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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 2 B 215/09
Rechtsgebiete: VwGO, SächsLVOPol


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
SächsLVOPol § 17 Abs. 5
Zu den Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung zur Aufstiegsausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 215/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Widerruf der Zulassung zur Aufstiegsausbildung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 23. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Januar 2009 - 11 L 1925/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Aus den von ihm dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt hat. Der Antragsteller hat keinen Anspruch nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 18.12.2008 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.12.2008. Dieser Bescheid, mit welchem die Zulassung des Antragstellers zur Aufstiegsausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst widerrufen und die sofortige Vollziehung angeordnet wurde, erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.

1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung den formellen Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entspricht.

Danach ist das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Pflicht zur Begründung soll der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.9.2001- 1 DB 26/01 - juris; Beschl. v. 31.1.2002 - 1 DB 2/02 - juris) und des erkennenden Senats (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 14.8.2000 - 2 BS 221/00 -; Beschl. v. 19.8.2003 - 2 BS 250/03 -; Beschl. v. 16.12.2003 - 2 BS 336/03 - und Beschl. v. 26.5.2004 - 2 BS 173/04 -) ist dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung nicht bereits dann Genüge getan, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Nicht ausschlaggebend ist allerdings, ob sich die angegebenen Gründe im weiteren Verfahren als zutreffend erweisen oder nicht.

Dem wird die hier vorliegende Begründung gerecht. Der Antragsgegner hat in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt, durch das dem Antragsteller zur Last gelegte Verhalten sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherren beeinträchtigt. Außerdem würden die Bediensteten der sächsischen Polizei und die Öffentlichkeit keinerlei Verständnis aufbringen, wenn einem Polizeibeamten, dem ein Verstoß gegen elementarste Dienstpflichten vorgeworfen werde, auch nur vorübergehend die weitere Teilnahme an einer in besonderem Maße förderlichen Personalmaßnahme gewährt werde, für die der Antragsgegner finanzielle, materielle und personelle Aufwendungen tätige. Hierbei handelt es sich um auf den Einzelfall bezogene, nicht nur formelhafte Erwägungen des Antragsgegners, welche insgesamt hinreichend schlüssig, konkret und substantiiert sind.

2. Ferner hat das Verwaltungsgericht den Widerrufsbescheid zutreffend als rechtmäßig erachtet.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Laufbahn der Polizeibeamten des Freistaates Sachsen (SächsLVOPol) vom 22.11.1999 (SächsGVBl. S. 799) können Beamte des mittleren Polizeivollzugsdienstes zur Aufstiegsausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zugelassen werden, wenn sie nach ihren fachlichen Leistungen, Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit hierfür in besonderem Maße geeignet erscheinen. Nach § 17 Abs. 5 SächsLVOPol kann das Staatsministerium des Innern die Zulassung zur Aufstiegsausbildung widerrufen, wenn sich der Beamte als ungeeignet erweist. Für die Frage der Geeignetheit ist auf die Anforderungen der laufbahntypischen Aufgaben abzustellen. Ein Beamter ist nur dann uneingeschränkt geeignet, wenn er dem gesamten Aufgabensprektrum seiner Laufbahn gewachsen ist (vgl. Woydera/Summer/ Zängl, SächsBG, Stand Juni 2007, § 12 Anm. 3a). In diesem Sinne zeichnen sich die Dienstposten des vom Antragsteller angestrebten gehobenen Polizeivollzugsdienstes regelmäßig durch die Wahrnehmung von Vorgesetztenfunktionen aus. Von den Stelleninhabern wird in verstärktem Maße erwartet, dass sie der damit verbundenen Vorbildfunktion gerecht werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.1.1998 - 3 M 26/97 - juris).

Daran gemessen sind sowohl der Antragsgegner im angefochtenen Bescheid als auch das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller aufgrund der beiden ihm zur Last gelegten Vorkommnisse für die Übernahme in den gehobenen Polizeivollzugsdienst nicht geeignet ist. Der erste Vorfall, der den Gegenstand des rechtskräftigen Strafbefehls vom 9.8.2008 bildet, ist durch das Schreiben des Antragstellers vom 28.6.2007 an das Ordnungsamt der Stadt belegt. Darin bezeichnete der Antragsteller die Mitarbeiter des Ordnungsamtes als "übereifrige Büttel", die in ihrer Behörde "ruhig weiter wursteln" sollten. Der zweite Vorfall, ebenfalls Gegenstand eines - später nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten - Strafverfahrens, ist durch die Einlassung des Antragstellers in der Hauptverhandlung belegt. Der Antragsteller äußerte demzufolge am 5.8.2007 während eines Einsatzes gegenüber einem Beteiligten, dieser könne in sein "Scheiß-Russland" zurückkehren, wenn ihm die Vorgehensweise des Antragstellers nicht passe.

