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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: 2 B 353/07
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1
Zur Frage der wesentlichen Mitverursachung eines Dienstunfalles.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 353/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Dienstunfallfürsorge nach dem Beamtenversorgungsgesetz

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 24. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 19. April 2007 - 3 K 548/04 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 19.4.2007 ist zulässig aber unbegründet, weil weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die Rechtssache die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufweist (Nr. 2).

Der Kläger, der als Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) tätig war, begehrt mit seiner Klage die Anerkennung eines Dienstunfalles. Er hatte am 18.12.2001 beim Lesen eines Schreibens des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 17.12.2001, in dem er darauf hingewiesen wurde, dass geprüft werde, ob gegen ihn ein Disziplinarverfahren einzuleiten sei, und er um Stellungnahme gebeten wird, einen Schock erlitten, der zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressive Episode, einem Tinnitus, einer Insomnie sowie einer generalisierten Angst geführt hat. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Charakters der Dienstunfallvorschriften sowie von Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge könnten bloße Mitteilungen einer den Beamten betreffenden Personalentscheidung oder eine das Beamtenverhältnis als solche betreffende dienstrechtliche Mitteilung den Dienstunfallbegriff nicht erfüllen. Etwas anderes könne nur beim Hinzutreten weiterer Umstände, die den Rahmen der normalen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses übersteigen, gelten. Dies sei etwa der Fall bei verletzenden Äußerungen von Dienstvorgesetzten. Das Schreiben des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) halte sich aber im Rahmen der sozialen Adäquanz. Zwar sei die Mitteilung, es werde geprüft, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten sei, kein alltäglicher Vorgang. Die rechtliche Möglichkeit, gegen einen Beamten ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die Anhörung des Beamten hierzu seien jedoch dem Beamtenverhältnis immanent. Ungeachtet dessen fehle es auch am erforderlichen Dienstbezug i. S. d. § 31 Abs. 1 BeamtVG, weil der Kläger bei Erhalt des Schreibens nicht im Dienst, sondern dienstunfähig erkrankt gewesen sei. Er habe sich auch nicht in einer mit dem Dienstherrn abgesprochenen Wiedereingliederungsphase befunden.

Hiergegen wendet der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrages ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass hier gerade weitere Umstände vorlägen, die den Rahmen der normalen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses überstiegen. Im Kontext dieser Umstände halte sich das Schreiben des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst nicht mehr im Rahmen der sozialen Adäquanz. Bereits seit gut vier Jahren hätten an der HTW verheerende Umstände bestanden, die man als Mobbing bezeichnen könne. Es habe einen Beschwerdebrief von ca. 18 Kollegen an den damaligen Staatsminister sowie eine bemerkenswerte Fluktuation beim Lehrpersonal gegeben. Zu den vom Dekan gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen habe bereits am 29.1.2001 ein Gespräch im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst stattgefunden, in dem der Kläger sämtliche Vorwürfe habe entkräften können. Er habe bei dem Gespräch das Gefühl gehabt, Gehör gefunden zu haben. Vor diesem Hintergrund habe das Schreiben vom 17.12.2001, das ihn am darauf folgenden Tag erreicht habe, eine vernichtende und verheerende Wirkung gehabt. Zu diesem Ergebnis kämen auch die ärztlichen Stellungnahmen, die der Kläger im Verfahren vorgelegt und denen das Verwaltungsgericht keine ausreichende Bedeutung beigemessen habe. Ernstliche Zweifel bestünden auch soweit, wie das Verwaltungsgericht den erforderlichen Dienstbezug verneint habe. Der Kläger habe sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in einer mit seinem Dienstherrn abgesprochenen Wiedereingliederungsphase befunden. Er habe sich zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens bei der Vorbereitung der Vorlesung "Finanzierung und Investition für WING-Finanzierung" befunden. Darüber hinaus sei die Berufung auch wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen. Diese ergäben sich aus den ärztlichen Stellungnahmen, die das Verwaltungsgericht nur unzureichend berücksichtigt habe, sowie in Bezug auf den Nachweis der Dienstunfähigkeit. Auch sei die Subsumtion des vorliegenden Falles unter die Vorschrift des § 31 BeamtVG rechtlich schwierig.

Der Beklagte entgegnet, das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Kausalität der Mitteilung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens für die Erkrankungen des Klägers verneint.

1. Das Urteil begegnet nicht den an seiner Richtigkeit geltend gemachten ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen dann, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten so infrage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss zu beurteilen ist. Eine Zulassung der Berufung scheidet aus, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 16.4.2008, SächsVBl. 2008, 191, 192; st. Rspr.).

Hier hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Anerkennung als Dienstunfall zumindest im Ergebnis zu Recht verneint.

