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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2009
Aktenzeichen: 2 B 378/08
Rechtsgebiete: SächsBG


Vorschriften:

SächsPÜG § 1
SächsBG § 36
Die Rechtmäßigkeit der Abordnung eines Beamten mittels abstrakter Zuweisung von Dienstgeschäften bei einem anderen Dienstherrn erfordert, dass bei Erlass der Abordnungsverfügung von einer amtsangemessenen Beschäftigung des Beamten bei dem neuen Dienstherrn auszugehen ist.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Beschluss

Az.: 2 B 378/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abordnung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke am 26. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 24. Oktober 2008 - 3 L 373/08 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 28. Juli 2008 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aus vom Antragsteller dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, als unrichtig. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der auf-schiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Abordnungsverfügung vom 28.7.2008 mit der Begründung abgelehnt, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache als offen zu beurteilen seien, indessen die Folgenabwägung zulasten des Antragstellers ausgehe.

Der Antragsteller wendet hiergegen mit der Beschwerde ein, seine Abordnung an den Beigeladenen sei formell und materiell rechtswidrig erfolgt. Der Antragsteller sei nicht ordnungs-gemäß angehört worden. Für die Abordnung fehle ein dienstliches Bedürfnis: Eine amtsangemessene Verwendung des Antragstellers bei dem Beigeladenen sei nicht möglich. Der Antragsteller werde derzeit beim Referat Umwelt geführt, ohne dass ihm dort konkrete Aufgaben übertragen seien. Die fehlende Einsatzmöglichkeit des Antragstellers sei dem Antragsgegner bereits vor Erlass der Abordnungsverfügung aufgrund des durchgeführten Schiedsverfahrens bekannt gewesen. Mangels Verwendungsmöglichkeit des Antragstellers bei dem Beigeladenen bestehe auch kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abordnungsverfügung.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht stand: Zum einen ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts davon auszugehen, dass der eingelegte Rechtsbehelf aller Voraussicht nach Erfolg haben wird (1). Zum anderen begegnet die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Folgenabwägung rechtlichen Bedenken (2).

1) Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 158 m. w. N.) erweist sich die Abordnungsverfügung des Antragsgegners vom 28.7.2008 als rechtswidrig. Gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 3 SächsBG kann die Abordnung eines Beamten an einen anderen Dienstherrn zu einer seinem Amt entsprechenden Tätigkeit erfolgen, wenn hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht.

Von der Amtsbezogenheit der Abordnung, also einer Abordnung zu einer amtsangemessenen Tätigkeit, kann vorliegend aufgrund der dem Senat im Eilverfahren möglichen Aufklärung des Sachverhalts nicht die Rede sein. Wegen der Eilbedürftigkeit ergeben sich Einschränkungen für die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung; die Entscheidung ergeht deshalb aufgrund der von den Beteiligten vorgelegten bzw. den sonstigen in angemessener Zeit verfügbaren Beweismittel, glaubhaft gemachter Tatsachen sowie überwiegender Wahrscheinlichkeiten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 125 m. w. N.). Nach dem substantiierten Vorbringen des Antragstellers, das dieser durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat, wurden ihm seit seinem Dienstantritt bei dem Beigeladenen keine amtsangemessenen Aufgaben zugewiesen. Er werde derzeit organisatorisch beim Referat Umwelt geführt, wo ihm im Laufe der Zeit ein Dienstzimmer und ein Rechner zugewiesen worden seien; ein Geschäftsverteilungsplan existiere nicht. Nach dem vorgelegten Organigramm des Beigeladenen ist dem Antragsteller keine leitende Tätigkeit übertragen; im Telefonverzeichnis wird der Antragsteller bei dem Referat Umwelt, jedoch ohne Zuordnung zu einem Sachgebiet, genannt.

Gegenüber diesen substantiierten Angaben ist das pauschale Vorbringen des Antragsgegners, der Antragsteller "plane und überwache die gesamten Aufgaben des Umweltbereichs des Landratsamtes" kaum nachzuvollziehen und deshalb wenig überzeugend. Der Senat geht des-halb davon aus, dass der Antragsteller seinen Angaben entsprechend von Beginn der Abordnung an nicht amtsangemessen beschäftigt wird.

