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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.04.2009
Aktenzeichen: 2 B 305/08
Rechtsgebiete: GG, SächsVerf, SchulG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
SächsVerf Art. 6 Abs. 1
SächsVerf Art. 18 Abs. 1
SchulG § 23 Abs. 3
1. Schülern an Mittelschulen und Gymnasien ist grundsätzlich eine Schulwegdauer von bis zu 60 Minuten und ein mehrfaches Umsteigen zumutbar.

2. Zur gleichheitswidrigen Benachteiligung von Schülern sorbischer Schulen bei der Schülerbeförderung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 305/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Schülerbeförderung; Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 16. April 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 21. August 2008 - 5 L 357/08 - geändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Tochter der Antragsteller Anna XX auch auf dem Hinweg zum Sorbischen Gymnasium Bautzen zumutbar zu befördern, wobei die Gesamtdauer zwischen der Wohnung und dem Schulgelände einschließlich Wegezeiten 60 Minuten nicht übersteigen darf.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsgegner zu 2/5 sowie die Antragsteller als Gesamtschuldner zu 3/5.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 4.272,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 21.8.2008 hat teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, vorläufig eine zumutbare Schulbeförderung ihrer minderjährigen Tochter sicherzustellen, zum Teil zu Unrecht abgelehnt.

Die Antragsteller begehren für ihre Tochter eine vertragsgebundene Schülerbeförderung vom Wohnort zum Sorbischen Gymnasium Bautzen, wobei die Gesamtdauer der zwischen der Wohnung und dem Schulgelände zurückzulegenden Schulwegzeit jeweils 60 Minuten nicht übersteigen dürfe und ein doppeltes Umsteigen während der Wegstrecke zu vermeiden sei. Hilfsweise begehren sie die Änderung der Linienführung eines öffentlichen Verkehrsmittels, weiter hilfsweise eine zumutbare Beförderung zu den genannten Bedingungen. Die Tochter hatte im Rahmen eines zweisprachigen Bildungs- und Erziehungsprojekts ("Witaj-Modellprojekt") einen zweisprachigen (deutsch/sorbisch) Kindergarten besucht. Anschließend wurde sie in die Sorbische Grundschule in Crostwitz eingeschult. Im März 2008 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Beförderung ihrer Tochter zum Sorbischen Gymnasium in Bautzen, das die Tochter inzwischen seit Beginn des Schuljahres 2008/2009 besucht. Den Antrag der Antragsteller auf Bereitstellung eines vertraglich gebundenen Beförderungsmittels lehnte der Antragsgegner ab. Das anschließende Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

Auch den Eilantrag hat das Verwaltungsgericht Dresden mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt. Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Satzung des Antragsgegners sehe vor, dass grundsätzlich nur Kosten für den Besuch der nächstgelegenen oder verkehrsmäßig günstigsten, aufnahmefähigen staatlichen Schule der entsprechenden Schulart erstattet würden. Beim Besuch sorbischer Schulen könnten höhere Beförderungskosten erstattet werden. Ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen (Fahrplanänderungen, Einsatz von Schulbussen) bestehe jedoch nicht. Diese Regelung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Es sei dem Staat nicht zuzumuten, dafür zu sorgen, dass jeder Schüler aus Sachsen mit der entsprechenden Bildungsempfehlung, dem grundsätzlich das Recht zustehe, am Sorbischen Gymnasium in Bautzen unterrichtet zu werden, innerhalb einer zumutbaren Zeit zu einem Sorbischen Gymnasium transportiert werde. Da die Antragsteller und ihre Tochter außerhalb des sorbischen Siedlungsgebietes lebten, treffe den Antragsgegner keine rechtliche Verpflichtung zu zusätzlichen Leistungen. Zwar sei eine Schulwegdauer, die 60 Minuten deutlich überschreite, grundsätzlich nicht mehr zumutbar. Diese Rechtsprechung beziehe sich aber nur auf die nächstgelegene Schule einer Schulart, nicht auf eine Wunschschule, wie hier das Sorbische Gymnasium Bautzen.