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass an der Argumentation des Verwaltungsgerichtes, es fehle an dem erforderlichen Dienstbezug i. S. v. § 31 Abs. 1 BeamtVG, weil er dienstunfähig erkrankt gewesen sei, Zweifel bestehen. Erhält der Kläger während seiner Dienstunfähigkeit von seinem Dienstherrn ein Schreiben, das sich auf sein Dienstverhältnis und nicht seinen eigenwirtschaftlichen Bereich bezieht, lässt sich der dienstliche Bezug nur schwer verneinen. Dies erhellt bereits die Tatsache, dass eine Verweigerung der Annahme des Schreibens des Dienstherren dienstrechtliche und disziplinarrechtliche Folgen haben könnte.

Jedenfalls aber war dieses Schreiben - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - nicht die wesentliche Ursache im Sinne des Dienstunfallrechts für die Erkrankung des Klägers.

Ursächlich (mitursächlich) im Sinne des Dienstunfallrechts sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur solche für den eingetretenen Schaden ursprüngliche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Hiernach ist unter mehreren zusammenwirkenden Bedingungen eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatten (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.6.1988, BVerwGE 80, 4 ff. m. w. N.).

Bei dem Ereignis am 18.12.2001 handelt es sich bei objektiver Betrachtung und Wertung offensichtlich nicht um ein Ereignis, das ohne eine entsprechende Prädisposition oder ohne eine vorangegangene lang dauernde Belastungssituation eine posttraumatische Belastungsstörung hervorrufen kann. Die hier u. a. diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung stellt nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems" eine "Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde", dar (F43.1 der ICD-10, abrufbar unter: www.icd-code.de; vgl. zudem: VG Saarland, Urt. v. 9.12.2008 - 3 K 21/08 - juris und beck-online). Allein die Ankündigung der Prüfung eines Disziplinarverfahrens begründet bei einem gesunden und unvorbelasteten Beamten keine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes. Sie ist bei objektiver Betrachtung nicht geeignet, bei fast jedem tiefe Verzweiflung hervorzurufen.

Somit hat das Schreiben vom 17.12.2001 zwar wohl als der "letzte Tropfen" das "Maß zum Überlaufen gebracht". Gleichwohl war es aber im Sinne des Dienstunfallrechtes nur eine untergeordnete Ursache. Wesentliche Ursachen des Zusammenbruchs des Klägers und der anschließenden posttraumatischen Belastungsstörung sind vielmehr die langjährige vorangegangene berufliche Belastungssituation, das schlechte Betriebsklima und das vom Kläger als solches empfundene "Mobbing". Dies dürfte neben einem Todesfall in der Familie auch der Grund dafür gewesen sein, dass der Kläger seit Oktober 1995 häufig erkrankt war, sich ab April 2001 einer psychosomatischen Behandlung unterzogen und vom 24.4. bis 23.5.2001 eine Fachklinik aufgesucht hat.

War wesentliche Ursache des Dienstunfalls indes nicht das Lesen des Schreibens am 18.12.2001, sondern die vorangegangene langjährige Belastungssituation, scheidet die Anerkennung eines Dienstunfalls aus. Schädliche Dauereinwirkungen im dienstlichen Bereich sind kein Dienstunfall (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.5.1960, BVerwGE 11, 229, 230). "Plötzlich" ist ebenso wie "örtlich und zeitlich bestimmbar" ein Begriffsmerkmal des Unfalls, das der Abgrenzung von länger dauernden Einwirkungen dient, die sich als bloße Dienstbeschädigungen darstellen.

Die vom Verwaltungsgericht und vom Kläger aufgeworfene Frage, ob sich das Schreiben des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 17.12.2001 im Rahmen der sozialen Adäquanz hält oder hier besondere Umstände vorliegen, die das Schreiben nicht mehr als sozialadäquat erscheinen lassen, kann deshalb letztlich offenbleiben.

2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtsache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht (SächsOVG, Beschl. v. 16.4.2008, SächsVBl. 2008, 191, 194).

Soweit der Kläger auf die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen verweist, lässt sich daraus eine besondere tatsächliche Schwierigkeit nicht herleiten. Sowohl die Erkrankung wie die Traumatisierung des Klägers stehen nicht im Streit. Entscheidend ist vielmehr, wodurch diese im rechtlichen Sinne hervorgerufen wurden. Im rechtlichen Sinne wesentliche Ursache war indes - wie ausgeführt - nicht die Kenntnisnahme von dem Schreiben, sondern das vorangegangene länger dauernde Geschehen. Auch die Auslegung von § 31 BeamtVG bereitet hier keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten. Vielmehr sind der Begriff des Dienstunfalles und der maßgebliche Ursachenbegriff in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.5.1960 a. a. O.; Urt. v. 24.10.1963, BVerwGE 17, 59 ff.; Urt. v. 12.2.1971, BVerwGE 37, 203 ff.; Urt. v. 30.6.1988 a. a. O. sowie Urt. v. 18.4.2002, NVwZ-RR 2002, 761).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 62 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG. Da maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung gemäß § 40 GKG die den Rechtszug einleitende Antragstellung ist, ist für das Zulassungsverfahren der inzwischen erhöhte Auffangstreitwert von 5.000,- € anzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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