Des Senat geht des weiteren davon aus, dass dieser Umstand dem Antragsgegner als abordnendem Dienstherrn bei Erlass der Abordnung bekannt war. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus der dem Senat vorgelegten Dokumentation des Schiedsverfahrens nach § 5 SächsPÜG, das im Vorfeld der Abordnung im Juli 2008 zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen durchgeführt wurde. Der Beigeladene bat damals um Zuweisung eines anderen Bediensteten, da eine Stelle der Besoldungsgruppe A 16 außerhalb der Gruppe der kommunalen Wahlbeamten nicht vorgesehen sei und insofern eine amtsangemessene Verwendung des Antragstellers dem Grunde nach nicht möglich sei. Wegen der Kürze der wegen Altersteilzeit verbleibenden aktiven Dienstzeit sei auch die Qualifizierung des Antragstellers für eine seiner Besoldung annähernd entsprechende Stelle nicht zu leisten.

Angesichts dieser Sachlage kann die gleichwohl "sehenden Auges" erfolgte Abordnung des Antragstellers wegen fehlender Amtsbezogenheit rechtlich keinen Bestand haben. Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des Senats vom 26.11.2008 - 2 B 272/08 - verweist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt:

"Nach wohl überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, ist es für die Abordnung ausreichend, dass abstrakte Dienstgeschäfte an einer bestimmten Dienststelle ohne weitere Konkretisierung der Aufgabenstellung zugewiesen werden (vgl. OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 4.12.1985, ZBR 1986, 298; Woydera/Summer/Zängl, Sächsisches Beamtengesetz, Kommentar, Stand Juni 2008, § 36 E 2 b m. w. N.; Müssig, Rechtsprobleme der beamtenrechtlichen Abordnung, ZBR 1990, 109, 114 m. w. N.; a. A. VGH BW, Urt. v. 21.10.1975, ZBR 1976, 154). Nicht erforderlich ist dagegen die Zuordnung zu einem einzelnen Amt im konkret-funktionellen Sinn (zur Unterscheidung vgl. Woydera/Summer/Zängl a. a. O., § 36 E 2 c). Dies folgt zum einen aus der Überlegung, dass § 36 SächsBG, soweit darin von einer 'dem Amte entsprechenden Tätigkeit' die Rede ist, nicht die Bedeutung eines selbständigen Tatbestandsmerkmals hat, sondern auf den Anspruch des Beamten auf amtsgemäße Verwendung als allgemeinen, nicht auf das Rechtsinstitut der Abordnung beschränkten beamtenrechtlichen Grundsatz verweist (so OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 4.12.1985 a. a. O. m. w. N.; a. A. VGH BW, Urt. v. 21.10.1975 a. a. O.). Für ein solches Verständnis der 'amtsangemessenen Tätigkeit' spricht auch, dass gemäß § 36 Abs. 4 SächsBG bei Abordnung zu einem anderen Dienstherrn auf den Beamten die für den Bereich des 'neuen' Dienstherrn geltenden Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Beamten mit Ausnahme der Regelungen über Diensteid, Amtsbezeichnung, Besoldung und Versorgung entsprechende Anwendung finden. Hieraus ergibt sich, dass die Bestimmung der Pflichten des Beamten und damit die Zuweisung einer konkreten Tätigkeit typischerweise nicht durch den abordnenden, sondern den 'neuen' Dienstherrn erfolgt. Zum anderen dürfte die Festlegung des neuen Dienstpostens bei einem anderen Dienstherrn in der Abordnungsverfügung mangels entsprechender Organisationsgewalt des abordnenden Dienstherrn bereits rechtlich unmöglich sein; etwas anderes dürfte nur gelten, wenn die Zuweisung eines konkreten Dienstpostens mit dem neuen Dienstherrn zuvor vereinbart wurde (dazu Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., Rn 127, FN 140). Aufgrund dieser Erwägungen geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner den Antragsteller abstrakt dem Beigeladenen als neuem Dienstherrn zuordnen konnte, ohne dem Antragsteller zugleich einen bestimmten Dienstposten zuzuweisen. In diesem Fall hat die später erfolgte konkrete Dienstpostenzuweisung durch den Beigeladenen keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der zuvor durch den Antragsgegner erfolgten Abordnung. Hieraus folgt zugleich, dass dem Antragsteller bei einer nicht amtsangemessenen Verwendung Rechtsschutz nicht im Verhältnis zum abordnenden Dienstherrn zu gewähren ist, sondern der Beamte sich gegen eine nicht amtsadäquate Verwendung mit der allgemeinen Leistungsklage wehren muss, die gegenüber dem 'neuen' Dienstherrn zu erheben ist (Müssig a. a. O., 119)."