Die geschilderten Verhaltensweisen widersprechen unabhängig von ihrer strafrechtlichen Einordnung der im gehobenen Polizeivollzugsdienst geforderten Vorbildfunktion. Von den Beamten im gehobenen Polizeivollzugsdienst ist ein ihrer Funktion angemessenes dienstliches und außerdienstliches Verhalten gegenüber Bürgern und Behörden zu fordern. Dies bezieht sich zum einen auf die Beachtung der im Berufs- und Behördenalltag allgemein üblichen Umgangsformen. Zum anderen ist gerade bei der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten von einem Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes in besonderem Maße ein sachliches, besonnenes und auf Deeskalation bedachtes Auftreten zu verlangen. Diesen Anforderungen wird das Verhalten des Antragstellers in den beiden vom Antragsgegner zum Anlass genommenen Situationen nicht gerecht. Eine andere Einschätzung der Eignung des Antragstellers ergibt sich auch nicht daraus, dass dieser eigenen Angaben zufolge bei dem zweiten Vorfall unter besonderer Anspannung stand, weil gerade dann die Befähigung, vorbildliches Verhalten zu zeigen und ruhig und besonnen zu reagieren, besondere Bedeutung gewinnt. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass Polizeivollzugsbeamte nicht selten mit Situationen konfrontiert sind, in denen Bürger ein aggressives unakzeptables Verhalten an den Tag legen, und es zu den Anforderungen an einen Polizeibeamten gehört, mit derartigen Situationen angemessen umzugehen.

Soweit der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht nicht geprüft, ob die Beleidigung bei dem Polizeieinsatz als Gegenbeleidigung unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gerechtfertigt sein könnte, ist dem nicht zu folgen: Eine Gegenbeleidigung ist ein generell untaugliches Mittel, weitere Beleidigungen abzuwehren. Dies erhellt durch die Regelung des § 199 StGB, die bei wechselseitigen Beleidigungen ein Absehen von Strafe ermöglicht, also von der Rechtswidrigkeit der Gegenbeleidigung typischerweise ausgeht. Maßgebend ist im Übrigen nicht die strafrechtliche Bewertung des Vorfalls vom 5.8.2007, sondern allein das erwiesene Verhalten des Antragstellers und dessen beamtenrechtliche Bewertung.

Soweit der Antragsteller vorbringt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, ein Widerruf nach § 17 Abs. 5 SächsLVOPol könne darauf gestützt werden, dass sich der Antragsteller aufgrund der geschilderten Vorfälle von seiner Persönlichkeit her als "derzeit" ungeeignet erweise, entspricht dies nicht der tatsächlichen Sachlage. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass der Antragsgegner beurteilungsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt sei, dass sich der Antragsteller als ungeeignet zum Aufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst erwiesen habe (S. 6 des Beschlusses). Zur Begründung hat es u. a. darauf abgestellt, dass beim Antragsteller jedenfalls derzeit persönliche Defizite in der Bewältigung von Konfliktsituationen bestehen, die mit den Anforderungen an einen Polizeivollzugsbeamten im gehobenen Dienst nicht in Einklang zu bringen seien (S. 7 des Beschlusses). Diese Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Prognose der Eignung nach Abschluss der Aufstiegsausbildung kann nur auf Grundlage der derzeitigen Sachlage getroffen werden.

Auch der Umstand, dass der Antragsteller bislang in seinen dienstlichen Beurteilungen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte und auch beim Eignungsmerkmal "Sozialkompetenz" gut abschnitt, vermag an der gegenwärtigen Einschätzung seiner Ungeeignetheit für den gehobenen Polizeivollzugsdienst nichts zu ändern. Hierfür kann bereits ein einmaliges Fehlverhalten ausreichen, wenn dieses besonders gravierend ist (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 14.12.2007 - 2 BS 387/07 -). Vorliegend stützt sich die Einschätzung der Ungeeignetheit auf zwei Vorfälle, die sich innerhalb kurzer Zeit ereigneten. Mögen diese jeder für sich genommen auch nicht schwerwiegend gewesen sein, lassen sie jedoch unabhängig von ihrer strafrechtlichen Bedeutung in der Gesamtschau die vom Antragsgegner gezogenen Rückschlüsse auf die soziale Kompetenz des Antragstellers zu.

Darüber hinaus sind entgegen dem Vorbringen des Antragstellers auch keine Ermessensfehler erkennbar. § 17 Abs. 5 SächsLVOPol räumt dem Beklagten kein Ermessen ein, einen Beamten in der Aufstiegsausbildung belassen zu können, wenn dessen Nichteignung feststeht. Mit der Aufstiegsausbildung wird letztlich das Ziel der Übernahme in den gehobenen Dienst verfolgt. Eine solche kommt nach Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 91 Abs. 2 SächsVerf von Verfassungs wegen aber nur dann in Betracht, wenn die dafür erforderliche Eignung gegeben ist. Fehlt es hieran - wie im vorliegenden Fall -, ergibt die Fortsetzung der Ausbildung keinen Sinn mehr, so dass die Zulassung zu widerrufen ist (vgl. zu dem Fall der Entlassung eines Beamten auf Probe wegen fehlender Eignung: BVerwG, Urt. v. 31.5.1990 - 2 C 35/88 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Dabei war der Auffangstreitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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