Hiergegen wenden die Antragsteller ein, sie hätten sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht für das nächste Gymnasium in Bischofswerda, sondern für das Sorbische Gymnasium in Bautzen entschieden, weil ausschließlich dieses die sorbische Sprachausbildung und ein Fortführen des Witaj-Projektes ermögliche. Deshalb sei das Sorbische Gymnasium das "nächstgelegene" im Sinne der Satzung des Antragsgegners. Sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückfahrt der Tochter seien die grundsätzlich zumutbaren 60 Minuten einschließlich Wege- und Umstiegszeiten deutlich überschritten. Die Dauer des Schulweges sei unzumutbar. Soweit die Satzung des Antragsgegners weitergehende Leistungen, wie eine vertragsgebundene Schülerbeförderung, auch bei unzumutbar langen Schulwegen ausschließe, verstoße sie gegen höherrangiges Recht.

Der Antragsgegner erklärt, zwar respektiere er die Entscheidung der Eltern, ihre Tochter für den Besuch des Sorbischen Gymnasiums anzumelden und verweise sie nicht auf das örtlich nächstgelegene aufnahmefähige Gymnasium in Bischofswerda. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei hier aber zumutbar, obwohl ein Schulweg die Dauer von 60 Minuten teilweise überschreite. Die Zumutbarkeitsgrenze von 60 Minuten gelte nur für die nächstgelegene Schule zur Erfüllung der Schulpflicht, nicht aber für eine besondere Ausbildung.

Die von den Antragstellern fristgerecht dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, führen zu einer Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergeht eine einstweilige Anordnung, wenn das Bestehen eines zu regelnden Anspruchs, des sog. Anordnungsanspruchs, und die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung, der sog. Anordnungsgrund, überwiegend wahrscheinlich sind.

1. Hier haben die Antragsteller einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner ihre Tochter zumutbar zum Sorbischen Gymnasium in Bautzen befördert.

a) Der Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 23 Abs. 3 SchulG, dem verfassungsrechtlich verbürgten Erziehungsrecht der Eltern i. V. m. § 2 Abs. 6 Satz 3 der Satzung über die Erstattung der notwendigen Schülerbeförderungskosten im Landkreis Bautzen.

Das im Verfassungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 101 Abs. 2 Satz 1 SächsVerf) begründete Erziehungsrecht der Eltern umfasst auch die Befugnis zur Wahrnehmung von Rechten des Kindes gegenüber dem Staate. Die Antragsteller können somit das Recht ihrer Tochter auf Schülerbeförderung geltend machen.

Dieses Recht ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Satz 1 SchulG. Danach sind Träger der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen und staatlich genehmigten Ersatzschulen freier Träger der Landkreis oder die Kreisfreie Stadt, in deren Gebiet sich die Schule befindet. Wie die Antragsteller zutreffend ausführen, weist § 23 Abs. 3 Satz 1 SchulG den Landkreisen nicht nur die Aufgabe der Schülerbeförderung zu, sondern vermittelt den Schülern auch ein entsprechendes Recht, die Schülerbeförderungspflicht einzufordern. § 23 Abs. 3 SchulG dient nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen des Schülers, seine Schule zumutbar und zu erschwinglichen Kosten zu erreichen. Eine unzureichende Erfüllung der Schülerbeförderungspflicht des Landkreises verletzt die Schüler und ihre Eltern deshalb in ihren Rechten (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO).

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SchulG sind die Träger zur Beförderung nur im "notwendigen" Umfang verpflichtet. Die näheren Einzelheiten der Beförderung dürfen sie nach Satz 2 in einer Satzung regeln. Hierbei können insbesondere der Umfang und die Abgrenzung der notwendigen Beförderungskosten einschließlich der Festsetzung von Mindestentfernungen, die Höhe und das Verfahren der Erhebung eines Eigenanteils der Schüler oder der Eltern sowie Pauschalen oder Höchstbeträge für die Kostenerstattung, Ausschlussfristen und das Verfahren geregelt werden. Bei der Bestimmung von Umfang und Abgrenzung der notwendigen Beförderungskosten ist dem Landkreis ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt (vgl. NdsOVG, Urt. v. 4.6.2008 - 2 LB 5/07 - juris Rn. 37 für das dortige Landesrecht). Bei der Ausgestaltung hat der Satzungsgeber aber zu beachten, dass der formelle Parlamentsgesetzgeber die Landkreise zur notwendigen Beförderung verpflichtet. Bei der Bestimmung des Umfangs und der Abgrenzung der notwendigen Beförderungskosten muss sich der Verordnungsgeber von sachgerechten Kriterien leiten lassen. Beschränkungen des Anspruchs auf Schülerbeförderung dürfen nicht unzumutbar sein (vgl. NdsOVG, Urt. v. 4.6.2008 a. a. O.). Dies hat in mehrerlei Hinsicht Konsequenzen: Verweist der Satzungsgeber den Schüler auf den Besuch des nächstgelegenen aufnahmebereiten Gymnasiums einer Schulart, muss dem Schüler dies zumutbar sein. Führt er den Schülertransport nicht selbst mit eigenen oder angemieteten Fahrzeugen durch, sondern beschränkt er sich auf eine Erstattung der notwendigen Fahrtkosten, kommt eine Begrenzung auf die für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstandenen Kosten nur dann in Betracht, wenn deren Benutzung zumutbar ist (vgl. NdsOVG, Urt. v. 4.6.2008 a. a. O., Rn. 37 f.).