Die zitierte Entscheidung stellt lediglich fest, dass eine rechtmäßig ergangene Abordnungsverfügung durch eine später erfolgende nicht amtsangemessene Beschäftigung durch den auf-nehmenden Dienstherrn nicht berührt wird. Sie verhält sich jedoch nicht zu der hier maßgeblichen Frage, welche Auswirkungen es auf die Rechtmäßigkeit der Abordnungsverfügung hat, wenn im Zeitpunkt ihres Erlasses der abordnende Dienstherr sichere Kenntnis darüber hat, dass eine amtsangemessene Beschäftigung bei dem neuen Dienstherrn ausgeschlossen ist. So liegen die Dinge hier: Nach den Erkenntnissen aus dem Schiedsverfahren war für den Antragsgegner klar, dass eine amtsangemessene Beschäftigung des Antragstellers bei dem Bei-geladenen bereits mangels einer vorhandenen Planstelle A 16 nicht möglich war. Ob und in welcher Form eine "annähernd angemessene Beschäftigung" realisierbar war, kann dahinstehen, da § 36 Abs. 1 SächsBG die Abordnung zu einer amtsentsprechenden Tätigkeit verlangt. Verfügt aber der Dienstherr die Abordnung in sicherer Kenntnis, dass er hierdurch gegen den allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsatz auf amtsangemessene Beschäftigung verstößt, stellt sich die Abordnungsverfügung bereits aus diesem Grund als rechtswidrig dar.

Zum gleichen Ergebnis führt die Prüfung eines dienstlichen Bedürfnisses. Der unbestimmte Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum des Dienstherrn ist gerichtlich grundsätzlich voll überprüfbar (vgl. Woydera/Summer/Zängl a. a. O., § 36 E 8 m. w. N.). Ein für die Abordnung notwendiges dienstliches Bedürfnis ist hier zu verneinen, da es kein rechtliches Interesse des Dienstherrn daran geben kann, einen Beamten ohne dessen Zustimmung nicht amtsangemessen zu beschäftigen. Ob der Antragsgegner daneben - wie der Antragsteller meint - im Rahmen der Auswahl des Antragstellers gegen die maßgeblichen Verfahrensbestimmungen des SächsPÜG verstoßen hat, kann deshalb offen bleiben.

Mangels Amtsbezogenheit der geplanten Abordnung und mangels Vorliegens eines dienstlichen Bedürfnisses ist schließlich auch das dem Antragsgegner im Hinblick auf die Abordnung eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden.

2) Im Rahmen der Folgenabwägung führen die oben dargelegten rechtlichen Mängel der Abordnungsverfügung dazu, dass ein die Belange des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abordnung nicht gegeben ist. Zum einen kann grundsätzlich kein schützenswertes Interesse am Vollzug einer rechtswidrigen Verfügung bestehen. Zum anderen kann hier im Besonderen kein Nachteil darin gesehen werden, dass der Antragsteller im Falle des Obsiegens bei dem Beigeladenen keinen Dienst leisten muss. Eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Hand, wie sie das Verwaltungsgericht angenommen hat, ist nicht zu befürchten, da der Antragsteller nach seinem substantiierten Vorbringen vom Beigeladenen gerade nicht benötigt wird, um die Erfüllung von dessen Aufgaben zu gewährleisten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht zu erstatten, da dieser keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG, wobei der Auffangstreitwert wegen des Charakters des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren war.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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