligte seiner ihm gesetzlich obliegenden Aufgabe, auf eine einheitliche Entscheidungspraxis der Gerichte hinzuwirken sowie Fragen grundsätzlicher Bedeutung einer ober- oder höchstrichterlichen Klärung zuzuführen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2000, aaO), gerecht.

II.

Die Berufung des Beteiligten ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht den Kläger als Asylberechtigten anerkannt hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, da das Verwaltungsgericht zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran bejaht hat.

1. Ein Asylanspruch des Klägers nach Art. 16a Abs. 1 GG scheidet aufgrund der Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG aus. Der Senat ist aufgrund der Schilderung des Klägers sowie den Angaben seiner Ehefrau vor dem Bundesamt nicht davon überzeugt, dass der Kläger wie von ihm behauptet, auf dem Luftweg eingereist ist. Der Einreiseweg bleibt vielmehr unaufklärbar. In diesem Falle trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sichern Drittstaates nach Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist zu sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.6.1999 - 9 C 36.98 -, NVwZ 2000, 81).

a) Der Kläger hat vor dem Bundesamt angegeben, die Maschine der Iran-Air sei am 1996 in Mehrabad um 8.00 Uhr iranischer Zeit gestartet. Die Flugdauer habe 4 1/2 Stunden betragen. Die Ankunft sei noch am 1996 erfolgt. Ein iranischer Schlepper habe sie bis Deutschland begleitet, sie hätten insges. 5 Mio. Toman bezahlt. Der benutzte Reisepass sei auf andere Personalien ausgestellt gewesen. Diese Personalien konnte der Kläger nicht angeben. Er hat ausgeführt, er habe den Pass erst kurz vor Flugbeginn vom Schlepper in die Hand bekommen und habe sich im Reisepass nicht kundig machen dürfen. Erst eine halbe Stunde vor Flugbeginn seien sie vom Schlepper mit einem Auto zum Flughafen gebracht worden. Bei der Abfertigung am Flughafen Mehrabad habe es keine Probleme gegeben, es sei alles ganz normal abgelaufen. Sie seien zum Zollamt und anschließend zum Flieger gegangen. Eine viertel Stunde später hätten sie bereits im Flugzeug gesessen. Die Bordkarte und das Flugticket habe ihnen der Schlepper wieder abgenommen. Ein kleiner Koffer sei ganz normal als Gepäckstück aufgegeben worden; dort befinde sich aber jetzt kein Aufkleber. Er könne aber z.B. ein Handtuch von der Fluggesellschaft bzw. auch Spielzeug, das die Kinder während des Fluges bekommen hätten, nachweisen; diese Dinge befänden sich allerdings bei einem Freund. Die Flugnummer kenne er nicht mehr, da er im Stress gewesen sei. Sie hätten auf den vier Sitzplätzen in der Mitte gesessen; die Sitzplatznummer wisse er nicht mehr. Der Schlepper sei in der gleichen Reihe, allerdings neben der Vierergruppe gesessen. Auf die Frage, warum sie nicht sofort am Flughafengelände von Frankfurt einen Asylantrag gestellt haben, erklärte der Kläger, der Schlepper habe sie bis außerhalb des Flughafengeländes begleitet. Als sie die Flughafenhalle verlassen hätten, habe er ihnen die Reisepässe und die Flugtickets wieder abgenommen. Er habe gesagt, er habe seine Schuldigkeit getan. Daraufhin hätten sie eine Schulfreundin seiner Ehefrau in Köln angerufen. Diese habe ihnen ihre Adresse gegeben. Daraufhin seien sie mit dem Zug nach Köln gefahren. Die Ehefrau des Klägers gab u.a. an, man könne nicht sagen, dass sie den Reisepass erhalten hätten. Er sei die gesamte Zeit beim Schlepper verblieben. Sie selbst habe den Reisepass erst in Frankfurt auf dem Flughafen gesehen. Der Schlepper habe sie bei der Flugreise begleitet. In Mehrabad sei eine ganz normale Abfertigung erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 6.6.2000 wurden Bestecke, Gewürze und Servietten der Iran-Air übersandt, mit Schriftsatz vom 6.9.2000 eine Kinderplastiktasche.