Von der Satzungsermächtigung hat der Antragsgegner mit seiner Satzung über die Erstattung der notwendigen Schülerbeförderungskosten im Landkreis Bautzen Gebrauch gemacht. Die Grundvorschrift, die das Recht auf Beförderung regelt, findet sich in § 2 der Satzung. Zwar spricht die Vorschrift in der Überschrift und im Text überwiegend nur die "Kostenerstattung" an. Sie regelt aber trotz des etwas missverständlichen Wortlauts nicht nur den Anspruch auf Kostenerstattung, sondern auch den Anspruch auf andere Leistungen. Dies ergibt sich in der Zusammenschau mit § 3, der die Rangfolge der Verkehrsmittel und ihre Zumutbarkeit festlegt, sowie aus § 2 Abs. 6 Satz 4, der sich ausdrücklich zum Anspruch auf "andere Leistungen (Fahrplanänderungen, Einsatz von Schulbussen)" verhält.

Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 der Satzung in der seit 1.8.2007 gültigen Fassung werden grundsätzlich nur Kosten für den Besuch der nächstgelegenen oder verkehrsmäßig günstigsten, aufnahmefähigen staatlichen Schule der entsprechenden Schulart und, soweit vorhanden, der gewählten Ausbildungsspezialisierung, erstattet, d. h. es besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf Beförderung zu dieser Schule. Nach Satz 3 können u. a. beim Besuch sorbischer Schulen höhere Beförderungskosten erstattet werden. Ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen (Fahrplanänderungen, Einsatz von Schulbussen) besteht dann jedoch nicht (Satz 4). Wird eine andere Schule gewählt, werden nach Satz 5 nur die Beförderungskosten erstattet, die beim Besuch der nächstgelegenen oder verkehrsmäßig günstigsten aufnahmefähigen staatlichen Schule oder der Schule des Schulbezirkes entstehen würden. Ausnahmen können nach Absatz 6 und 7 zugelassen werden, u. a. aus pädagogischen Gründen.

Hier ergibt sich ein Anspruch der Tochter auf Beförderung zwar nicht schon aus § 2 Abs. 6 Satz 1 der Satzung, wie die Antragsteller meinen. Nach dieser Vorschrift werden grundsätzlich nur Kosten für den Besuch der nächstgelegenen oder verkehrsmäßig günstigsten, aufnahmefähigen staatlichen Schule der entsprechenden Schulart und, soweit vorhanden, der gewählten Ausbildungsspezialisierung erstattet. Hier ist das nächstgelegene und verkehrsmäßig günstigere Gymnasium das in Bischofswerda. Auch handelt es sich bei dem Sorbischen Gymnasium in Bautzen um keines einer besonderen gewählten Ausbildungsspezialisierung im Sinne der Satzung. Hierfür spricht bereits die Systematik der Vorschrift, die in Satz 3 eine Sondervorschrift zum Besuch sorbischer Schulen vorsieht und damit voraussetzt, dass es sich bei sorbischen Schulen um keine Schulen einer gewählten Ausbildungsspezialisierung handelt. Ansonsten bedürfte es der Regelung in Satz 3 für sorbische Schulen nicht, da dann eine Erstattung bereits zwingend nach Satz 1 erfolgen müsste. Bei der Ausbildungsspezialisierung im Sinne der Satzung dürfte es sich vielmehr um Profile und besondere Bildungswege oder vertiefte Ausbildungen i. S. v. § 7 Abs. 3 und 4 SchulG sowie § 2 Satz 2, § 4 Abs. 1 Schulordnung Gymnasium (SOGY) handeln.

