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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.07.2009
Aktenzeichen: 2 B 417/09
Rechtsgebiete: SächsHG, SächsHSG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

SächsHG § 13 Abs. 4 S. 2
SächsHSG § 81
VwGO § 123
ZPO § 920 Abs. 2
1. Mitglieder des Senats einer Hochschule sind vor der Beratung oder Beschlussfassung möglichst vollständig über die zu beratenden oder beschließenden Gegenstände zu unterrichten.

2. Die Verletzung des Informationsrechts des Senators führt zur Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses.

3. Zur (hier verneinten) Dringlichkeit einer vorläufigen Sicherung des Informationsrechts des Senators.


Sächsisches OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 417/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Hochschulrechts; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn

am 21. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20. Juli 2009 - 2 L 197/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 20.7.2009 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, ihm vor einer Sitzung des vorläufigen Senats die jeweiligen Protokolle der Sitzungen der Studienkommission zur Kenntnis zu geben, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht begründet seine ablehnende Entscheidung damit, es bestünden bereits Zweifel an der Antragsbefugnis des Antragstellers. § 81 Abs. 5 SächsHSG weise das vom Antragsteller geltend gemachte Auskunfts- und Informationsrecht wohl nur dem Senat als Organ und nicht dem einzelnen Senator zu. Jedenfalls fehle es dem Antragsteller an einem Anordnungsanspruch. Der Senat sei nach § 13 Abs. 4 Satz 2 SächsHSG beim Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen lediglich zu beteiligen. Zur Abgabe einer fachlichen Stellungnahme des Senates sei es aber ausreichend, wenn den Senatoren die Entwürfe der Studien- und Prüfungsordnungen übersandt würden. Stellungnahmen zuvor beteiligter Gremien seien für die Wahrnehmung der Aufgaben des Senates nicht erforderlich.

Hiergegen wendet der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung ein, sein Anspruch folge nicht aus § 81 Abs. 5 SächsHSG, sondern aus seiner Stellung als gewähltes Mitglied des Senates der Technischen Universität. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Vorlage der Stellungnahmen der Studienkommission für eine sachgerechte Stellungnahme des Senates, der das zentrale akademische Leitungsgremium der Hochschule sei, erforderlich. In der Studienkommission sei eine besondere Fachkompetenz angesiedelt. Zudem seien gem. § 91 Abs. 3 Satz 5 SächsHSG Beschlüsse der Studienkommission zur Organisation des Lehr- und Studienbetriebes bindend, sofern der Fakultätsrat nicht mit einer Mehrheit von zwei Drittel seiner Mitglieder etwas anderes beschließe. Auch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gehe von der Notwendigkeit der Vorlage der Stellungnahmen der Studienkommission aus. Auf den Hinweis des Senates hin, dass Zweifel am Eilbedürfnis bestehen, hat der Antragsteller vorgetragen, er habe bereits in der letzten Sitzung vergeblich versucht, eine Vertagung der Abstimmung über Studien- und Prüfungsordnungen zu erreichen. Er habe keine Erkenntnisquelle, wann anschließend mit der abschließenden Befassung, der Ausfertigung und Verkündung zu rechnen sei. Die Beteiligten müssten zeitnah Rechtsklarheit über die Wirksamkeit der Satzungen haben.

Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergeht eine einstweilige Anordnung, wenn das Bestehen eines zu regelnden Anspruchs, des sog. Anordnungsanspruchs, und die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung, der sog. Anordnungsgrund, überwiegend wahrscheinlich sind.

Hier spricht zwar viel dafür, dass der Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts den geltend gemachten Anordnungsanspruch hat (1). Es fehlt indes offensichtlich an einem Anordnungsgrund (2).

1. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller aus seiner Stellung als Mitglied des Senates ein Recht darauf ableiten kann, vor Senatssitzungen über die Beschlussgegenstände und die Stellungnahmen vorher zu Beteiligender informiert zu werden.

Träger dieses Informationsanspruches sind die einzelnen Organmitglieder. Ebenso wie das Rederecht und das Fragerecht steht das Informationsrecht nicht dem Senat selbst, sondern originär dem einzelnen Mitglied des Vertretungsorgans zu (vgl. OVG NRW, Urt. v. 5.2.2002 - 15 A 2604/99 - juris Rn. 14 ff. für den Kommunalverfassungsstreit). Demgegenüber steht das allgemeine Recht auf die Erteilung von Berichten, wie es in § 81 Abs. 5 SächsHSG geregelt ist, nur dem Senat als Ganzem zu.