In den mündlichen Verhandlungen vor der Verwaltungsgericht und dem Senat hat der Kläger keine weiteren Angaben gemacht.

b) Aufgrund dieser Angaben ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger wie von ihm behauptet auf dem Luftweg eingereist ist.

Der Sachverhalt ist insoweit nicht weiter aufklärbar, da der Kläger und seine Ehefrau keine nachprüfbaren Angaben gemacht haben, an die weitere Ermittlungen anknüpfen könnten. Der Kläger hat weder die Flugnummer noch die Namen, auf die der gefälschte Reisepass ausgestellt worden sein soll, genannt. Für Ermittlungen durch Nachfragen beim Flughafen oder der Fluggesellschaft fehlt es deshalb an konkreten Anknüpfungspunkten. Auch hat der Kläger Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen nicht aufgezeigt.

Aufgrund der Angaben des Klägers und seiner Ehefrau ist der Senat vom Wahrheitsgehalt der Angaben der Kläger nicht überzeugt. Gegen den Wahrheitsgehalt der Schilderung spricht zunächst das Fehlen nachprüfbarer Angaben. Weiter ist es nicht plausibel, dass der Kläger die Namen, auf die der Reisepass ausgestellt gewesen sein soll, nicht kannte. Denn in diesem Falle besteht die Gefahr aufzufallen, wenn er angesprochen wird und seinen eigenen Namen nicht kennt, vielmehr erst den Schlepper fragen muss. Zur Übergabe des Reisepasses stimmen zudem die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau nicht überein. Ein Grund dafür, warum der Schlepper die Flugunterlagen nach Abschluss des Fluges wieder an sich genommen hat und warum der Kläger diese ihm ausgehändigt hat, wird nicht genannt. Schließlich sind die Angaben zur Ausreise über den Flughafen Mehrabad mit der Auskunftslage nicht zu vereinbaren. Der Kläger will mit seiner Familie erst eine halbe Stunde vor der Abflugzeit von dem Schlepper mit dem Auto abgeholt worden sein. Gemäß dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.4.1997 (S. 20) - gleiches gilt nach dem Lagebericht vom 29.5.1996 (S. 18) - können die Ausreiseformalitäten binnen zwei bis drei Stunden vor Abflug erledigt werden. Der Pass wird dort durch Sicherheitskräfte, Passbehörde und Informationsministerium überprüft. Die Dienstbehörden tauschten ihre am Flughafen zur Kontrolle eingesetzten Beamten ständig aus, um die Möglichkeit von Bestechungsabsprachen unter diesen zu verhindern. Eine Ausreise mit gefälschten Papieren sei angesichts der bestehenden Kontrolldichte äußerst schwierig. Dennoch habe das Auswärtige Amt wiederholt aus zuverlässigen Quellen erfahren, dass die Ausreise mit gefälschten Papieren möglich ist und praktiziert wird. Der Kläger und seine Ehefrau haben jedoch nicht von Besonderheiten berichtet. Sie haben vielmehr ausgeführt, am Flughafen sei alles ganz normal abgelaufen. Dies ist indes insbesondere angesichts der von den Klägern gemachten Zeitangaben nicht plausibel. Nicht als Beweis angesehen werden kann die Vorlage von Gegenständen der Iran-Air. Es ist völlig unproblematisch, in den Besitz dieser Gegenstände zu kommen; dies setzt nicht voraus, selber geflogen zu sein.

2. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iran.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich allerdings weder aus den vom Kläger geltend gemachten Vorfluchtgründen noch aus der exilpolitischen Betätigung des Klägers im Rahmen der monarchistischen Opposition. Hinsichtlich der Vorfluchtgründe ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht und der Beklagten vom Wahrheitsgehalt der Schilderung nicht überzeugt. Hinsichtlich der exilpolitischen Betätigung fehlt es an der erforderlichen Exponiertheit (vgl. etwa Urt. des Senats v. 30.6.2003 - A 2 B 77/03 -).

b) Dem Kläger droht jedoch bei Rückkehr in den Iran deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung, weil er im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.3.1998 - 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143 = InfAuslR 1988, 230 und Urt. v. 17.10.1989 - 9 C 25.89 -, NVwZ-RR 1990, 375) irreversibel homosexuell ist und durch sein öffentliches Outing ein gesteigertes Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse der iranischen Behörden herbeigeführt hat.

aa) Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Bestrafung irreversibler, schicksalhafter Homosexualität politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG dar, wenn die Untersagung einverständlicher homosexeller Betätigung unter Erwachsenen im Heimatland des Asylsuchenden nicht allein aus Gründen der dort herrschenden öffentlichen Moral erfolgt, sondern wenn der Asylbewerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland - erstens - für seine Person in die Gefahr gerate, mit schweren Leibesstrafen sowie der Todesstrafe belegt zu werden, und - zweitens - mit deren Verhängung und Vollstreckung auch seine homosexuelle Veranlagung getroffen werden solle.

In tatsächlicher Hinsicht ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der dortige Kläger sich bei einer Rückkehr in den Iran einer strafbaren homosexuellen Betätigung aller Voraussicht nach nicht enthalten werde, weil er sich einer solchen Betätigung gar nicht enthalten könne. Die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwartende homosexuelle Betätigung eines solchen Asylbewerbers werde den iranischen Strafverfolgungsbehörden aller Voraussicht nach auch bekannt werden, so dass der dortige Kläger ernsthaft befürchten müsse, mit dem Tode bestraft zu werden. Die diesem in seiner Person bei einer Rückkehr in den Iran in absehbarer Zeit entweder sogleich oder im Anschluss an mehrmalige Auspeitschungen drohende Todesstrafe sei als politische Verfolgung zu werten. Ungeachtet des Umstandes, dass die im Iran bestehenden Verbote einverständlicher homosexueller Betätigung unter Erwachsenen als solche die Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral bezwecken, müsse aufgrund der gegenwärtigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Iran angenommen werden, dass derjenige, der sich infolge seiner schicksalhaften homosexuellen Prägung nicht an die bestehenden Verbote hält, durch Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe auch in seiner homosexuellen Veranlagung als einer asylrechtlich erheblichen Eigenschaft getroffen werden solle. Hierfür sei die "hadd-Strafe" (Todesstrafe), von der der Richter nicht abweichen dürfe, schon für sich allein ein Indiz. Sie sei nicht bloß in einem von der Rechtsordnung der Bundesrepublik noch hinnehmbaren Maße besonders streng, sondern offensichtlich unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt schlechthin unangemessen zur Ahndung eines Verstoßes gegen die öffentliche Moral. Bereits dies deute darauf hin, dass mit der Verhängung und tatsächlich auch praktizierten Vollstreckung der Todesstrafe mehr beabsichtigt sei als nur die Ahndung einer Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit. Das Berufungsgericht habe zudem dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, dass in Abweichung vom traditionellen islamischen Beweisrecht und im Gegensatz zu anderen ebenfalls mit der Todesstrafe bedrohten Verstößen gegen die öffentliche Moral speziell zum Nachweis homosexueller Betätigung das "eigene Wissen" des Richters als neues Beweismittel eingeführt worden sei. Diese Regelung könne als weiteres wesentliches Indiz dafür gewertet werden, dass mit der Strafverfolgung gerade desjenigen, der sich homosexuell betätigt hat, Absichten verfolgt werden, die über die Ahndung einer Verletzung der öffentlichen Moral hinausgehen.

bb) Die heutige Rechtslage und Rechtspraxis hinsichtlich der Verfolgung Homosexueller im Iran unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen, die den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegt.