Der Anspruch folgt aber aus § 2 Abs. 6 Satz 3 der Satzung. Danach steht die Erstattung höherer Beförderungskosten u. a. zu sorbischen Schulen im Ermessen des Antragsgegners. Dieses Ermessen ist im vorliegenden Fall auf null reduziert, weil nur die Erstattung höherer Beförderungskosten ermessensfehlerfrei ist. Verweist der Antragsgegner die Tochter der Antragsteller nicht auf den Besuch des nächstgelegenen Gymnasiums in Bischofswerda, sondern akzeptiert er ausdrücklich die Entscheidung der Eltern für den Besuch des Sorbischen Gymnasiums, muss er auch dafür Sorge tragen, dass die Tochter der Antragsteller das Sorbische Gymnasium in Bautzen zumutbar erreichen kann. Der Senat weist indes darauf hin, dass der Verweis an eine andere Schule hier wohl auch nicht zumutbar gewesen wäre, weil die Tochter der Antragsteller, die im Landkreis Bautzen wohnt, bereits einen zweisprachigen Kindergarten und eine zweisprachige Grundschule besucht hat, und der Wunsch der Eltern, diese zweisprachige Ausbildung fortzusetzen, als sachgerecht und naheliegend zu respektieren ist. Dem Grunde nach haben die Antragsteller somit einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner die Schülerbeförderung ihrer Tochter ins Sorbische Gymnasium gewährleistet.

Entgegen der Befürchtung des Verwaltungsgerichts und des Antragsgegners führt dies nicht dazu, dass Schüler aus ganz Sachsen ihr Recht auf Beförderung zu einer sorbischen Schule geltend machen können. Vielmehr wird der Antragsgegner Schüler anderer Landkreise regelmäßig - jedenfalls im Hinblick auf die Beförderungskosten - ermessensfehlerfrei auf den Besuch der nächstgelegenen Schule verweisen können.

b) Der Anspruch der Antragsteller ist, was die morgendliche Hinfahrt zur Schule anbelangt, nicht durch die Erstattung der Fahrtkosten öffentlicher Verkehrsmittel erfüllt.

Die Rangfolge der Verkehrsmittel und die Zumutbarkeit des Schulweges ist in § 3 der Satzung geregelt. Danach erhalten alle Schüler auf Antrag die Fahrtkosten für die Benutzung vorhandener öffentlicher Verkehrsmittel auf ihrem Schulweg. Fußwege zu den Haltestellen sind für Schüler ab der 5. Klassenstufe bis insgesamt vier Kilometer zumutbar. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen ist weiter zumutbar, wenn die Ankunft oder Abfahrt am Schulort in der Regel innerhalb von 60 Minuten zuzüglich Wegezeit vor Beginn oder nach Ende des Unterrichts erfolgt. Ist die genannte Wartezeit nach Schulschluss nicht einzuhalten, obliegt dem Schulträger gemeinsam mit der Schule die Aufsichtspflicht bis zur Abfahrt des nächsten Beförderungsmittels. Ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder zumutbar, ist eine vertragsgebundene Schülerbeförderung oder der Einsatz schulträgereigener Fahrzeuge zu organisieren. Beförderungskosten für die Benutzung privater Kraftfahrzeuge können erstattet werden, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar oder nicht möglich ist und die Beförderung mit einem vertraglich gebundenen oder schulträgereigenen Fahrzeug für den Landkreis wirtschaftlich nachteilig ist.

Diese Regelungen begegnen grundsätzlich keinen Bedenken. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Allerdings sind sie nicht abschließend. Die Satzung regelt nicht, welche Wegezeit insgesamt zumutbar ist.