Das Abstimmungs- und Beratungsrecht der Senatoren setzt voraus, dass über den Beratungsgegenstand die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen. Das Informationsrecht des einzelnen Mitglieds des Vertretungsorgans dient nicht nur einer größtmöglichen Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, sondern auch dem Schutz etwaiger Minderheitenpositionen. Nur durch eine möglichst umfassende und unterschiedslose Informationsmöglichkeit aller Mitglieder wird eine praktikable Möglichkeit eröffnet, eigene und vom Mehrheitsvotum abweichende Vorstellungen einzubringen und eine geänderte Beschlussfassung zu erwirken (vgl. OVG NRW a. a. O. Rn. 38). Dies gilt insbesondere für den Senat als Hochschulgremium, der gem. § 81 Abs. 2, § 50 Abs. 1 SächsHSG nach Gruppen zusammengesetzt ist, bei denen typischerweise von einer unterschiedlichen Interessenlage auszugehen ist.

Der Umfang des Informationsanspruches bestimmt sich nach der Art der anstehenden Entscheidung im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Informationsrecht der Organmitglieder eine Möglichkeit zu möglichst vollständiger Information über den zur Entscheidung oder Diskussion stehenden Gegenstand verlangt.

Danach dürften hier für eine vollständige Information der Senatsmitglieder über die zur Abstimmung gestellten Studien- und Prüfungsordnungen nicht nur deren Entwürfe, sondern auch bereits vorliegende Stellungnahmen anderer zu Beteiligender dem Informationsrecht unterfallen. Dies gilt insbesondere für die Stellungnahmen der besonders fachkompetenten und sachnahen Studienkommissionen, aus denen sich für das übergeordnete Organ wichtige fachliche und sachliche Hinweise ergeben können. Gegen eine Information sprechende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Jedenfalls gegenwärtig fehlt es dem Antragsteller jedoch offensichtlich an einem Anordnungsgrund.

Eine Entscheidung über den Antrag des Antragstellers ist jedenfalls gegenwärtig, d. h. vor Beschlussfassung im Senat und im Fakultätsrat, nicht dringlich. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung würde hier die Hauptsache vorwegnehmen, weil dem Antragsteller der geforderte Informationsanspruch zuerkannt würde. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache ist nur dann zulässig, wenn sie zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sowie Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 14 m. w. N.).

Hier sind irreparable oder schwere Nachteile für den Antragsteller oder auch Dritte jedenfalls gegenwärtig nicht zu besorgen. Der Antragsteller hat zunächst die Möglichkeit und die Obliegenheit, die nach seiner Meinung unzureichende Information in der Senatssitzung (erneut) geltend zu machen und Anträge auf Informationsgewährung oder Vertagung zu stellen. Sollte gleichwohl eine Beschlussfassung des Senates erfolgen, so hat die Verletzung des organschaftlichen Informations- und Mitwirkungsrechtes des Antragstellers die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses zur Folge (vgl. OVG NRW a. a. O. Rn. 23). Ist die vom Senat abgegebene Stellungnahme rechtswidrig und damit nichtig, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Senates. In einem solchen Fall dürfte der Fakultätsrat die Studien- und Prüfungsordnung nicht beschließen. Der Fakultätsrat muss zumindest das ordnungsgemäße Verfahren prüfen. Hierbei ist auch zu prüfen, ob der Senat ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Rechtswidrigkeit eines unter Verletzung seines Informationsrechtes zustande gekommenen Beschlusses kann der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren im Wege der Feststellungsklage rügen. Zur Abwehr erheblicher Nachteile Dritter - insbesondere auch der Studenten und Mitarbeiter der jeweiligen Fakultät - ist eine Entscheidung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls nicht erforderlich. Zwar trifft der Hinweis des Antragstellers, dass bald Klarheit über die Wirksamkeit der Studien- und Prüfungsordnungen bestehen muss, zu. Auch hierzu muss aber nicht vor einer Beschlussfassung durch den Fakultätsrat über die Studien- und Prüfungsordnung Eilrechtsschutz gewährt werden. Vielmehr wäre es ausreichend, einen gegebenenfalls bereits gefassten Beschluss im Wege der gerichtlichen Eilentscheidung vorläufig zu suspendieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Für die Kostenverteilung im gerichtlichen Verfahren kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller im universitätsverfassungsrechtlichen Verfahren ein organisationsinterner Erstattungsanspruch zusteht (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 2.6.2009 - 4 B 287/09 - für den Kommunalverfassungsstreit).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Wegen der mit dem Antrag erstrebten Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Halbierung des Regelstreitwertes nicht angezeigt (vgl. Nummer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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