Gemäß dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.6.2003 (S. 18) wird die Homosexualität zwischen Männern im Iran strafrechtlich verfolgt (Art. 108 bis 106 iranStGB), allerdings nicht die Neigung als solche, sondern die Durchführung homosexueller Handlungen. Art. 110 des iranStGB sieht dabei als Regelstrafe die Todesstrafe vor. Geringere Strafen sind vorgesehen für Minderjährige, bestimmte sexuelle Handlungen und für den Fall, dass die vollen Beweisanforderungen für die Todesstrafe nicht erbracht werden können. Urteile, die sich auf die genannten Vorschriften des iranStGB stützen, sind selten. Wegen der genau vorgeschriebenen Beweisverfahren, deren detaillierte Erfordernisse nur in seltenen Fällen erfüllbar sind, und wegen der mangelnden Transparenz des iranischen Gerichtswesens ist aber keine eindeutige Aussage darüber möglich, in welchem Umfang und mit welcher Intensität strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen wegen Homosexualität betrieben werden. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass das islamisierte Sexualstrafrecht oft zu politischen Zwecken eingesetzt wird oder auch im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen Privatleuten als Druckmittel benutzt wird. Eine Vollstreckung der Todesstrafe wegen Homosexualität ist dem Auswärtigen Amt seit Jahren nicht mehr bekannt geworden. Das UNHCR spreche sich allerdings in seiner Stellungnahme zur Verfolgungssituation Homosexueller im Iran vom Januar 2002 dagegen aus, dass eine "scheinbare Toleranz der iranischen Behörden" gegenüber Homosexualität das Bestehen der Todesstrafe als eine nur theoretische Gefährdung erscheinen lässt. Im Lagebericht vom 20.4.1999 (S. 18) heißt es, soweit der Beobachtung von ausländischer Seite zugänglich, scheine es in engen Grenzen einen gewissen, behördlicherseits geduldeten Freiraum für homosexuelle Betätigung zu geben. Doch gelte dies nur unter der schwerwiegenden Einschränkung, dass die Behörden jederzeit oder auch Privatpersonen durch Anzeigen die drakonischen Strafgesetze in Anwendung bringen können.

Ähnliche Ausführungen enthalten die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Aachen vom 7.12.2000, an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 24.6.1999, an das Verwaltungsgericht München vom 16.6.1999 und an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 11.6.1999. In der Auskunft an das Verwaltungsgericht München vom 13.10.2000 heißt es allerdings, nach dem islamischen StGB werde eine homosexuelle Handlung bei Erfüllung aller Beweisanforderungen mit dem Tode bestraft. Dem Auswärtigen Amt sei bekannt geworden, dass Urteile in derartigen Fällen vollstreckt wurden.