Die Frage der zumutbaren Wegezeit ist indes in der Rechtsprechung des Senates geklärt. Zur Teilaufhebung von Mittelschulen hat der Senat entschieden, dass Schulwege einschließlich der Fußwege von der Wohnung zur Haltestelle und der Endhaltestelle zur Schule von bis zu 60 Minuten regelmäßig angemessen sind. Eine absolute Obergrenze von 60 Minuten besteht aber nicht. Beruht ein 60 Minuten übersteigender Schulweg etwa auf einer atypischen Wohnsituation eines Schülers, die einen längeren Fußweg zur nächsten Haltestelle erfordert, kann auch ein 60 Minuten übersteigender Schulweg ausnahmsweise zumutbar sein. Auf die Begründung des Beschlusses des Senats vom 3.11.2005 (LKV 2006, 326) wird Bezug genommen. An dieser zu § 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 SchulG ergangenen Rechtsprechung hält der Senat auch im Hinblick auf § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG fest. Beide Vorschriften betreffen die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Schulwegbedingungen oder -entfernungen. In § 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 SchulG wird dies ausdrücklich im Wortlaut ausgeführt. Auch im Rahmen des Tatbestandes von § 23a Abs. 3 Satz 1 kommt es zur Ausfüllung des Tatbestandes der "notwendigen Beförderung" - wie ausgeführt - auf die Frage der Zumutbarkeit der Schulweglänge an. Auch die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte geht - soweit ersichtlich - zumindest für die Sekundarstufe I grundsätzlich von einer Zeit von bis zu 60 Minuten aus (vgl. z. B. NdsOVG, Urt. v. 4.6.2008 a. a. O. Rn. 54; die Überschreitung der 60 Minuten wird dort wegen des Sonderfalles des Besuchs eines Gymnasiums mit überregionalem Bildungsangebot eines anderen Bundeslandes für vertretbar erachtet).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Tochter der Antragsteller für den Hinweg gegenwärtig eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Für eine atypische Wohnsituation der Schülerin liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Weg vom Wohnhaus der Antragsteller bis zur Haltestelle Stacha beträgt hier nur rund 600 Meter. Auch die Tatsache, dass die Tochter der Antragsteller ein sorbisches Gymnasium besucht, begründet keinen atypischen Fall, weil sich das Gymnasium in ihrem Wohnortlandkreis befindet. Es ist somit von einer Höchstgrenze von 60 Minuten auszugehen. Nach der vom Antragsgegner für den Hinweg vorgeschlagenen "Variante 1" beträgt die Dauer des Schulwegs ca. 72 Minuten (von 6.05 Uhr bis 7.17 Uhr). Dabei berücksichtigt der Senat Fußwege je 200 Meter mit 3 Minuten (vgl. NdsOVG, Urt. v. 4.6.2008 a. a. O. Rn. 51). Andere zumutbare Schulwegvarianten sind nicht ersichtlich.

c) Einem weitergehenden Anspruch der Antragsteller steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Antragsgegners auch § 2 Abs. 6 Satz 4 der Satzung nicht entgegen. Die Vorschrift ist - jedenfalls soweit sie sorbische Schulen betrifft - mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und mithin nichtig.

Nach § 2 Abs. 6 Satz 4 der Satzung besteht u. a. beim Besuch sorbischer Schulen kein Anspruch auf zusätzliche Leistungen (Fahrplanänderungen, Einsatz von Schulbussen). Das verstößt gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) sowie die Verpflichtung des Staates aus Art. 6 Abs. 1 SächsVerf, die sorbische Sprache und Kultur zu schützen und zu fördern sowie die Sorben als gleichberechtigten Volksteil zu behandeln.

Die Vorschrift führt dazu, dass Schüler, deren Eltern den Besuch einer sorbischen Schule wählen, gegenüber Schülern, deren Eltern eine bestimmte (andere) Ausbildungsspezialisierung wählen, benachteiligt werden, ohne dass hierfür Gründe vorliegen, die nach ihrer Art und nach ihrem Gewicht eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 der Satzung werden Schülern, die eine Schule bestimmter Ausbildungsspezialisierung, die im Landkreis vorhanden ist, besuchen, die notwendigen Kosten erstattet. In Verbindung mit § 3 Abs. 4 Satz 1 der Satzung haben sie ggf. auch einen Anspruch auf den Einsatz von Schulbussen oder eine vertragsgebundene Schülerbeförderung. Ein solcher Anspruch wird in § 2 Abs. 6 Satz 4 für den Besuch sorbischer Schule ausgeschlossen.

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Willkürverbot ist genüge getan, wenn sich für die Differenzierung ein sachlicher Grund finden lässt. Dagegen verlangt die Verhältnismäßigkeitsbindung darüber hinaus, dass zwischen Normadressaten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Bei der verschiedenen Behandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber grundsätzlich der strengen Verhältnismäßigkeitsbindung, wohingegen bei der verschiedenen Behandlung von Sachverhalten regelmäßig lediglich die Willkürkontrolle eingreift. Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.1993, BVerfGE 88, 87, 96 f.; SächsOVG, Beschl. v. 8.12.2008 - 2 B 316/08 - juris). Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen, die nicht an personengebundene Merkmale anknüpft, sondern an einen Sachverhalt, kommt den Besonderheiten des geregelten Lebens- und Sachbereichs für die Frage, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, erhebliche Bedeutung zu. Dabei sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1997, BVerfGE 95, 267, 317 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 8.12.2008 a. a. O.).

Hier knüpft die Ungleichbehandlung an das Verhalten der Eltern und Schüler, nämlich die Wahl einer Ausbildungsstätte, an. Diese Wahl können die Erziehungsberechtigten und die Schüler zwar beeinflussen. Das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen, ist aber verfassungsrechtlich verbürgt (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 29 Abs. 1 SächsVerf). Auch wenn sich aus der freien Wahl der Ausbildungsstätte wohl kein Recht auf Schülerbeförderung ableiten lässt, ist die durch das einfache Recht gewährleistete Schülerbeförderung für die Ausübung der freien Wahl der Ausbildungsstätte von Bedeutung. Die Sicherstellung der Schülerbeförderung erleichtert die freie Wahl der Ausbildungsstätte, indem sie dafür Sorge trägt, dass die gewünschte Ausbildungsstätte auch zumutbar erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass im Fall der sorbischen Schulen eine Ungleichbehandlung auch den Auftrag des Landes zur Förderung der sorbischen Sprache, Kultur und Überlieferung, insbesondere durch Schulen, berührt (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf). Wegen des Grundrechtsbezugs und des Bezugs zu verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderpflichten den Sorben gegenüber greift hier der strenge Verhältnismäßigkeitsmaßstab ein. Für eine Ungleichbehandlung des Besuchs sorbischer Schulen und Schulen verschiedener Ausbildungsspezialisierungen bei der Schülerbeförderung müssen deshalb Unterschiede von solcher Art und solchen Gewicht vorliegen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Solche sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Die Ungleichbehandlung führt hier auch ausnahmsweise unmittelbar zu einer Einbeziehung der Tochter der Antragsteller in die begünstigende Regelung der Schülerbeförderung. Der Satzungsgeber hat hier nur die Möglichkeit, den Gleichheitsverstoß durch Einbeziehung der Schüler sorbischer Schulen zu korrigieren. Die Behebung des Gleichheitsverstoßes dadurch, dass unabhängig von der Ausbildungsspezialisierung nur noch die Kosten zur nächstgelegenen oder verkehrsgünstigsten Schule erstattet werden, würde der Verpflichtung aus § 23 Abs. 3 Satz 1 SchulG, die notwendige Schülerbeförderung sicherzustellen, zuwiderlaufen. Diese Verpflichtung erfordert es - wie ausgeführt - die Schülerbeförderung zu einer entfernteren oder schlechter zu erreichenden Schule sicherzustellen, wenn der Verweis auf die nächste oder verkehrsgünstigste Schule nicht zumutbar ist. Befindet sich im Landkreis eine Schule der gewünschten Ausbildungsspezialisierung, ist ein Verweis auf eine nähergelegene oder besser zu erreichende Schule regelmäßig unverhältnismäßig und damit nicht zumutbar.

Zudem verstößt die Benachteiligung von Schülern sorbischer Schulen, was die Schülerbeförderung anbelangt, gegenüber Schüler anderer Schulen auch unmittelbar gegen die Verpflichtung des Landes zur Förderung der sorbischen Sprache und Kultur (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf) sowie gegen das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf garantierte Recht der Sorben auf Gleichberechtigung, indem es auch sorbischen Schülern den Besuch sorbischer Schulen erschwert. Angesichts des bereits festgestellten Gleichheitsverstoßes kann offenbleiben, ob sich die Antragsteller als Nichtsorben auch auf diese Verstöße berufen können.

d) In welcher Weise der Antragsgegner den Anspruch erfüllt, liegt in seinem Ermessen.