Nach der Stellungnahme des UNHCR zur Verfolgungssituation Homosexueller in der islamischen Republik Iran vom Januar 2002 sind homosexuelle Handlungen im Iran generell verboten und unterliegen einem strengen Strafregime. Art. 110 iranStGB sieht für den Sexualverkehr zwischen Männern die Hinrichtung vor. Art. 121 iranStGB setzt eine Strafe von 100 Peitschenhieben für beischlafähnliche Handlungen fest. Wird ein Mann dreimal gemäß dieses Artikels verurteilt und jedesmal die Strafe ausgeführt, so wird beim vierten Mal die Hinrichtung verhängt (Art. 122 iranStGB). Liegen zwei nicht blutsverwandte Männer ohne Notwendigkeit nackt unter einer Decke, so sieht Art. 123 iranStGB eine Bestrafung von bis zu 99 Peitschenhieben vor. Ein Mann, der einen anderen aus Leidenschaft küsst, wird gemäß Art. 124 iranStGB mit 60 Peitschenhieben bestraft. Gemäß Art. 114 bis 126 iranStGB gelten homosexuelle Handlungen als bewiesen, wenn entweder ein viermaliges Geständnis vor dem Richter abgelegt wird, Zeugenaussagen von vier unbescholtenen Männern vorliegen oder durch Heranziehen des eigenen Richterwissens. Gemäß Art. 110 iranStGB entscheidet der Richter, wie die Hinrichtung durchzuführen ist. Die Rechtsprechung im Iran kann nicht als objektiv betrachtet werden, sondern gilt als von der Regierung abhängig und unterliegt religiösen Einflüssen. Weiter wird über zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlung während der Haft, insbesondere der Untersuchungshaft berichtet, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Geständnisse auf diese Weise erzwungen werden. Die Zahl der Hinrichtungen im Iran gilt weiterhin als hoch. Von Anfang des Jahres 2001 bis August 2001 seien dem Special Representative of the Commission on Human Rights 60 Hinrichtungen bekannt geworden. Ungefähr ein Drittel dieser Hinrichtungen hätten in der Öffentlichkeit stattgefunden. Nach Kenntnissen des UNHCR stamme die jüngste bekannt gewordene Hinrichtung durch Steinigung wegen wiederholter homosexueller Handlungen und Ehebruch aus dem Jahre 1995. Lokale Zeitungen berichteten allerdings immer wieder von Hinrichtungen Homosexueller. Aufgrund einer fehlenden systematischen Beobachtung der Menschenrechtssituation im Iran könne allerdings nicht bestätigt werden, ob die betroffenen Personen allein aufgrund homosexueller Handlungen verurteilt und hingerichtet oder ob zusätzliche Anklagen erhoben wurden. Im Hinblick auf die Vielzahl von Hinrichtungen und Auspeitschungen im Iran sei nicht auszuschließen, dass hierunter Personen aufgrund ihrer Homosexualität getötet oder mit Peitschenhieben bestraft werden. Vor diesem Hintergrund sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die homosexuellen Handlungen betreffenden Strafvorschriften nur theoretische Bedeutung haben. Aus Sicht des UNHCR sei es unangebracht, das Bestehen der Todesstrafe mit Argumenten, wie die hohe Beweislast und die angeblich geringe Zahl von Hinrichtungen ließen auf eine scheinbare Toleranz seitens der iranischen Behörden schließen, nur als theoretische Gefährdung anzusehen. Insbesondere unter Berücksichtigung der anderen Straftatbestände ließen sich aus diesem Umstand keine Anhaltspunkte für eine nicht stattfindende systematische Verfolgung ziehen.

Nach der Stellungnahme von amnesty international an das Verwaltungsgericht München vom 5.7.2000 wird Homosexualität im Iran gem. Art. 108 bis 113 iranStGB mit dem Tode bestraft. Falls es nicht zum Geschlechtsverkehr komme, sei eine Bestrafung zu Peitschenhieben möglich (Art. 121 bis 124). Nach vorliegenden Erkenntnissen werde die Todesstrafe für Homosexualität im Iran nach wie vor vollstreckt. Da die Beweisanforderungen aber sehr hoch sind, dürfte es nur selten zu einer Verurteilung wegen homosexueller Handlungen kommen. amnesty international lägen nur wenige Berichte aus jüngerer Zeit über Hinrichtungen aus diesem Grunde vor. Im Januar 1993 seien in Sandjan drei "verdorbene Personen wegen schändlicher homosexueller Betätigung" zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Am 11.8.1997 habe die Zeitung Salam berichtet, dass in Teheran ein Mann namens ... wegen mehrerer Delikte, darunter auch mehrfachen homosexuellen Vergehen an Jugendlichen, zum Tode verurteilt und hingerichtet worden sei. Homosexualität werde in der iranischen Gesellschaft aufs Schärfste verurteilt und geächtet. Repressionen gegen diese Personen würden von offizieller Seite nicht nur geduldet, sondern auch gefördert.

Nach der Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts an das Verwaltungsgericht München vom 22.12.2000 wurde lange nichts mehr von Strafvollstreckungen wegen Homosexualität gehört. Es scheine hier eine gewissen Entspannung gegeben zu haben, auch wenn nach wie vor Homosexualität ein totales Tabu in der iranischen Gesellschaft ist und die de lege lata bestehenden Strafen nach wie vor gelten. Homosexualität sei im Iran weit verbreitet, teilweise deshalb, weil es schwierig und ohne Heirat für die meisten Leute nicht möglich sei, ihre geschlechtlichen Bedürfnisse auf "normale" Weise zu befriedigen.