Wie der Antragsgegner die Schülerbeförderung organisiert, d. h. ob er sie selbst durch schulträgereigene Fahrzeuge, durch eine vertragsgebundene Schülerbeförderung oder aber durch Ersatz der notwendigen Kosten sicherstellt, obliegt grundsätzlich seinem Ermessen. Die Antragsteller haben deshalb grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Schülerbeförderung, z. B. durch vertragsgebundene Beförderung, die mit dem Hauptantrag geltend gemacht wird, oder die Änderung der Linienführung eines öffentlichen Verkehrsmittels, die mit dem ersten Hilfsantrag begehrt wird. Vielmehr obliegt es im zumutbaren Rahmen dem Antragsgegner zu entscheiden, ob die Schülerbeförderung durch eigene Fahrzeuge, durch vertragsgebundene Beförderung oder durch Veränderung der Linienführung eines öffentlichen Verkehrsmittels sichergestellt wird.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Satzung des Antragsgegners. Zwar finden sich in § 3 Abs. 4 Regelungen zur Reihenfolge der Verkehrsmittel. Danach hat der Landkreis in Fällen, in denen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder zumutbar ist, die Wahl, eine vertragsgebundene Schülerbeförderung oder den Einsatz schülerträgereigener Fahrzeuge zu organisieren. Als ungenannte Möglichkeit kommt auch eine Änderung der Linienführung der öffentlichen Verkehrsmittel in Betracht, die dazu führt, dass die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar wird.

Wegen der Wahlmöglichkeit des Antragsgegners bleiben die beiden gestellten Hauptanträge, die auf eine spezifische Schülerbeförderungsart gerichtet sind, ohne Erfolg. Erfolg hat aber hinsichtlich der Hinfahrt der weiter hilfsweise gestellte Antrag, soweit mit ihm begehrt wird, die Tochter der Antragsteller auf Kosten des Antragsgegners abzüglich eines Eigenanteils zu zumutbaren Bedingungen innerhalb von 60 Minuten zur Schule zu befördern.

2. Die Sache ist eilbedürftig.

Eine Entscheidung in der Hauptsache würde zu spät kommen, um der Tochter der Antragsteller eine zumutbare Schülerbeförderung noch im laufenden Schuljahr zu ermöglichen. Das Recht der Antragsteller wäre deshalb bei Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumindest teilweise endgültig vereitelt. Deshalb ist hier auch die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt.

3. Im Übrigen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

Hinsichtlich des Rückweges hat der Antragsgegner den Anspruch der Antragsteller auf Beförderung ihrer Tochter von der Schule nach Hause durch Übernahme der Fahrtkosten eines öffentlichen Verkehrsmittels bereits erfüllt. Für die Rückfahrt kann die Tochter der Antragstellerin die vom Antragsgegner vorgeschlagene "Variante 3" über Großhähnchen wählen, die weniger als 60 Minuten dauert. Gegen diese Rückfahrtvariante haben die Antragsteller im durchgeführten Erörterungstermin keine Einwendungen erhoben.

Diese Variante ist der Tochter der Antragsteller nicht nur an Tagen zuzumuten, an denen die Schule um 14.50 Uhr endet, sondern auch an den übrigen Tagen, an denen die Schule um 13.20 Uhr oder 14.05 Uhr endet. Da die Schule täglich eine Ganztagsbetreuung einschließlich Hausaufgabenbetreuung anbietet, kann die Tochter diese bis 14.15 Uhr oder 15.00 Uhr in Anspruch nehmen, um anschließend mit dem Bus die Rückfahrt um 15.10 Uhr anzutreten. Zwar ist es nachvollziehbar, dass sie an Schultagen, an denen die Schule vor 14.50 Uhr endet, am liebsten gleich nach Hause fahren würde. Allein ihr Wunsch, möglichst schnell nach Hause zu kommen, führt aber nicht dazu, dass der Antragsgegner diesem Wunsch entsprechen muss. Dies müsste er nur, wenn der Tochter der Antragsteller ein weiteres Verbleiben an der Schule unzumutbar ist, z. B. weil keine Betreuung gesichert ist.

Die Anträge bleiben auch insoweit ohne Erfolg, wie die Antragsteller sich gegen ein doppeltes Umsteigen ihrer Tochter wenden. Einem Kind an einer weiterführenden Schule ist ein mehrfaches Wechseln der in Anspruch genommenen Verkehrsmittel grundsätzlich zumutbar (vgl. NdsOVG, Urt. v. 4.6.2008 a. a. O. Rn. 55).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG. Haupt- und Hilfsanträge sind nicht zusammenzurechnen, weil sie wirtschaftlich denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG). Wegen der zumindest teilweise begehrten Vorwegnahme der Hauptsache erscheint eine Halbierung des Streitwertes nicht angezeigt (vgl. Nummer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedr. z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15 Aufl., Anh § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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