In Auswertung der vorgenannten Auskünfte lässt sich feststellen, dass homosexuelle Handlungen nach dem iranStGB nach wie vor unter bestimmten Voraussetzungen mit der Todesstrafe zu bestrafen sind und dass der Nachweis einer homosexuellen Betätigung weiterhin durch das "eigene Wissen" des Richters erbracht werden kann. Eine konsequente Politik der Verfolgung Homosexueller im Iran ist nicht festzustellen. Allerdings haben die homosexuelle Handlungen betreffenden Strafvorschriften nicht nur theoretische Bedeutung. Der Senat geht deshalb davon aus, dass einem irreversiblen, schicksalhaft Homosexuellen, der sich im Falle einer Rückkehr in den Iran einer strafbaren homosexuellen Betätigung aller Voraussicht nach nicht enthalten wird, weil er sich einer solchen Betätigung gar nicht enthalten kann, im Falle der Rückkehr in den Iran jedenfalls dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung droht, wenn den iranischen Behörden dessen homosexuelle Neigung und Betätigung bereits vor der Rückkehr in den Iran bekannt ist und deshalb damit zu rechnen ist, dass sein Verhalten im Iran einem gesteigerten Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse ausgesetzt sein wird (vgl. zu im Iran bereits wegen homosexueller Handlungen vorverfolgten iranischen Staatsangehörigen OVG Bremen, Urt. v. 9.2.2000 - 2 A 441/98.A -, zitiert nach juris). Da die vorgenannten besonderen Voraussetzungen, wie nachfolgend dargelegt, bei dem Kläger vorliegen, bedarf es hier keiner Entscheidung, ob ein irreversibel homosexueller iranischer Staatsbürger, der sich im Iran bereits in unauffälliger Weise homosexuell betätigt hat und unverfolgt ausgereist ist und dessen Verhalten in Deutschland kein gesteigertes Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse der iranischen Behörden hervorgerufen hat, im Falle der Rückkehr in den Iran deshalb vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, weil er dort seine Homosexualität in gleicher Weise wie vor seiner Ausreise unauffällig ausleben kann. cc) Der Kläger ist im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts irreversibel, schicksalhaft homosexuell. Insoweit kann dahinstehen, ob für diese Feststellung bereits das fachwissenschaftliche Attest des Dr. G. vom 27.1.2000 genügt und welche Bedeutung der Stellungnahme des Leiters der Beratungsstelle des Sozialwerks für Lesben und Schwule e.V. Köln vom 31.3.2003 beizumessen ist. Denn die im Attest und in der Stellungnahme getroffenen Feststellungen werden bestätigt durch das Verhalten des Klägers in Köln. Wie im Tatbestand im Einzelnen aufgeführt, hat sich der Kläger in vielfältiger, sehr massiver und außenwirksamer Weise, insbesondere durch verschiedene Berichte in Zeitschriften, als homosexuell geoutet. Der Senat geht davon aus, dass sich eine nicht irreversibel homosexuell veranlagte Person nicht in dieser Weise outen würde.

Das massive Outing des Klägers sowohl in persischsprachigen als auch in deutschen Medien, das großenteils auch eine (exil)politische Dimension hat, weil die Politik des iranischen Staates gegenüber Homosexuellen angeprangert wird, begründet ein gesteigertes Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse der iranischen Behörden. Im Falle einer Rückkehr in den Iran wird es dem Kläger deshalb nicht mehr wie vor seiner Ausreise möglich sein, seine homosexuelle Veranlagung in unauffälliger Weise auszuleben. Der Kläger ist deshalb im Falle seiner Rückkehr in den Iran vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran zusätzlich durch die von ihm behaupteten und durch Hilfsbeweisanträge unter Beweis gestellten Drohungen von Familienangehörigen gefährdet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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